Herr Generalkonsul Dumon hat im September die Nachfolge von Herrn Henri Reynaud angetreten. Er kennt unser Land bereits seit früher Jugend durch ein Deutschstudium in Ludwigsburg und ein Praktikum in Feuerbach.
Herr Generalkonsul, ich darf Sie hier im Landtag von Baden-Württemberg sehr herzlich begrüßen. Wir wünschen Ihrer Arbeit in unserem Land viel Erfolg.
Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion GRÜNE – Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes – Drucksache 14/226
Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion festgelegt, wobei gestaffelte Redezeiten gelten.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten eine erste Lesung unseres Gesetzentwurfs, und wir hatten eine Beratung im Innenausschuss, aber für uns hat sich kein Grund aufgetan, von diesem Gesetzentwurf Abstand zu nehmen, im Gegenteil.
Worum geht es? Es geht darum, dass wir möglichst schnell, ohne schuldhaftes Zögern eine verfassungswidrige Regelung der Rasterfahndung in unserem baden-württembergischen Polizeigesetz korrigieren. Das ist ein klarer Auftrag aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April dieses Jahres. Wir müssen in diesem Zusammenhang dafür sorgen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wieder Platz findet im Polizeigesetz.
Erinnern wir uns an den Anlass: Der lag zwar in NordrheinWestfalen, dort wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen, aber auch in Baden-Württemberg hätte es angerufen werden können, und das Ergebnis wäre das gleiche gewesen.
Die letzte Rasterfahndung in diesem Land im Jahre 2001 war, im Nachhinein betrachtet, ein skandalöser Vorgang.
Sie hat einen Wust von 1,8 Millionen Datensätzen aus 250 verschiedenen Behörden aufgehäuft; bundesweit waren es über 8 Millionen. Bevölkerungsgruppen, in diesem Fall Studierende aus Ländern mit islamischer Verfassung, sogenannter islamischer Herkunft, islamischen Glaubens, wurden über Monate hinweg stigmatisiert und unter Generalverdacht gestellt. Da kann man sich einmal informieren, was das bedeutet hat für viele Einzelne, für die es niemals einen Anhaltspunkt gegeben hat, in Verdacht zu geraten. Im Ergebnis hat aber die Rasterfahndung außer sehr, sehr hohen Kosten nichts, aber auch rein gar nichts gebracht. Es war ein bloßes Beschäftigungsprogramm, mit dem allerdings sehr tief und folgenschwer in Persönlichkeitsrechte eingegriffen worden ist. Wir sagen: Das darf sich auf keinen Fall wiederholen. Deshalb muss das Polizeigesetz angepasst werden.
Man hat uns im Vorfeld geradezu beschworen, auf eine von der Landesregierung selbst angekündigte Novellierung des Polizeigesetzes irgendwann im Jahr 2007 zu warten. Allerdings kann niemand, nicht einmal der Herr Innenminister, sagen, wann genau das der Fall sein wird. Das erste Halbjahr 2007 ist ja mittlerweile schon wieder mit einem Fragezeichen versehen. Außerdem wurden wir gefragt, warum wir denn seitens der Grünen so hektisch seien, warum es sofort sein müsste; das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sei ja ab sofort für die Polizei und für das Innenministerium bindend.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass es schon ein gravierender Unterschied ist, ob der Landtag in Reaktion auf das Urteil des höchsten Gerichts für eine Rasterfahndung auf Grundlage eines transparenten und sauberen gesetzlichen Verfahrens eine neue Regelung bestimmt oder ob das künftig auf unbestimmte Zeit im stillen Ermessen des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden stattfindet. Das ist ein großer Unterschied. Wir dringen auf eine transparente und rechtsstaatlich saubere Lösung.
Was waren die Differenzen, die es in der bisherigen Fachdebatte um die Neufassung des Polizeigesetzes gegeben hat? Ich finde sie gar nicht so gravierend; sie sind für uns überwindbar.
Die Koalitionsfraktionen, der Innenminister, aber auch die SPD-Fraktion halten den Begriff der gegenwärtigen Gefahr, an den wir die Voraussetzungen für eine Rasterfahndung knüpfen wollen, für zu eng gefasst. Das war die Differenz Nummer 1.
