Thomas Blenke

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Danke schön. – Herr Kollege Oelmayer, nur zum Verständnis des Rechtsstaats: Teilen Sie die Aussage, die Ihr Fraktionskollege Sckerl hier im Haus ge macht hat, dass sich das System der repräsentativen Demo kratie „restlos verbraucht“ hat?
Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Wir überschreiten heute bei dem wichtigs ten europapolitischen Vorhaben des Landtags in dieser Wahl periode die Ziellinie. Mit dem Gesetz über die Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union holen wir quasi Europa in den Landtag. Wir machen Europapolitik für die Bürger transparenter und leichter nachvollziehbar. Wir erfüllen einen wesentlichen Teil des Vertrags von Lissabon, nämlich die Stärkung der nationalen Parlamente, auch in der Volksvertretung des Landes Baden-Württemberg mit Leben.
Die Informations- und Unterrichtungspflichten der Landesre gierung gegenüber dem Landtag werden erheblich erweitert. Auf diese Weise wird im Hinblick auf EU-Vorhaben die Kon trolle gegenüber der Landesregierung und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger deutlich verbessert.
Die Beteiligung des Landtags in EU-Angelegenheiten war bis lang durch eine einfache Vereinbarung geregelt. Wir verschaf fen ihr heute Gesetzeskraft. Damit werten wir diese Verein barung und die Beteiligungsrechte des Landtags deutlich auf.
Neu und bundesweit einmalig ist die vorgesehene Regelung, wonach die Landesregierung bei ihrem Abstimmungsverhal ten im Bundesrat in bestimmten Fällen an das Votum des Landtags gebunden ist. Wenn Brüssel ausschließliche Gesetz gebungszuständigkeiten der Länder ganz oder teilweise auf die Europäische Union übertragen will, ist die Landesregie rung von Baden-Württemberg im Bundesrat an das Votum des Landtags gebunden. Die Bindung stellt im Fall von vertrags widrigen Eingriffen in Kompetenzen der Länder – ich nenne Schulpolitik, Polizeirecht, Kommunalrecht, Medienrecht – ein regelrechtes Abwehrrecht dar. Wenn „Europa“ draufsteht, aber „Baden-Württemberg“ drin ist, entscheiden wir, der Gesetz geber des Landes Baden-Württemberg, wenn es darum geht, solche Kompetenzen zu verlagern.
Bereits bei der Vereinbarung aus dem Jahr 1995 – das war die Vorläuferregelung – war Baden-Württemberg hinsichtlich der Beteiligung und der Mitwirkung des Landtags bundesweit führend. Andere Bundesländer haben erst jetzt, im Zuge der Umsetzung des Vertrags von Lissabon, auf diesen Sachstand, der bei uns bereits seit 1995 gegeben ist, nachgezogen.
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Betei ligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union wollen wir jetzt Beteiligungsrechte schaffen, die bun desweit einmalig sind. Alle anderen Landesparlamente schau en gegenwärtig darauf, was wir in Baden-Württemberg regeln.
Wegen der neuen Bindungswirkung dieses Beteiligungsgeset zes müssen wir auch die Landesverfassung ändern. Wir gehen gemessen an dem, was wir nach der Landesverfassung aus schöpfen können, sehr weit und müssen deshalb die Landes verfassung ändern. Zum Thema der Verfassungsänderung wird sich nachher noch Herr Kollege Mack für den zuständigen Ständigen Ausschuss äußern.
Ich möchte mich heute nochmals bei allen Beteiligten bedan ken. Es handelt sich um Gesetzentwürfe aller vier Fraktionen. Ich möchte mich bei den Sprecherkollegen der anderen Frak tionen für die Zusammenarbeit bedanken. Ich danke insbe sondere auch dem Herrn Landtagspräsidenten und dem Aus schussvorsitzenden des Europaausschusses, Gerhard Stratt haus. Ich bedanke mich bei der Landtagsverwaltung und auch bei der Landesregierung, speziell bei Herrn Minister Profes sor Reinhart, mit ihren Mitarbeitern für die Zusammenarbeit.
So viel zu dem Gesetzentwurf und zu dem Entwurf zur Ver fassungsänderung.
Wir beraten heute gleichzeitig den Bericht über die Europa politik der Landesregierung in den Jahren 2009/2010. Der vor liegende Europabericht zeigt erneut, in welch hohem Maß das Land und die Landesregierung in europapolitischen Fragen aktiv sind. Baden-Württemberg bringt sich ein und mischt sich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in die Europapoli tik ein.
Im Berichtszeitraum des Europaberichts, nämlich vom 1. Ju li 2009 bis zum 30. Juni 2010, waren die Herausforderungen für die Europäische Union durch die Wirtschafts- und Finanz krise, ausgelöst durch die Pleite von Lehman Brothers, enorm. Banken mussten stabilisiert werden. Alle Mitgliedsländer ha ben Konjunkturprogramme aufgelegt, um die schwächelnde Wirtschaft wieder anzukurbeln. Mitgliedsländer wie beispiels weise Griechenland gerieten in Zahlungsschwierigkeiten.
Die Europäische Union hat sich in dieser schwierigen und kri senhaften Situation gut aufgestellt und bewährt. Sie hat ge zeigt, dass sie unverzichtbar ist. Jetzt müssen aber richtiger weise die Konsequenzen gezogen und Reformen des Stabili täts- und Wirtschaftspakts angegangen werden. Hierfür hat sich die Landesregierung starkgemacht; das möchte ich aus drücklich anerkennen, Herr Minister Reinhart. Mit der ge meinsamen Positionierung der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen erst jüngst haben Sie gezeigt, dass wir aus Baden-Württemberg heraus in Deutschland Impulse in der Eu ropapolitik setzen.
Wir sind das mit Abstand aktivste Land, das sich in die Euro papolitik sowohl auf Bundesebene, im Bundesrat, als auch auf europäischer Ebene einbringt. Unsere Vertretung in Brüssel gilt anerkanntermaßen als die aktivste und wirkungsvollste re gionale Ländervertretung, die dort aktiv ist. Daran sieht man, dass wir in der Europapolitik schlagkräftig sind und vorange hen und dass wir Vorbild sind. Baden-Württemberg ist Motor für die deutsche Europapolitik.
Der Europabericht zeigt die hervorragende Arbeit in allen Be reichen auf: in der Strukturpolitik, in der interregionalen und in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, in der Arbeit aller Ressorts und aller Ministerien. Dies wird in dem Bericht zum Ausdruck gebracht und ausführlich dargelegt.
Ich möchte mich deshalb, Herr Minister, sehr herzlich bei al len beteiligten Häusern, bei allen Ressorts bedanken, die je weils aus ihren Bereichen die entsprechenden Informationen für den Europabericht gegeben haben.
Meine Damen und Herren, die CDU und die FDP/DVP wol len jetzt den bisherigen Europabericht im Zuge des Europa beteiligungsgesetzes durch eine andere Form der Berichter stattung ersetzen. Warum? Der vorliegende Bericht – wenn Sie ihn anschauen, dann sehen Sie es – ist ein hervorragendes geschichtliches Nachschlagewerk, aber es mangelt ihm an Ak tualität. Wir wollen in Europa jedoch nach vorn schauen und nicht nach hinten.
Der Berichtszeitraum – allein er belegt es – von Mitte 2009 bis Mitte 2010 zeigt: Heute, am 3. Februar 2011, also einein halb Jahre nach Beginn des Berichtszeitraums und ein halbes Jahr nach Redaktionsschluss für den Bericht, beraten wir den Europabericht. Das zeigt – das ist allerdings kein Vorwurf –, dass dieser Bericht keine Aktualität haben kann. Diese brau chen wir aber, wenn wir nicht nur schöne Lyrik betreiben wol len, sondern uns aktiv mit einbringen wollen.
