Protokoll der Sitzung vom 08.11.2006

Ich kann Ihnen das am Beispiel der Stadt Karlsruhe ganz eindrücklich schildern: Die Stadt Karlsruhe hat in den letzten Jahren 18,5 Stellen in der Schulsozialarbeit eingerichtet. Die Schulsozialarbeiter arbeiten an den Schulen direkt mit den Schülern und Schülerinnen. Das sprengt jeglichen Rahmen des Jugendhilfegesetzes.

Deshalb ist auch so entscheidend, dass, wenn wir einen Ausbau in der Fläche in Baden-Württemberg haben wollen – und den brauchen wir –, sich das Land beteiligt. Denn bei uns gibt es natürlich erschreckende Lücken. Es ist nicht so, dass wir bereits viel erreicht hätten, Frau Sozialministerin Stolz. Vielmehr haben wir punktuell in einigen Städten, wo die Kommunen sich den Notwendigkeiten stellen, eine sehr gute Versorgung, während wir an anderen Stellen überhaupt keine Schulsozialarbeit eingerichtet haben.

(Zuruf des Abg. Christoph Bayer SPD)

Es kann nicht der Beliebigkeit überlassen bleiben, ob an den Schulen Schulsozialarbeit eingerichtet wird oder nicht. Auch das Land muss dafür eine Verantwortung übernehmen. Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung. Sie wer

den diese Forderung auch in Zukunft hören. Das kann ich Ihnen versichern.

Ich bedanke mich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags Drucksache 14/225, liebe Kolleginnen und Kollegen. Abschnitt I des Antrags ist mit der Aussprache erledigt. Über Abschnitt II erfolgt eine Abstimmung.

Wer für Abschnitt II des Antrags Drucksache 14/225 stimmt, der möge bitte seine Hand erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das Zweite war die Mehrheit. Damit ist Abschnitt II des Antrags abgelehnt.

Punkt 5 der Tagesordnung ist damit abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Große Anfrage der Fraktion der FDP/DVP und Antwort der Landesregierung – Zukunftsgerechte Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs in BadenWürttemberg – unter veränderten Rahmenbedingungen – Drucksache 14/67

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung der Großen Anfrage fünf Minuten je Fraktion, gestaffelt, für das Schlusswort fünf Minuten.

Wem darf ich das Wort erteilen? – Bitte, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Die zukunftsgerechte Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs in Baden-Württemberg wie auch die gesamte Verkehrsinfrastruktur des Landes sind mitentscheidend dafür, ob Baden-Württemberg langfristig die Nummer 1, also die Lokomotive in Deutschland, bleiben kann.

Verkehrspolitik ist Standortpolitik. Der öffentliche Personennahverkehr hat einen hohen verkehrs- und damit auch landespolitischen Stellenwert. Er ist letztendlich für die Zukunft dieses Standorts mitentscheidend: mitentscheidend dafür, ob die weniger werdenden jungen Menschen hier ihre Zukunft sehen, aber auch dafür, ob die vielen älteren Menschen hierbleiben.

Die Rahmenbedingungen haben sich, wie in der Großen Anfrage auch erwähnt wird, natürlich geändert und werden sich mittelfristig weiter ändern. Die Verknappung der Haushaltsmittel im Verkehrsbereich im Jahr 2003 durch den Bund – also mit Zustimmung der Grünen – erforderte natürlich im Bereich der Förderstrategie eine Neuausrichtung. Die Restriktionen des Bundes bei den Förderkriterien erzwingen dringend, sich über die Zukunft und die künftige Ausgestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Gedanken zu machen. Es gilt, den demografischen Wandel und insbesondere dessen Auswirkungen in den ländlichen Räumen, aber auch in den Ballungsgebieten mit den Kosten und den Einsparungen im ÖPNV unter einen Hut zu bringen.

Wir haben die Landesregierung in unserer Großen Anfrage ersucht, zu skizzieren, wie es weitergehen soll, was geplant ist und welche Prioritäten sie auch im Hinblick auf die Haushaltskonsolidierung setzen will. Obwohl der Bundesverkehrsminister dem Land 80 Millionen € an Mitteln gekürzt hat, hat es die Landesregierung erreicht, dass es beim Schienenpersonennahverkehr nicht zu Streckenstilllegungen kam.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Heiderose Ber- roth FDP/DVP: Da hätten eigentlich alle klatschen können!)

Da kann ich Ihnen nur zustimmen. – Herr Kollege Palmer – er ist, glaube ich, draußen –, Sie sind ja im Vorfeld der Entscheidung, was den Schienenpersonennahverkehr und die Kürzungen angeht, wie ein Marktschreier und wie ein Oberbahnhofsschließer und Streckenstillleger herumgelaufen und herumgefahren und haben Panik gemacht. Ich finde, es ist ein Riesenerfolg dieser Landesregierung, dass es ihr gelungen ist, in den Verhandlungen mit der Bahn die Auswirkungen auf ein, glaube ich, praktikables Maß zu begrenzen.

Meine Damen und Herren, es ist ein Erfolg, dass es, wie gesagt, keine einseitigen Benachteiligungen der ländlichen Räume oder auch bei der Schülerbeförderung geben wird. Am Ziel der Aufrechterhaltung des Integralen Taktfahrplans wird weiter festgehalten. Mittelkürzungen sind bei der Innovationsförderung ebenfalls nicht vorgesehen, Herr Staatssekretär Köberle, und es bleibt beim Erhalt der mittelständischen Strukturen des privaten Omnibusgewerbes.

