Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

wenn die Leute ihre Wohnungen auch wieder vermieten würden,

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

aber sie haben heute aufgrund verschiedener Vorschriften Angst, ihre Wohnung zu vermieten, weil sie fast nicht mehr dazu in der Lage sind, die Mieten einzuziehen oder über ihr Eigentum zu verfügen,“ – auch bei Mietern gibt es, wie bei Vermietern, solche und solche – „und somit große Verluste hinnehmen müssen.“ Das kann nicht in unserem Sinne sein.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: So ist es!)

Wir sind doch alle der Meinung – und großartigerweise hat auch die Große Koalition in Berlin dies beschlossen –, dass man Bürokratie abbauen muss. Was Sie hier machen, ist kein Bürokratieabbau, meine Damen und Herren, sondern ein Bürokratieaufbau.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das kann nicht sein! Eine Verlängerung kann kein Aufbau sein!)

Hier wird im Grunde genommen ein generelles Verordnungsverbot erhalten.

Lieber Herr Palmer, passen Sie auf: In Mannheim wurde die Kündigungssperrfristverordnung vom dortigen Amtsgericht als nicht verfassungsgemäß festgestellt. Das, was Sie hier vorschlagen, haben wir in einer Zeit gemacht, als man hoffte, mit diesen Verordnungen etwas zu erreichen. Damals war die Wohnraumsituation weit kritischer, wie Sie sich vielleicht erinnern. Aber Sie sind ja noch so jung, deshalb wissen Sie das wahrscheinlich nicht.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ich bin auch nicht aus Mannheim! – Zuruf der Abg. Edith Sitzmann GRÜNE – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Er wird auch älter!)

Anfang der Neunzigerjahre gab es – – Oh, er wird dreißig! Ah ja, sehr schön. Herr Oberbürgermeister, dann hoffe ich, dass Sie dazulernen; denn in Tübingen haben Sie dann die Möglichkeit, etwas zu erreichen.

(Beifall – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, diese Eingriffe in das Eigentumsrecht sind wirklich erheblich und wurden aus diesem Grunde von vielen Gerichten kritisch begleitet. Natürlich könnte man jetzt noch sagen: „Gut, überlassen wir die Regelung den Kommunen, das ist nett, das ist auch zeitgemäß, das entspricht eigentlich auch der liberalen Idee,

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja!)

folgt dem Prinzip der Subsidiarität

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja!)

und zeigt kommunale Verbundenheit.“

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Ja!)

Dazu ist zu sagen, dass dies Artikel 3 des Grundgesetzes widerspricht, nämlich der Gleichbehandlung der Bürger. Wir müssen darauf achten, dass diejenigen, die Eigentum

haben, auch geschützt werden und dass sie einigermaßen gleich behandelt werden. Zudem ist unsere Fraktion der Meinung, dass diese Verordnungen sehr aufwendig sind, wenig bringen und zum Teil kontraproduktiv wirken.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Jawohl! – Bei- fall bei der FDP/DVP und der CDU)

Das Wort erhält Herr Staatssekretär Drautz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die SPD und jetzt auch die Grünen wollen eine Sache verhindern, die man zu Beginn gleich einmal positiv herausstellen sollte. Die Deregulierung im Wohnungswesen kommt voran. Wenn das Zweckentfremdungsverbot und die Verlängerung der Kündigungssperrfrist zum Jahresende entfallen, wird wohnungsrechtlicher Regelungsballast über Bord geworfen, der in seiner Wirkung und deshalb auch in seiner weiteren rechtlichen Haltbarkeit überaus fraglich ist.

Die Landesregierung hat in ihrer Mitteilung vom 17. November 2006 ausführlich begründet, warum ein Neuerlass des Zweckentfremdungsverbots und die Beibehaltung der verlängerten Kündigungssperrfrist nicht in Betracht kommen. Bevor ich hier trotzdem nochmals begründe, warum diese Verordnungen nicht in Kraft gesetzt werden, möchte ich kurz die Positionen der Groß- und Universitätsstädte im Land darstellen.

Vom Geltungsbereich der Verordnungen schon seit 2002 nicht mehr umfasst sind die Städte Heilbronn, Karlsruhe, Pforzheim, Reutlingen und Stuttgart. Der Bürgermeister nickt sehr freundlich und ist froh, dass es so ist.

(Zuruf von der CDU: Das ist gut so!)

Diese Städte gehen davon aus, dass die Verordnungen auch weiterhin entbehrlich sind.