Wir wissen, dass sich im politischen Geschehen viel tut. Des wegen wollen wir die künftige Berichterstattung lebendiger und vor allem aktueller haben. Durch die umfangreichen Pflichten, die wir jetzt mit dem Beteiligungsgesetz einbrin gen, haben wir die laufende Berichterstattung gesichert. Da rüber hinaus werden wir die Europapolitik mit quartalsweise erscheinenden aktuellen und lebendigen Berichten aktueller und besser hier bei uns einbringen können.
Meine Damen und Herren, mit dem neuen Beteiligungsgesetz und einem aktuellen Berichtswesen machen wir Europa zum zentralen Thema baden-württembergischer Politik. Die CDUFraktion wird deshalb dem Beteiligungsgesetz und der ent sprechenden Verfassungsänderung zustimmen. Ich bitte Sie, die Kollegen von SPD und Grünen, dem Versuch, den Euro pabericht aktueller, lebendiger, informativer und handlungs kräftiger zu machen, beizutreten. Ich weiß, Sie haben gewis se Bedenken. Springen Sie aber doch einmal über Ihren Schat
ten. Ich glaube, das wird zu Verbesserungen führen. Schauen wir es uns doch einfach einmal an.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, werte Kollegin nen und Kollegen! Wir sollten nicht alles zu Protokoll geben, denn dies ist ein sehr wichtiger Gesetzentwurf, und es geht immerhin auch um die Änderung unserer Landesverfassung.
Meine Damen und Herren, der Vertrag von Lissabon hat die Rechte der Mitgliedsstaaten sehr gestärkt. Heute beraten wir über einen Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung und einen Gesetzentwurf über die Beteiligung des Landtags in EUAngelegenheiten. Wir gehen neue Wege in der Mitwirkung des Parlaments in Sachen Europa; das stärkt unsere Demokra tie.
Der Vertrag von Lissabon misst den nationalen Parlamenten eine zentrale Bedeutung bei. Er stärkt ausdrücklich uns, die nationalen Parlamente. Sie sind stärker eingebunden. Im We ge der Subsidiaritätsrüge und -klage, des sogenannten Früh warnsystems, das uns von der CDU besonders wichtig ist, können die Parlamente Widerspruch gegen Vorhaben einle gen, die nicht in die Zuständigkeit der EU fallen.
Da die Bundesrepublik Deutschland ein föderaler Staat mit Landesparlamenten ist, muss sich das Gebot der Stärkung der nationalen Parlamente auch auf die Landtage beziehen – und damit auf uns. Deswegen ist für uns über alle Fraktionen hin weg klar, dass mit dem Vertrag von Lissabon auch die Betei ligungsrechte der Landtage gestärkt werden müssen. Der Ver trag von Lissabon hat keine Regelungen vorgesehen, wie die Landtage, die regionalen Parlamente zu beteiligen sind. Das war von uns selbst auszugestalten. Es geht also darum, dass wir selbst unsere Beteiligung angemessen erweitern.
Es gab ein Rechtsgutachten, das der Landtag bei Professor Nettesheim in Tübingen in Auftrag gegeben hat. Auch er kam zu dem Ergebnis, dass wir insbesondere im Rahmen unserer Gesetzgebungskompetenzen stärker zu beteiligen sind. Im März 2010 hat der Europaausschuss zudem hier im Saal eine Anhörung durchgeführt, an der sich auch Parlamentarier aus anderen deutschen Landtagen beteiligt haben. Die Präsiden tinnen und Präsidenten der Landtage haben sich ebenfalls aus giebig mit dieser Thematik beschäftigt.
Ich will Ihnen nur die wichtigsten Eckpunkte des jetzt vorlie genden Gesetzentwurfs vortragen. Wir haben uns für ein Ge setz und damit für die Ablösung der bisher nur formlosen Ver einbarung entschieden, die es zwischen Landtag und Landes regierung gab. Wir wollen damit einfach dem gewachsenen Stellenwert Rechnung tragen und der Verbindlichkeit Aus druck verleihen.
Zweitens: Mit dem geplanten Gesetz zur Beteiligung des Landtags werden Informations- und Unterrichtungspflichten der Regierung gegenüber dem Landtag enorm erweitert. Durch die Zuleitung aller dem Bundesrat übermittelten Do kumente der EU erhält der Landtag einen Gesamtüberblick über die anstehenden Vorhaben. Auf diese Weise kann die Kontrolle im Hinblick auf die Vorhaben der EU verbessert werden. Das Parlament ist damit auf Augenhöhe mit der Re gierung.
Drittens: Neu und bundesweit einmalig ist die Bindung der Landesregierung an die Stellungnahmen des Landtags bei ih rem Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Uns als CDU-Frak tion war dies besonders wichtig, und von uns stammt auch dieser Vorschlag, den wir eingebracht haben: Wenn aus
schließliche Gesetzgebungskompetenzen der Länder ganz oder teilweise auf die EU übertragen werden sollen, wenn es, meine Damen und Herren, um die ureigensten Kompetenzen des Landtags geht, muss auch der Landtag entscheiden und nicht die Regierung.
Diese strikte Bindung der Landesregierung an Stellungnah men des Landtags war auch aus unserer Sicht ohne Alternati ve, da es sich im Fall der Übertragung von Gesetzgebungs kompetenzen auf die Europäische Union – und nur darum geht es, lieber Kollege Gall – um einen endgültigen Verlust eige ner Rechte des Landtags handelt. Diese weit gehende Rege lung ist auf den Vorschlag von uns hin aufgenommen worden, und wegen dieser Bindungswirkung müssen wir übrigens auch die Landesverfassung ändern, was hier ebenfalls Gegenstand ist.
Das Zweite ist eine Bindungswirkung, die ebenfalls in Kraft tritt, wenn diese ausschließlichen Gesetzgebungsrechte be rührt sind, von der die Landesregierung auch nur in sehr en gem Rahmen abweichen kann.
Meine Damen und Herren, bereits mit der Vereinbarung von 1995 – das ist der derzeit geltende Status – war Baden-Würt temberg bundesweit führend. Andere Länder haben im Zuge der Umsetzung des Vertrags von Lissabon jetzt auf den Stand nachgezogen, den wir schon seit 1995 haben. Jetzt warten fast alle diese Länder auf das, was wir hier beschließen, und auf den Weg, den Baden-Württemberg geht.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und der damit zusam menhängenden Verfassungsänderung ist uns ein Beteiligungs gesetz gelungen, das bundesweit einmalig ist und sicherlich erneut als Grundlage für die Regelung auch in anderen Land tagen gilt. Baden-Württemberg ist Vorreiter und Trendsetter für eine Stärkung des parlamentarischen Föderalismus in Deutschland.
Ich möchte mich bei den anderen Fraktionen, insbesondere bei den Sprecherkollegen der anderen Fraktionen, ganz herz lich bedanken. Wir haben es geschafft, einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorzulegen. Mein Dank gilt auch dem Land tagspräsidenten, der sich im Laufe des Verfahrens sehr inten siv eingebracht hat. Nicht zuletzt darf ich dem Staatsministe rium danken. Herr Minister Reinhart hat sich ebenfalls sehr konstruktiv eingebracht.
Er musste schon gehen.
So viel für heute in der ersten Lesung. Detailfragen werden wir noch im Europaausschuss klären und dann das weitere Gesetzgebungsverfahren beschreiten.
Ich darf darauf hinweisen, dass ich ebenfalls vier Minuten und 16 Sekunden Redezeit eingespart habe. Damit habe auch ich einen kleinen Beitrag geleistet.
Vielen Dank.
Herr Kollege, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen – das wollte ich in Form einer Kurz intervention schon vorhin sagen –, dass Herr Kollege Sckerl seine Gespräche mit den Polizeigewerkschaften inhaltlich vielleicht nicht ganz vollständig wiedergegeben hat? Mir liegt eine sehr aktuelle Stellungnahme einer Polizeigewerkschaft vor, in der sie sich mit der Frage der Gewalttätigkeiten bei den Demonstrationen auseinandersetzt. Ich darf jetzt die Einschät zung dieser Gewerkschaft zitieren:
Der Einsatz war rechtmäßig, die eingesetzten Kräfte ha ben nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit ge handelt. Sie sind dort, wo ihnen erheblicher Widerstand entgegengebracht wurde, konsequent eingeschritten. Es entspricht nicht der Wirklichkeit, dass es sich bei den im Park versammelten Stuttgart-21-Gegnern ausnahmslos
ausnahmslos! –
um friedliche Rentner und Schüler gehandelt habe. Ein zelne Beamte sind von Personen massiv angegriffen wor den, die die überwiegend arglose Menge zur Deckung be nutzt haben.
