Protokoll der Sitzung vom 28.10.2010

(Beifall bei den Grünen – Abg. Albrecht Fischer CDU: Um Gottes willen!)

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Rülke das Wort.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oje! – Zuruf von der CDU: Jetzt kommt Qualifikation!)

Herr Präsident, lie be Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Paul Locherer, zunächst kann ich sagen, dass die Fraktion der FDP/DVP der CDU-Fraktion für diesen Antrag dankbar ist. Denn in diesem Haus kann dadurch wieder deutlich gemacht werden, dass der ländliche Raum für das Land Baden-Württemberg wichtig ist.

Wir müssen uns, wenn wir uns die Frage stellen, was man für den ländlichen Raum tun kann, was für den ländlichen Raum notwendig ist, dann auch die Frage stellen, was wir für die bäuerlichen Betriebe tun müssen. Wir müssen deutlich ma chen, dass diese bäuerlichen Betriebe Teil unserer Gesamt wirtschaft sind, dass die Landwirtschaft Teil unserer Gesamt wirtschaft ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl Rombach CDU: Bravo!)

Wir haben in den letzten beiden Tagen viel über die Wirtschaft des Landes und die Entwicklung der Wirtschaft im Land ge redet. Es ist wichtig, deutlich zu machen, dass der ländliche Raum und die Landwirtschaft insgesamt Teil dessen sind.

Ich glaube, vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise muss man die Entwicklung der Landwirt schaft einmal näher betrachten. Dabei stellt man in der Tat fest, Herr Kollege Murschel, dass die Wertschöpfung in die sem Bereich sinkt. Im Gegensatz zu Ihnen kann ich allerdings nicht erkennen, dass die Landwirtschaftspolitik in BadenWürttemberg den Zielen in der Europäischen Union diamet ral entgegenlaufen würde. Im Gegenteil, ich glaube, wir kön nen an vielen Beispielen und auch an vielen Programmen, bei spielsweise des Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernäh rung und Verbraucherschutz, zeigen,

(Abg. Albrecht Fischer CDU: MEKA!)

dass wir diese Programme aufgreifen und sie für den ländli chen Raum fruchtbar machen. Deshalb sehe ich hierbei durch aus eine Zielidentität unserer Landwirtschaftspolitik mit dem, was in Brüssel beschlossen wird.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Karl Rombach CDU: Sehr gut!)

Im Antrag der CDU vom September 2009 wurde damals zu Recht befürchtet, dass ein weiterer schmerzhafter Preisrück gang für landwirtschaftliche Produkte eintreten würde. Glück licherweise haben sich die Preise insbesondere im Bereich des Weizens und der Milch positiv entwickelt. Die Preise lagen damals etwa bei der Hälfte der Preise von heute. Mittlerwei le sind wir wieder bei 22 € pro Dezitonne bzw. 36 Cent pro Liter angekommen.

Ich denke, dass der Absatz wieder zur alten Stärke zurückge funden hat, und wir verzeichnen eine stabile Vorwärtsbewe gung. Jetzt können auch anlaufende Preisverhandlungen durchaus zu Preisverbesserungen für die Landwirte führen. Nicht nur unsere Wirtschaft, meine Damen und Herren, son dern auch die Landwirtschaft in Baden-Württemberg hat sich eindrucksvoll zurückgemeldet, und damit steigen auch die Möglichkeiten, die die bäuerlichen Betriebe als Wirtschafts betriebe haben.

Das gilt genauso für die regenerativen Energien, die der Land wirtschaft zusätzliche Impulse geben. Beispiele sind eine Viel zahl von Biogasanlagen. Gerade im Bereich der Bioenergie ist die baden-württembergische Landwirtschaft in erheblichem Maß tätig.

Dasselbe gilt auch für die Solaranlagen. Wenn man durchs Land fährt, sieht man, dass mittlerweile sehr viele Bauernhö fe Solaranlagen haben. Die steigende Tendenz ist trotz der Kürzungen im Subventionsbereich ungebrochen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Sagen Sie noch dank wessen!)

Dank der umfangreichen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene ist die Landwirt schaft in Baden-Württemberg auf dem richtigen Weg.

