Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Differenziert vorge hen!)

An die Kollegen der FDP/DVP und der CDU richte ich den Appell: Setzen Sie sich konstruktiv mit einem Verbotsverfah ren auseinander. Dann werden wir auch Erfolg haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Herr Kollege, Sie müssen doch auch die Historie kennen!)

Das Wort erhält Herr Abg. Zimmermann für die Fraktion der CDU.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Oi! Ist der für die Rechtsradikalen zuständig? – Abg. Ursula Haußmann SPD: Jetzt aber!)

Herr Kollege Kluck!

(Zuruf: Jetzt ganz sachlich! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Volle Konzentration!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen und auch meine Damen und Herren, die Sie auf der Tri büne sitzen! Der Antrag der SPD, lieber Kollege Brenner, ist jetzt schon fast eineinhalb Jahre alt. Aber der Stand des Ver botsverfahrens hat sich nicht geändert. Was sich auch nicht geändert hat – das haben Sie praktisch bestätigt – ist die Rechtsprechung. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsge richts bzw. dem Einstellungsbeschluss im Jahr 2003 haben sich keinerlei Veränderungen ergeben. Vielleicht war das auch der Anlass dazu.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Der Kollege Braun ist nicht da. Ich hatte mich auf ihn einge stellt und habe beim Kollegen Brenner ein wenig Zurückhal tung zu üben. Es hat mich erstaunt, wie er als Richter doch noch hinter diesem Verbotsantrag steht.

Im Jahr 2009 wurden in Weil am Rhein die Bombenbastler festgenommen; vielleicht erinnert sich noch der eine oder an dere daran. Das hat vermutlich der Kollege Braun zum An lass genommen, einen erneuten Verbotsantrag zu stellen, und die SPD hat sich dem angeschlossen.

Ich möchte Ihnen kurz den Sachverhalt schildern. Von dem Sprengstoff, der damals in einem Keller gefunden wurde, wussten die Sicherheitsbehörden in unserem Land leider vor her nichts. Das Verfahren ist, soweit ich weiß, noch anhängig. Vielleicht kann der Minister noch etwas dazu sagen. Aber das zeigt – deswegen erwähne ich dieses Verfahren –, dass wir in diesem Bereich eher mehr V-Leute benötigen, als wir einge setzt haben.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Wir haben doch schon eine ganze Menge!)

Wer ein Verbot der NPD will, muss neben der zweifelsohne gegebenen Verfassungsfeindlichkeit der NPD – auf die sind Sie eingegangen –

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

auch – das sagt eben auch das Bundesverfassungsgericht, Herr Kollege Brenner – das aggressiv-kämpferische Vorgehen ge gen die freiheitliche Grundordnung belegen. Ungeachtet der Erkenntnisse auf Bundesebene ergeben die Aktivitäten und Verlautbarungen des baden-württembergischen Landesver bands der NPD – jedenfalls nach Einschätzung aller Fachleu te – keine ausreichenden Anhaltspunkte für diese aggressivkämpferische Haltung der NPD.

Die Beobachtung durch V-Leute der Verfassungsschutzbehör den vor und während eines Verbotsverfahrens sei mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar. Herr Kollege Brenner, Sie haben selbst gesagt: Während dieses Verfahren läuft, müssten die Leute „abgeschaltet“, das heißt herausgenommen werden.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Bevor das Verfah ren läuft!)

Bevor das Verfahren läuft und während es läuft. – Man muss aber auch sagen, dass gerade im Bereich der NPD – zum Um feld zähle ich auch die Neonazi- und Skinheadszene, also sämtliche rechtsextremen Strömungen – unsere Erkenntnis gewinner dann „abgeschaltet“ wären.

Aus diesem Grund sage ich Ihnen: Die Enttäuschungen dür fen hinterher nicht größer sein. Auch nach einem erfolgrei chen Verbotsverfahren – davon gehen wir einmal aus, Herr Kollege – werden überzeugte Rechtsextremisten Mittel und Wege finden, ihre Ziele weiter zu verfolgen. Diese Lücke wür de bald geschlossen werden.

Erst gestern ging den zuständigen Leuten der neueste monat liche Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz zu. Dar in gibt es auch einen Artikel zur NPD und über ihre jüngsten Aktivitäten. Sie versucht sich als biedere Partei darzustellen. Deshalb ist es, denke ich, umso wichtiger, Herr Kollege, dass wir einen Gewinn an Erkenntnissen über Interna haben. Dies ist nur durch intensive Beobachtung und V-Leute möglich.

Wer jetzt ein Verbot fordert, setzt diese Arbeit aufs Spiel. Denn es braucht wiederum Jahre, um eine Beobachtung aufzubau en. Man müsste völlig neu ansetzen.

