In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Scheuermann, finde ich es unangemessen, wenn derjenige, der als künftiger Vor sitzender des Gremiums berufen werden soll, das genau die sen Polizeieinsatz aufklären soll, das die Gründe finden soll, warum dies so schiefgelaufen ist, bevor das Gremium über haupt zusammentritt in der Öffentlichkeit feststellt, dass alles in Ordnung gewesen sei, dass alles verhältnismäßig gewesen sei, dass dieser Untersuchungsausschuss eigentlich nicht zu sammentreten müsste.
Ich schätze Sie persönlich sehr, aber das, was Sie da machen, ist völlig unangemessen und eigentlich inakzeptabel.
Es geht also um die Aufklärung des Einsatzes selbst, es geht aber auch um die Aufklärung der politischen Verantwortung. Alle haben erklärt, sie hätten überhaupt keine Verantwortung.
Herr Innenminister, das geht gar nicht. Natürlich ist der In nenminister in jedem Fall politisch verantwortlich, selbst dann, wenn er von nichts weiß.
(Heiterkeit bei der SPD und den Grünen – Abg. Jür gen Walter GRÜNE: Der Innenminister weiß nicht, wie Kastanien aussehen!)
Die politische Verantwortung bleibt. Wir glauben hierbei nicht an Zufälle, dass sich in der Einsatzplanung der Polizei plötz lich so viel ändert. Wie viel sich da geändert hat, das will ich authentisch zitieren, und zwar aus einem Interview mit dem Polizeipräsidenten Stumpf am 29. Juni 2010. Auf die Frage „Sie rechnen demnach nicht mit dem Einsatz von Wasserwer fern oder Tränengas?“ sagte Herr Stumpf wörtlich:
Tränengas haben wir zwar noch, aber vom Einsatz sol cher Mittel halte ich gar nichts – auch weil das einen star ken symbolischen Charakter hat und uns keine Sympathi en einbringen würde. Und unseren Wasserwerfer haben wir Ende der 1970er-Jahre aussortiert. Seitdem gibt es nur noch welche bei der Bereitschaftspolizei, die müssten wir anfordern. Wasser haben wir übrigens zuletzt Anfang der 1970er-Jahre aus Feuerwehrschläuchen verspritzt vor der Halle 6 bei einem Rockkonzert am Killesberg. Dort hatten sich die Massen an den Kassen schier zu To de gedrückt.
Der Polizeipräsident schließt also aus, dass Tränengas und Wasserwerfer zum Einsatz kommen, von Pfefferspray ist gar nicht die Rede. Das war auch über viele Wochen hinweg die Linie der Polizei, auch dann, als es zu Demonstrationen auch in Verbindung mit Sitzblockaden vor dem Nordflügel gekom
men war. Natürlich gab es da Rempeleien und verbale Atta cken. Sicherlich haben auch da schon einige über die Stränge geschlagen. Aber insgesamt war es doch ein ausgesprochen friedlicher Verlauf. Jetzt plötzlich geht das alles anders.
Wir glauben hier nicht an einen Zufall, sondern wir müssen aufklären, welcher Zusammenhang damit besteht, dass Herr Ministerpräsident Mappus selbst das Thema als sein Wahl kampfthema entdeckt hat und man auch im Vorfeld dieses Ein satzes verbal aufgerüstet hat – auch Sie, Herr Kollege Hauk –, indem man die Demonstranten pauschal als Altkommunis ten, als Berufsdemonstranten, als wohlstandsverwöhnt und was weiß ich was abqualifiziert hat,
Deshalb müssen wir natürlich dem Zusammenhang nachge hen, welche politische Verantwortung, welche politische Ein flussnahme es – ob direkt oder indirekt, egal, aus welchem Ministerium, auch aus dem Staatsministerium, egal, auf wel cher Ebene – für diesen Einsatz gibt.
(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Thomas Blenke CDU: Sonst hätte er sich nicht gemeldet! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Er hat meistens drei Fragen! – Ge genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Es lohnt sich, ihm zuzuhören!)
Herr Kollege Schmiedel, Sie ha ben das Interview mit Herrn Polizeipräsident Stumpf genannt und sagen, da hätte sich etwas geändert, also müsse das auf politischer Intervention beruhen. Könnte es auch sein – ich drücke mich sehr vorsichtig aus –, dass sich die polizeiliche Lage in der Zwischenzeit vielleicht geändert hat?
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Sehr gut! – Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist aber gefährlich! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Was soll sich da geändert haben?)