Weiter schreibt die Gewerkschaft, ihr gehe es um die politi sche Seite des Einsatzes. Das ist auch der Auftrag an den Un tersuchungsausschuss.
Wären Sie bereit, das auch zum Gegenstand Ihrer Rede zu ma chen, weil Herr Sckerl das vorhin nicht gemacht hat?
Herr Präsident, verehrte Kolle ginnen und Kollegen! In einer Publikation der Gewerkschaft der Polizei war dieser Tage zu lesen, die Berliner Staatsan
waltschaft habe in mehreren linken Szeneläden eine Broschü re beschlagnahmt, in der Tipps für Anschläge und Sabotage aktionen gegeben wurden. Darin seien detaillierte Anleitun gen, etwa wie man Brandsätze baut, wie man mit Hakenkral len Züge stoppt oder wie man Strommasten umsägt. Die Si cherheitsbehörden in Berlin befürchteten, dass die Bereit schaft junger Autonomer zu Anschlägen weiter verstärkt wer de.
Meine Damen und Herren, wir gewöhnen uns fast schon an regelmäßige Meldungen über politisch motivierte Straftaten von rechts oder von links. Diese Straftaten sind oftmals mit Gewalt und Gewalttaten verbunden. Opfer sind dann in aller Regel vor allem Polizisten. So hat der Innenminister bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts vor einigen Wo chen auch gesagt:
Die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene ist alarmierend angewachsen. Auch beim Rechtsextremismus besteht kein Grund zur Entwarnung.
Ich will Ihnen kurz einige nüchterne Zahlen nennen, die die unterschiedliche Entwicklung darstellen:
Im Bereich des Rechtsextremismus ist noch immer die weit aus größere Zahl von Straftaten zu verzeichnen. Allerdings haben wir in diesem Bereich, insbesondere bei den Gewaltta ten, einen deutlichen Rückgang zu verzeichnen. In den ver gangenen Jahren hat sich die betreffende Zahl ungefähr hal biert. Das ist eine positive Entwicklung, wobei ganz klar ist: Jede einzelne Tat ist eine Tat zu viel. Deswegen ist in dieser Hinsicht, wie der Minister bemerkte, weiterhin Wachsamkeit angesagt.
Im Bereich des Linksextremismus jedoch war binnen eines Jahres – von 2008 auf 2009 – eine besorgniserregende Zunah me der Zahl der Straftaten zu beobachten. Sie stieg in BadenWürttemberg von 364 auf 940, während sich die Zahl der Ge walttaten von 31 auf 95 erhöht hat.
Prügelknabe ist immer die Polizei. Sie hat bei ihren Einsätzen unter einem hohen Aggressionsniveau, einer sinkenden Hemm schwelle für Gewalttaten und Respektlosigkeit zu leiden. Sie steht bei Konfrontationen zwischen rechts und links oft regel recht zwischen den Fronten. Es ist aus unserer Sicht unerträg lich, dass diejenigen, die die Ordnung zu wahren haben, die die Demonstrationsfreiheit gerade zu sichern haben – auch de rer, die sie ausnutzen, um gewalttätig zu werden –, tätlichen Angriffen ausgesetzt sind.
In Ulm wurden im Mai vergangenen Jahres bei Aktionen von 500 Linksextremisten 29 Polizeibeamte zum Teil schwer ver letzt. In Freiburg gab es im November 2009 eine Demonstra tion mit einem sogenannten schwarzen Block. Dabei wurden glücklicherweise „nur“ zwei Polizeibeamte verletzt, was der guten Schutzausrüstung der Polizei zu verdanken war. In die sem Zusammenhang ist es schon bemerkenswert, dass sich die Grünen hier im Haus veranlasst sahen, sich in einem An trag kritisch mit dem „massiven Polizeieinsatz“ bei genau die ser Veranstaltung in Freiburg auseinanderzusetzen,
und behaupten, der Einsatz sei massiv und unverhältnismäßig gewesen. Ich darf Ihnen aus der Stellungnahme des Innenmi
nisteriums zu diesem Antrag zitieren – es ging um 150 ver mummte Personen, nicht um „einzelne Personen“, wie es im Antrag der Grünen heißt –:
... wurden... Straftaten wie Körperverletzungen, versuch te Körperverletzungen, versuchte gefährliche Körperver letzungen, Beleidigungen, Landfriedensbruch und weite re Vergehen nach dem Versammlungsgesetz festgestellt.
Da stelle ich die Verhältnismäßigkeit eines solchen Polizei einsatzes nicht infrage. Es geht darum, die Ordnung zu wah ren und Straftaten zu verhindern.
Meine Damen und Herren, der vorhin genannte Anstieg im Bereich des Linksextremismus im vergangenen Jahr war in weiten Teilen sicherlich durch die Bundestagswahl und die Europawahl sowie den NATO-Gipfel in Baden-Baden und Kehl verursacht. Das mag die Begründung sein. Aber ich will ganz klar sagen: Eine Rechtfertigung kann dies in keiner Wei se darstellen. Es zeigt nämlich im Gegenteil die Perversion linksextremistischer Gewalt. Die Wahlen sind doch gerade die Grundlage der Demokratie und damit auch der Demonstrati onsfreiheit. Die NATO, die hier ihren Gipfel durchgeführt hat, garantiert bei uns seit 60 Jahren Demokratie, Freiheit und da mit indirekt auch die Demonstrationsfreiheit.
Deshalb, meine Damen und Herren: Demokratie muss wehr haft sein. Wir halten die jetzt in der Innenministerkonferenz vereinbarte Erhöhung des Strafrahmens bei Widerstandshand lungen gegen Polizeibeamte für sehr gut und sehr richtig. Das ist die richtige Antwort. Das muss so sein.
Wir halten Gewaltandrohungen bei Nichterreichen politischer Ziele für völlig inakzeptabel. Wer solche Drohungen aus spricht, ist intolerant und missachtet grundlegende Spielre geln im Umgang mit demokratisch zustande gekommenen Entscheidungen.
Ich sage dies auch ganz bewusst vor dem Hintergrund, dass ein Kollege unseres Hauses, Herr Drexler, sich wegen seines Einsatzes für Stuttgart 21 derzeit exakt solchen Drohungen ausgesetzt sieht.
Das ist unerträglich. Da muss die Demokratie wehrhaft sein und dagegen vorgehen.
Auf weitere Folgerungen, die insbesondere aus dem beängs tigenden Anstieg der Zahl der Straftaten im Bereich des Links extremismus, aber auch aus den anhaltend zu verzeichnenden Straftaten im Bereich des Rechtsextremismus zu ziehen sind, will ich in der zweiten Runde zu sprechen kommen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe für die zweite Runde extra meine Bril le aufgesetzt, damit der Kollege Kluck sich, sobald er wieder nach vorn schaut, davon überzeugen kann, dass ich auf kei nem Auge blind bin.
Das ist richtig; auf einer Seite habe ich die volle Sehkraft.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle einig: Braune Sümpfe und sogenannte schwarze Blö cke haben bei uns, in unserem Land, nichts zu suchen.
Im Bereich des Rechtsextremismus – Kollege Braun hat vor hin schon ausführlich darauf hingewiesen – findet bei uns ei ne geistig-politische Auseinandersetzung zum Glück und po sitiverweise gesamtgesellschaftlich statt. Präventions- und Aufklärungsprogramme, die es in diesem Bereich auch auf Landesebene zahlreich gibt, wirken offenbar – das zeigen die Zahlen –, und deshalb sind sie positiv zu bewerten und müs sen fortgesetzt werden.