Ich glaube, dass wir auch zeigen können, dass die wesentli chen Ziele, die die EU für die Landwirtschaft formuliert hat – z. B. die mindestens gleichbleibende Höhe des Agrarhaus halts, das Festhalten am Zwei-Säulen-System, die Beschrän kung der Marktinterventionen auf Krisenzeiten, ein angemes senes Sicherheitsnetz und letztlich mehr Effizienz in der Land wirtschaft, um die Klimabilanz zu verbessern –, durchaus Zie le sind, die sich in der Landwirtschaftspolitik dieser badenwürttembergischen Regierungskoalition wiederfinden. So wollen wir das auch im Interesse des ländlichen Raums fort setzen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Ursula Haußmann SPD: Was hat der jetzt gesagt? Gar nichts, oder?)

Für die Landesregie rung erteile ich dem Minister für Ernährung und Ländlichen Raum, Herrn Köberle, das Wort.

(Zuruf: Und Verbraucherschutz!)

Das steht nicht im Antrag. Sie müssen die Vorlage lesen.

Bitte, Herr Minister Köberle.

Minister für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbrau cherschutz Rudolf Köberle: Lieber Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren, liebe Kolleginnen, lie be Kollegen! Das Jahr 2009 wird sicher so ähnlich wie das Jahr 1929 in die Geschichte eingehen als das Jahr der Krise, als das Jahr der Krise auf dem Finanzmarkt, in der deutschen Wirtschaft und weltweit.

Auch für die Landwirtschaft war das Jahr 2009 ein Krisenjahr mit roten Zahlen und einer schwierigen Situation. Wenn wir

dieses Jahr 2009 auf der Zeitschiene des Strukturwandels po sitionieren, dann werden wir feststellen, dass für viele Höfe im Umfeld dieser Krise das Aus anstand.

Aber, Herr Kollege Murschel, zum Strukturwandel aus Ihrer Sicht ist es schon eine eigenartige Interpretation,

(Zuruf von der CDU: Wie so vieles!)

wenn Sie in dieser schwierigen Krisensituation versuchen, ei nen Prozess jetzt an eine Landesregierung oder an deren Ent scheidungen anzubinden. Sie blenden nämlich völlig aus, dass der Strukturwandel bei uns in Baden-Württemberg etwas völ lig anderes ist als der Strukturwandel in anderen Regionen Deutschlands, geschweige denn in anderen Regionen Euro pas.

Wir haben im ländlichen Raum ein dichtes Netz, in dem die Menschen, die in der Landwirtschaft keine Perspektive mehr haben, eine neue, eine andere Perspektive bekommen. Wenn Sie sich die aktuellen Arbeitsmarktzahlen anschauen, dann se hen Sie, dass sie in Baden-Württemberg besser als in Deutsch land und innerhalb Baden-Württembergs in den ländlichen Räumen besser als in den städtischen Räumen sind. Das be weist die gelungene Begleitung des Strukturwandels.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Abg. Paul Locherer CDU: So ist es!)

Wenn Sie den Leuten einreden, man könne den Strukturwan del mit ein paar politischen Beschlüssen oder ein paar Euro aufhalten, dann machen Sie den Leuten falsche Hoffnungen und machen ihnen etwas vor.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: So wie im mer! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das können die am besten!)

Eine zweite Anmerkung; dann legen wir Ihre Rede einmal bei seite, weil sie im Vergleich zu allen anderen Reden, die bis her zu diesem Thema gehalten worden sind, wirklich kein konstruktiver Beitrag war.

(Abg. Jochen Karl Kübler CDU: Hört, hört!)

Hinsichtlich der Aussage, die Landesagrarpolitik sei im Zu sammenhang mit den aktuellen Debatten in der europäischen Agrarpolitik isoliert, will ich Ihnen einmal sagen, wer isoliert ist: nicht die baden-württembergische Politik, sondern der ein zige grüne Landwirtschaftsminister, den wir im Bundesgebiet haben. Wenn Sie die letzte Agrarministerkonferenz in Lübeck miterlebt hätten, hätten Sie genau feststellen können, wo die Front zwischen reiner Ideologie und gemeinsamer Anstren gung bezüglich der Fragen verläuft: Was ist die richtige Wei terentwicklung bzw. die richtige Reaktion auf die Schwierig keiten, die wir in Deutschland in der Agrarpolitik haben?

