Ministeriums für Arbeit und Soziales – Wiederaufnah me der Landesförderung für Schulsozialarbeit – Druck sache 14/4829
Ministeriums für Arbeit und Soziales – Schulsozialar beit in Mitverantwortung des Landes – Drucksache 14/4892
Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport – „Infor mationskampagne zur Qualitätsoffensive Bildung“ un verzüglich stoppen – Drucksache 14/6086
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung zu a fünf Minuten, zu b und c fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.
Frau Präsidentin, sehr ge ehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es herrscht hier im Haus, aber vor allem auch außerhalb des Landtags Kon sens darüber, dass Schulsozialarbeit unverzichtbar ist, dass sie wichtig ist und dass sie auch flächendeckend in Baden-Würt temberg an den Schulen ausgebaut werden muss.
In der Koalitionsvereinbarung des Jahres 2006 zur Bildung einer Koalitionsregierung stand folgender bedeutsame Satz – ich zitiere –:
Wir werden gemeinsam mit den Kommunen die Jugend sozialarbeit an allen Schularten, vor allem aber an den Hauptschulen, stärken.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktio nen, Sie können jetzt nachträglich das Wort „gemeinsam“ am Ende dieser Legislaturperiode wieder aus der Koalitionsver einbarung streichen. Denn Sie haben in den letzten fünf Jah ren nichts, und zwar null Komma null, nicht einen einzigen Euro dafür zur Verfügung gestellt, die Schulsozialarbeit in Ba den-Württemberg zu stärken.
Es waren einzig und allein die Kommunen, die die Schulso zialarbeit ausgebaut haben. Die Kommunen haben eine Her kulesaufgabe gelöst, indem sie schon in den flächendecken den Ausbau eingestiegen sind, und zwar bei absolut schwie rigen und schwierigsten Haushaltslagen.
Es gibt eine Erhebung des Kommunalverbands Jugend und Soziales, die Folgendes aufzeigt: Im Jahr 2006 gab es 372 Stellen für Schulsozialarbeit. Am 31. August 2010 gab es 605 Vollstellen an den allgemeinbildenden Schulen. Es gibt 170 Stellen an den beruflichen Schulen, wobei hier bei der Jugend berufshilfe 76 Stellen vom Land bezuschusst werden. Aber 94 Stellen werden auch hier vom Land nicht bezuschusst. Das heißt, die Kommunen haben insgesamt 699 Stellen für Schul sozialarbeit eingerichtet. Allein im letzten Jahr betrug der Zu wachs 129 Stellen.
Es gibt einen zweiten Konsens im Land, nämlich dass Schul sozialarbeit nicht nur eine Aufgabe der Kommunen ist, son dern auch eine Aufgabe des Landes, und dass das Land wie der in die Finanzierung der Schulsozialarbeit einsteigen muss.
Für meine Fraktion sage ich – wie ich dies in der Vergangen heit auch schon gesagt habe –: Wir wollen erreichen, dass Schulsozialarbeit auch als Aufgabe der Schulen anerkannt wird. Das Land muss sich wieder mit einer Drittelfinanzie rung an der Schulsozialarbeit beteiligen.
Die Regierungsfraktionen und die Landesregierung betonen völlig unbelehrbar und gebetsmühlenhaft immer wieder das gleiche Argument: Es war damals nur eine Anschubfinanzie rung,
Es wird der § 13 des SGB VIII – Jugendsozialarbeit an Schu len – aufgeführt. Nur, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Welt hat sich weitergedreht. Die Schulpädagogik hat sich wei terentwickelt. In den letzten Jahren wurden sowohl in der Ju gendhilfe als auch in den Schulen die früher rigoros getrenn ten Bereiche Erziehung, Bildung und Betreuung immer stär ker zusammengeführt. Die Debatte vor Ort ist ganz anders, als Sie sie noch heute mit einer rigorosen Trennung von Ler nen und Schulsozialarbeit führen.
Gute Schulen sind heute nicht mehr reine Lernschulen. Gute Schulen sind Lern- und Lebensorte für alle Kinder. Schüle rinnen und Schüler werden ganzheitlich mit ihren Stärken und Schwächen, mit ihren Interessen und ihren Problemlagen auch bei der Lebensbewältigung wahrgenommen. Wenn wir damit ernst machen wollen, dass Schulen Lern- und Lebensräume sein sollen, dann ist dies auch eine Aufgabe der Schulsozial arbeit, und dann ist es auch eine Aufgabe des Landes, Schul sozialarbeit zu fördern.
Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns die Praxis an den Schulen anschauen, dann stellen wir fest, dass die Schulsozi alarbeit inzwischen vollständig in die pädagogischen Konzep te der betroffenen Schulen eingebunden ist. Durch die Schul sozialarbeit wird auch ein bedeutsamer Beitrag zur Erfüllung der Erziehungs- und Bildungsaufgaben der Schulen geleistet.
Das sehen nicht nur wir Grünen im Landtag so. Ich möchte aus einer Resolution der Stadt Weinstadt vom November 2010 zitieren, die der dortige Gemeinderat beschlossen hat.