Im Bereich des Linksextremismus ist aber leider festzustel len, dass die öffentliche Wahrnehmung geringer ist und dass es weniger Interesse und manchmal vielleicht auch – ich ha be es vorhin angedeutet – eine politische und mediale Ver harmlosung gibt. Deshalb sagen wir und fordern wir, dass im Bereich des Rechtsextremismus die Präventions- und Aufklä rungsmaßnahmen beibehalten werden müssen,
weil sie nämlich auch sehr positiv wirken. Wir sagen aber auch: Im Bereich des Linksextremismus ist eine solche Auf klärungs- und Präventionskampagne ebenso erforderlich und muss aus meiner Sicht verstärkt werden. Darin unterscheiden wir uns offensichtlich, Kollege Braun, weil Sie in diesem Fall von einer fatalen Gleichsetzung sprechen. Gerade das wollen wir nicht.
Wir wollen, dass beide Formen von Extremismus gleicherma ßen konsequent bekämpft werden.
Jetzt möchte ich Sie, Kollege Braun, auf eines hinweisen: Sie haben vorhin etwas sehr Bedenkliches gesagt. Sie haben näm lich auf einen Einsatz im Freiburger Raum verwiesen, bei dem die Polizei aufgrund von Hinweisen aus der Antifa-Szene auf irgendwelche rechtsextremen Bombenbauer oder so etwas ge kommen ist. Ich kenne den Zusammenhang nicht mehr genau, aber vorausgegangen waren Hinweise, die die Behörden aus der Antifa-Szene bekommen haben. Das hatten Sie vorhin an gesprochen.
Meine Damen und Herren, das war in der Tat so. Nur, wenn Sie das der Polizei vorwerfen, dann ist das falsch. Denn die Polizei ist bei ihren Ermittlungen an Recht und Gesetz gebun den und kann nicht schnüffeln wie – so war es im konkreten Fall – Angehörige einer Hackerszene aus dem Antifa-Bereich. Die haben das erschnüffelt. Das sind aber Ermittlungsmetho den, die im Rechtsstaat unserer Polizei zu Recht nicht erlaubt sind. Deswegen ist es unredlich, Herr Kollege Braun, wenn Sie der Polizei vorwerfen, dass sie nur aufgrund von Hinwei sen aus Kreisen der Antifa vorangekommen ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich, Kollege Sckerl, noch etwas mit den Anträgen, die von Ihrer Seite immer wie der kommen, beschäftigen. Ich nehme Ihnen grundsätzlich al les ab, was Sie sagen, aber wir lesen und hören – auch im In nenausschuss, in den nicht öffentlichen Beratungen – irgend wie immer wieder zumindest eine unterschwellige Sympathie, die da bei Ihnen mitschwingt.
Das sage ich Ihnen gleich. – Ich möchte Ihnen jetzt nur ei nes sagen. Es gab z. B. einmal einen Antrag von Ihnen, in dem Sie sich kritisch mit einem Polizeieinsatz auseinandersetzten, der im Dezember 2008 in Stuttgart gegen eine Demonstrati on wegen der geplanten Änderung des Versammlungsrechts stattgefunden hat. In der Begründung schrieben Sie, zahlrei che Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten darüber Beschwer de geführt, auch gegenüber Mitgliedern des Landtags – ver mutlich gegenüber Ihnen; das ist in Ordnung. Der Vorwurf lautete: Die Polizei habe auf viele Teilnehmerinnen und Teil nehmer unverhältnismäßig einschüchternd und abschreckend gewirkt.
Zu dieser Versammlung hatte u. a. eine „Revolutionäre Akti on Stuttgart“ aufgerufen; sie rief zu einem „kämpferischen und antikapitalistischen Block“ auf.
Die Polizei hat diesen Einsatz gefahren, weil wenige Tage zu vor bei einer ähnlichen Veranstaltung in Mannheim 100 ver mummte Personen drei Streifenwagenbesatzungen angegrif fen haben. Ich muss sagen: Unter diesen Umständen ist ein solcher Polizeieinsatz gerechtfertigt. Denn wir müssen auch die Polizisten schützen, die dort im Einsatz sind.
Wenn bei dieser Versammlung 500 mit schwarzen Kapuzen shirts bekleidete Personen zugange sind und es zu unfriedli chen Aktionen kommt, beispielsweise Knallkörper und Pyro technik gezündet werden, und – jetzt hören Sie mir bitte zu – –
Es waren Linksextremisten. – Ich zitiere einmal, was z. B. im vorderen Block gegenüber den eingesetzten Polizeibeam ten gesagt wurde – der Innenminister hat vorhin zu Recht das Thema Beleidigungen angesprochen –: Es wurden Parolen ge rufen wie z. B. „Wir sind alle 129 a!“ Für die Nichtjuristen im Haus: § 129 a StGB bezieht sich auf die Bildung terroristi scher Vereinigungen. „Wir sind alle 129 a!“, oder weiter: „All cops are bastards!“, oder weiter: „BRD-Bullenstaat, wir ha ben dich zum Kotzen satt!“
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Sckerl, wenn Sie in diesem Zusammenhang sagen, in den meisten Fällen stünden edle Motive dahinter, müssen Sie uns das bitte einmal erklä ren.
Deshalb, meine Damen und Herren: keine braunen Sümpfe und keine schwarzen Blöcke. Wir wollen gegen Extremismus jeglicher Couleur konsequent vorgehen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal freut mich als gebürtigen Og gersheimer, dass der geschätzte Kollege Walter den ehemali gen Bundeskanzler Helmut Kohl so intensiv gewürdigt und gelobt hat.
Der Antrag der Grünen, der heute zu beraten ist, ist schon ein paar Tage alt. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, sondern da mit will ich nur sagen: Es hat sich in der Sache inzwischen ei niges bewegt und geändert. Er ist daher in vielen Punkten auch erledigt. Im Juni des vergangenen Jahres hat das Bundesver fassungsgericht dieses für uns so wichtige Lissabon-Urteil verkündet. Es hat erforderlich gemacht, dass der Bundestag seine Begleitgesetzgebung zur Mitwirkung an europäischen Regelungen neu gefasst hat.
Damit wurde auch die Position der Länder gestärkt. Unser Mi nister Reinhart hat sich in den damaligen Beratungen dankens werterweise sehr für die Interessen der Länder und der Land tage eingesetzt.
Der Lissabon-Vertrag ist Ende letzten Jahres in Kraft getre ten. Damit sind – der Kollege hat es eben schon gesagt – wich tige Reformen vorangebracht bzw. ist für sie eine Grundlage geschaffen worden.
Die in Ihrem Antrag geforderte Anhörung im Landtag haben wir mittlerweile bereits faktisch durchgeführt. Wir werden in den nächsten Wochen – das ist im Europaausschuss gemein sam zwischen den Fraktionen vereinbart – über die Frage der Konsequenzen für die Beteiligung des Landtags an europa rechtlichen Fragen, die unsere Gesetzgebungskompetenz be treffen, beraten. Wir werden hier einvernehmlich zu einer Lö sung kommen.
Zum Thema Subsidiarität – das ist der Punkt, an dem Kolle ge Walter und ich öfter auseinander liegen – ein paar Worte aus unserer Sicht: Der Lissabon-Vertrag erkennt ausdrücklich die zentrale Bedeutung nationaler Parlamente im System der EU an. Er stärkt die Rechte der nationalen Parlamente und auch der nationalen Ebene. Durch das Frühwarnsystem und die Subsidiaritätskontrolle können die regionalen Parlamente Widerspruch gegen nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip in Ein klang stehende Rechtsvorschriften einlegen.
Damit ist klargemacht, dass dieses Prinzip auch auf der euro päischen Ebene anerkannt ist. Deswegen halten wir es für wichtig und für richtig, uns mit dieser Thematik hier im Aus schuss zu beschäftigen und darüber zu beraten, ob Vorlagen, die wir von der Europäischen Union bekommen, jeweils mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sind.
