Protokoll der Sitzung vom 02.02.2011

Meine Damen und Herren, ich will keinen Zweifel daran las sen, dass neben all diesen Maßnahmen, die wir hier angehen, die Hausaufgaben im eigenen Land zu machen sind, um zu erreichen, dass wir die Fachkräfte entsprechend ausbilden. Ich glaube, dass wir unabhängig davon auf Dauer nicht darum he rumkommen, auch eine gezielte, eine gesteuerte Zuwande rung nach Baden-Württemberg zu erreichen. Ohne diese ge steuerte Zuwanderung wird es nicht gehen. Nur so wird es möglich sein, dass wir in der Zukunft z. B. die notwendige Anzahl von Ingenieuren in unserem Land haben.

Und schließlich wollen wir die Investitionskraft stärken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Dreisprung muss gemacht werden. Sie werden bei unseren Vorschlägen feststellen, dass wir auch bereit sind, hier neue Projekte auf dem Weg zu bringen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir es schaffen, die Spitzen position, die wir heute einnehmen, auch noch in zehn Jahren innezuhaben. Es gilt das, was der Bundespräsident bei der Ver leihung des Forscherpreises angedeutet hat und was auch spä ter zitiert worden ist: „Baden-Württemberg ist die Technolo gieregion, das Innovationsland Nummer 1 in Europa.“

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Hagen Kluck FDP/ DVP: So ist es!)

Meine Damen und Herren, wir werden alles dafür tun, dass auch in Zukunft wie in Stein gemeißelt der Satz gilt, dass Deutschlands Zukunft zu einem wesentlichen Teil in BadenWürttemberg gestaltet wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Ha gen Kluck FDP/DVP: Jawohl! – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann! – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Ho felich.

(Abg. Thomas Knapp SPD: Dann werde ich einmal zuhören! – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Noch ein bisschen mäkeln! – Gegenruf der Abg. Ursula Hauß mann SPD)

Diesen Gefallen tue ich Ihnen nicht. Deswegen ärgern Sie sich ja.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Schauen wir einmal!)

Kolleginnen und Kollegen, Herr Präsident, Herr Minister! Meine Damen und Herren, ich hatte Ihnen versprochen, dass

ich in der zweiten Runde die Frage beantworte, wohin sich unser Land entwickeln sollte und was wir dafür tun können.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Gar nichts!)

Herr Minister, ich danke Ihnen zunächst einmal dafür, dass Sie versucht haben, eine Beschreibung unserer Lage aus Ih rer Sicht vorzunehmen. Das verdient Respekt. Ich finde aber, dass Sie in einigen Punkten auch wieder erlegen sind, zu sa gen: „Wir machen etwas.“ Da ist es sehr schwer, zu benen nen, wer eigentlich „wir“ ist. Ich nenne das Beispiel Fraun hofer-Institute. Diese werden zu 90 % vom Bund und zu 10 % vom Land gefördert. Das wissen Sie.

(Minister Ernst Pfister: Herlocken! – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Ja. – Aber da muss man bei der Rhetorik ein bisschen auf passen. Sie sagen immer: „Wir machen das; wir machen das“, wenn es eigentlich ganz anders aussieht. Diesen roten Faden erkenne ich in der Debatte bei den derzeitigen Regierungs fraktionen. Sie bringen sozusagen mehr in der Rhetorik, als faktisch tatsächlich geschieht. Das ist die Schwierigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen will ich Ihnen am Schluss aus meiner Sicht ein paar wenige Punkte nennen – meine Redezeit ist gleich zu Ende. Ich glaube, dass wir bei den Existenzgründungen wesentlich mehr tun müssen. Unsere Kolleginnen und Kollegen in Bay ern haben in den letzten Jahren 99 Millionen €, glaube ich, für Risikokapital bereitgestellt.

(Minister Ernst Pfister: Haben wir auch!)

Ihr eigener Innovationsrat sagt, dass Baden-Württemberg von einer nachlassenden Gründungsintensität im industriellen Hightechbereich betroffen sei und das Eigenkapitalangebot für junge innovative Hightechunternehmen in Baden-Würt temberg ungenügend sei.

Herr Minister, Sie können viel sagen. Baden-Württemberg liegt in der Bereitstellung von Risikokapital für junge techno logieintensive Firmen hinten. Es ist zu wenig geschehen. Wir müssen mehr tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens will ich Ihnen sagen: Zu den Aufgaben der Zukunft gehört auch, dass wir darauf achten, dass die Vergabepolitik der öffentlichen Hand nicht dirigistisch ist, sondern die An reize setzt, bei der öffentlichen Vergabe Wert auf Innovation zu legen.

Ich frage mich, warum wir nicht etwa bei der Informations technik stärker auf offene Systeme setzen, indem wir ganz klar sagen: Wir verlangen in unseren Ausschreibungen, dass künf tig auch Open-Source-Lösungen angeboten werden. Das müsste bei diesen Riesenausgabenposten für Informations technik einmal im Querschnitt aller Häuser vereinbart wer den. Auch hier erwarte ich von der Landesregierung mehr Be reitschaft zur Innovation.