Die Koalitionsfraktionen und auch der Herr Innenminister – aber er hat eine Prüfung jedenfalls zugesagt – wehren sich gegen eine Dokumentation der Maßnahmen einer Rasterfahndung, die anschließend z. B. eine Überprüfung durch den Datenschutzbeauftragten oder auch durch Betroffene überhaupt erst ermöglicht. Bisher haben wir diese Situation nicht. Es gibt gar keinen Zugang.
Diese Differenzen sind überwindbar. Wir haben dazu Vorschläge gemacht. Wir sind davon überzeugt, dass unser Gesetzentwurf im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Höhe der Zeit ist und alle diese offenen Fragen überzeugend beantwortet.
Wir sehen keinen Grund, diesen Gesetzentwurf abzulehnen oder das Thema weiterhin auf die lange Bank zu schieben – es sei denn, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, Sie hätten ein ernsthaftes Problem damit, anzuerkennen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein hochwertiges Recht ist, das auch im Zeitalter des Terrorismus nicht ständig gegenüber dem Sicherheitsgedanken, der Datensammelwut und anderen Dingen zurückzustehen hat. Es ist ein Recht, das einklagbar sein muss und das konkret in diesem Polizeigesetz wiederhergestellt werden muss.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir den Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE zu einer isolierten Regelung der Rasterfahndung hier beraten, müssen wir das gesamte Thema in den sicherheitspolitischen Kontext stellen.
Die Sicherheitslage in Baden-Württemberg, in Deutschland und auf der Welt ist nach wie vor geprägt durch die Bedrohung durch islamistisch motivierten Terrorismus. Dieser Terrorismus, der die Menschen in ihrer körperlichen Unversehrtheit und ihrem Leben bedroht, ist weltweit vernetzt. Das sieht man allein schon an der Chronologie: 2001 New York, Washington, Pennsylvania; 2004 die schlimmen Anschläge von Madrid, 2005 London und 2006 der vereitelte Versuch mit Kofferbomben in Zügen bei uns in Deutschland.
Das zeigt: Die Bedrohung ist dauerhaft, sie ist ernst, und sie nimmt keine Rücksicht auf Menschenleben. Es gibt eine menschenverachtende terroristische Bedrohung durch diesen islamistisch motivierten Terror. Spätestens seit den Ereignissen in diesem Jahr wissen wir, dass der Terror auch vor Deutschland nicht haltmacht, wie wir uns das natürlich wünschen würden.
Aufgrund dieser Ausgangslage ist es Aufgabe der Politik, der Polizei und den Sicherheitsbehörden alle Instrumentarien zur Verfügung zu stellen, die der Rechtsstaat erlaubt, um die Bevölkerung, um die Menschen vor diesem Terrorismus zu schützen. Vor diesem Hintergrund ist die unstreitig notwendige Anpassung unserer polizeigesetzlichen Regelung für die präventive Rasterfahndung zu sehen. Wir wissen – das ist unstreitig, Kollege Sckerl –, dass wir eine Anpassung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vornehmen müssen, und wir werden das auch tun und unser Polizeigesetz entsprechend anpassen.
Gleichwohl sage ich aber auch – diese politische Aussage sei mir erlaubt –: Wir halten diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angesichts der eben beschriebenen Sicherheitslage für nicht hilfreich für die Sicherheitsbehörden. Damit befinde ich mich jetzt in guter Gesellschaft.
Bei dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gibt es ein Sondervotum der Richterin Haas, die gesagt hat: Unter diesen Voraussetzungen, die der Senat beschlossen hat, macht das Urteil den Staat gegenüber drohenden Terrorangriffen wehrlos. Ganz so schlimm muss es nicht sein, und wir werden auch versuchen, eine sinnvolle Auszugestaltung zu finden.
Aber vor diesem Hintergrund begrüßen wir die Absicht der Landesregierung, eine umfassende Änderung des Polizeigesetzes dahin gehend anzustreben, dass nicht nur eine isolierte Regelung vorgenommen wird, sondern – und wir bitten den Herrn Innenminister, dies entsprechend aufzunehmen – dass unter Wahrung der rechtsstaatlichen Voraussetzungen auch alles getan wird, um der Polizei die Instrumentarien zu geben, damit sie die Bevölkerung schützen kann. Wir laden auch unseren Koalitionspartner herzlich dazu ein, wirklich möglichst weitgehende, auf rechtsstaatlicher Basis beruhende Maßnahmen zu ergreifen.
