Protokoll der Sitzung vom 02.03.2011

Deshalb meine ich: Das gehört gesagt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Es liegen keine weite ren Wortmeldungen vor. Damit ist die Besprechung der Gro ßen Anfrage der Fraktion der FDP/DVP abgeschlossen.

Punkt 2 der Tagesordnung ist damit beendet.

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD – Tariftreuegesetz Baden-Württemberg (TTG BW) – Drucksache 14/7483

Beschlussempfehlung und Bericht des Wirtschaftsaus schusses – Drucksache 14/7609

Berichterstatter: Abg. Dr. Reinhard Löffler

Das Präsidium hat für die Allgemeine Aussprache eine Rede zeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen.

Für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Abg. Schmiedel das Wort erteilen.

Herr Präsident, liebe Kollegin nen und Kollegen! Was ist das Kernanliegen unseres Tarif treuegesetzes, das wir in den Landtag eingebracht haben? Das Kernanliegen ist, dass in einer sozialen Marktwirtschaft nie mand den Wettbewerb dadurch gewinnen darf, dass er den Lohn drückt, dass er mit Lohndumping daherkommt und des halb billiger ist als anständige Unternehmen, die Tariflöhne zahlen. Das ist das Kernanliegen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen sowie des Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU – Abg. Dr. Reinhard Löffler CDU: Das sehen wir auch so!)

Jetzt stimmen Sie diesem Kernanliegen zu. Ihr Haupteinwand ist rechtlicher Natur: Das gehe nicht. Sie verweisen auf die europäische Rechtsprechung.

Dem ist entgegenzuhalten, dass wir das, wie es der EuGH ver langt – dass das für alle verbindlich sein muss, nicht nur bei öffentlichen Aufträgen –, über das Entsendegesetz für eine ganze Reihe von Tariflöhnen für allgemein verbindlich erklärt haben, insbesondere für den ganzen Bereich des Bauhauptge werbes. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt durch ein Tarif treuegesetz sicherstellen, dass dieses Entsendegesetz ab 1. Mai 2011, wenn die Dienstleistungsfreiheit in Europa in großem Maß eingeführt wird, nicht durch Leiharbeitsstrukturen unter laufen wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass das Handwerk in Baden-Württemberg unter einen Lohndumpingdruck kommt.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE)

Das Zweite: Wir haben das Mindestarbeitsbedingungengesetz – zuletzt geändert am 22. April 2009 –, nach dem durch Rechts verordnung festgelegt werden kann, welche Mindestentgelte in welchen Branchen zu zahlen sind. Auch dadurch haben wir ei ne allgemein verbindliche Rechtsgrundlage, die wir dann durch ein Tariftreuegesetz in Baden-Württemberg absichern.

Als Drittes: Wir haben den EG-Vertrag – Artikel 51 Abs. 1 –, der der Dienstleistungsfreiheit vorgeht. Deshalb können wir nach diesem EG-Vertrag im Verkehrsbereich Regelungen tref fen und Mindestentgelte verlangen. Deshalb, Herr Kollege Löffler, stehen zahlreiche Bahnbedienstete, zahlreiche Eisen bahner heute draußen und demonstrieren für dieses Tariftreue gesetz, weil sie sehen, dass sie, wenn jetzt Dutzende von neu en Ausschreibungen im Verkehrsbereich in Baden-Württem berg erfolgen, möglicherweise unter einen Lohndruck kom men, bei dem ihr Unternehmen aus dem Wettbewerb fliegt, wenn es Tariflöhne zahlt. Deshalb unterstützen wir diese Kol leginnen und Kollegen und sollten sie nicht im Stich lassen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Damit Sie sehen, dass es nicht aus dem hohlen Bauch heraus gesprochen ist, dass insbesondere im Handwerk, bei dem ganz überwiegend Tariflöhne gezahlt werden und bei dem anstän dige Arbeitsbedingungen herrschen, Befürchtungen vorhan den sind, möchte ich aus einem Schreiben der Vizepräsiden ten der Handwerkskammern zitieren. Darin heißt es wörtlich:

Die Arbeitnehmervizepräsidenten der baden-württember gischen Handwerkskammern begrüßen außerordentlich die Gesetzesinitiative der SPD-Landtagsfraktion für ein baden-württembergisches Tariftreuegesetz.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Weiter unten heißt es:

Mit diesem Gesetzentwurf werden Schlupflöcher für Lohndumping, schlechte Arbeitsbedingungen, unzurei chende Qualifikationen bei an öffentlichen Ausschreibun gen teilnehmenden Unternehmen gestoppt.

