(Abg. Ursula Haußmann SPD: Es ist kein Grund, Pflege zu vernachlässigen, wenn man den Wasser- kopf in der Verwaltung erhöht!)
Immer wieder werden auch alte Klischees bedient. Sie müssen die Antwort einfach einmal lesen. Auf Seite 5 steht:
Das DWW und das DRK berichten übereinstimmend …, wonach eine sehr geringe Personalfluktuation vorherrsche und Fachkraftstellen nicht neu zu besetzen seien.
Da muss ich ehrlich sagen: Wir haben ja immer wieder über Burn-out und schnelles Ausscheiden aus dem Pflegeberuf diskutiert. Aber offensichtlich entspricht das nicht den Tatsachen. Vielmehr besteht eine geringe Personalfluktuation, was natürlich auch zu weniger Nachwuchsbedarf führt.
Für mich war auch überraschend, dass – jedenfalls im Moment – offensichtlich auch im Ausbildungsbereich eine ausreichende Zahl von Bewerbern und Ausbildungsplätzen vorhanden ist. Allerdings – da gebe ich der Kollegin Altpeter und dem Kollegen Hoffmann recht –: Es macht Sinn, sich einmal zu überlegen, was da in Zukunft auf uns zukommt, und zwar allein aufgrund der demografischen Entwicklung. Da hätte sich die Mühe gelohnt, Frau Mielich, z. B. auf den Kongress zu gehen, auf dem wir über neue Formen der Ausbildung in allen Pflegeberufen und über die Frage, ob der integrative Ansatz oder der generalistische Ansatz der richtige ist, diskutiert haben. Das sind Themen, über die sich wirklich zu diskutieren lohnt. Man darf aber nicht an einem solchen Einzelphänomen die Qualität der Pflege in diesem Land festmachen.
Zum bürgerschaftlichen Engagement: Ich denke, das ist nicht der richtige Ansatz. Mit Ihrer Frage „Können wir mit bürgerschaftlichem Engagement Fixierungen vermeiden?“ geben Sie genau das falsche Signal. Nein, diese engagierten Mitbürger sind nicht als Nothelfer da, sondern als Zusatz zu einer guten professionellen Pflege. In der Antwort ist auch ganz deutlich gesagt worden, dass zwischen bürgerschaftlichem Engagement und Fixierung wirklich keine Verbindung hergestellt werden sollte und im Übrigen auch real nicht existiert.
Also noch einmal: Thema leider verfehlt. Ich denke, wir werden noch genügend Gelegenheit haben, gerade bei der Diskussion um ein neues Heimrecht, das wir intensiv gemeinsam diskutieren wollen, wo wir immer im Spagat sind zwischen dem Schutz der Menschen,
die uns dort anvertraut sind, und der Kontrolle, ein vernünftiges Maß zu finden. Jedenfalls dürfen wir nicht diejenigen, die die Pflege leisten und denen wir dafür danken sollten,
unter den Generalverdacht stellen, sie würden es sich zu einfach machen und die Menschen schlicht und einfach fixieren. Das ist nicht Realität in diesem Land.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE werden in der Tat Themen angesprochen, die wir besonders im Blickfeld behalten müssen. Es sind dies die Personalsituation in Einrichtungen der Altenhilfe und Fixierungen als ein Indikator für die Pflegequalität.
Zunächst zur Personalsituation. Nach Auskunft der im Pflege- und Altenhilfebereich engagierten Verbände ist genügend Personal vorhanden. Notwendig sind noch weitere Anstrengungen in der Qualifizierung des Personals. Ich bin dankbar, dass die Verbände hier bereits große Anstrengungen unternehmen.
Jetzt zu den Fixierungen. Die Fixierungen in den Einrichtungen der Altenhilfe dürfen wir nicht tabuisieren. Die Landesregierung hat zu diesem Thema sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geantwortet. Umso mehr bin ich empört über das, was wir in den letzten Tagen in der Presse gelesen haben, und ich bin nicht weniger empört, liebe Kollegin Mielich, über das, was Sie heute wieder behauptet haben.
Seitens der Fraktion GRÜNE wird uns unterstellt, wir hätten in unserer Antwort nur die Zahl genannt, dass von April 2004 bis September 2006 ein Anteil von 1,3 % der Heimbewohner fixiert worden sei. Das ist schlicht nicht die Wahrheit. Ich würde Sie bitten, unsere Antworten auf Ihre Großen Anfragen doch sehr sorgfältig zu lesen. Wir haben auf 14 Seiten wirklich im Detail alles beantwortet, was es zu beantworten gibt und was zu diesem Thema zu sagen ist. Ich betone noch einmal: nach bestem Wissen und Gewissen.
