und im Gemeinderat mit dieser Argumentation nicht durch setzen konnten. Auch da meine ich: Sie müssen sehen, dass das Ganze etwas mit demokratischen Prozessen zu tun hat. Sie konnten sich mit Ihren Argumenten im Rahmen des Plan feststellungsverfahrens nicht durchsetzen. Insofern finde ich es schwierig,
dass Sie heute hier sagen, die anderen müssten Ihnen zuhö ren, die anderen müssten Ihre Argumente übernehmen, wir aber zugleich feststellen, dass es wenig Bereitschaft gibt, sich auch mit unseren Argumenten auseinanderzusetzen.
Gestatten Sie mir die Bemerkung: Ich befürchte, dass sich der jenige, der auf der Straße „Lügenpack“ skandiert, mit dem Zu hören durchaus etwas schwertut.
Deswegen ist es für uns wichtig, in diesen Dialog zu kommen. Deswegen machen wir heute dieses Angebot. Ich würde mich freuen, wenn jeder in der Lage wäre, diesem Angebot auch einmal offen gegenüberzustehen. Geben Sie Herrn Geißler die Chance, diesen Dialog entsprechend zu beginnen.
Ich vermute, dass Sie durchaus auch in Ihrer eigenen Frakti on schon einmal damit beginnen können, zu zeigen, wie so et was funktionieren kann.
(Heiterkeit bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Auch das ist eine Kunst! – Heiterkeit – Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP/DVP – Abg. Klaus Herrmann CDU: Herr Schmie del, sind Sie ein Künstler? – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das war heute der beste Satz von Herrn Schmiedel! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Ein „Kunst-Schmiedel“!)
Worum geht es mir? Ich glaube, wer sagt: „Wir wollen, dass die Bevölkerung Vertrauen hat und dass die Bevölkerung auch in Zukunft Vertrauen in die Politik hat“, sollte zuvorderst die Verfassung achten und sie verteidigen.
Ich finde, kein Bauprojekt ist es wert, die Verfassung, die müh sam und in Kenntnis unserer Geschichte erarbeitet wurde, der art zu verdrehen, nur damit man zu dem Ergebnis kommt, das man haben will.
Herr Schmid argumentiert, dass es eine Spaltung in diesem Land gebe und diese nur durch eine Volksabstimmung aufzu heben sei. Ich garantiere Ihnen, dass zuvor eine weit tiefere Spaltung durch dieses Land geht. Denn wer zugleich sagt, er kämpfe für dieses Projekt, aber allein das Einstehen für die ses Projekt führe zu einer Spaltung und deswegen bräuchten wir die Volksabstimmung, der führt eine weitere Spaltung her bei.
Wir – auch als Verantwortliche in der Politik – müssen in der Lage sein, tiefer zu gehen, deutlich zu machen, um was es uns geht, und ganz bewusst sagen: Wir bieten den Dialog an und wollen, dass man sich gemeinsam dafür einsetzt und zu einem Konsens im Rahmen des Möglichen kommt.
Herr Kretschmann, ich teile Ihre Auffassung: Wenn es ein Konsens über Fakten wäre, wäre es ein erster Schritt und ein erster Erfolg. Aber dafür gilt auch, dass man bereit ist, das ent sprechend zu machen.
Ein Letztes will ich noch zu dem ansprechen, was Sie, Herr Kretschmann, sagten; denn diese Aussage halte ich gegenüber
den Kollegen hier im Haus für schwierig. Wenn Sie sagen, dass bei Projekten eine Durchwinkmentalität bestünde,
ist dies ein Angriff auf jeden Einzelnen, der gerade vor mir sitzt. Denn damit unterstellen Sie auch, dass diese Kollegen sich nicht so intensiv wie andere mit dem Projekt beschäftigt hätten.
Bei diesem Projekt herrschte nie eine Durchwinkmentalität, sondern immer eine intensive Auseinandersetzung.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Tho mas Blenke CDU: Sehr gut! – Abg. Martin Rivoir SPD: Genau!)
Deswegen gilt – auch im Respekt gegenüber Heiner Geißler – der Satz: Lassen Sie uns von heute, von diesem Tag an, das Signal aussenden, und zwar in die Stadt Stuttgart, zur breiten Bürgerschaft, zur breiten Protestbürgerschaft – das gilt sowohl für die Befürworter des Projekts Stuttgart 21 als auch für die Gegner –: Wir als diejenigen, die die demokratische Legiti mierung dieses Prozesses bisher vorangebracht haben, sind in der Lage, diesen Prozess auch gemeinsam zu begehen.
Wir werden demjenigen, der sich dieser schwierigen Aufga be stellt, keine weiteren Hürden in den Weg legen, sondern wir wollen, dass wir zu einem vernünftigen Ergebnis kom men, auch um sicherstellen zu können, dass es auch in Zu kunft in diesem Land noch möglich ist, Investitionen zu täti gen und Zukunftsprojekte voranzutreiben. Denn ansonsten werden wir Gefahr laufen, das, was diejenigen vor uns ge schafft haben, wieder herzugeben. Deswegen möchte ich da für werben: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und sagen Sie: Heiner Geißler ist ein guter Vermittler.
Wir sind bereit, ihm zu vertrauen. Wir glauben, dass er in der Lage ist, hier einen entsprechenden Vorschlag zu erarbeiten. Diesen Respekt hat er verdient.
Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Ich möchte jetzt nicht das wiederholen, was schon gesagt wurde. Aber ich darf etwas nicht stehen las sen, was jetzt schon mehrfach behauptet wurde, nämlich dass wir Sozialdemokraten die Verfassung nach unserem Gutdün ken zurechtbiegen würden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Sozialdemokraten ist die Verfassung ein hohes Gut. Bei der Entscheidung über
das Ermächtigungsgesetz haben Sozialdemokraten dagegen gestimmt, und diese waren es, die hinterher ins KZ gingen.
Herr Kirchhof sagt, Artikel 60 Abs. 3 der Landesverfassung verlange einen materiellen Gegensatz zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit. Da müsse ein richtiger inhaltlicher Dissens vorliegen. Das sei keine reine Formvorschrift.
Zunächst einmal ist das eine Behauptung. Es gibt ja auf den ersten Blick keinen Präzedenzfall. Also muss man genauer schauen: Welche Präzedenzfälle gibt es? Das ist mit der Ver trauensfrage im Bundestag vergleichbar.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich zweimal mit diesem Thema befasst: einmal mit der Vertrauensfrage von Bundes kanzler Kohl und einmal mit der Vertrauensfrage von Bun deskanzler Schröder. Da spielte folgende Frage die zentrale Rolle: Muss das Vertrauen wirklich nicht mehr vorhanden sein, oder ist das eine reine Formvorschrift? Das Bundesver fassungsgericht kam zweimal zu dem Ergebnis
(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber im Grundgesetz steht nichts von einem Gesetz, wohl aber in der Landesverfassung!)