Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Das werden wir nicht noch vor der Landtagswahl über das Knie brechen, wie es von SPD und Grünen vorgesehen ist – also im Schnellverfahren und ohne große Diskussionen die Verfasste Studierendenschaft einführen zu wollen. Wir wol len das nach der Wahl sorgfältig tun – und zwar auf freiwilli ger Basis und unter Einbeziehung aller Betroffenen im Land Baden-Württemberg –, weil wir wollen, dass unsere Hoch schulen auch in Zukunft an der Spitze stehen. Dazu gehört auch, dass wir die Mitbestimmung und die Mitwirkung der Studierenden in sachgerechter Form weiterentwickeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Stober.

Frau Präsidentin, ich weiß nicht, ob Sie das Promotionsrecht ausüben dürfen. Wenn dem so wä re, würde ich die Promotion sehr gern annehmen. Danke schön.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kolle gen! Herr Schüle hat uns aufgefordert, uns mit Missständen in den Verfassten Studierendenschaften auseinanderzusetzen. Herr Schüle, wir haben in fast allen Bundesländern außerhalb von Baden-Württemberg Verfasste Studierendenschaften. Wissen Sie, was Sie den Studierenden dort damit unterstellt haben? Sind Sie sich bewusst, was Sie gerade gesagt haben, Herr Schüle?

(Abg. Winfried Mack CDU: Kein Beifall!)

Ich glaube, dass es gut ist, dass wir heute über unseren Ge setzentwurf diskutieren, aber nicht über Ihren Vorschlag, den Sie unterbreitet haben und der in diesen Tagen nicht nur von der LandesAStenKonferenz, sondern auch von der Landes rektorenkonferenz ganz heftig zerpflückt worden ist.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Winfried Mack CDU zu SPD und Grünen: Jetzt sind Sie aufgewacht! – Gegenruf des Abg. Pe ter Hofelich SPD)

Es ist mehr als verständlich, dass sich die Rektoren unserer neun Universitäten nicht für ein Konzept vereinnahmen las sen wollen, bei dem sie noch nicht einmal gefragt werden, was sie denn davon halten. Dieser Stil des Umgangs, solche Pa piere zu verschicken und den Betroffenen nicht zukommen zu lassen und sich entsprechend öffentlich zu äußern, ist ein ab solutes Unding, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich möchte ergänzen, warum Ihr Vorschlag inhaltlich äußerst unzureichend ist: Sie schaffen neue Bürokratie in den Ent scheidungsstrukturen der Hochschulen, indem Sie Mechanis men schaffen, dass man, wenn Studierende und die Mehrheit des Senats unterschiedlicher Meinung sind, in den Aufsichts rat rennt und dieser letztlich noch eine Schlichtung durchfüh ren soll. Das ist ein genauso großer Blödsinn wie die Ge schichte mit der Rektorwahl, bei der sich der Aufsichtsrat und der Senat einig sein müssen. Das ist ein genauso großer Blöd

sinn wie der, über den wir morgen noch einmal diskutieren werden, wenn wir über das Universitätsmedizingesetz debat tieren, mit dem Sie die Universitätsstruktur mit neuen Gremi en überfrachten wollen.

(Beifall bei der SPD)

An unseren Hochschulen haben wir gewachsene Strukturen, die leider auf Vereinsebene organisiert sind, weil die Verfass te Studierendenschaft im Jahr 1977 abgeschafft worden ist. Dem kann man nicht einfach ein Einheitsmodell eines zent ralen Mitbestimmungsorgans überstülpen. Das sind gewach sene Strukturen. Es gibt größere und kleinere Hochschulen. An einer Musikhochschule mit 300 oder 400 Studierenden kann man kein Gremium mit 25 Leuten bilden. Auch dieser Vorschlag ist völlig unausgegoren, liebe Kolleginnen und Kol legen.

Nichtsdestotrotz ist unser Hauptkritikpunkt, dass Ihr Modell nicht weit genug geht. Satzungsautonomie, Finanzautonomie und politisches Mandat sind die zentralen Punkte. Herr Schü le, Sie haben vorhin gesagt, warum Sie dies ablehnen.

