Protokoll der Sitzung vom 07.12.2006

Ich möchte aber darauf hinweisen, Herr Minister, dass unser Haushalt diese Zahlungen eigentlich nicht hergibt. Wir sind doch hoch verschuldet. Wir müssen sie aus Gleichheits- und Gerechtigkeitsgründen leisten. Deswegen möchte ich Sie daran erinnern, dass dies wieder ein Beispiel dafür ist, dass wir den Haushalt allein mit Wachstum nicht sanieren können. Am Wachstum wollen zu Recht alle teilhaben. Deswegen lautet die Ansage: Den Haushalt können wir nur sanieren, wenn wir an die Strukturen des Haushalts gehen. Nur auf Wachstum und Mehreinnahmen zu hoffen wird den Haushalt nicht sanieren. Jedenfalls ist diese Einmalzahlung für die aktiven Beamten in Ordnung.

Bei der Einmalzahlung für die Pensionsempfänger können wir Ihnen nicht folgen. Der Bundestag hat am 6. April 2006 das Gesetz über die Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte ab 1. Juli 2006 verabschiedet. Wesentlicher Inhalt dieses Gesetzes ist der Verzicht auf eine Rentenanpassung im Jahr 2006. Dies bedeutet, dass die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht angepasst werden, sondern eine Nullrunde erfolgt. Vor diesem Hintergrund halten wir es für nicht vertretbar, die früheren Staatsdiener besserzustellen als alle anderen Ruheständler in diesem Land. Deswegen werden wir diesem Begehren nicht zustimmen.

Ich möchte an dieser Stelle einfach noch einmal sagen: Durch die Föderalismusreform ist es uns jetzt möglich, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums weiterzuentwickeln. Wir können das Alimentationsprinzip nicht mehr so anwenden, wie Sie es tun. Dies führt zu Ungerechtigkeiten, aber es führt auch dazu, dass wir nicht zu einer nachhaltigen Finanzpolitik kommen können.

Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Wir werden, um eine grobe Größenordnung zu nennen, bis 2030 jedes Jahr 200 Millionen € Pensionskosten zusätzlich bekommen. Wenn wir dieses Alimentationsprinzip nicht ändern und wenn wir nicht im Sinne der Nachhaltigkeit dazu kommen, auch die Pensionen den gesellschaftlichen Erfordernissen, der demografischen Entwicklung und der Pensionslawine, die auf uns zukommt, anzupassen, werden wir unsere Haushalte nicht sanieren können. Sie müssen sich vorstellen, was es bedeutet, wenn jedes Jahr 200 Millionen € neuer Kosten auf den Landeshaushalt zukommen. Wenn wir da Ihrem Alimentationsprinzip folgen, ist es völlig ausgeschlossen, mit der Pensionslawine fertig zu werden.

Deswegen müssen wir das, was Sie hier vorschlagen, ablehnen. Es ist uns dabei klar, dass das für die Pensionäre schwer zu schlucken sein wird. Wir bekommen dazu auch entsprechende Proteste. Das ist klar. Aber wir müssen die

Pensionäre davon überzeugen: Nur wenn wir unsere Finanzen nachhaltig anlegen – und das kann nur heißen, dass wir die Pensionäre nicht besserstellen können als die übrigen Rentenempfänger –, sind wir in der Lage, überhaupt einen Nachhaltigkeitspfad im Haushalt anzulegen, und sonst nicht. Das müssen wir ihnen erklären, so schwer es auch sein mag.

Herr Minister Stratthaus, Sie haben gestern gesagt, Symbolpolitik bringe uns bei dem Thema „Sanierung der Landesfinanzen“ nicht weiter, hier sei Handeln angesagt. Wir wollen hier handeln, aber anders als die Landesregierung. Wir wollen einen konkreten, wohl erwogenen und begründeten Schritt zur Nachhaltigkeit tun. Deswegen lehnen wir die Einmalzahlung für Pensionsempfänger ab.

(Beifall bei den Grünen)

Für die FDP/DVPFraktion erhält Frau Abg. Berroth das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der heute zu beratende Gesetzentwurf über Einmalzahlungen in den Jahren 2006 und 2007 sowie Artikel 4 des gestern eingebrachten Entwurfs des Haushaltsstrukturgesetzes 2007 und die darin enthaltene Zusage der Landesregierung, die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamtinnen und Beamten im Jahr 2008 schrittweise um 2,9 % anzuheben, stellen insgesamt eine Einheit dar. Das, Herr Kollege Kretschmann, ist auch meine Antwort auf Ihre Vorwürfe bezüglich solider Finanzpolitik. Das muss man insgesamt sehen, und dann sieht das Bild ganz anders aus.

