Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

(Unruhe)

Noch einige Ausführungen mit dem Versuch, hier sachlich zu bleiben – trotz mancher Zwischenrufe.

(Abg. Hans Heinz CDU: So etwas muss man aus- halten!)

Was beschäftigt uns? Es geht um 12 000 Leute und nicht um einen massenhaften Zustrom. Wir kümmern uns darum. Durch viele Beiträge vonseiten der SPD, etwa von Herrn Schmiedel, ist noch einmal deutlich geworden: Das sind doch nicht irgendwelche Leute. Das sind Leute, die mitten unter uns wohnen, und zwar seit vielen Jahren.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Ausschließlich darum geht es und nicht um eine ungehinderte und ungesteuerte Zuwanderung; dies haben wir doch in der Zwischenzeit Gott sei Dank im Griff.

Jetzt geht es ausschließlich darum: Schaffen wir durch diese Bleiberechtsregelung keine Ausgangslage wie beim Hauptmann von Köpenick. Darum geht es. Wir haben heute versucht, dies anhand von Beispielen deutlich zu machen. Ich habe Ihnen nur Beispiele aufgeführt, bei denen es um Personen geht, die integriert sind, die schon einen Arbeitsplatz hatten und denen man aufgrund von Vorschriften der Behörden den Arbeitsplatz genommen hat. Das ist ihnen eigentlich nicht zum Vorwurf zu machen.

Wir haben auch nicht von einem generellen Abschiebestopp geredet, sondern wir haben gesagt: Seien Sie so freundlich und weisen Sie die RPs an: Wenn klar ist, dass diese Leute unter eine wahrscheinliche Bleiberechtsregelung fallen, schiebt sie jetzt nicht ab!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Um nichts anderes ging es.

Wir hoffen, dass es zu einer Bleiberechtsregelung kommt und dass wir nicht Verfahren einführen, bei denen alle Welt im Prinzip denkt „Super, gut gemacht!“, während diejenigen, die davon betroffen sind, voller Schreck feststellen müssen, dass sie gar nicht so gut sind. Dies wäre bedauerlich. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Anträge.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/506, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion GRÜNE, Drucksache 14/383, kann für erledigt erklärt werden. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.

Damit ist Punkt 9 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Beschlussempfehlung und Bericht des Umweltausschusses zu der Mitteilung des Umweltministeriums vom 9. Oktober 2006 – Unterrichtung des Landtags in EUAngelegenheiten; hier: Richtlinienvorschlag und thematische Strategie für den Bodenschutz – Drucksachen 14/438, 14/505

Berichterstatter: Abg. Thomas Knapp

Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion bei gestaffelten Redezeiten festgelegt.

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In aller Kürze: Der Europaausschuss und der Umweltausschuss des Landtags von BadenWürttemberg empfehlen dem Plenum – wir haben das mit breiter Mehrheit beschlossen –, diese Bodenschutzrichtlinie, die die Europäische Union plant, abzulehnen.

Um es von vornherein gleich deutlich zu sagen: Es geht hier nicht um das Thema Bodenschutz als solches, es geht nicht um den Stellenwert des Bodenschutzes, es geht nicht um

die Instrumente des Bodenschutzes, sondern es geht ganz simpel erstens um die Frage: Wer regelt ihn? Die EU – und wir sind sozusagen ausführendes Organ – oder wir in eigener Kompetenz? Die zweite Frage lautet: Wie wird geregelt? Bürokratisch oder nicht bürokratisch?

Wir haben es also nicht mit einer Sachfrage zu tun, und es steht nicht zur Abstimmung, ob wir für mehr oder für weniger Bodenschutz sind, sondern es geht allein um die Frage: Wer soll handeln?

Weil wir für den Bodenschutz sind und auch in der Vergangenheit für Bodenschutz waren und uns in der Bundesrepublik führend dafür eingesetzt haben, haben wir Vorgaben – wenn man es freundlich formuliert – oder Belehrungen – wenn man es ein bisschen polemisch formulieren will – von anderer Seite und auch von der Europäischen Union nicht nötig. Wir waren die Ersten, die ein Bodenschutzgesetz hatten. Wir haben die Altlastenkartierung sehr weit getrieben, wir haben die Altlastensanierung sehr weit getrieben, wir haben eine eigene Konzeption, was die Klärschlammentsorgung anbelangt, und sind damit führend in der Bundesrepublik, wir haben eine Konzeption zum Thema „Flächen gewinnen“ entwickelt, die noch umgesetzt werden muss. Uns braucht man also nicht zu sagen, was man für den Bodenschutz zu tun hat. Uns nicht! Deswegen lehnen wir eine Vorgabe vonseiten Europas ab.

Wenn man die Unterlage liest, die die Europäische Union hier formuliert hat, erinnert einen das irgendwie an den Wettlauf zwischen Hase und Igel. Es kommt einem alles bekannt vor, nur haben wir die Diskussionen schon vor 15 Jahren geführt. Deswegen glauben wir, dass wir eine Flankierung durch die Europäische Union nicht bekommen müssen.