Hier möchte ich noch einmal sagen: Wir machen eben, Kol lege Walter, immer wieder die Erfahrung, dass Maßnahmen, die die Europäische Kommission vorschlägt – unabhängig vom Inhalt –, gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen.
Wir können mit dem Inhalt einverstanden sein. Aber unabhän gig vom Inhalt können die Vorschriften gegen das Subsidia ritätsprinzip verstoßen. Deshalb werden wir im Land – auch im Interesse der Kommunen, auf die ich gleich zu sprechen komme – weiterhin über diese Einhaltung wachen.
Ich sage Ihnen ein Beispiel, das wir vor einiger Zeit in der De batte hatten. Dabei geht es um die kommunale Verkehrspoli tik.
Sie wussten das. Ich wusste auch, dass der Bodenschutz kommt.
Da hat die Kommission ihre Zuständigkeit damit begründen wollen, dass es in allen größeren Städten Europas Verkehrs probleme gibt. Das ist aber kein europäischer Mehrwert, und das begründet keine europäische Zuständigkeit. Damit könn te ich auch den Erlass von Friedhofssatzungen auf europäi scher Ebene begründen.
Vielmehr müsste ich begründen können, warum es auf der na tionalen Ebene oder in diesem Fall auf der kommunalen Ebe ne nicht regelbar ist. Deswegen ist genau in diesem Fall aus unserer Sicht ein Subsidiaritätsverstoß gegeben. Deswegen werden wir Ihnen auch weiterhin nicht den Gefallen tun, in unserer Kontrolldichte nachzulassen.
Vielmehr werden wir weiterhin das alles beobachten und alle Maßnahmen daraufhin überprüfen – auch im Interesse der eu ropäischen Ebene, die wir anerkennen. Wir wollen hier nicht abwehren oder eine Blockadehaltung einnehmen. Vielmehr wollen wir das ausdrücklich anerkennen. Wir sind der Über zeugung, dass Europa dann stark ist, wenn es sich auf seine Kernkompetenzen beschränkt und diese auch intensiv gestal terisch ausübt. In diesem Sinn kommen wir zu einem positi ven Ergebnis auch für die europäische Ebene.
Kollege Walter, wir hatten, glaube ich, vereinbart, dass über die Beschlussanträge heute nicht abgestimmt werden muss.
Ja, dann sage ich es. Ich tue Ihnen den Gefallen. Wir müs sen hier nicht darüber abstimmen, sondern werden das in den entsprechenden Beratungen im Ausschuss tun.
Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, werte Kolle ginnen und Kollegen! Mit dem Vertrag von Lissabon wird ei ne neue Form der Bürgerbeteiligung an der Politikgestaltung der Europäischen Union eingeführt. Es handelt sich um die Europäische Bürgerinitiative. Sie macht es möglich, dass Bür gerinnen und Bürger der Europäischen Union an die Europä ische Kommission herantreten und sie auffordern können, Vorschläge und Initiativen einzubringen. Mit dieser Europä ischen Bürgerinitiative wird also die Möglichkeit eingeführt, ein Thema bei den Entscheidungsträgern der EU zu initiieren. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu einem Bürger entscheid; denn es geht nicht um das Ersetzen einer Sachent scheidung, sondern um das Anregen einer Befassung.
Die CDU begrüßt die Europäische Bürgerinitiative. Jedes In strument, das dazu beitragen kann, Europa stärker und posi tiv in das Bewusstsein der Bürger zu rücken, ist begrüßens wert. Die Erwartungen hieran sind sicherlich hoch. Die EU soll damit demokratischer, bürgernäher und transparenter wer den. Der Bundesrat hat in seinem Beschluss hierzu Folgendes formuliert: Er sieht „neue Chancen der Herausbildung einer echten europäischen Öffentlichkeit“.
Die Europäische Bürgerinitiative ist also ein konkreter Bei trag, Europa seinen Bürgern näherzubringen.
Meine Damen und Herren, das ist der positive Grundansatz.
Ein paar Sätze zu den Einzelheiten und zu den Punkten, bei denen für uns noch die eine oder andere Frage offen ist. Zu nächst ist wichtig: Mit dieser Bürgerinitiative dürfen nur The men initiiert werden, die eindeutig in den Zuständigkeitsbe reich der EU-Kommission fallen. Das ist wichtig, denn sonst entstünde eine Hintertür, durch die die Subsidiarität ausgehe belt werden könnte.
Wir werden das genau beobachten. – Das wollen wir nicht; da sind wir uns völlig einig, lieber Kollege Walter.
Einerseits muss die Europäische Bürgerinitiative für die Bür ger natürlich einfach und unbürokratisch ermöglicht werden; auf der anderen Seite sollte sie auch für die Behörden in der Umsetzung unbürokratisch sein, sonst würde sie kontrapro duktiv wirken. Da gibt es noch einige Fragezeichen. Einen der Punkte nenne ich nachher.
Voraussetzung für eine solche Europäische Bürgerinitiative ist, dass eine Million Staatsangehörige aus mindestens einem Drittel der Mitgliedsstaaten die Initiative unterstützen. Für je den Mitgliedsstaat – also national – gibt es eine Mindestzahl, ein Quorum. In Deutschland liegt das – ich erspare Ihnen jetzt die Berechnungsmethode – bei 72 000 Unterschriften.
Über Details dazu wird gestritten; darüber kann man auch streiten. Entscheidend ist aber, dass dieses Instrument nicht für singuläre Interessen einzelner Mitgliedsstaaten miss braucht werden kann. Deswegen halten wir insbesondere die Voraussetzung, mehrere Staaten – ein Drittel – dabei zu ha ben, für sehr wichtig.
Teilnehmen kann nach unserem nationalen Verständnis und Recht, wer bei den EU-Wahlen wahlberechtigt ist. Problema tisch – das ist ein Punkt, den wir mit Fragezeichen versehen – könnte die Frage der bürokratischen Lasten bei der Umset zung werden. Wir achten da insbesondere auf die Interessen der Kommunen. Die Kommunen werden es wohl sein, die die Umsetzung – das Abgleichen von Unterschriften, Stimmbe rechtigungen der Bürger und dergleichen – zu leisten haben.
Eben: Wer sonst soll es machen? – Hier sehen wir aber ei ne latente Gefahr, dass dies zusätzliche Bürokratie auslöst, zu mal die EU-Kommission, wie es scheint, keine Kostenerstat tungsregelung dafür getroffen hat. Das kritisieren wir aus drücklich. Es ist eine Übertragung von Lasten auf die Kom munen, die in dieser Form nicht in Ordnung ist.
Noch eine Anmerkung zu dem, was der übernächste Redner vielleicht nachher ansprechen wird.
Genau; wir kennen uns halt mittlerweile gut. – In unserer Koalitionsvereinbarung steht, dass das Zustimmungsquorum für Volksabstimmungen auf Landesebene von einem Drittel auf ein Viertel der Stimmberechtigten reduziert wird. Damit
soll künftig bei uns ein zur Volksabstimmung gestelltes Ge setz auf Landesebene beschlossen sein,
wenn es die Mehrheit der gültigen Stimmen findet und die se Mehrheit mindestens ein Viertel der Stimmberechtig ten ausmacht.
Das steht in der Koalitionsvereinbarung, an die wir uns hal ten werden, und Sie sind herzlich eingeladen, sich an der Um setzung zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, die Europäische Bürgerinitiative wird voraussichtlich planmäßig Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Wir schauen dem positiv entgegen, werden das positiv begleiten. Schauen wir einmal, ob sich dieses neue In strument auch positiv entwickelt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist keine Schande, mit dem Kollegen Mack verglichen zu werden; im Gegenteil.
Sie kommen ja auch noch.
Die Polizei in Baden-Württemberg leistet mit einer zugestandenermaßen dünnen Personaldecke Spitzenarbeit. Die beiden SPD-Anträge, die dieser Debatte zugrunde liegen, zielen im Ergebnis auf eine verbesserte Personalausstattung bei der Polizei. Ich sage dies auch deshalb, weil sich aus Ihrer Rede, Herr Kollege Gall, nicht komplett erschlossen hat, worum es Ihnen tatsächlich geht.