Ich fordere deshalb Sie als Antragsteller auf. Sie haben ge sagt, es sei keine rechtliche Frage, sondern eine politische Fra ge. Aber genau das wäre das Problem, nämlich dass der Scha den, den wir mit der Umsetzung des von Ihnen angestrebten Verbotsverfahrens anrichten würden, höher wäre als der Nut zen, den wir damit erzielen könnten.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Was habt ihr Angst! – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Frau Kollegin, Sie mögen in anderen Bereichen vielleicht Erfahrung haben. Aber Sie müssen wissen: V-Leute muss man über Jahre aufbauen. Wenn Sie diese dann „abschalten“, kom men sie nie mehr in die Szene hinein.

Ich sage Ihnen ernsthaft: Auch das Ergebnis, das wir im Fal le eines erfolgreichen Verbotsverfahrens verursachen, wäre möglicherweise schlimmer als die Situation, die wir heute ha ben – ganz zu Schweigen davon, was passiert, wenn das Ver botsverfahren scheitern würde. Ich sage Ihnen ehrlich: Sto cker bleibt Stocker, egal, wo er gerade ist.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oelmayer für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!

„BRD heißt das System – morgen wird es untergehen!“

(Zuruf: Oi!)

Nun scheint die Zeit des liberalkapitalistischen BRD-Sys tems gekommen zu sein.

Ich zitierte aus dem Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2009. Dort wird ein Beitrag des NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt aus der Ausgabe der „Deutschen Stimme“ vom Ja nuar 2009 wiedergegeben. Dieses Zitat macht deutlich – ich glaube, da sind wir im Haus alle einer Meinung, ohne lange darüber diskutieren zu müssen –, dass es sich hierbei um ei ne verfassungsfeindliche, um eine rechtsextreme Organisati on handelt, die wir mit allen Möglichkeiten, die unser Rechts staat bietet, abwehren und bekämpfen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das bezweifelt niemand, Herr Kollege! Genau das machen wir! – Gegenruf der Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Zuhören!)

Die Frage, Herr Kollege Zimmermann, heißt: Wie machen wir das?

Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten: Die eine Mög lichkeit ist, dass wir uns überall dort, wo Rechtsextremismus auftritt – im Alltag, auf Fußballplätzen, in Schulen –, politisch argumentativ intensiv damit beschäftigen, auseinandersetzen und eine Konzeption entwickeln, wie wir damit umgehen, wie wir unsere Bildungseinrichtungen für die Abwehr von Rechts radikalismus fit machen. Es ist zu überlegen, wie Lehrerinnen und Lehrer damit umgehen, wenn CDs mit rechtsradikalem Gedankengut verteilt werden. Das ist eine ganz wichtige Grundlage. Das Thema Verbot, meine Damen und Herren, steht, wenn überhaupt, am Ende dieser Auseinandersetzung, nämlich wenn es uns nicht gelingt, uns mit dem rechtsradika len Gedankengut argumentativ so auseinanderzusetzen, dass es aus unserer Gesellschaft verschwindet.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Unstrittig! Das hat mit einem Verbot nichts zu tun!)

Herr Kollege Zimmermann

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann!)

ja, „guter Mann“ –,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Natürlich! – Gegen ruf der Abg. Ursula Haußmann SPD: Was träumen Sie?)

wenn wir uns die Bemühungen im Land Baden-Württemberg anschauen, stellen wir fest, dass wir im Verfassungsschutzbe richt des Landesamts für Verfassungsschutz aus dem Jahr 2009 15 Seiten über die NPD finden. Da muss man sagen: Relativ viel, was dort steht, dokumentiert auch aus meiner Sicht verfassungsfeindliches Gedankengut, dokumentiert auch schon aggressives Verhalten gegen unsere Grundwerte.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Kämpferisch!)

Das gilt erst recht, Kollege Zimmermann – auf diesen Ein wand habe ich gewartet –,

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Sie müssen nicht mich überzeugen! Sie müssen das Bundesverfas sungsgericht überzeugen!)

wenn wir solche Demonstrationen verfolgen, wie wir sie am 1. Mai 2009 in Ulm erlebt haben. Wenn das keine aggressive, verfassungsfeindliche Agitation ist, dann weiß ich nicht, was sonst noch stattfinden muss. Das steht außer Frage.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Karl Zimmermann CDU: Das ist aber genau die Frage!)

In dem Antrag der SPD, der heute hier zur Debatte steht, heißt es in Ziffer 4:

Der Landtag von Baden-Württemberg fordert daher die Landesregierung auf, einen neuerlichen Antrag zur Er reichung eines NPD-Verbots zu unterstützen.