Ich bin den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen überaus dankbar: Das Thema eignet sich überhaupt nicht, Emotionen in der Öffentlichkeit zu schüren, liebe Frau Mielich. Nach den Ergebnissen einer uns vorliegenden Studie zur Sturzprävention aus dem Jahr 2001 und einer Studie zur Reduktion von körpernaher Fixierung bei demenzkranken Heimbewohnern, der ReduFix-Studie, die das Land beide aktiv unterstützt hat, erfolgen bei 5 bis 8 % der einbezogenen Personen körpernahe Fixierungen. Das steht in unserer Antwort. Und wir haben auch berichtet, Frau Kollegin Mielich, dass bei etwa 40 % der Heimbewohner allgemeine bewegungseinschränkende Maßnahmen erfolgen, Bettgitter eingeschlossen. Wir haben nichts verschwiegen und haben nichts beschönigt.
Ich möchte darauf hinweisen, dass keine Zahlen vorliegen, die belegen, dass in Baden-Württemberg etwa mehr körpernah fixiert würde als in anderen Bundesländern. Sie wissen selbst genau: Bei uns im Land sind wir schon lange initiativ
geworden, um das Thema offensiv anzugehen. Ich halte fest, dass nach den genannten Studien für Fixierungen ohne richterlichen Beschluss nur von einer geringen Dunkelziffer auszugehen ist. Daher bleibe ich dabei: Körpernahe Fixierungen sind Schutzmaßnahmen für die Betroffenen im Einzelfall.
Und noch eines: Den in der Anfrage verwendeten Begriff einer medikamentösen Fixierung weise ich entschieden zurück. Es gibt ihn im medizinischen Sprachgebrauch nicht, lieber Kollege Noll.
Immer und immer wieder hat die Landesregierung betont, wie wichtig der verantwortungsvolle Umgang mit Medikamenten ist. Besonders der Einsatz von Psychopharmaka, liebe Kollegin Mielich, ist unter medizinisch-ethischen Aspekten eine sensible Frage. Verkannt wird häufig, dass Antipsychotika ja gerade helfen sollen, den freien Willen der Patienten wiederherzustellen. Natürlich haben wir in unserer Antwort nicht verschwiegen, dass Sedierungen mit Beruhigungsmitteln zum Schutz der Patienten bei Erregungszuständen und aus humanitären Gründen gelegentlich notwendig sind.
Eines ist mir aber besonders wichtig, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Ich stelle mich ausdrücklich vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen der Altenhilfe und der Pflege. Sie sind es, die eine Zunahme des Anteils schwer kranker Menschen, oft schon mit einer fortgeschrittenen Demenz, in Pflegeeinrichtungen zu bewältigen haben. Ich lasse nicht zu, dass sie mit falschen Zitaten und einer Verzerrung von Tatsachen unter Generalverdacht gestellt werden.
Unsere Aufgabe, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann und muss es sein, diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei ihren schwierigen Aufgaben zu unterstützen. Deswegen betone ich: Die Erkenntnisse der genannten Studien sind uns wichtig. Sie werden weiterhin zeitnah in den Einrichtungen und Diensten umgesetzt. Dies geschieht zum Beispiel durch Schulungen zur korrekten Anwendung von Fixierungssystemen. Diese Schulungen werden übrigens durch die Landesstiftung unterstützt. Damit fangen wir aber nicht erst jetzt an, sondern wir betreiben das schon eine ganze Weile. Wir haben uns das, wie gesagt, seit Langem zur Aufgabe gemacht, und dabei bleiben wir auch. Das ist die beste Methode, um mit diesem Thema voranzukommen.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, in einer Frage sind wir uns sicher einig: Die konstruktive Einbindung bürgerlich Engagierter in die Altenhilfe und die Pflege wird von immer größerer Bedeutung sein. Diese Einbindung wird die Landesregierung konsequent unterstützen.
Frau Ministerin Dr. Stolz hat im Frühjahr eine Bundesratsinitiative zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements
in der Pflege auf den Weg gebracht. Sie soll bei der anstehenden Reform der Pflegeversicherung aufgegriffen werden. Daneben setzen wir auf den weiteren Ausbau von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten für demenzkranke Menschen und die Durchführung bzw. Beteiligung des Landes an Projekten.
Ich nenne als Beispiele das Projekt „Bürgerschaftliches Engagement in der Tagespflege“ oder das Projekt „Bürgerengagement für Lebensqualität im Alter“. Mit großem Interesse verfolgen wir die Initiativen zur Etablierung von Pflegebegleiterinnen und Pflegebegleitern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lassen Sie mich abschließend betonen, dass mir die in der Anfrage angesprochenen Themen sehr am Herzen liegen. Es geht einerseits um Menschen in einer schwierigen, ja in einer belastenden Lebenssituation, und auf der anderen Seite um Menschen, die diesen Menschen dabei zur Seite stehen. Wir im Arbeits- und Sozialministerium haben es uns zur Aufgabe gemacht, gemeinsam mit Ihnen an Verbesserungen zu arbeiten. Wir setzen auf alle und arbeiten mit allen in diesem Hohen Hause, die guten Willens sind, gerne zusammen.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Hillebrand hat ja eben noch einmal deutlich gesagt, dass er gerne bereit ist, vonseiten des Sozialministeriums die Ergebnisse von Studien anzuerkennen. Sprach’s und tat es nicht. Wenn Sie das tun würden, würden Sie gerade im Bereich Sturzprävention zu völlig anderen Erkenntnissen kommen.