Aktuell gelten die Verordnungen in den Städten Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Konstanz, Mannheim und Tübingen. Diese Städte sind der Ansicht, dass die Verordnungen weiterhin gelten sollten. Wenn es die Landesregierung trotzdem für richtig hält, die Verordnungen nicht erneut zu erlassen, hat das folgende Gründe:

Zum einen ist nicht nachweisbar, dass die wohnungspolitischen Instrumente des Zweckentfremdungsverbots und der erweiterten Kündigungssperrfrist als repressive Maßnahmen geeignet wären, einen bestehenden oder drohenden Nachfrageüberhang langfristig zu verhindern oder auszugleichen. In den Städten, die seit dem Jahr 2002 nicht mehr von der Gebietskulisse der beiden Verordnungen umfasst sind, konnten insgesamt keine nachteiligen Auswirkungen auf den örtlichen Wohnungsmarkt festgestellt werden. Umgekehrt trat in den Städten, die in der Gebietskulisse verblieben sind, insgesamt keine überdurchschnittliche Entspannung der Wohnungsmarktsituation ein. Komisch!

Die Beschränkungen der freien Verfügbarkeit des Eigentums, die mit den beiden Verordnungen verbunden sind,

können vielmehr für potenzielle Investoren im Wohnungsbau abschreckend wirken und dadurch das Wohnungsangebot nachteilig beeinflussen. Dieser Gesichtspunkt wird umso bedeutsamer, je geringer aufgrund der angespannten Situation der öffentlichen Haushalte die steuerlichen und sonstigen Anreize für den Wohnungsbau werden.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es erscheint auch zweifelhaft, ob angesichts der Zunahme der regionalen Mobilität der Bevölkerung gemeindebezogene Sonderregelungen gegen Zweckentfremdung und für die erweiterte Kündigungssperrfrist für örtliche Wohnungsmärkte überhaupt noch sachgerecht sind.

(Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Hinzu kommt, dass das verfügbare statistische Datenmaterial nicht mehr geeignet ist, einen Eingriff in Eigentumsrechte zu rechtfertigen. Das Datenmaterial wird zunehmend unzuverlässig. Zuverlässige aktuelle Daten werden aber gebraucht, um festzustellen, ob eine besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung im Sinne der Verordnungen vorliegt. Dabei wird die Zahl der angebotenen Wohnungen der Zahl der nachfragenden Privathaushalte gegenübergestellt. Die hierfür benötigten Zahlen der Privathaushalte werden jedoch nur näherungsweise ermittelt, indem die letztmals per Volkszählung im Jahre 1987 erhobenen Zahlen mithilfe des Mikrozensus fortgeschrieben werden. Die Unschärfe dieser Fortschreibungsmethode liegt zum einen darin begründet, dass beim Mikrozensus lediglich ca. 1 % der Haushalte jährlich befragt werden, und zum anderen darin, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße nicht gemeindebezogen, sondern nur landesweit bestimmt und dann für einzelne Gemeinden ins Verhältnis zum Stand von 1987 gesetzt wird.

Ich möchte ferner auf verfassungsrechtliche Bedenken in der Rechtsprechung aufmerksam machen. Das Amtsgericht Mannheim sah im Jahr 2005 die Kündigungssperrfristverordnung wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in Eigentümerrechte als verfassungswidrig an.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das Amtsge- richt!)

Das Amtsgericht Mannheim. – Auch im Hinblick darauf tun wir also gut daran, die Verordnungen nicht wieder in Kraft zu setzen.

Schließlich möchte ich den Blick noch über Baden-Württemberg hinaus richten. Bundesweit besteht eine klare Tendenz zur Aufhebung der Zweckentfremdungsverordnungen und Kündigungssperrfristverordnungen. Außer in BadenWürttemberg gelten solche Verordnungen nur noch in Bayern,

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Bayern ist doch gut! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bayern ist doch ein schönes Ländle!)

Hamburg und Nordrhein-Westfalen sowie eine Kündigungssperrfrist in Hessen und in Berlin. Zweckentfremdungsverbote wurden in den Jahren 2003 und 2004 in Hes

(Staatssekretär Richard Drautz)

sen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt aufgehoben.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Wir sind wir!)

In Nordrhein-Westfalen, das Sie uns in Baden-Württemberg immer als Modellland anbieten wollen,

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Jetzt nicht mehr! Das war einmal!)

werden Verordnungen nach dem Willen der dortigen Landesregierung ab dem Jahr 2007 auch nicht mehr gelten.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss wieder auf Baden-Württemberg schauen. Es trifft sicher zu, dass wir in Baden-Württemberg nicht landesweit von einem entspannten Wohnungsmarkt ausgehen können. Ein ausreichendes Angebot auf dem Wohnungsmarkt kommt aber nicht dadurch zustande, dass weiterhin bürokratische, rechtlich außerordentlich bedenkliche, investitionshemmende und damit letztlich kontraproduktive Verordnungen erlassen werden.

Die Landesregierung hat im Interesse von Mietern und Vermietern vielmehr dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen für Investitionen in den Mietwohnungsbau stimmen und der Wohnungsmarkt von ineffektiven Gängelungen verschont bleibt. Mit dem Wegfall der Zweckentfremdungsverordnung und der Kündigungssperrfristverordnung wird hierzu ein wichtiger Beitrag geleistet.

(Glocke der Präsidentin)