Ich will drittens sagen: Wir sind jetzt, was das Thema Fach kräftemangel angeht, das immer wieder gestreift wird, in der Situation, dass die am besten ausgebildete Frauengeneration,

die es in Baden-Württemberg je gab, nicht genügend in der Lage ist, ihre Fähigkeiten einzubringen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Deswegen sind wir gefordert, endlich durch eine gute Fami lien- und Bildungspolitik in diesem Land einiges zu verän dern.

(Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Das machen wir schon, keine Angst!)

Deswegen ist Wirtschaftspolitik für dieses Land auch eine Querschnittsaufgabe. Wir müssen einen Diskurs in der Bevöl kerung führen, bei dem wir sagen: Dieses Land geht als Kern land der Industrie in Europa die nächsten Jahrzehnte an. Die Landespolitik ist verpflichtet, das ihr Mögliche dafür zu tun. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Sitz mann.

(Minister Ernst Pfister: Da muss ich zuhören!)

Herr Präsident, liebe Kolle ginnen und Kollegen! Es sind jetzt einige Punkte vom Herrn Minister angesprochen worden, bei denen es doch gilt, noch einmal darauf zu reagieren.

Ich möchte einfach auch noch bestärken, was der Kollege Ho felich gerade gesagt hat: Wirtschaftspolitik ist auch eine Quer schnittsaufgabe. Wenn Sie die Gutachten ernst nehmen, die Sie selbst in Auftrag gegeben haben, also die Gutachten von McKinsey und vom IAW, dann sehen Sie, dass darin genau das deutlich wird. Um den Fachkräftebedarf in der Zukunft nachhaltig zu sichern – eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften in der Zukunft –, müssen wir auch das Potenzial von Frauen noch wesentlich stärker in den Vor dergrund rücken. Tatsächlich ist zwar die Erwerbstätigenquo te recht hoch, aber die Stundenzahl und die Art der Beschäf tigung von Frauen entspricht in der Regel in keiner Weise ih rem Qualifikationsniveau.

Wir haben ja nicht umsonst derzeit auf Bundesebene die De batte, in der es darum geht: Wie können wir denn mehr Frau en in Führungspositionen bringen? Das hat einen guten Grund. Denn lediglich 2,2 % der Vorstandsposten in den Top-100-Un ternehmen sind mit Frauen besetzt.

Da Sie uns das nicht glauben: Es gibt mittlerweile auch eine Vielzahl von Studien, z. B. von McKinsey, die besagen, dass geschlechtergemischte Führungsstrukturen Unternehmen deutlich voranbringen und sie zu mehr Innovation und zu hö heren operativen Gewinnen führen. Deshalb sollten wir end lich andere europäische Länder als Beispiel nehmen und eine Quote für Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen einführen.

(Beifall bei den Grünen)

Dafür ist es allerhöchste Zeit.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist das allergrößte Problem im Land!)

Wer da natürlich wieder einmal dagegen ist, werte Kollegin nen und Kollegen, ist die FDP. Die FDP hält davon nichts. Da mit werden wichtige Chancen, wichtige Innovationspotenzi ale, die wir im Land haben, einfach nicht genutzt.

Wir sind auch noch gespannt, was bei der CDU herauskommt. Während Frau von der Leyen eine 30-%-Quote fordert, sucht Frau Schröder noch nach freiwilligen Lösungen. Aber ich kann Ihnen sagen: Das haben wir jetzt über Jahrzehnte pro biert. Es wird endlich Zeit, hier klare Regeln zu setzen und Frauen in Führungspositionen voranzubringen.

(Beifall bei den Grünen und der Abg. Ursula Hauß mann SPD)

Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt beim Thema „Wirt schaftspolitik ist Querschnittsaufgabe“ ansprechen. Auch in Ihrem eigenen Gutachten können Sie nachlesen, dass es dar um geht, dass wir für die Vereinbarkeit von Familie und Be ruf die ganztägige Kinderbetreuung ausbauen müssen. Das ist ganz entscheidend, damit beide Geschlechter im Erwerbsle ben gleichermaßen ihre Potenziale entfalten können. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir noch nicht ein mal die Ganztagsschulen als Regelschulen im Schulgesetz verankert haben. Wenn Sie hier nicht endlich einmal voran gehen und für den zügigen Ausbau von Ganztagsschulen sor gen, dann werden wir der Herausforderung, Fachkräfte zu si chern, in Zukunft nicht gerecht werden können.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Schließlich, meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt, der als Querschnittsaufgabe dazugehört: Das ist das Thema „Integration und Zuwanderung“. Da lesen wir doch jetzt wie der im sogenannten Regierungsprogramm der CDU, dass Sie die Anerkennung von Abschlüssen, die im Ausland gemacht worden sind, endlich erleichtern wollen. Das ist seit Jahren unsere Rede. Bislang haben Sie dies, obwohl es massiven Be darf gibt, immer abgelehnt. Bis heute ist es Ihnen lieber, dass Menschen mit Diplom putzen gehen, als dass wir sie entspre chend ihren Qualifikationen einsetzen und ihnen Chancen auf dem Arbeitsmarkt geben. Sie haben in den vergangenen Jah ren auch viel versäumt, um für die Fachkräfte der Zukunft zu sorgen.

Deshalb, meine Damen und Herren, wären bei dieser Debat te ein paar neue Ideen gefragt gewesen. Leider Fehlanzeige. Aber das machen wir dann ab Mai.