Als Polizeisprecher habe ich eine gewisse Sympathie dafür. Ich fühle mich auch als Lobbyist der Polizei. Aber ich gehöre einer Regierungsfraktion an. Daher muss ich auch die Ausgabeseite von Anträgen im Auge behalten und das Ganze sehen. In diesem Zusammenhang, muss ich sagen, handelt es sich leider am Ende um typische Oppositionsanträge,
die zwar eine schöne und auch nachvollziehbare Forderung, aber kein Wort zur Finanzierung enthalten.
Zunächst zu dem Antrag, der den Tarifbereich bzw. den Angestelltenbereich betrifft. Im Jahr 2005 wurden im Rahmen der Verwaltungsreform alle Teile der Landesverwaltung mit einer sogenannten 20-prozentigen Effizienzrendite belegt. Es gab eine Ausnahme: Das ist der Polizeivollzugsdienst. Der Tarifbereich der Polizei wurde ebenfalls mit dieser Einsparauflage belegt. Nun hat sich herausgestellt, dass diese Einsparauflage bei der Polizei in der Tat ausgesprochen harte Folgen hat. Deswegen wurden auch Konsequenzen gezogen. Die Renditevorgabe wurde nämlich korrigiert und auf gut 10 % halbiert. Außerdem werden Maßnahmen entwickelt, um einen Ausgleich zwischen den Dienststellen vornehmen zu können.
Meine Damen und Herren, der Beschlussteil Ihres Antrags Drucksache 14/3358 beinhaltet zwei Forderungen. Erstens fordern Sie, den Stellenabbau im Nichtvollzugsbereich zu stoppen. Das wird bis Ende 2009, also in wenigen Wochen, erfolgt sein. Insofern hat sich das erledigt. Zweitens möchten Sie den Personalbestand auf das alte Niveau aufstocken. Das würde Millionensummen kosten. Diesen Teil des Antrags werden wir ablehnen. Es bleibt bei der vorherigen Entscheidung.
Zu dem Antrag, der den Vollzugsbereich der Polizei betrifft, muss ich Ihnen eines sagen: Sie vergleichen die Sollpersonalstärke mit der Istpersonalstärke und leiten daraus die Forderung ab, den Personalbestand aufzustocken. Darin liegt – das werfe ich Ihnen gar nicht vor; den Fehler machen viele – ein methodischer Fehler. Die Sollstärke ist die Personalstärke, bei der berücksichtigt ist, dass Fehlzeiten entstehen. In der Sollstärke sind Urlaub, Fortbildung, Ausbildung und all dies mit berücksichtigt. Das heißt: Eine Sollzahl wird faktisch niemals erreicht. Vielmehr muss man die Istzahlen anschauen. Das muss man einfach um der Korrektheit willen sagen.
Sprechen wir das Thema Personalabbau an: Es geht in der Tat um 612 Stellen, die abgebaut werden müssen. Das ist das Äquivalent, der Gegenwert der Wochenarbeitszeitverlängerung um eine Stunde von 40 auf 41 Stunden. Das macht rechnerisch diese 612 Stellen aus, die jetzt in der Tat abgebaut werden müssen. Die anderen Stellen – Kollege Gall, Sie haben angesprochen, dass Sie erwarten, dass ich das sage; ich nenne jetzt nicht die einzelnen Bereiche –, die abgebaut werden, werden deshalb abgebaut, weil es bei der Polizei die entsprechende Aufgabe nicht mehr gibt. Das gehört zur Wahrheit mit dazu.
Deswegen muss man ein Weiteres sagen: Wenn Sie bemängeln, dass dieses Äquivalent der 41. Wochenstunde umgelegt
wird, dann muss ich Ihnen sagen, dass es auch schon einmal gegenteilige Zeiten gab. Da wurde die Arbeitszeit vor etlichen Jahren von 40 auf 38,5 Stunden reduziert. Die Polizei hat dafür zusätzlich einen Ausgleich bekommen. Ich glaube, es waren ca. 700, 750 Stellen. Als die Arbeitszeit wieder erhöht wurde, hat man diese Stellen belassen. Das ist eine echte Personalverstärkung der Polizei. Das wird heute leider gar nicht mehr erwähnt.
Meine Damen und Herren, in der Tat brauchen wir in der derzeitigen Situation vor allem eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Wir müssen die Arbeitszeiten vor allem daran orientieren, wann die Bürger die Polizei brauchen. Da brauchen wir auch eine Flexibilität – die ist vorhanden –, eine Flexibilität der jeweiligen Beamten. Wer sich für den Polizeiberuf entscheidet, der weiß, dass die Ausübung dieses Berufs an 365 Tagen im Jahr und rund um die Uhr stattfinden kann. Wer diesen Beruf ergreift, ist auch mit diesem Einsatzspektrum einverstanden, und deswegen kann auch die Bereitschaft zum flexiblen Einsatz erwartet werden.
Wir erwarten jetzt allerdings Vorschläge – wir hoffen, dass sie kommen –, wie Anreize geschaffen werden, dass in den Zeiten, in denen es wirklich unangenehm ist, in denen es starke Belastungen gibt, ein Anreiz besteht, die Arbeit dann durchzuführen, wenn sie gebraucht wird.
Lassen Sie mich noch einen Satz zum Einstellungskorridor sagen. Wir haben über Jahrzehnte hinweg ein Einstellungsverhalten gehabt, das völlig disharmonisch war. Jeder Einstellungswelle folgt 40 Jahre später eine Pensionierungswelle; vor einer solchen stehen wir heute, und die schafft uns massiv Probleme. Deswegen haben wir, die Koalitionsfraktionen, in einer großen Leistung mit dem Beschluss des Einstellungskorridors nicht nur zusätzliche Stellen geschaffen – bis zu 1 300 bis zum Jahr 2013 –, sondern viel wichtiger war, weil nachhaltig langfristig wirkend: Wir haben einen Einstieg in eine Verstetigung des Einstellungsverhaltens geschaffen, weg von den Wellenbewegungen mit all ihren Problemen, hin zu einem harmonischen Einstellungsverhalten.
Meine Damen und Herren, mittel- und langfristig sind wir in Baden-Württemberg gut aufgestellt.
Ich komme zum Schluss. – Die Bürger in Baden-Württemberg können sich darauf verlassen, dass sie weiterhin von der besten und leistungsfähigsten Polizei, die es in Deutschland gibt, geschützt werden.
Vielen Dank.
Lieber Gustav-Adolf Haas, ich glaube, ich kann fraktionsübergreifend sagen, dass du uns fehlen wirst.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zivilcourage kann Mauern einreißen. Das haben wir vorhin in der beeindruckenden Rede unseres Landtagspräsidenten, in der es um die Erinnerung an den Mauerfall vor 20 Jahren ging, deutlich mitbekommen. Das war sicherlich der bedeutendste Fall von Zivilcourage in den vergangenen Jahrzehnten.
Aktuell ist uns durch den tragischen Fall von Dominik Brunner das Thema Zivilcourage wieder vor Augen geführt worden. Er hat sich in München schützend vor Kinder gestellt und dafür am Ende mit seinem Leben bezahlt, weil er schlicht zu Tode geprügelt wurde. Er zeigte Zivilcourage, er zeigte staatsbürgerlichen Mut und hat dies am Ende mit seinem Leben bezahlt.
Die traurige Botschaft ist, dass Zivilcourage Leben kosten kann. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass manche eher wegsehen als helfen, wenn es am Bahnsteig, in der S-Bahn oder sonst wo einmal brenzlig wird.