Dann zum Schluss:

Im Hinblick auf das Auslaufen der Übergangsfristen für Arbeitnehmerfreizügigkeit mit den mittel- und osteuropä ischen EU-Ländern am 1. Mai 2011 besteht ohne ein sol ches Tariftreuegesetz die Gefahr, dass aufgrund fehlender Regelungen Einfallstore für Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen entstehen.

Und ganz zum Schluss:

Der SPD-Entwurf ist ein praktikabler, sozialer und Dis kriminierung vermeidender Ansatz.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir sollten die baden-württem bergischen Arbeitnehmer nicht im Stich lassen, ein Zeichen setzen und heute ein wirksames Instrument gegen Lohndum ping, gegen die Ausweitung des Niedriglohnsektors verab schieden.

Wir sagen allen zu: Wenn Sie das heute ablehnen, werden wir das nach dem 27. März in einer neuen Regierung beschließen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Löffler.

Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen! Bei der Bewältigung der öffentlichen Aufgaben des Landes und der Kommunen war und ist unser Mittelstand ein zuverlässiger Partner. Richtigerweise spricht sich die SPD in ihrem Wahlprogramm für die Stärkung der Wirtschaft und für Bürokratieabbau aus. Das finde ich gut. Nur: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Tariftreuegesetz stellt die SPD den gesamten Mittelstand unter den Generalverdacht des Lohndumpings und des schmutzigen Wettbewerbs.

(Beifall bei der CDU – Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: So ist es! – Abg. Claus Schmiedel SPD: So ein Quatsch! Das Gegenteil ist der Fall!)

Damit nicht genug: Die SPD schürt auch noch irrationale Ängste, dass zum 1. Mai 2011 Heerscharen von Balten, Let ten und Rumänen den Volkswandertag nutzen, um zu uns zu kommen und ihre Arbeitskraft bei uns als Leiharbeitnehmer zu Billigstlöhnen anzubieten.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Rumänen erst 2014! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Sie wissen doch gar nicht, wovon Sie reden!)

Ich denke schon.

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben den Entwurf von NRW abgeschrieben. Es wird Sie nicht überra schen, dass die CDU dieses Plagiat ablehnt,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das werden wir den Leu ten sagen!)

weil dieses Tariftreuegesetz gegen europäisches Primärrecht verstößt und in Teilen auch mit unserem Grundgesetz unver einbar ist. Wir lehnen den Gesetzentwurf auch deshalb ab, weil er unpraktische und bürokratische Regelungen vorsieht, weil er kostensteigernde Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte und Mehrbelastungen für unsere Unternehmen mit sich bringt, und das ohne jeden Gegenwert.

(Abg. Franz Untersteller GRÜNE: Wenn es einmal darauf ankommt, seid ihr dagegen!)

Dumpinglöhne – Herr Schmiedel, da gebe ich Ihnen recht – erfüllen den Straftatbestand des Lohnwuchers. Sie sind aber auch Betrug gegenüber den Sozialversicherungen. Dagegen wehren wir uns mit allen tauglichen Mitteln,

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Die da wären?)

die uns der Rechtsstaat gibt. Das Vergaberecht ist aber ein un taugliches Mittel.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Und was ist tauglich?)

Das Kartellrecht, das Strafrecht. Es gibt genügend Möglich keiten, Frau Kollegin.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Das ist doch unsinnig!)

Natürlich funktioniert unser Rechtssystem. Wir haben doch gerade eben eine rechtspolitische Diskussion geführt. Die war zwar etwas aufgeregt. Ich kann aber versichern, dass der Rechtsstaat in Baden-Württemberg funktioniert.

(Abg. Bärbl Mielich GRÜNE: Darum geht es doch nicht!)

Der Justizminister ist anwesend und wird das hoffentlich be stätigen können.

Das Vergaberecht ist ein untaugliches Mittel, weil das Land nur im Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie tätig sein kann. Eine generelle Tariftreue für alle Branchen und alle Ver gabeformen – so, wie es im Entwurf vorgesehen ist – ist mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar.