Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

Das Entscheidende ist, dass ein Parteienverbot nicht die Aus einandersetzung mit den rechtsextremistischen Ideen, Zielen und politischen Aussagen ersetzt.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das ist ja klar!)

Die NPD muss, wie wir das hier auch mit den Republikanern getan haben – ich glaube, Sie haben es zitiert –, politisch be kämpft werden. Wir müssen deutlich machen, dass sich die se Leute gerade nicht – entgegen dem, was sie immer wieder behaupten – um die kleinen Leute kümmern. Hinter der Fas sade verbirgt sich nichts anderes als Rassismus, Fremden- und Ausländerfeindlichkeit und das Bestreben, unseren Rechts staat und unser demokratisches Staatswesen abzuschaffen.

Es ist nicht zu verkennen, dass es Rechtsextremisten in eini gen Regionen in Ostdeutschland gelungen ist, stärker Fuß zu fassen. Aber auch dagegen hilft kein Verbot. Die Politik muss die Menschen, die die NPD gewählt haben, erreichen und ih nen eine Perspektive aufzeigen. Das gilt gerade für den Os ten, wo die NPD Fuß gefasst hat.

Meine Damen und Herren, einen Punkt will ich noch anspre chen. Denn Herr Kollege Oelmayer hat auch davon gespro chen, dass wir dem Extremismus entgegentreten müssen, wo immer er auftritt – an Schulen und sonst wo. Dazu sage ich Ja. Vor allem Jugendliche müssen über die verfassungsfeind lichen Ziele und Strukturen aufgeklärt werden. Sie müssen vor den perfiden Methoden geschützt werden, mit denen Rechtsextremisten versuchen, Jugendliche zu vereinnahmen. Ich denke etwa an die Schulhof-CD-Aktionen und Ähnliches.

Wenn unsere Organe – Polizei, Verfassungsschutz, wer auch immer – davon erfahren, greifen sie in jedem einzelnen Fall konsequent ein. Solche Fälle lassen wir nicht zu. Das Landes amt für Verfassungsschutz, die Polizei und das Kultusminis terium leisten hier bereits eine ganze Menge und bieten vor allem eine breite Palette von Präventionsmaßnahmen an.

Ausdrücklich will ich deswegen zum Schluss meiner Rede den Verbänden und den Organisationen sowie den vielen Bür gerinnen und Bürgern danken, die sich gegen den Rechtsext remismus engagieren.

Ich gebe zu: Die politische Auseinandersetzung, meine Da men und Herren, ist ein mühsamer Weg. Aber er ist erfolgver sprechend. Der Rückgang des rechtsextremistischen Perso nenpotenzials, die weitgehende – ich sage es noch einmal – Erfolglosigkeit der NPD bei Wahlen in Baden-Württemberg und die rückläufige Zahl der Demonstrationen von Rechtsex tremisten, Herr Kollege Oelmayer, sind auch ein Ergebnis des Engagements und der Präventionsarbeit.

Die Landesregierung nimmt eine klare Haltung ein: Rechts extremismus und Rassismus müssen konsequent bekämpft werden. Ein Verbot der NPD ist nicht erforderlich.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Aktuell gibt es auch, soweit ich sehe, keinen politischen Vor stoß für ein neues Verbotsverfahren. Ich kann derzeit aber auch nicht erkennen, dass es hierfür in den zuständigen Ver fassungsorganen – Bundesregierung, Bundestag oder Bundes rat – eine Mehrheit geben würde. Deswegen ist, glaube ich, zu diesem Thema zumindest für heute alles gesagt. Es ist noch nicht alles getan. Aber wir werden alles tun, was erforderlich und was möglich ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Brenner.

