Protokoll der Sitzung vom 01.03.2011

Letztlich geht es auch um die Fragen, wie wir künftig in un seren Städten zusammen leben und arbeiten wollen, welchen Einfluss der demografische Wandel auf die Mobilität hat und wie eine zukunftweisende Stadtentwicklung all diese Aspek te aufgreifen kann.

Dazu ist eine gesellschaftliche Diskussion notwendig, wie wir gerade am Beispiel Stuttgart 21 sehen. Das ist ganz bewusst ein gesamtheitlicher Ansatz und nicht nur ein technikbasier ter, Einzelbereiche betrachtender Ansatz. Deshalb wollen wir mit einer Modellregion für nachhaltige Mobilität den Weg eb nen und genau diese Fragen untersuchen.

Was bedeutet das Projekt Modellregion konkret? Wir haben gemeinsam mit der Region Stuttgart und der Landeshaupt stadt ein Konzept entwickelt, das den Start in fünf Themen feldern vorsieht. Diese fünf Themenfelder sind die Entwick lung eines Leitbilds „Nachhaltige Region Stuttgart“, die Ent wicklung eines innovativen Bürgerbeteiligungsprozesses, die Bereitstellung intermodaler Reiseketten, eine Onlinedarstel lung der aktuellen Verkehrslage im regionalen Straßennetz und die Einrichtung eines Marktplatzes für umweltfreundli che Mobilitätssysteme.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtig ist, dass die se Startthemen nicht abschließend zu sehen sind, sondern dass im Laufe der Debatte und der Beteiligungsprozesse auch neue Themen mit aufgenommen werden können, z. B. die Frage: Wie sieht es mit Güterverkehr und Logistik aus? Dabei sollen sich interessierte Verbände, Kommunen oder Gruppierungen mit ihrer Expertise einbringen und nicht nur zu Vorgeschla genem Stellung beziehen, sondern auch selbst neue Ansätze und neue Fragestellungen definieren.

Ziel dieser Modellregion, die wir einrichten wollen, ist es, in den kommenden fünf Jahren am Beispiel des Großraums Stuttgart verkehrlich nachhaltige Problemlösungen zu errei chen, die sich auch auf andere Regionen übertragen lassen.

Dieses Projekt einer Modellregion ist ein Baustein des Sie benpunkteprogramms der Landesregierung nach der Fakten schlichtung zu Stuttgart 21 und greift Empfehlungen des von McKinsey und dem IAW in Ulm im Auftrag der Landesregie rung im Juli 2010 erstellten Gutachtens zu den wirtschaftli chen und technologischen Perspektiven des Landes auf, wo nach gerade im Bereich der nachhaltigen Mobilität ein über durchschnittliches und dauerhaftes Wachstum zu erwarten ist.

Wir hatten am 4. Februar 2011 eine Auftaktveranstaltung für diese Modellregion in Stuttgart, an der rund 200 interessierte Vertreter aus Kommunen, Verbänden, Wirtschaft und Wissen schaft teilgenommen haben. Diese Veranstaltung hat gezeigt, dass wir mit diesem Ansatz auf ein großes Interesse gestoßen sind, und ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Ansatz rich tigliegen.

Es geht nun darum, das Ganze in Strukturen zu bringen. Hier für werden wir die NVBW beauftragen, eine entsprechende Stabsstelle einzurichten, damit das Ganze koordiniert werden kann. Aber es ist ein Prozess, tatsächlich nachhaltige Mobili tät für die Zukunft zu entwickeln. Nach der Erfindung des Au tomobils vor 125 Jahren geht es nun darum, dass auch die Mo bilität der Zukunft nach Möglichkeit in diesem Land gestal tet wird. Genau dies wollen wir erreichen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut!)

Wir kommen jetzt zu den Fragen der Abgeordneten. Für die Fraktion GRÜNE er hält Herr Abg. Untersteller das Wort.

Frau Ministerin, Sie ha ben die Auftaktveranstaltung am 4. Februar 2011 angespro chen, zu der es auch eine Pressemitteilung seitens des Staats ministeriums gibt. Heute haben Sie nochmals eine Pressemit teilung herausgebracht. Mir fällt auf, dass manche Formulie rungen bis ins Detail gleich sind. In diesen Zeiten muss man selbst wissen, was das soll.

Zum Inhaltlichen: Sind Sie mit mir der Auffassung, dass wir bei der Frage nach der nachhaltigen Mobilität weniger ein Er kenntnisproblem als vielmehr ein Umsetzungsproblem haben?

Zweite Frage: Sie selbst sprechen an, dass es nicht nur um ei ne technische Lösung, sondern auch um vernetztes Denken geht, sprich Fragen hinsichtlich der Stadtplanung und Raum planung. Wenn das stimmt – da bin ich mit Ihnen durchaus ei nig –, frage ich mich aber, warum Sie dann in den letzten Jah ren nicht selbst Maßnahmen ergriffen haben, um bei diesen Fragen weiterzukommen.