Deshalb ist es bei aller Hilfsbereitschaft wichtig, Besonnenheit zu wahren und die eigene Sicherheit mit in den Vordergrund zu stellen, damit Zivilcourage am Ende nicht zu viel Courage wird. Wir müssen aber die Menschen auch bestärken, dennoch einzugreifen. Das muss nicht unbedingt durch eigenhändiges Tätigwerden geschehen. Das kann allein schon durch das sofortige Rufen der Polizei geschehen, durch das Herstellen von Öffentlichkeit. Das allein kann schon sehr wirksam sein. Das Solidarisieren Unbeteiligter, die sonst vielleicht wegschauen würden, am Ort des Geschehens ist wichtig.
Dominik Brunner hat uns auf schreckliche Weise die Augen geöffnet. Sonst erfahren wir oftmals nicht viel von Menschen, die in vielen kleinen oder auch größeren Fällen abseits der Öf
fentlichkeit beherzt eingreifen und dabei auch Erfolg haben. Ich spreche von den kleinen und großen Heldentaten im Alltag. Ich denke, wir alle sind uns einig, dass die Gesellschaft solche couragierten Menschen braucht. Sie sind tragende Säulen und Vorbilder zugleich. Wir brauchen sie dort, wo Menschen verletzt, gedemütigt, gemobbt oder diskreditiert werden. Dafür müssen wir uns alle und auch die Bevölkerung sensibilisieren.
Ich bekam vor einigen Monaten die Gelegenheit, die Schirmherrschaft für ein Projekt zum Thema „Mobbing im Schüleralltag“ an einer Schule in meinem Wahlkreis zu übernehmen. Dabei lernten Hauptschüler der Klassenstufe 7, selbstbewusst mit dem Thema Mobbing umzugehen und die Stimme für andere zu erheben, wenn es darauf ankommt. Das ist ein tolles Projekt des Bundesverbands Kulturarbeit in der evangelischen Jugend. Ich habe die Schirmherrschaft sehr gern übernommen und hoffe, dass dieses Projekt noch in weiteren Fällen zum Einsatz kommen wird.
Folgende Botschaften sollten uns, denke ich, wichtig sein:
Erstens: Wir leben in einem Bundesland, in dem der gesellschaftliche Zusammenhalt, der soziale Kitt, stimmt. Die meis ten Baden-Württemberger engagieren sich ehrenamtlich – in Kirchen, Vereinen, Verbänden, auch Sozialverbänden, Hilfsinitiativen und vielem mehr. Sie wollen nicht in einer anonymen Gesellschaft leben, sondern wollen helfen, und das ist Herzenssache und ist eine Selbstverständlichkeit.
Zweite Botschaft – sie hängt mit der ersten zusammen –: Wir leben in Baden-Württemberg in einem sicheren und sogar einem der sichersten Bundesländer. Das hängt mit dem gesellschaftlichen Engagement zusammen. In unserem Land wird man weniger häufig Opfer einer Straftat als anderswo.
Die dritte Botschaft lautet: Auch hier in Baden-Württemberg ist das Sicherheitsgefühl, die sogenannte subjektive Sicherheit, stärker ausgeprägt als anderswo. Die Menschen fühlen sich sicherer als an anderen Orten auf der Welt.
Die vierte Botschaft lautet: Präventionskonzepte wirken. Betrachtet man die Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik, so ergibt sich, dass die Zahl der Straftaten – das sind die objektiven Zahlen – in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, und zwar um einige Prozentpunkte. Ferner ergibt sich, dass die Gewaltkriminalität zurückgegangen ist. Das ist das Erfreuliche, aber das wird natürlich nicht immer so wahrgenommen, vor allem dann nicht, wenn besonders gravierende Fälle das Problem plötzlich wieder in das Bewusstsein rücken.
Aber es gilt die Aussage – damit will ich für die erste Runde schließen –, dass sich das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg minimiert hat. Dennoch bedarf es der Wachsamkeit sowohl der staatlichen Ebene als auch der Zivilgesellschaft.
Zu der Frage, was die staatliche Ebene dazu noch leisten kann, sage ich in der zweiten Runde mehr.
Vielen Dank.
Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ausdrücklich anerkennen, dass sich Kollege Sckerl vorhin in der ersten Runde sehr ausgewogen mit dem Thema beschäftigt hat und sehr ausgewogen argumentiert hat. Das will ich ausdrücklich anerkennen, Herr Kollege Sckerl.
Leider konnte der Kollege Gall der Versuchung nicht widerstehen, wieder die alte Leier anzustimmen und die Rede herauszuziehen, die er eigentlich heute Nachmittag beim Tagesordnungspunkt 9 zum Thema „Personalabbau bei der Polizei“ halten wollte.
Dann hat er das jetzt hier hineingeschoben und hat damit leider diese wichtige Debatte zum Thema Zivilcourage zweckentfremdet.
Meine Damen und Herren, es ist objektiv eine Tatsache, dass die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, in Baden-Württemberg geringer ausgeprägt ist als in anderen Ländern.
Wir können zuversichtlich sein, dass die Bürger in BadenWürttemberg auch künftig nicht wegschauen werden. Die Bürger fühlen sich sicher, und der Staat wird und muss alles daransetzen, dass dies auch so bleibt.
Damit sind wir bei der Polizei. Eine flächendeckende Präsenz der Polizei ist ein ganz wichtiger Faktor. Jetzt hat der Innenminister das sehr gut und richtig dargestellt: Wir haben eine flächendeckende Präsenz unserer Polizei mit dem dichtesten, dezentralsten Netz an Polizeidienststellen. Wir haben – ich nenne diese Zahl einfach noch einmal – 146 Polizeireviere, rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr besetzt,
und dazu 363 Polizeiposten.
So dezentral ist die Polizei in keinem anderen Bundesland organisiert.
Damit Sie es vielleicht endlich einmal kapieren, nenne ich Ihnen ein kleines Beispiel.
Sie wissen doch noch gar nicht, was ich sagen will.
Ruhe!
Folgendes Beispiel: In meinem Heimatort – ich lade Sie gern einmal ein –,
10 km vom Polizeirevier entfernt, gab es einen Polizeiposten mit zwei Mann Besetzung. 5 km davon entfernt im Nachbarort, 8 km vom Polizeirevier entfernt, gab es einen weiteren Polizeiposten mit zwei Mann Besetzung. Im Zuge der Polizeipostenreform hat man diese beiden Polizeiposten zu einem Posten mit vier Mann Besetzung zusammengezogen – 8 bzw. 10 km vom Polizeirevier entfernt. Und da reden Sie vom Rückzug aus der Fläche! Jetzt seien Sie doch endlich einmal vernünftig und bleiben Sie wenigstens halbwegs bei der Sache.
Denen habe ich es vor Ort erklärt, und sie haben es verstanden und waren damit einverstanden. Auch sie sehen darin einen Vorteil.
Meine Damen und Herren, mit dieser Konzeption und mit dieser Ausgestaltung können wir flächendeckend präsent bleiben.
Jetzt komme ich zum Thema Personalausstattung – Ihr heutiger Tagesordnungspunkt 9, den Sie jedoch aus verständlichen Gründen abgesetzt haben.
Wir werden das ein anderes Mal behandeln. Aber Sie hätten dann heute Vormittag nicht die dazu passende Rede halten sollen.
Der Innenminister und auch der Kollege Kluck haben es dargelegt: Es geht doch wirklich um Folgendes: Es wurden bzw.
werden Stellen in einem Umfang abgebaut, der dem Volumen von Arbeitszeitverlängerung und Aufgabenverlagerung, z. B. an die Landratsämter, entspricht. Jetzt wissen wir – der Minis ter sagt es selbst auch –, dass wir, was die Personaldecke angeht, derzeit alles andere als üppig ausgestattet sind. Das wissen wir auch, und wir steuern auch dagegen.
Sie sind gleich nach mir an der Reihe. Einfach einmal ruhig bleiben.
Entschuldigung, Herr Gall. Wer hat denn vorhin diese Platte aufgelegt und hat zur Zivilcourage so gut wie gar kein Wort gesagt?
Nein, ich lasse mich nicht provozieren. Es ist aber auch zwecklos.
Er ist wahrnehmungsresistent.