Ich sage Ihnen: Welche Rechte haben denn die Industrie- und Handelskammern? Sie haben diese drei Rechte. Wollen Sie diese denn abschaffen? Das wollen Sie genauso wenig, wie wir das wollen. Ich glaube, das sollten wir den Studierenden nicht vorenthalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Die Studierenden mit der IHK zu ver gleichen ist doch lächerlich!)

Zynisch wird es dann, wenn man berücksichtigt, dass die Bei träge für eine Verfasste Studierendenschaft – ich habe gegoo gelt – zwischen 10 € und 14 € pro Semester liegen. Sie ver langen von den Studierenden pro Semester 500 € Studienge bühren. Ist das etwa sozial, ist das gerecht? Wenn Sie damit anfangen, sage ich: Schaffen Sie erst einmal die Studienge bühren ab, dann können Sie über dieses Thema redlich und ehrlich reden.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU zur SPD: Sie müssen einmal klatschen, wenn er redet! – Gegenruf des Abg. Claus Schmiedel SPD: Ja, ja! Alles zu seiner Zeit!)

In diesem Kontext möchte ich auf noch einen Punkt eingehen. Auch in der Presse – bei der dpa und auch in den „Stuttgarter Nachrichten“ – hieß es, dass sich die Rektoren gegen mehr Mitbestimmung der Studierenden wenden.

Diese wenden sich nicht gegen mehr Mitbestimmung durch die Studierenden. Sie wenden sich gegen das Modell, das Sie vorgeschlagen haben, Herr Schüle. Die Situation ist, dass vie le Hochschulsenate in Baden-Württemberg genau die Verfass te Studierendenschaft beschlossen haben und sich hinter die Forderung der Studierenden stellen. Daher ist dieses Konzept das richtige Konzept, nicht das Murkskonzept, das Sie bzw. das Wissenschaftsministerium vorgelegt haben bzw. noch in Form eines Gesetzentwurfs vorlegen wollen. Ich kann Ihnen daher nur den Rat geben: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu. Das wäre der richtige Weg.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Alfred Wink ler SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bauer für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schaut man sich die Hochschul landschaft bundesweit an, muss man feststellen: In BadenWürttemberg herrscht an den Hochschulen gewissermaßen Ausnahmezustand, und zwar seit über 30 Jahren

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Seit Filbinger! Seit dem Vorgänger von Schüle! – Heiterkeit bei Abgeordne ten der SPD – Gegenruf des Abg. Johannes Stober SPD: Das erklärt alles!)

genau, seit Filbinger, seit 1977. Wenn man dem Kollegen Schüle eben zugehört hat, merkt man, dass der Geist noch im mer nachwirkt. Ich weiß gar nicht, ob ihm bewusst war, was er gesagt hat. Herr Schüle, Sie haben gesagt: Wenn wir heute die Verfasste Studierendenschaft, wie sie in 14 Bundesländern dieser Republik existiert, wieder einführen, wird die Extre mismusproblematik fortgesetzt, der Extremismus wird an un seren Hochschulen einziehen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Demokratiefreundlich! Ja, genau!)

Das macht einen wirklich sprachlos, dieses abgrundtiefe Miss trauen, das Sie gegenüber Studierenden in ihrer Gesamtheit haben.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Reden Sie doch zur Sache!)

Ich nehme direkt auf Ihre Ausführungen Bezug.

Man muss es sich wirklich klarmachen: Seit über 30 Jahren besteht dieses kollektive Misstrauen, und Sie sind es bis heu te nicht losgeworden. Heute ist in diesem Haus die Gelegen heit, sich zu entscheiden: Wollen wir den Ausnahmezustand verlängern, oder wollen wir zu einem Normalzustand an un seren Hochschulen zurückkehren? Wir fordern Sie auf, mit zumachen, um wieder normale Verhältnisse an unseren Hoch schulen einkehren zu lassen. Es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Sie haben von Alternativen geredet. Welche Alternativen ste hen eigentlich im Raum? Was hat das Ministerium angedeu tet, welches Alternativmodell verfolgt es?