Nun ist es interessant, dass die EU selbst mittlerweile ein Prinzip anerkennt, das in der Vergangenheit keine Rolle gespielt hat, nämlich das Subsidiaritätsprinzip. Die Europäische Union soll nur dann handeln, wenn die einzelnen Nationalstaaten bzw. die Bundesländer, Kantone usw. nicht in der Lage sind, zu handeln – Subsidiarität. Die EU befasst sich also mit dieser Frage. Ich möchte Ihnen jedoch nur einen einzigen Satz aus der Unterlage der EU vorlesen, an dem Sie sehen, wie wenig subsidiaritätsorientiert in Brüssel noch immer gedacht wird. Dieser Satz zum Beleg der Notwendigkeit einer europäischen Regelung lautet folgendermaßen:

Der beste Beweis dafür,

so schreibt die Europäische Kommission –

dass dieses Ziel besser mit Hilfe einer gemeinsamen Gemeinschaftsmaßnahme zu erreichen ist, ist die Tatsache, dass die erzielten Fortschritte bei der Sicherstellung einer nachhaltigen Bodennutzung sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat stark unterscheiden.

Das heißt auf gut Deutsch: Weil es Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern gibt, müssen wir handeln. Das hat mit Subsidiarität wirklich nichts zu tun! Wenn die Europäische Union immer dann zuständig wäre, wenn es Unterschiede gibt, wäre sie immer zuständig. Unterschiede sind Ausdruck der europäischen Vielfalt und nicht ein Hinweis

darauf, dass die Europäische Union handeln muss. So jedenfalls nicht!

Nun gibt es zwei Gründe, weshalb die Europäische Union bei bestimmten Materien grundsätzlich zum Handeln aufgefordert ist.

Der erste Grund ist dann gegeben, wenn es in einem Land Entwicklungen gibt, die Auswirkungen auf ein anderes Land haben, im Umweltbereich beispielsweise dann, wenn es um den Klimaschutz geht oder wenn es um grenzüberschreitende Auswirkungen geht, etwa bei der Wasserqualität von Flüssen, bei der Luftqualität oder bei was auch immer.

Der zweite Grund, weshalb die Europäische Union gehalten sein kann, einheitliche Regeln zu formulieren, sind Wettbewerbsbedingungen, etwa wenn in der deutschen Volkswirtschaft unter anderen Rahmenbedingungen gehandelt wird als in anderen Ländern. Dann kann es auch im Interesse der eigenen Wirtschaft sein, dass man etwas einheitlich regelt.

Beim Bodenschutz liegen beide Gründe kaum vor. Ich will nicht sagen, dass sie nicht vorliegen, aber sie liegen nur sehr bedingt vor. Deswegen hat der Umweltausschuss mit großer Mehrheit – bei nur einer Gegenstimme und etlichen Stimmenthaltungen –, mit den Stimmen der Regierungsfraktionen, beschlossen, dass diese Richtlinie abzulehnen ist. Er kann sich nach dem Beschluss aber durchaus vorstellen, dass es einheitliche allgemeine Regeln und Standards gibt, ohne dass es zu entsprechenden Vorschriften im Detail kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Ziele kann die Europäische Union formulieren, die Instrumente hierzu müssen aber Sache der einzelnen Länder bleiben.

Meine Damen und Herren, wir sind irgendwie gebrannte Kinder, gerade wenn es um Interventionen vonseiten der Europäischen Union geht, die mit besonders vielen Berichtspflichten, mit besonders vielen Vorlagepflichten, mit besonders vielen Evaluationspflichten verbunden sind. Ein Beispiel für das, was ich damit meine, ist die FFH-Richtlinie,

(Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE: Darüber sind wir froh!)

mit der parzellenscharf in unser Land hineinregiert worden ist. Das wollen wir nicht mehr. Während wir Anfang der Neunzigerjahre die FFH-Richtlinie der Europäischen Union fälschlicherweise haben laufen lassen und dann von ihr eingeholt worden sind, wollen wir diesmal rechtzeitig den Finger erheben und uns nicht noch einmal einer entsprechenden Bürokratisierung und einem entsprechenden Zentralismus aussetzen.

Bodenschutz, meine Damen und Herren, muss unsere Sache bleiben. Es hat übrigens auch dem Naturschutz nicht gedient...

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf um Ruhe bitten.

... – danke schön –, dass wir zum Erfüllungsgehilfen der Europäischen Union geworden sind, und es dient auch nicht dem Bodenschutz, wenn wir sozusagen nur noch Vollstrecker von fremden politischen Vorgaben sind. Bodenschutz muss unsere Sache bleiben und wird es bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Bodenschutz muss auch als ein Politikbestandteil in die Fülle anderer politischer Erwägungen einbezogen werden, und diese Abwägungsprozesse haben wir in diesem Land selbst vorzunehmen.

Ich habe noch fünf Sekunden zu sprechen. Die schenke ich mir.

Vielen Dank.