Ich will nur noch auf einen Aspekt hinweisen. Sie haben zu Recht bemerkt, es sei noch nicht alles getan. Sie haben auch zu Recht angeführt, dass es in erster Linie eigentlich um den Jugendschutz geht. Genau dazu habe ich vorhin Zahlen genannt. Ich habe vielleicht an dere Informationen als Sie. Das Neue oder Besondere am Lan desverband der NPD in Baden-Württemberg ist, dass dessen Jugendorganisation sich in den letzten drei Jahren zahlenmä ßig verdoppelt hat und strukturell der stärkste und aktivste Teil ist, der auch mit den Autonomen zusammenarbeitet. Da sehe ich ein großes Problem, auch und gerade in Baden-Württem berg. Vielleicht können Sie dazu noch einen Satz sagen.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Der Brenner entwi ckelt sich zum Nachbrenner! – Gegenruf: Zum Dau erbrenner! – Heiterkeit)

Herr Minister, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Kollege Dr. Brenner, in der Tat liegen auch uns Erkenntnisse vor, dass gerade in der Nachwuchsorganisation der Jungen Nationaldemokraten – oder wie sie sich nennen – ein Zuwachs zu verzeichnen ist. Man muss das jedoch immer in Relation sehen. Wenn sich statt zehn nun 20 Personen dort engagieren, dann ist das ein Zuwachs von 100 %. Zuwächse sind da. Deswegen richten wir unser Augenmerk verstärkt auf die Präventionsarbeit, im Verbund mit vielen, angefangen bei der Landeszentrale für politische Bildung bis zu einzelnen Schulen. In der Tat müs sen wir verstärkt Aufklärung betreiben – das tun wir –, damit dieser Zulauf gestoppt wird.

Ich sage es noch einmal: Wir betrachten und beobachten die sen Zuwachs. Jeder, der von solchen Organisationen einge fangen wird, ist einer zu viel. Aber seien Sie versichert: Wir haben ein mehr als wachsames Auge gerade auf diese Ent wicklung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag.

Wer dem Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/4887, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Ge

genstimmen? – Enthaltungen? – Das Zweite war die Mehr heit. Damit ist der Antrag abgelehnt und Punkt 10 der Tages ordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:

a) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Umweltministeriums – Lärmschutzmaßnahmen in Ba den-Württemberg – Drucksache 14/4889

b) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr – Lärmschutz verbessern – Bürger schützen – Drucksa che 14/6001

c) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr – Straßenverkehrslärm effektiv bekämpfen – Drucksa che 14/6328

d) Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des

Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr – Bürger entlang der Rheintalbahn vor Lärm schützen – Drucksache 14/6395

Das Präsidium hat folgende Redezeiten vorgesehen: für die Begründung der Anträge unter den Buchstaben a bis d fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Haller für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, meine Da men und Herren! Um diese Uhrzeit ist der Landtag meist ei ne Oase der Ruhe.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Lärmgeschützt!)

Deswegen können wir uns getrost dem Thema Lärm zuwen den.

Das Umweltbundesamt hat in einer Studie festgestellt, dass der Lärm jährlich einen Schaden von ca. 9 Milliarden € ver ursacht. Frau Ministerin Gönner wird nachher vermutlich ver künden, dass ein Drittel der Bevölkerung davon betroffen ist. Es gibt vielerlei Lärmquellen; die bedeutendste ist sicherlich der Verkehr. Es gibt aber noch viele andere Lärmarten, ange fangen bei der Disco bis hin zur Demo, und natürlich ist Lärm auch ein Thema bei der Produktion.

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Lärm verursacht nun einmal hohe volkswirtschaftliche Kos ten, häufig ohne dass die Geschädigten einen Ersatzanspruch hätten. Lärm ist im Grunde zu billig; Lärm hat im Großen und Ganzen keinen volks- und betriebswirtschaftlichen Wert. Wir beobachten bei Bürgerinnen und Bürgern in hohem Maß ge sundheitliche Schäden. Lärm beeinträchtigt die Lebensquali tät, und – das kann man nicht häufig genug sagen – er entwer tet Vermögen. Der Verkehrslärm an einer verkehrsreichen Straße führt zu einer kalten Enteignung der Eigentümer der an dieser Straße befindlichen Häuser. Möglicherweise sind diese Häuser nicht mehr verkäuflich und nicht mehr vermiet bar – nichts, nichts, nichts. Deswegen ist Lärmschutz im Grunde auch Bestandteil von Eigentumsschutz, nicht nur von Gesundheitsschutz. Daher müssen wir uns diesem Thema ver stärkt zuwenden.