Ich nenne einmal ein Beispiel: Warum hat man den Kommu nen nicht verbindlich vorgegeben, dass sie z. B. Brachflächen kataster ausweisen mit dem Ziel, die Innenentwicklung vor der Außenentwicklung voranzubringen, um dadurch Verkehr einzusparen? Das sind Punkte, die sich mir nicht so recht er schließen. Ich verstehe auch nicht, weshalb man nach wie vor so tut, als gäbe es da Erkenntnisprobleme. Meines Erachtens haben wir hier eher Probleme bei der Umsetzung. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass Sie in den letzten Jahren stärker in die Umsetzung gegangen wären.

Ich will eine weitere Frage anschließen: Sie selbst sagen, man habe jetzt – wenn ich es richtig verstanden habe – 7 Millio nen € für die kommenden fünf Jahre für dieses Konzept be reitgestellt. Können Sie in etwa aufschlüsseln, wie hoch der Anteil ist, der den Bereich Elektromobilität betrifft? Das ist ein Bereich, den wir fördern wollen, der insbesondere für ei nen Automobilstandort wie Baden-Württemberg in den kom menden Jahren wichtig ist. Wie hoch ist andererseits der An teil, der für Konzepte im Bereich des öffentlichen Verkehrs, etwa für eine bessere Vernetzung mit dem ÖPNV, aufgebracht wird? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu konkrete Zah len nennen könnten.

Frau Ministerin.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Lieber Herr Un tersteller, ich hoffe, dass Sie mit mir der Meinung sind, dass es nicht verwerflich ist, wenn in Pressemitteilungen mehrfach das Gleiche geäußert wird.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Natürlich!)

Ganz im Gegenteil, ich wüsste nicht, warum ich ständig et was Neues äußern soll, wenn sich an der Tatsache nichts ge ändert hat.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es ist bekannt – man lernt es schon als Schüler –, dass Infor mationen durch Wiederholung tatsächlich ankommen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist richtig! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das gibt es bei jedem Le sen! – Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Pädago gisch!)

Auch dies ist, glaube ich, sehr wichtig und notwendig.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ul rich Lusche CDU: Lerneffekte!)

Zum zweiten Punkt: Ich stimme mit Ihnen nicht vollumfäng lich überein, wenn Sie sagen, dass wir kein Erkenntnis-, son dern ein Umsetzungsproblem hätten. Nach meinem Eindruck hat auch die Veranstaltung am 4. Februar 2011 vielmehr erge ben, dass die Frage des Zusammenwirkens der unterschiedli chen Aspekte und die Frage nach den tatsächlichen Heraus forderungen, die an vielen Punkten andiskutiert wurden, bei Weitem noch nicht so beantwortet sind, dass man eine kom plette Lösung hat. Ich glaube, das haben sowohl Professor Renn als auch Professor Spath in ihren Vorträgen sehr deut lich gemacht.

Ich rate uns auch jetzt, nicht so zu tun, als wüssten wir schon alles. Im Gegenteil: Es gibt auch neue Aufgaben hinsichtlich der Frage, wie es uns gelingt, durch Zahlen noch mehr Men schen deutlich zu machen, wie es bei den Nutzungsmöglich keiten aussieht und welche unterschiedlichen Formen es gibt. Insofern würde ich nicht nur von einem Umsetzungsproblem sprechen; denn es gibt auch einige Erkenntnisprobleme zu lö sen, die heute, glaube ich, in dieser Form noch nicht gelöst wurden.

Der dritte Punkt ist das Thema „Flächen sparen“ und die Fra ge der Innenentwicklung. Sie wissen, dass die Landesregie rung – im Übrigen in großer Übereinstimmung mit den kom munalen Landesverbänden – keinerlei Interesse daran hat, zu nächst einmal den Kommunen bei diesen durch die Landes verfassung gewährten Rechten bei der Planungshoheit Pflich ten aufzuerlegen.

Auf der anderen Seite gilt auch – ich habe Verständnis, wenn Sie sich schwer damit tun, dies anzuerkennen –, dass das Land Baden-Württemberg zusammen mit Nordrhein-Westfalen die höchste Flächeneffizienz hat – im Sinne der Frage: Wie viel Wirtschaftskraft in Relation zur genutzten Fläche wird eigent lich erreicht?

Drittens: Es gibt kaum ein Land in der Bundesrepublik, das sich in den letzten Jahren so sehr um das Prinzip „Innenent wicklung vor Außenentwicklung“ gekümmert hat wie BadenWürttemberg – mit all den Möglichkeiten, die es in diesem Bereich gibt.

Wo kann man rechtliche Punkte tatsächlich umsetzen, ohne in die Planungshoheit der Kommunen einzugreifen? Wo ge lingt Überzeugungsarbeit? Mir persönlich ist Überzeugungs arbeit weit lieber, als hinterher die rechtliche Keule befürch ten zu müssen; ich glaube, dass dies der richtige Ansatz ist, insbesondere wenn wir über Bürgerbeteiligung und Überzeu gungsarbeit sprechen. Deswegen glaube ich, dass wir in die sem Punkt erfolgreich sind.