Ich könnte Ihre Frage verste hen, Herr Kollege Müller, wenn Herr Stumpf der Einzige wä re, auf den ich mich bei meinem Verdacht stützen würde. Aber ein Polizeipräsident a. D. hat nach dem Einsatz erklärt, das sei völlig gegen die Linie der Polizei in Stuttgart, das sei völlig gegen die taktische Linie, die seither gefahren wurde, und er
Ein früherer Rektor der Polizeihochschule, der jetzt in einem anderen Bundesland tätig ist, hat sich ähnlich ausgelassen. Es gibt Erklärungen aus der Gewerkschaft der Polizei heraus, die genau dies unterstellen. Jetzt ist es doch symptomatisch: Die jenigen, die sich äußern, sind alle frühere Bedienstete des Lan des oder solche in Gewerkschaftsfunktionen, die nicht unter der direkten Dienstanweisung des Innenministers stehen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich sagen, Herr Innenminister, dass wir nicht akzeptieren und nicht dulden, wenn gegen kri tische Polizisten, die sich auch in der Öffentlichkeit äußern, disziplinarisch vorgegangen wird. Das kann nicht sein.
Dasselbe sage ich in Richtung von Herrn Scheuermann, der erklärt hat, es gebe dort keine politische Verantwortung. Im Übrigen steht das in einem zentralen Gegensatz zu dem, was der Ministerpräsident selbst gesagt hat. Er hat gesagt: „Ich ha be keine Verantwortung dafür, ich habe auch keine Probleme, ich lege alles auf den Tisch.“ Gestern haben wir aber von Ih nen und anderen gehört, dass Sie ganz unten bei den einfa chen Polizisten anfangen und sich langsam hocharbeiten wol len und dann irgendwann im neuen Jahr der Ministerpräsident dran ist. Ich frage Sie: Wenn er nichts zu verbergen hat und alle Karten auf den Tisch legen will, warum fangen wir dann nicht mit ihm an?
(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Thomas Blenke CDU: Wenn Sie schon zitie ren, dann zitieren Sie richtig!)
Jetzt möchte ich noch auf zwei Themen eingehen, die im Vor feld dieser Debatte in der Öffentlichkeit eine Rolle gespielt haben. Das eine ist die Frage: Wann soll ein Untersuchungs ausschuss eingesetzt werden?
Wir als SPD-Fraktion haben das Aufklärungsinteresse in ei nem Berichtsantrag artikuliert, den wir eingebracht haben – übrigens als Einzige –, um eine Fach- und Sachklärung zu ma chen.
Dann gab es aus der Öffentlichkeit heraus – auch aus der SPD heraus – die Erwartung, dass wir das möglichst beschleuni gen, damit nicht noch einmal Wochen vergehen, bis man den Untersuchungsausschuss einrichtet,
auch weil Äußerungen aus der Gewerkschaft der Polizei und aus anderen Polizeikreisen – ich habe sie gerade zitiert – na helegen, dass tatsächlich mehr dahinter ist, als die Regierung heute einzuräumen bereit ist.
Wir haben deshalb unseren Antrag sehr klug, wie ich finde, mit dem Untersuchungsauftrag verknüpft, um keine Zeit zu verlieren, und wir können deshalb, wenn die Antwort auf un seren Antrag vorliegt, unmittelbar mit der Arbeit beginnen.
Ich weise darauf hin: Wir haben absichtlich als Termin für die Beendigung der Arbeit des Untersuchungsausschusses Ende Januar vorgesehen, weil wir nicht wollen, dass in der heißen Phase des Wahlkampfs im Februar/März der Untersuchungs ausschuss hineinspielt.
Ich mache noch einmal deutlich: Es liegt an Ihnen, Herr Mi nisterpräsident, Herr Innenminister, wann die Arbeit beginnen kann. Die Arbeit kann dann beginnen, wenn die Fragen, die wir in unserem Antrag gestellt haben und die Sie schon eini ge Wochen auf dem Tisch liegen haben, beantwortet werden; denn sie beschreiben den Untersuchungsgegenstand.
Eine zweite Debatte hat es gegeben, und zwar ausgehend von den Kollegen von den Grünen, die meinten, unseren Antrag in der Öffentlichkeit qualifizieren zu müssen. Das weise ich in aller Entschiedenheit zurück.
Es passt wirklich nicht, zu meinen, hier parteipolitische Schar mützel pflegen zu müssen, und zu sagen, die SPD würde ei nen „Untersuchungsantrag light“ stellen. Das geht überhaupt nicht. Deshalb muss ich das hier auch richtigstellen. Was Sie heute hier mit Ihrem Änderungsantrag beantragen, sind nicht einmal Schönheitsreparaturen an einem Antrag.
Nicht einmal Schönheitsreparaturen! Sie beantragen in Ab schnitt I lauter Zusätze, die Gegenstand von konkreten Be weisanträgen in einem Untersuchungsausschuss sind. Sie stel len z. B. eine Frage hinsichtlich eines eventuellen Einsatzes von „Agents Provocateurs“. Genau dies ist eine Frage nach der Einsatzplanung, nämlich wie sie angelegt war und was da vorgesehen war. Um genau dem nachzugehen, werden wir dann, wenn der Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde, einen entsprechenden Beweisantrag stellen.