(Zuruf von der CDU: Sehr gut!)

Und: Wie müssen wir uns in einer schwierigen Auseinander setzung auf europäischer Ebene gemeinsam positionieren, da mit wir für Deutschland und die hiesige Landwirtschaft so viel wie möglich herausholen?

In dieser Frage lässt es sich mit den Kollegen von der SPD, auch wenn es nicht immer einfach ist, immer sachlich und letztlich mit der gleichen Zielrichtung zusammenarbeiten und zu guten Ergebnissen kommen. Deshalb gehen die Abstim mungen in der Agrarministerkonferenz nicht 9 : 7 oder ähn lich aus – CDU/CSU und FDP auf der einen Seite und Rot und Grün auf der anderen Seite –, sondern 15 : 1. Angesichts dessen frage ich Sie, wer sich isoliert. Das ist hundertprozen tig nicht Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP sowie des Abg. Fritz Buschle SPD)

Wir hatten im Jahr 2009 Schwierigkeiten. Wir haben sie je doch weder gewünscht noch verursacht. Aber wir haben in unserem Land alles getan, damit wir diese Probleme bewälti gen können.

Kehren wir wieder konkret zur Landwirtschaft und noch kon kreter zur Milchwirtschaft zurück. Erfreulicherweise hat sich die Marktlage wieder deutlich verbessert. Unsere Milchvieh halter – vor allem die, die von der Größe, von der Struktur her richtig aufgestellt sind – können wieder mit einigem Optimis mus in die Zukunft blicken.

Ich will das anhand einiger weniger Fakten erläutern. Wir ha ben in der Gemeinsamen Europäischen Marktordnung zum Glück ein Sicherheitsnetz vorgesehen. Dieses Netz hat die Milchpreise, die 2008/2009 im freien Fall waren, abgefangen und – wenn auch auf einem niedrigen Niveau – stabilisiert. Es hat sich gezeigt, dass wir auf europäischer Ebene auch künf tig derartige Sicherheitsmaßnahmen brauchen.

Es wird einer der zentralen Punkte sein, für die wir streiten müssen – dafür gibt es aber eine Mehrheit; in dieser Hinsicht sind wir ebenfalls nicht isoliert –, dass wir auch in Zukunft – vor allem dann, wenn alle produktbezogenen Stützungsmaß nahmen im Rahmen der Liberalisierung des Marktes wegfal len, wenn wirklich wieder einmal eine Krise ansteht; man hat es nie in der Hand, bei welchem Produkt der Weltmarkt wann in Turbulenzen gerät – auf ein europäisches Sicherheitsnetz bauen können.

Die wichtigsten Faktoren für die Wende zum Positiven waren ohne Zweifel die Erholung der weltweiten Nachfrage und deutlich verbesserte Exportmöglichkeiten der Europäischen Union, sowohl was die Menge als auch was den Preis angeht.

Bei allen Milchprodukten lag der Export der EU im ersten Halbjahr 2010 gegenüber 2009 um 14 % höher. Mit den bes seren Markterlösen konnten die Milcherzeugerpreise von 22 Cent pro Liter auf jetzt durchschnittlich etwa 32 Cent pro Liter – Tendenz hoffentlich weiterhin leicht steigend – ange hoben werden.

Die Marktdaten weisen auf eine stabile Marktentwicklung auch in den kommenden Monaten hin. Das ist auch dringend notwendig. Die Milcherzeuger müssen nämlich gleich zwei Wirtschaftsjahre mit unbefriedigendem Gewinn verkraften. Dieser lag im Wirtschaftsjahr 2008/2009 lediglich bei durch schnittlich 36 000 € je Unternehmen oder bei unter 25 000 € je Familienarbeitskraft. Die Schätzung für das im Juni abge schlossene Wirtschaftsjahr 2009/2010 lässt einen nochmali gen leichten Rückgang erwarten.

Damit kann kaum Eigenkapital gebildet werden. Rund ein Drittel der Betriebe verbucht Eigenkapitalverluste. Eigenka pital wäre gerade jetzt richtig und wichtig, um die Betriebe weiterzuentwickeln, damit sie sich auf dem globalen Markt entsprechend positionieren können und investieren können.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestat ten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Winkler?