Die Lärmmessung als solche stellt Grenzwerte fest. Damit kommen wir zum ersten Thema: Wie misst man überhaupt Lärm? Wenn ich es richtig weiß – daran besteht wenig Zwei fel –, wird nicht der Maximalwert gemessen, sondern der Mit telwert. Wenn also ein kurzes lautes Geräusch auftritt und es danach wieder ruhig ist, ergibt dies einen tollen Mittelwert nach dem Motto „Lärm macht keinen Schaden“. Das kann nicht sein. Lärm ist ein Impulselement. Ein einmalig auftre tendes Geräusch kann den Schlaf stören; das schafft sogar je de Mücke. Es ist also nicht so, dass diese Messungen das Pro blem in seinem vollen Umfang erfassen würden.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Deswegen ist eine unserer Forderungen, dass wir andere Grenzwertmessungen herbeiführen. Ich weiß, das ist nicht leicht. Aber es ist im Interesse der vielen betroffenen Men schen eigentlich unabdingbar.

Bei dem Thema Lärm sind alle Gebietskörperschaften – Bund, Land, Kommunen – beteiligt. Es gibt Lärmschutzpläne. De ren Umsetzung ist natürlich eine Herkulesaufgabe. Das geht nicht allein mit gutem Willen; sonst hätten wir das alles schon erreicht. Vielmehr braucht man dazu natürlich Geld, Geld und nochmals Geld, um die Pläne, die teilweise schon vorhanden sind, in die Tat umzusetzen. Aber der Plan allein schützt kei nen einzigen Bürger vor dieser Misere.

Wie so häufig beim Verkehr und wie so häufig bei der Lan despolitik sind wir in diesem Dilemma: Die Pläne sind manch mal akzeptabel, sind gut, aber es fehlt an der Umsetzung. „Wortreich, aber tatenarm“ – dieses Motto zieht sich durch die Verkehrspolitik des Landes hindurch.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Unten bleiben!)

Wir meinen, dass einiges machbar ist. In der Vergangenheit wurde einiges erreicht. Bei vielen Verkehrsmitteln konnte der Lärm reduziert werden. Seit 1970 konnte der Lärm bei Pkws um 10 dB(A), bei Flugzeugen um 12 dB(A) und bei Perso nenzügen gar um 15 dB(A) verringert werden. Nur die Güter züge dürfen weiterhin ohne Einschränkung nach den alten Normen durch das Land rattern.

Wir sagen: Das kann so nicht sein. Der richtige Weg – da be findet sich sogar die neue Koalition auf dem richtigen Weg – ist die Abschaffung des Schienenbonus; das ist erstrebenswert. Bei manchen Güterbahnstrecken hat der Lärm nicht abgenom men, sondern zugenommen, weil die Intensität des Verkehrs zugenommen hat.

Der Schienenverkehr muss sich an den allgemeinen Lärm grenzwerten messen lassen. Wir brauchen lärmabhängige Trassenpreise. Wir brauchen natürlich auch passive Lärmmin derungstechnik wie die neue K-Sohle, mit der vieles erreicht werden kann, oftmals mehr als durch Lärmschutzwände. Das ist unsere klare Forderung.

Es freut uns auch, wenn die Landesregierung sagt, sie sei be reit, gegebenenfalls Landesgelder hierfür einzusetzen. Ich hof fe, dass dann nicht die Grünen sagen, das sei nicht statthaft,

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Claus Schmiedel SPD: Das hoffen wir auch! – Gegenruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)