Protokoll der Sitzung vom 25.11.2010

Damit ist Tagesordnungspunkt 7 beendet.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Tagesordnungspunkt 7?)

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Neugliederung des gemeindefreien Gebiets „Gutsbezirk Münsingen“ und zur Änderung des Finanz ausgleichsgesetzes – Drucksache 14/7161

Die Erste Beratung erfolgt, indem die Regierung eine Begrün dung gibt und der Gesetzentwurf ohne Aussprache an den da für zuständigen Innenausschuss überwiesen wird.

Für die Landesregierung darf ich Herrn Innenminister Rech das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen heute einen Gesetzent wurf vorlegen, mit dem sozusagen der Schlusspunkt in der über hundertjährigen Geschichte des Truppenübungsplatzes Münsingen und damit auch seines Sonderstatus als sogenann ter Gutsbezirk des Bundes – eine Besonderheit in unserem Land – gesetzt wird.

Der ehemalige Truppenübungsplatz Münsingen gehört bisher als sogenanntes gemeindefreies Gebiet zum Landkreis Karls ruhe. Die örtlichen Verwaltungsaufgaben in diesem Bezirk werden von einem Gutsvorsteher wahrgenommen, der vom Bund berufen wird. Dieser ist gegenwärtig noch für etwa 100 Personen zuständig.

Sie wissen, dass die Nutzung des Gebiets als Truppenübungs platz bereits im Jahr 2005 aufgegeben wurde. Daher besteht kein Bedarf mehr für diesen Gutsbezirk. Es ist auch nicht län ger vertretbar, der Bevölkerung im gemeindefreien Gebiet ei ne Teilhabe an der gemeindlichen Selbstverwaltung vorzuent halten. Das ist so bei gemeindefreien Gebieten.

Jetzt soll das Gebiet mit diesem vorgelegten Gesetzentwurf neu gegliedert werden. Dem Gesetz liegt ein Vorschlag zu grunde – das will ich ausdrücklich betonen –, den die betrof fenen Kommunen gemeinsam mit den betroffenen Landkrei sen – selbstverständlich unter Beteiligung des Bundes – ent wickelt haben.

Das Gebiet soll wie folgt neu gegliedert werden: Die Siedlung Altes Lager soll in die Stadt Münsingen eingegliedert werden. Die Siedlung Breithülen – ich hoffe, dass ich es richtig aus gesprochen habe; es wird mit einem l geschrieben –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Genau! Stimmt!)

soll künftig zur Gemeinde Heroldstatt gehören. Der Bereich des ehemaligen Munitionsdepots bei Breithülen soll in die Stadt Schelklingen eingegliedert werden.

Der größte Teil des ehemaligen Truppenübungsplatzes soll ge meindefrei bleiben und künftig durch den Landkreis Reutlin gen verwaltet werden. Wie es dazu gekommen ist, sage ich gleich noch.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Jawohl! Wir sind froh über diese Erweiterung!)

Ich bin dem Landkreis Reutlingen außerordentlich dankbar, dass er da sozusagen in die Bresche gesprungen ist. Das muss man ausdrücklich anerkennen.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Hagen hat daran maßgeblich mitgearbeitet!)

Sicher. Alle für den Landkreis Verantwortlichen haben da an einem Strang gezogen – der Kollege Hagen Kluck, wie ich mir habe berichten lassen, an vorderster Stelle und ganz nach drücklich.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Sabine Foh ler SPD – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Weil er Weidefläche für seine Schafe braucht!)

Ich habe gestern so sehr und natürlich zu Unrecht die Grünen gelobt. Ich muss heute wieder einiges gutmachen. Ich fange einmal mit der FDP/DVP an.

(Heiterkeit – Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/ DVP – Abg. Ursula Haußmann SPD: Das muss nicht sein!)

Meine Damen und Herren, Heroldstatt und Schelklingen ge hören zum Alb-Donau-Kreis, und durch die Umgliederung

nach Heroldstatt und Schelklingen wird sich die Kreisgrenze zwischen dem Landkreis Reutlingen und dem Alb-DonauKreis entsprechend ändern.