Wir sagen: Wir wollen eine gesetzliche Basis für Verfasste Studierendenschaften schaffen. Eine gesetzliche Basis schafft Rechtssicherheit für Studierende, um sich zu organisieren, ih re eigenen Angelegenheiten zu gestalten, sich einen finanzi ellen Rahmen zu geben, sich eine Satzung zu geben, sich ein eigenes Vertretungsmodell zu geben. Wir schaffen eine ge setzliche Basis und legen eine Grundlage für Freiheit, für Selbstorganisation, so, wie sich das für Hochschulen gehört. Denn es gibt unterschiedliche Traditionen von Studierenden vertretungen. Es gibt unterschiedliche Hochschulen; es gibt große und kleine Hochschulen, und es gibt unterschiedliche Vertretungsmodelle.

Wir glauben, dass die Studierenden und die Hochschulen vor Ort stark genug sind, um sich ihren eigenen Weg zu überle gen. Deswegen lehnen wir das Einheitsmodell, das Sie sich

am Schreibtisch des Ministers, im Ministerium ausgedacht ha ben und das Sie nach der 08/15-Methode bei allen Hochschu len wollen, diese Einheitslösungen à la Frankenberg, ab. Wir glauben, eine gesetzlich verankerte Verfasste Studierenden schaft bietet die Basis für Freiheit und für mündige Bürgerin nen und Bürger, wie wir sie an unseren Hochschulen hoffent lich hervorbringen.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Aber heute reden wir gar nicht über zwei Alternativen, son dern wir reden über einen Gesetzentwurf von SPD und Grü nen. Übrigens wird darüber schon lange diskutiert; das wur de bereits vielfach und immer wieder beantragt. Wir stehen hier nicht am Anfang der Debatte; wir haben eine 33-jährige Tradition. Studierende in allen Generationen haben – wie auch ich vor vielen Jahren – miteinander um dasselbe gekämpft. Wir sind hier immer auf taube Ohren gestoßen.

(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU)

Nach langer Debatte haben wir heute zum wiederholten Mal einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Auf der anderen Seite steht kein Alternativmodell, sondern ein Memorandum. Me moranden gibt es in letzter Zeit viele aus dem Hause Franken berg.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das heißt „Memos“! – Gegenruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Ihr müsst euch schon einigen! – Abg. Johannes Stober SPD: Schriftlich!)

Memos, genau. Ich hoffe, es ist wenigstens schriftlich vor handen. Ein Memorandum ist so etwas wie eine Absichtser klärung: Wir würden gern irgendwann einmal – aber bloß nicht heute – in Sachen Mitbestimmung, Mitsprache der Stu dierenden neue Wege gehen. Das ist schon einmal ein Signal. Lange Zeit gab es ja gar nichts. Aber es ist nichts Konkretes.

Es ist auch kein gutes Signal, diese Geschichte jetzt zum En de der Legislaturperiode wieder auf die lange Bank zu schie ben und zu sagen: In der nächsten Legislaturperiode machen wir etwas. Es könnte gut sein, dass Sie in der nächsten Legis laturperiode nicht mehr auf dieser Bank sitzen.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Deswegen gibt es heute eine Gelegenheit, klar Schiff zu ma chen.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Man kann auch Memo randen verlängern!)

Bezeichnenderweise – Herr Kollege Stober hat es auch schon ausgeführt – hatten Sie ja mit diesem windelweichen Memo randum, das Sie vorgelegt haben, eigentlich vor, jetzt im Vor wahlkampf Ruhe zu schaffen.

(Abg. Johannes Stober SPD: Das Gegenteil ist ein getreten!)

Die Debatte um mehr Mitbestimmung und mehr Mitsprache sollte über das Memorandum nicht ermöglicht werden, son dern sie sollte gekillt werden. Es sollte nämlich ein Brief mit der Unterschrift von Studierenden und mit der Unterschrift al

ler Hochschulleitungen vorgelegt werden, und damit sollte die Debatte um mehr Mitspracherechte beendet werden. Die Stu dierenden sind Ihnen von der Stange gegangen. Dann sind Ih nen die Hochschulen von der Stange gegangen. Denn in fast allen Senaten der Universitäten gibt es Beschlüsse zur Ver fassten Studierendenschaft. Deshalb sind Ihnen die Unirekto ren von der Stange gegangen, schriftlich und mit Unterschrift, und haben gesagt: Nein, wir unterzeichnen Ihre Absichtser klärungen nicht mit.