Die Unterstützung der Lehrerschaft ist selbstverständlich auch eine Aufgabe der Schulsozialarbeit. Aus der mittler weile langjährigen praktischen Erfahrung heraus muss aber festgestellt werden, dass Schulsozialarbeit deutlich zugunsten der pädagogischen Aufgaben, also des inneren Schulbetriebs, wirkt und dadurch in Einzelfällen sogar die Landesaufgabe „Bildung an Schulen“ sicherstellt.
Schulsozialarbeit kann nicht mehr nur als Arbeit mit und für das einzelne Kind im Sinne der Jugendhilfe betrach tet werden, sie ist vielmehr ein entscheidender Beitrag für ein gutes, soziales Klima an der Schule sowie für den Auf bau eines solidarischen Gemeinwesens einer Schulge meinde....
Der Landeselternbeirat fordert deshalb die Landesregie rung auf, den derzeitigen Flickenteppich im Bereich der Schulsozialarbeit zu beenden, die Schulsozialarbeit flä chendeckend zu etablieren und das hierfür notwendige Personal bereitzustellen.
Meine Damen und Herren, Sie müssen den Kommunen im Prinzip sehr dankbar sein. Denn sie leisten diese Herkulesauf gabe bislang aus eigenen Kräften und verlangen momentan lediglich eine Drittelfinanzierung durch das Land. Die Kom munen geben in diesem Jahr 39 Millionen € für die Finanzie rung der Schulsozialarbeit aus. Die Kommunen sagen aber deutlich, dass sie weitermachen wollen. Sie möchten die Schulsozialarbeit auch an den Gymnasien – auch die Gymna sien fordern die Einführung der Schulsozialarbeit – einführen. Sie können dies aber nur leisten, wenn sich das Land an der Finanzierung der Schulsozialarbeit beteiligt.
Inzwischen sind es 605 Stellen an den allgemeinbildenden Schulen. Das umfasst 16 % der allgemeinbildenden Schulen. Wir stehen hier also noch am Anfang der flächendeckenden Einführung. Bei den beruflichen Schulen sind es mittlerwei le 30 %.
Deshalb betone ich am Schluss: Erziehung, Bildung und Be treuung gehören in einem modernen Schulkonzept zusammen. Nur dann werden Kinder wertgeschätzt, geachtet und geför dert und können Lernerfolge erzielen. Deshalb muss sich das Land wieder an der Finanzierung der Schulsozialarbeit betei ligen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Über das Thema Schulsozial arbeit haben wir an verschiedenen Stellen sehr ausführlich und sehr oft diskutiert. Ich möchte mich deswegen darauf be schränken, die SPD-Position kurz und prägnant darzustellen.
Erstens: Schulsozialarbeit ist notwendig. Es ist dabei vollkom men unstrittig, dass sich Schulen inzwischen von Lern- zu Le benswelten entwickelt haben. In schulischen Kontexten ha ben sozialpädagogische Elemente, psychosoziale Unterstüt zungssysteme, aber auch eine individuelle, kontinuierliche Begleitung an Bedeutung zugenommen. Gerade im Zusam menhang mit Ganztagsschulkonzepten und auch im Zusam menhang mit einer immer wieder beklagten mangelnden Un
terstützungsleistung der Familien gewinnt Schulsozialarbeit zunehmend an Bedeutung. Sie ist notwendig.
Zweitens: Schulsozialarbeit entspricht einem breiten Bil dungsbegriff. Die ausschließliche Zuweisung der Bildung an die Schule, der Erziehung an die Familie und der Betreuung an die Jugendhilfe ist völlig veraltet. Es gilt nicht mehr das Bild „Die Guten ins Töpfchen der Bildung und die Schlech ten ins Kröpfchen der Jugendhilfe“ oder umgekehrt, wie Sie es wollen. Nein, Schulsozialarbeit gehört wesentlich zum Bil dungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Sie ist deswegen zumindest zum Teil auch Landesaufgabe.
Drittens: Schulsozialarbeit ist eine ganz typische Schnittstel lenaufgabe zwischen Jugendhilfe auf der einen Seite und Schule auf der anderen Seite. Das erfordert, meine Damen und Herren, eine horizontale Vernetzung und nicht eine vertikale Versäulung dieser Bereiche.
Ihr gebetsmühlenartiger und immer wieder vorgenommener Hinweis auf § 13 SGB VIII – er wurde gerade angesprochen – ist zwar im Prinzip richtig, aber er reicht eben nicht aus. Er ist dann sogar kontraproduktiv, wenn die Verantwortung da mit einseitig in eine Richtung verschoben wird, nämlich zu lasten der Kommunen.
Viertens: Schulsozialarbeit hat sehr viele Fürsprecher. Ich be ginne einmal beim Exkultusminister Rau, der im Jahr 2006 den Ausstieg des Landes aus der Finanzierung der Schulsozi alarbeit als unglücklich bezeichnet hat. Eltern, Lehrer, Kom munen, der Landeselternbeirat, die Lehrerverbände und der Städtetag haben sich sehr deutlich und kontinuierlich für ei nen flächendeckenden und mischfinanzierten Ausbau der Schulsozialarbeit ausgesprochen.