Diese Zielrichtung der Landesregierung entspricht den Vorstellungen der Fraktion der FDP/DVP. Nachdem es zu keinen Streckenstilllegungen im Land kommt, sind nun die regionalen Verkehrsverbünde gefordert, intelligente Konzepte vorzulegen und vor allem die zwei Millionen gekürzten Bahnkilometer zu organisieren und auszugleichen. Ich könnte mir z. B. gut vorstellen – –

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Dr. Bullinger, Moment bitte!

Meine Kolleginnen und Kollegen, verlegen Sie die Gespräche doch bitte nach außerhalb des Plenarsaals. Dort können Sie auch lauter miteinander reden.

Bitte.

Und ich würde nicht stören.

(Heiterkeit)

Ich könnte mir z. B. gut vorstellen, dass der eine oder andere Geisterzug durch einen Rufbus oder ein Ruftaxi sehr sinnvoll ersetzt werden könnte und trotzdem die Grundversorgung mit öffentlichem Personennahverkehr weiterhin gewährleistet bleibt. Es gibt doch bereits hervorragende Beispiele dafür – ob das hier im Stuttgarter Raum oder in ländlichen Räumen ist –, wie man das besser kombinieren kann, und Belege dafür, dass es noch Einsparpotenziale gibt. Ein gutes Angebot beim ÖPNV, das die Gesamtstruktur des

Landes stärker berücksichtigt, gibt auch Stabilität für das Land Baden-Württemberg insgesamt und erhält die Attraktivität des gesamten Landes.

Um es deutlich zu sagen: Wenn wir allerdings in vier Jahren bei der Wiederbestellung wieder bei der Bahn sind, muss auch der eine oder andere Verkehrsverbund, glaube ich, etwas vorlegen, damit nicht das passiert, was man bisher auch befürchtet hat, nämlich Stilllegungen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich halte es auch für sehr wichtig, dass man den Bürgerinnen und Bürgern, die häufig gerade in ländlichen Räumen mit Zweit- und Drittfahrzeugen unterwegs sind, ein attraktives Angebot unterbreitet, um eben die Struktur gerade in den ländlichen Räumen zu erhalten.

Man muss, glaube ich, auch einen Punkt klarstellen: Es wird sehr häufig eine Milchmädchenrechnung aufgemacht, meine Damen und Herren. Es ist eben das Zweit- und Drittauto und nicht nur der Sprit, was etwas kostet. Daher ist es für den privaten Haushalt oft wesentlich rentabler, die öffentlichen Nahverkehrsangebote in Zukunft besser zu nutzen.

Fünf Punkte, die uns besonders wichtig sind, möchte ich hier nennen:

Erstens: Der Maßstab des ÖPNV bedeutet für uns, dass es eine vollwertige Alternative zum Individualverkehr geben muss und dass vor allem Pendler und Schüler ein attraktives Angebot vorfinden müssen, und dies sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen, das heißt attraktive Verbindungen, bessere Qualität, aber auch bessere Qualität des Wagenmaterials. Herr Staatssekretär, hier müssen wir, glaube ich, auch noch einmal im Einzelfall schauen, dass die Regionen insgesamt gleich behandelt werden. Ich sehe immer noch sehr viele gerade im Nahverkehr fahrende umgespritzte Silberlinge. Das ist natürlich nicht die Attraktivität, die man sich im ÖPNV vorstellt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Zweitens: Das Nahverkehrssystem muss bedarfsgerecht und finanzpolitisch vertretbar weiterentwickelt werden.

Drittens: Der erreichte Qualitätsstandard muss gesichert und, wenn es geht, verbessert werden. Hier sehe ich insgesamt noch einen großen Nachholbedarf und die Chance für eine bessere Werbung für das Image des ÖPNV.

Viertens: Eine Streichung von Bahnverbindungen kommt nur dort infrage, wo eine sehr schwache Frequentierung gegeben ist und eine entsprechende Alternative angeboten wird.

Fünftens: Die Verkehrsunternehmen Bahn und Bus sind in der Zukunft aber auch mehr als bisher selbst gefordert, aktiv zu werden, um staatliche Kürzungsmaßnahmen zu kompensieren, und zwar gerade hier durch organisatorische Möglichkeiten, die es zu verbessern gilt.

Abschließend stelle ich nochmals fest, dass der Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg, der Standort Baden-Württemberg insgesamt nur dann attraktiv bleibt, wenn auch die

Verkehrsinfrastruktur noch besser wird und der Personennahverkehr weiterhin ein attraktives Angebot für die Bürgerinnen und Bürger, ob Schüler, Arbeitnehmer, Tourist, ob Seniorinnen oder Senioren, bietet.

Zum Schluss bedanke ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verkehrsabteilung Ihres Hauses, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Großen Anfrage und freue mich nun auf die weitere Diskussion.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Scheuermann das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In sieben Minuten kann ich natürlich keine Grundsatzausführungen über den ÖPNV machen.

(Zuruf von der SPD: So geht es uns allen!)

Ich glaube, das ist auch nicht nötig. Ich beschränke mich deswegen auf fünf Punkte.

Erster Punkt: Ich habe bei der letzten Debatte über die Frage, wie wir die Tatsache, dass jährlich 80 Millionen € weniger für den ÖPNV zur Verfügung stehen, bewältigen, gesagt: Es darf nicht einseitig zulasten des ländlichen Raums gehen. Ich freue mich, dass wir heute feststellen können, dass die Reduzierung dieser Mittel verkraftet werden konnte, ohne dass es zu Streckenstilllegungen gekommen ist.