Ein paar Beispiele dafür, wo wir der Polizei die für ihre Regelungssicherheit erforderliche Rechtsgrundlage geben wollen, liegen im Bereich der Videoüberwachung, im Bereich der automatisierten Erfassung von Kfz-Kennzeichen und im Rahmen der Kontrollbefugnisse im Bereich der grenzüberschreitenden Kriminalität. In diesem Kontext einer Änderung des Polizeigesetzes werden wir die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nötig gewordene Anpassung der Voraussetzungen für die präventive Telekommunikationsüberwachung, für die Wohnraumüberwachung und für die Rasterfahndung vornehmen.
Nun liegt der Gesetzentwurf der Grünen vor, der isoliert die Rasterfahndung regelt. Herr Kollege Sckerl sagte in der ersten Lesung, es gehe den Grünen um eine 1:1-Umsetzung dessen, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat. Dem ist leider nicht so. Kollege Sckerl, Sie gehen mit Ihrem Gesetzentwurf weiter; das haben Sie vorhin selbst angesprochen. Ich will nur zwei Bereiche aufgreifen.
Der eine Bereich ist das Abstellen auf eine gegenwärtige Gefahr. Sie sagen, damit die Maßnahme der Rasterfahndung ergriffen werden kann, bedürfe es einer gegenwärtigen Gefahr für die innere Sicherheit. Was bedeutet das? Das bedeutet, die Polizei dürfte eine Rasterfahndung erst dann in Angriff nehmen, wenn man weiß, dass ein Anschlag unmittelbar bevorsteht.
Nun haben Sie selbst gesagt, dass die Rasterfahndung nicht eben ein kleines Instrument ist. Diese Maßnahme dauert auch eine Weile und ist in ihrer Durchführung sehr umfangreich. Sie könnten eine solche Maßnahme daher vergessen; sie wäre unnötig, und sie käme zu spät. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil, auf das Sie sich beziehen, selbst gesagt – und zwar nicht im Rahmen des Sondervotums, sondern der gesamte Senat hat das getan –, ein Abstellen auf eine gegenwärtige Gefahr würde bedeuten, dass
eine solche Fahndungsmaßnahme regelmäßig zu spät kommen würde. Was soll das dann also? Warum sehen Sie dann eine solche Regelung vor, von der Sie genau wissen, dass sie wirkungslos sein würde?
Das Zweite ist die Befristung bis zum Ende des Jahres 2008. Sie sagen: Wir regeln diese Rasterfahndung jetzt bis Ende 2008, und dann tritt die Regelung außer Kraft. Das sind ganze zwei Jahre. Seit es die Rasterfahndung in Deutschland gibt, nämlich seit dem RAF-Terrorismus in den Siebzigerjahren, ist dieses Instrument vielleicht dreioder viermal angewandt worden. Sie tun jedoch gerade so, als wäre das permanente Praxis. Diese Maßnahme wird aber nur in ganz wenigen, ausgeprägten Fällen von besonderer Bedrohung angewandt.
Nun wollen Sie das auf zwei Jahre befristen und sagen: Innerhalb dieser zwei Jahre schauen wir einmal, ob sich das Instrument bewährt,
und danach entfällt es. Sagen Sie doch gleich, was Sie eigentlich wirklich wollen: Sie wollen im Prinzip das Ganze zum Scheitern verurteilt sehen, und Sie wollen dieses Instrumentarium gar nicht. Das wäre ehrlicher.
Meine Damen und Herren, nachdem Sie in der ersten Lesung gesagt haben, es gehe um eine Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit, kann ich Ihnen nur erwidern: Das sind keine Gegensatzbegriffe. Im Gegenteil: Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit. Der Staat gewährleistet die Sicherheit und die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger. Das ist seine ureigenste Kernaufgabe. Wenn Sie eine solche Rasterfahndung als einen „skandalösen Vorgang“ – so haben Sie sich vorhin ausgedrückt, Kollege Sckerl – bezeichnen, geht das leider etwas an der Wirklichkeit vorbei. Wir, die CDU, stehen dafür, dass den Bürgerinnen und Bürgern ein Maximum an Sicherheit geboten wird. Absolute Sicherheit gibt es leider nicht, aber dafür, dass ein Maximum an Sicherheit geboten wird, stehen wir ohne Wenn und Aber ein. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.