Das Gesetz enthält außerdem noch Regelungen, die beglei tend erforderlich sind, vor allem zur Rechtsnachfolge, zum geltenden Ortsrecht und zur Anrechnung der Wohnsitz- oder Aufenthaltsdauer der Bevölkerung. Das klingt jetzt ein biss chen kompliziert, ist aber im Ergebnis einfach zu erklären.

Es werden nicht alle Flächen des Gutsbezirks Münsingen den umliegenden Gemeinden zugeschlagen. Der größte Teil soll auch weiterhin gemeindefrei bleiben. Dieser Bereich bildet die Kernzone des Biosphärengebiets Schwäbische Alb und ist unbewohnt. Er unterliegt strengen naturschutzrechtlichen Be schränkungen. Außerdem ist dort mit Kampfmittelbelastun gen zu rechnen. Das muss man wissen. Er ist damit einer bau lichen, wirtschaftlichen und verkehrlichen Entwicklung prak tisch völlig entzogen. Die angrenzenden Gemeinden haben deswegen auch kein Interesse an der Aufnahme dieser Flä chen in ihr Gemeindegebiet.

Deswegen, Herr Kollege Kluck, sage ich noch einmal aus drücklich: Mein Dank gilt dem Landkreis Reutlingen. Er hat sich bereit erklärt, die Verwaltung des Kerngebiets zu über nehmen. Der Landkreis übernimmt dort anstelle einer Ge meinde künftig die Pflichtaufgaben und auch weitere öffent liche Aufgaben, die einfach aus Gründen des öffentlichen Wohls erfüllt werden müssen.

Der Landkreis Reutlingen wird damit Rechtsträger im gemein defreien Gebiet. Ihm stehen zur Erfüllung seiner Aufgaben, die er in dem Gebiet wahrnehmen muss, auch die vorhande nen Fördermöglichkeiten offen. In diesem gemeindefrei blei benden Gebiet wird es aber – das versteht sich von selbst – wegen der Belastung keine Siedlungsentwicklung geben, wie sie in anderen Gemeinden anzutreffen ist, sondern realisti scherweise werden sich Zahl und Umfang der Fördermaßnah men in engen Grenzen halten.

Trotzdem müssen wir dem Landkreis Reutlingen gegenüber fair sein. Er soll diejenigen Aufgaben wahrnehmen, die im Gebiet einer Gemeinde zu deren Aufgaben gehören. Dabei kommen in erster Linie Maßnahmen der Denkmalpflege in frage, Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an Straßen und Wegen, Maßnahmen zum Erhalt und zur Steigerung der Er holungsqualität des Gebiets und möglicherweise noch ande re Maßnahmen. Dann ist es wirklich nur gerecht, wenn der Landkreis auch an den vorhandenen Förderprogrammen, z. B. dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum und den Tou rismusförderprogrammen, teilhaben kann. Voraussetzung ist natürlich, dass der Landkreis die jeweiligen Fördervorausset zungen erfüllt.

Jetzt soll der Landkreis zusätzlich die Befugnis erhalten, im gemeindefreien Gebiet Grundsteuer und Gewerbesteuer zu er heben. Damit kann er die Kosten für die Aufgabenwahrneh mung in diesem gemeindefrei bleibenden Gebiet bestreiten.

Jetzt zu den Gemeinden, die Gebietsteile aufnehmen. Da ent stehen natürlich auch Kosten für die Aufgabenwahrnehmung. Sie erhalten dort die Befugnis, Grundsteuer und Gewerbesteu er zu erheben, und die eingegliederten Gebietsteile und deren Einwohner werden künftig bei der Ermittlung des Gemeinde

anteils an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer und auch beim Finanzausgleich bei der aufnehmenden Gemeinde be rücksichtigt. Das versteht sich von selbst, aber das ist hier im Gesetzentwurf klar geregelt.

In Vereinbarungen mit der Stadt Münsingen und der Gemein de Heroldstatt hat sich der Bund zur Übernahme derjenigen Kosten verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Errichtung und Sanierung von Anlagen der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung auf die beiden Gemeinden zukommen.

Die kommunalen Landesverbände haben sich im Zuge der An hörung zustimmend zu dem Gesetzentwurf geäußert. Der Ent wurf ist auch mit dem Bundesministerium für Finanzen abge stimmt, und dieses Ministerium wird zeitgleich mit dem In krafttreten des Gesetzes den bisherigen bundeseigenen Guts bezirk durch einen Organisationsakt schlichtweg auflösen.