Wir stellen derzeit im Rahmen eines Einstellungskorridors 1 270 zusätzliche Polizeibeamte ein. Diese müssen jedoch zunächst ausgebildet werden. Sie kommen nicht aus der Schule heraus und sind fertig ausgebildete Polizisten; sie müssen erst ausgebildet werden. Im Jahr 2011 werden die Ersten von ihnen so weit sein, dass sie in die Reviere, auf die Posten kommen und dort Polizeidienst leisten können – 1 270 zusätzliche Polizeikräfte, die dann für die innere Sicherheit sorgen werden.
Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Vielleicht schaffe ich es sogar, ohne dass mich Herr Gall dauernd unterbricht. Es geht dabei um das Thema „Kommunale Kriminalprävention“.
Aber bei Ihnen ist es mir lieber.
„Kommunale Kriminalprävention“ ist leider ein etwas sperriger Begriff. Auf Deutsch heißt das: Verbrechen vor Ort verhüten oder vermeiden. Dieses Projekt, das das Innenministerium in den Neunzigerjahren aufgelegt hat – vielleicht sogar noch unter Beteiligung eines Ministers von Ihnen, von der SPD; das weiß ich jetzt aber nicht genau –,
ist ein sehr sinnvolles Projekt. Es ist sehr sinnvoll, dass vor Ort, zusammen mit den Gemeinden, Verbrechensverhütungsstrategien entwickelt werden. Da sind wir sehr erfolgreich. Die Amerikaner nennen das übrigens die „Broken Windows Theory“. Dabei schaut man vor Ort, also auch in der Kommunalpolitik, dass es nicht dazu kommt, dass irgendwo ein Fens ter kaputtgeht und andere dadurch provoziert werden, auch die anderen Fenster noch kaputt zu machen, dass man also vor Ort vorbeugt. Es ist letztlich diese Kultur des Hinschauens und nicht des Wegschauens, die wir brauchen. Die Amerikaner haben auch hierfür vielleicht einen besseren Begriff als das Wort „Kommunale Kriminalprävention“; vielleicht versteht man ihren Begriff besser: „Neighbourhood watching“.
Das bedeutet schlicht und einfach: Augen auf, ein bisschen schauen, was neben einem geschieht, und nicht nur auf den eigenen Garten schauen. Dann ist die Welt ein bisschen sicherer und ein bisschen besser. Deswegen ist das Thema Zivilcourage auch ein Thema der inneren Sicherheit.
Noch einmal: Schade, dass Sie – im Gegensatz zum Kollegen Sckerl – falsch an dieses Thema herangegangen sind und wieder einmal die alte Leier aufgelegt haben.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gall, ich bin Ihnen dankbar für diesen Antrag. Das Thema ist wichtig, und es ist wichtig, dass wir uns auch hier im Plenum damit beschäftigen.
Sie haben die Zahlen bereits genannt; ich brauche sie nicht im Einzelnen zu wiederholen. Gewalt gegen Polizeibeamte ist ein Phänomen, das wir beobachten und bei dem wir handeln müssen. Da haben Sie völlig recht. Sie haben die absoluten Zahlen genannt. Entscheidend ist aber auch die Entwicklung.
Die Zahl der Gewalthandlungen, Widerstandshandlungen, Körperverletzungsdelikte und dergleichen, die sich gegen Polizeibeamte richten, nimmt nämlich stetig zu.
Der Polizeiberuf ist ein gefährlicher Beruf. Das wissen wir, und das war auch schon immer so.
Der Polizist ist der Wächter über das staatliche Gewaltmonopol. Er hat es durchzusetzen und zu wahren. Das ist gegebenenfalls mit Gefahren verbunden. Das war schon immer so, und wer den Polizeiberuf ergreift, der weiß das auch vorher. Dennoch – Sie haben es zu Recht schon gesagt, Kollege Gall – kann der Polizeibeamte, der diese Wächteraufgabe hat, zu Recht vom Bürger ihm gegenüber und gegenüber der Wahrnehmung dieser Aufgabe Respekt erwarten. Er kann Respekt erwarten, und diesen Respekt müssen wir wirklich verstärkt einfordern.
Es kann uns nicht kaltlassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Polizeibeamte Verletzungen ertragen müssen. Prellun gen, Gelenkverletzungen, Brüche, Bisse, Schürf-, Stich- und Schnittwunden, Augenverletzungen – all das wird in den Berichten aus den Polizeidirektionen genannt, und zwar hundertfach im Jahr. Sie haben die Zahlen dargelegt.
Ich möchte noch ein Weiteres hinzufügen: Die schlimmste Entwicklung beobachten wir momentan im Bereich der Fußballspiele, und zwar in allen Ligen. Was dort – Frau Präsidentin, gestatten Sie mir bitte die drastische Wortwahl – hirnlose Idioten Woche für Woche veranstalten, denen es überhaupt nicht um Sport geht,
sondern denen es darum geht, Randale zu machen, sich zu prügeln, Polizisten zu verprügeln und sich mit ihnen zu schlagen, ist schlicht und einfach unerträglich,
und das können wir so nicht länger hinnehmen.
Meine Damen und Herren, deswegen bin ich dankbar, dass der Innenminister einen sogenannten Fußballgipfel einberufen hat, um gemeinsam mit allen Beteiligten Konsequenzen aus dieser nicht hinnehmbaren Entwicklung abzuleiten. Eine dieser Konsequenzen – schließlich werden in diesem Zusammenhang Woche für Woche erhebliche Personalkapazitäten gebunden – kann sein – da sind wir aufgeschlossen –, dass im Bereich des kommerziellen Fußballs eine Beteiligung an den Kosten erfolgt, die durch solche Polizeieinsätze ausgelöst werden, die bundesweit in Millionenhöhe liegen.
Auch das ist Bestandteil des sogenannten Fußballgipfels. Ich kann den Innenminister nur ermuntern, dem auch nachzugehen.
Wichtig im Zusammenhang mit dem Fußball ist sicherlich auch die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die die Möglichkeit schafft, Stadionverbote auch bei Verdacht auszusprechen.
Das halte ich für sinnvoll. Ich erwarte von den Vereinen, dass dies auch erfolgt und diese Regelung konsequent angewendet wird, um solche „Randalemacher“ draußen zu halten.
Gleichwohl sind wir, das Land, auch als Dienstherr gefordert. An erster Stelle steht natürlich die Fürsorge. Fürsorge äußert sich zunächst einmal in der Ausrüstung. Ich glaube, dass wir bei der Ausrüstung der Polizei, speziell der Einsatzbeamten, auf der Höhe der Zeit sind und flexibel reagieren.
Sie haben ein paar Aspekte genannt. Ich nenne zunächst einmal die Aus- und Fortbildung, vor allem die Fortbildung, die anlassbezogen und flexibel ist und auf neue Entwicklungen eingeht. Beispielhaft führe ich das Einsatztraining für Amoklagen an, das man ad hoc entwickelt hat. Außerdem nenne ich Ausrüstungsgegenstände wie Schutzweste, Pfefferspray, Teleskopschlagstock und die Waffe sowie Verbesserungen im Bereich der Körperschutzausstattung wie z. B. Helme. Solche Verbesserungen sind wichtig. Damit sind wir in Baden-Würt temberg ganz vorn dabei.
Wir müssen aber auch an die Wurzeln gehen und fragen, warum es zu diesen Ausschreitungen kommt. Damit sind wir beim Thema Alkohol. Hierzu haben wir vorhin ein wichtiges Gesetz verabschiedet, das dem Missbrauch von Alkohol vorbeugt. Wir wissen, dass der Missbrauch von Alkohol ein Gewaltkatalysator ist. Deshalb müssen wir hier Einhalt gebieten. In dem Gesetz, das wir vorhin weitgehend einvernehmlich verabschiedet haben, sehe ich einen wichtigen Schritt auf diesem Weg.
Gefordert sind selbstverständlich aber auch die Elternhäuser, und zwar zuvörderst bei jugendlichen Komasäufern, die nachts in einem komatösen Zustand aus einer Arrestzelle herausgeholt werden müssen.