Es ist nämlich nicht so, wie Herr Hoffmann es gesagt hat, und es ist auch nicht so, wie Sie, Herr Noll, es gesagt haben, dass man insgesamt sagen kann: Menschen in Heimen würden sozusagen zum Schutz vor sich selbst fixiert oder um Stürze oder Verletzungen zu vermeiden. Das wird zwar oft so gedacht, aber es ist eben oftmals so, dass damit genau das Gegenteil passiert. Das sind Erkenntnisse, die diese Studien eindeutig belegen. Wenn Sie sagen, Sie wollten die Ergebnisse von Studien tatsächlich verwerten, müssen Sie, finde ich, endlich einmal begreifen, dass im Bereich Sturzprävention Fixierungen genau das falsche Instrument sind.
Sie haben eben auch gesagt, es gebe verschiedene Modelle, unter anderem mehrere Modelle von der Landesstiftung. Es gibt ein ganz konkretes Modell von der Landesstiftung, das „Gewaltprävention in der Pflege“ heißt. Das ist genau darauf angelegt, Fixierungen in der Pflege zu verhindern, indem Pflegepersonal qualitativ fortgebildet wird. Das heißt, wir können Fixierungen in der Pflege tatsächlich verhin
dern, indem wir das Pflegepersonal sensibilisieren, indem wir Alternativen aufzeigen und indem wir in diesem Bereich ordentlich investieren. Da gibt es jetzt ein Modellprojekt, das neu aufgelegt worden ist. Es ist begrenzt auf drei Jahre, finanziert von der Landesstiftung Baden-Württemberg. Das sind die Fakten, und hinter diese können Sie nicht zurück. Das ist das eine.
Das Zweite: Sie, Herr Hoffmann, haben gesagt, wir würden dieses Thema skandalisieren. Ich finde, dass man es dann skandalisiert, wenn man sich wegduckt. Wenn man benennt und klar sagt: „Da gibt es durchaus Nachholbedarf, und da müssen wir genau hinschauen und nachbessern, weil es ein so sensibles Thema ist“,
(Unruhe – Zurufe, u. a. Abg. Ursula Haußmann SPD: 50 % Fixierungen! Da skandalisieren Sie doch! Also bitte!)
dann muss man, finde ich, eben hingehen und sagen: Wir wollen es benennen; wir wollen ganz klar Handlungen einfordern. Darum haben wir das zum Thema gemacht.
Es ist natürlich nicht so – das betone ich auch noch einmal ganz deutlich –, dass wir sagen würden, dass das Pflegepersonal die Verantwortung trägt. Nein, es sind die Strukturen, die die Verantwortung tragen. Es ist sozusagen der Status quo. Da geht es ganz deutlich darum, dass wir sagen: Wir wollen auf dieses Thema „Fortbildung und Weiterentwicklung in der Pflege“ tatsächlich unser Hauptaugenmerk legen, damit die Leute in der Pflege, die eine verantwortliche und wirklich sehr hoch qualifizierte Arbeit machen, nicht alleingelassen, sondern eingebettet werden.
Wenn nur wir dieser Meinung wären, dann wäre das eine Sache, aber wenn es dann dazu kommt, dass tatsächlich Modellprojekte aufgelegt werden, um genau dieses Thema zu untersuchen und diese Verbindung herzustellen, dann nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, dass das wirklich Fakt ist. Wenn Sie sich die Fachwelt anhören, bekommen Sie genau mit, dass Pflegewissenschaftler diesen Zusammenhang mittlerweile längst begriffen haben und längst anerkennen, dass es da einen riesigen Handlungsbedarf gibt.
Jetzt komme ich zu dem letzten Punkt: bürgerschaftliches Engagement in der Pflege. Ich will nicht ein Heer von Ehrenamtlichen, die in der Pflege arbeiten, aber wir brauchen bürgerschaftliches Engagement, das konzeptionell eingebunden ist in die Struktur von stationären Einrichtungen, die einen ganz bestimmten Bereich – –
sondern es geht darum, dass sie eine ergänzende Arbeit leisten und dass sie das Pflegepersonal in der Betreuung, in der Begleitung und bei der Hilfe für die Menschen, z. B. von Menschen mit Demenz, ganz deutlich unterstützen.
Unter dem Strich geht es jetzt darum, finde ich, deutlich aufzugreifen, was tatsächlich Fakt ist, es zu benennen und anschließend zu handeln.