Artikel 74 Abs. 2 Satz 3 unserer Landesverfassung sieht vor, dass vor einer Änderung des Gemeindegebiets die Bevölke rung der unmittelbar betroffenen Gebiete gehört werden muss. Das Innenministerium hat deshalb veranlasst, dass eine An hörung der Bevölkerung durchgeführt wird. Bei der Bürger anhörung, die am 26. September stattgefunden hat, wurden die Anhörungsberechtigten gefragt, ob sie mit der Eingliede rung in die vorgesehene aufnehmende Gemeinde einverstan den sind.

Ich will Ihnen die Ergebnisse nicht vorenthalten: Im Wahlbe zirk Breithülen, in dem es um die Eingliederung der Siedlung Breithülen in die Gemeinde Heroldstatt ging, gab es hierfür eine breite Zustimmung. Im Wahlbezirk Altes Lager gab es 30 Anhörungsberechtigte. Elf haben sich gegen eine Einglie derung in die Stadt Münsingen ausgesprochen. Eine sinnvol le Alternative gibt es aber nicht. Das sehen Sie, wenn Sie sich die Karte anschauen. Der Bezirk Altes Lager grenzt allein an die zur Stadt Münsingen gehörenden Stadtteile Auingen und Böttingen. Eine Eingliederung in eine andere Gemeinde kommt insofern nicht in Betracht.

Die Einwohner im Alten Lager und in Breithülen werden nach den finanzwirtschaftlichen Vorschriften den aufnehmenden Gemeinden nur dann schon für das Jahr 2011 zugerechnet, wenn die Gebietsänderung spätestens zum Beginn des Jahres 2011 rechtswirksam wird. Daher, meine Damen und Herren, soll das Gesetz zum 1. Januar 2011 in Kraft treten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass für die Zukunft des bis herigen Gutsbezirks Münsingen eine gute, eine tragfähige Lö sung gefunden wurde. Die Lösung ist unter Einbeziehung der berührten Städte und Gemeinden und auch der beiden Land kreise zustande gekommen.

Ich bedanke mich bei den Beteiligten herzlich für diese wirk lich konstruktive Vorarbeit. Ich wünsche mir und den betrof fenen Kommunen, dass der Gesetzentwurf in den Beratungen Ihre Unterstützung findet. Damit geht ein wirklich beachtli cher historischer Sonderfall in Baden-Württemberg einem gu ten Ende und, wie ich hoffe, einer guten Zukunft zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 14/7161 zur weiteren Beratung an den Innenausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu.

Damit ist Tagesordnungspunkt 8 erledigt.

Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 14/7165

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Be gründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE darf ich Frau Abg. Rastätter das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg gibt es seit rund 40 Jahren Ganztagsschulen. Es ist der größte und am längsten dauernde Schulversuch, den es in Baden-Württem berg je gegeben hat. Inzwischen haben über 1 000 Schulen Ganztagsangebote.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Hervorra gend!)

In der Gesellschaft gibt es einen Konsens darüber, dass die Ganztagsschule endlich im Schulgesetz verankert werden muss. Dies ist eine Forderung, die wir Grünen schon öfter in diesen Landtag eingebracht haben.

Ich möchte als Erstes die Gründe nennen, warum wir darauf bestehen, dass die Ganztagsschule endlich im Schulgesetz ver ankert wird.

Erstens: Die Ganztagsschule ist faktisch ein Paradigmenwech sel in der Bildungspolitik. Sie ist eine Veränderung des deut schen Sonderwegs der klassischen, traditionellen deutschen Halbtagsschule mit einem verdichteten Unterricht am Vormit tag. Die Hausaufgaben, für deren Betreuung die Eltern zustän dig sind, werden am Nachmittag gemacht. Dieser Paradig menwechsel weg von der klassischen Halbtagsschule zu ei ner ganztägig geöffneten Schule, die ein Lern- und Lebensort für die Kinder darstellt, wird völlig am Landesgesetzgeber vorbei vollzogen. Das ist eine zentrale bildungspolitische Wei chenstellung, für die auch der Landesgesetzgeber verantwort lich ist.