Daraus abgeleitet zu sagen: „Wenn nur die Innenentwicklung gut wäre, wäre die nachhaltige Mobilität hervorragend“, ist, glaube ich, deutlich zu kurz gesprungen. Denn es lohnt sich allein in der Stadt Stuttgart, die jeweiligen Fahrbewegungen in die Stadt hinein und aus der Stadt heraus an einem Tag zu betrachten, um zu wissen, dass allein die Nutzung der Innen entwicklungsmöglichkeiten nicht dazu führen würde, dass die Verkehrsangebote überhaupt nicht mehr genutzt würden. Im Übrigen soll ganz bewusst die Region Stuttgart und nicht nur die Stadt Stuttgart daran teilhaben.

Herr Untersteller hat zu Recht noch nach Zahlen gefragt. Ich bin gern bereit, Ihnen eine entsprechende Aufstellung zukom men zu lassen. Ich habe die Zahlen nicht auswendig im Kopf. Von den 7 Millionen € ist ein kleinerer Teil für die Elektro mobilität vorgesehen. Dabei geht es wirklich um die Modell region „Nachhaltige Mobilität“ und nicht um die Elektromo bilität. Das ist ein zweiter Bereich, in dem gehandelt wird, auch über den Nachtragshaushalt. Ich bin bereit, Ihnen Zah len darüber zukommen zu lassen, was die Elektromobilität und diesen anderen Bereich angeht.

Vielen Dank. – Eine weitere Frage, Herr Abg. Dr. Prewo für die SPD-Fraktion.

Frau Ministerin, zur Begrün dung meiner Frage möchte ich ein paar Erinnerungen auffri schen.

Im McKinsey-Gutachten des Staatsministeriums von Mitte des letzten Jahres wurde festgestellt, dass Baden-Württem berg ausgerechnet in den Wachstumstreibern Fahrzeugtech nik und Elektrotechnik inzwischen schwächer abschneidet als die wachstumsstarken Regionen.

Vor wenigen Wochen bekamen wir den Prognos-Zukunftsat las. Darin war die Region Stuttgart nicht mehr unter den zehn wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands aufgeführt. Zu diesen Regionen zählen u. a. Düsseldorf, Darmstadt, Ingol stadt, München und Frankfurt.

Nach der Schlichtung durch Heiner Geißler haben der Minis terpräsident und Sie erklärt: Wir wollen noch in dieser Wahl periode Vorschläge für mehr Transparenz und mehr Bürger beteiligung im Planungsprozess machen. Mittlerweile will In nenminister de Maizière in Berlin das Planungsgesetz so än dern, dass weniger Bürgerbeteiligung möglich ist. Dazu gab es aus Stuttgart keine Widerrede.

Des Weiteren: Der große Automobilhersteller in Baden-Würt temberg entwickelt seine Batterietechnik inzwischen in Sach sen und andere Teile der Elektromobilität im Ausland.

Ein weiterer Punkt betrifft die klassische Verkehrspolitik, in der Sie, Frau Ministerin, eigentlich seit vielen Jahren Ihre Kompetenz hätten beweisen können. Das ist der Straßener halt in Baden-Württemberg. Den haben Sie sträflich vernach lässigt: In 15 Jahren sind nur 38 % des Programms, das sich die Landesregierung für diesen Bereich vorgenommen hatte, umgesetzt worden.

Jetzt kommen Sie mit einem Leitbild „Nachhaltige Region Stuttgart“. In Ihrer Pressemitteilung vom 4. Februar 2011 heißt es:

In der anschließenden Gestaltungsphase wird das eigent liche Leitbild mit Leitslogan, Leitmotiven und Leitsätzen entwickelt. Im Strategietransfer werden dann die notwen digen Schritte und Maßnahmen in Form eines Leitfadens für alle Anspruchsgruppen ausgearbeitet.

Mehr Konkretes erfahren wir kaum.

Nun zu meiner Frage: Wie wollen Sie für die Verkehrspolitik Vertrauen gewinnen, wenn Sie jetzt – nach vielen Jahren der Vernachlässigung, in der allerletzten Plenarwoche und ohne Wirksamkeit vor der Wahl – nicht mehr als einen solchen Waschzettel mit solchem Wortgeklingel zuwege bringen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Norbert Zeller SPD: Sehr gut!)

Bitte, Frau Ministerin.

Vielen herzlichen Dank. – Lieber Herr Prewo, zu nächst einmal stelle ich fest, dass Ihre Wortmeldung aus schließlich dazu diente, den Wirtschaftsstandort Baden-Würt temberg schlechtzureden.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Widerspruch bei der SPD)

Ich bin mir nicht sicher, ob Sie damit bei der Wahrheit sind.