In allen Bereichen des öffentlichen Dienstes erhalten die Bediensteten für die Jahre 2006 und 2007 anstelle einer linearen Gehaltserhöhung eine Einmalzahlung. Im Tarifbereich erhalten die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen eine Einmalzahlung von jährlich 300 €, während für die Tarifbeschäftigten der Länder drei gestaffelte Einmalzahlungen vereinbart wurden, die in der Summe zwischen 210 €, also auf ein Jahr bezogen 105 €, für die höchsten Entgeltgruppen und 910 €, also auf ein Jahr bezogen 455 €, für die niedrigsten Entgeltgruppen ausmachen.

Kollegin Rudolf, wenn Sie jetzt sagen, Sie würden nicht sehen, dass Leistungsunterschiede zwischen oberen und unteren Tarifgruppen existierten, dann dürfte diese Differenzierung aber genauso wenig stattfinden.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das ist eine soziale Differenzierung!)

Diese zu unserem Bedauern – das sage ich ausdrücklich – für die Länder vereinbarte tarifvertragliche Regelung wollen wir im Gegensatz zum Votum des Deutschen Gewerkschaftsbunds und der Kollegin Rudolf, die das ausdrücklich fordern, für den Beamtenbereich nicht übernehmen, weil sie aus unserer Sicht dem Leistungsprinzip widerspricht. Den geltend gemachten sozialen Erwägungen wird nämlich durch betragsmäßig einheitliche Einmalzahlungen bereits ausreichend Rechnung getragen, da diese in den unteren Besoldungsgruppen zu prozentual deutlich höheren Steigerungen des Gehalts führen als in den oberen Besoldungsgruppen.

Im Jahr 2008 werden dann die im Tarifvertrag vereinbarten Gehaltserhöhungen auch für die Beamtinnen und Beamten übernommen, in der ersten Stufe zum 1. Februar 2008 in Höhe von 1,5 %, in einer zweiten Stufe, und zwar für den einfachen und den mittleren Dienst zum 1. August, für den gehobenen und den höheren Dienst zum 1. November, um weitere 1,4 %.

Das heißt, es ist insgesamt eine Erhöhung um 2,9 %, die dann auch die erhöhte Basis für künftige Entwicklungen ergibt. Dies ist auch Bestandteil der Verständigung der Landesregierung mit den Verbänden und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, deren weitere Komponenten, nämlich die Festsetzung der aufs Jahr bezogenen Sonderzahlungen für Versorgungsempfänger ab 1. April 2007 auf 30 % eines Monatsbezugs und für Aktive ab 1. Januar 2008 auf 50 %, wir dann mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2007 umsetzen werden.

Des Weiteren hat die Landesregierung zugesichert, dass es darüber hinaus bis 2011 keine weiteren Eingriffe im Besoldungs- und Versorgungsbereich geben wird und dass eigene Eingriffe des Landes in die Beihilfe- und Heilfürsorgeregelungen sowie eine weitere Anhebung der Wochenarbeitszeit nicht vorgesehen sind. Die FDP/DVP-Fraktion steht voll und gern hinter diesen Zusagen.

Wir sind froh, dass damit eine Gratwanderung gelungen ist, die den haushaltspolitischen Zwängen und Notwendigkeiten ebenso Rechnung trägt wie der Notwendigkeit, die Besoldung im Land attraktiv und leistungsgerecht zu erhalten. Denn gut motivierte und leistungsbereite Beamtinnen und Beamte sind eine wichtige Voraussetzung für eine gute und effiziente Landesverwaltung und für ein weiterhin erfolgreiches Baden-Württemberg. Deshalb gilt unser Dank allen im öffentlichen Dienst Tätigen für ihre gute Arbeit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss zu überweisen. – Dem wird nicht widersprochen.

Punkt 4 der Tagesordnung ist abgeschlossen.

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme des Justizministeriums – Umsetzung der Handlungsempfehlungen der Fachkommission Zwangsheirat – Drucksache 14/309

Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten, für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die Fraktion GRÜNE erteile ich Frau Abg. Lösch das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwangsheirat ist keine private oder kulturelle Angelegenheit, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung,

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

die auch entsprechend geächtet und geahndet werden muss. Mit dem Bericht der Fachkommission Zwangsheirat der Landesregierung liegen erstmals Zahlen über im Land lebende, von Zwangsheirat betroffene oder bedrohte Frauen vor. Allein zwischen Januar und Oktober 2005 haben 215 von Zwangsheirat Betroffene bei Beratungs- oder Hilfseinrichtungen nach Hilfe gefragt. Knapp 55 % der Betroffenen waren minderjährig. Das zeigt, welche Dimension dieses Thema auch in Baden-Württemberg hat.

Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich bemerken, dass wir die Initiative des Justizministeriums – das leider gerade nicht vertreten ist – ausdrücklich loben und unterstützen, dass Baden-Württemberg als eines der ersten Bundesländer eine Fachkommission eingerichtet hat, die Daten erhoben und auch konkrete Empfehlungen und Handlungsvorschläge in den Bereichen Opferschutz, Opferrechte, Prävention, Betreuung und Aufklärung erarbeitet hat. Das ist ein erster guter Schritt, und nun muss der zweite folgen, damit die Handlungsempfehlungen nicht im Aktenordner verstauben.

Die Handlungsempfehlungen wurden im März vorgestellt, und wir erwarten von der Landesregierung, dass sie nun ein Gesamtkonzept, einen Aktionsplan gegen Zwangsheirat erstellt, in dem ganz klar beschrieben wird, wann welche Maßnahme umgesetzt wird.

Von zentraler Bedeutung sind dabei vor allem Änderungen im Ausländer- und im Zivilrecht. Wir erwarten, dass sich die Landesregierung auch auf Bundesebene dafür einsetzt, diese ausländer- und zivilrechtlichen Änderungen auf den Weg zu bringen.

An dem Thema sind verschiedene Ministerien beteiligt: zum einen das Sozialministerium, zum Zweiten das Innenministerium und zum Dritten das Justizministerium. Ich finde es in Anbetracht der Wichtigkeit des Themas eigentlich eine Schande, dass keine Vertreter der Ministerien anwesend sind.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Priorität im Bereich der ausländerrechtlichen Regelungen hat vor allem eine Verlängerung des Rechts zur Rückkehr nach Deutschland. Um Frauen, die im Ausland zwangsverheiratet wurden, eine Rückkehr zu ermöglichen, fordern wir genauso wie die Fachkommission Zwangsheirat, die Frist für den Verfall des Aufenthaltstitels von sechs Monaten auf drei Jahre zu verlängern.

Der zweite Punkt ist, dass Frauen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht brauchen. Das muss in § 31 des Aufenthaltsgesetzes bei Vorliegen einer Zwangsheirat gesetzlich verankert werden. Gerade in den Fällen von Zwangsheirat – bei den sogenannten Importbräuten – ist die Rückkehr in den Heimatort nach einer Scheidung undenkbar. Dies wäre für die Frauen mit gravierender Diskriminierung und Gefährdung verbunden. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie sich auch in diesen Punkten, die eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes erfordern, auf Bundesebene entsprechend einsetzt.

Dies setzt natürlich auch voraus, dass sich die Fachressorts in diesen Punkten einigen. Es gibt einen Dissens zwischen

Innenministerium, Justizministerium und Sozialministerium, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diesen Dissens konnten Sie in dem Abschlussbericht der Fachkommission ja auch gut verfolgen. Man konnte mehrmals in der Fußnote lesen: Justizministerium dafür, Innenministerium dagegen, und das Sozialministerium hat sich der Stimme enthalten. Und hierüber erhoffe ich mir heute Klarheit.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Vielleicht haben die gerade eine Besprechung!)

Ich weiß es nicht. Vielleicht diskutieren sie das jetzt aus, um zukünftig mit einer Zunge zu sprechen. – Also, ich erhoffe mir heute Klarheit.

Ich bin gespannt, ob denn die angekündigten Ressortgespräche nun abgeschlossen sind und ob auch vonseiten der Landesregierung eine klare Positionierung zu diesen Forderungen der Fachkommission vorliegt. In einem Punkt – das kann man in der Stellungnahme zu unserem Antrag nachlesen – haben sich das Justizministerium und das Innenministerium geeinigt. Das Justizministerium hat sich hinsichtlich der Anhebung des Ehegattennachzugsalters auf 18 Jahre durchgesetzt. Das begrüßen wir sehr. Auch wir sprechen uns für ein Nachzugsalter von 18 Jahren aus. Mit 18 Jahren sind Nachziehende auch nach deutschem Recht heiratsfähig.

Neben dem rechtlichen Änderungsbedarf auf Bundesebene besteht natürlich auch auf Landesebene Handlungsbedarf.

(Minister Dr. Ulrich Goll betritt den Saal.)

Schön, dass der Justizminister kommt.

(Minister Dr. Ulrich Goll: Der Verlauf ist etwas überraschend!)

Man muss einfach immer ein Ohr an der Plenardebatte haben.

(Heiterkeit – Beifall bei den Grünen – Abg. Heide- rose Berroth FDP/DVP: Wenn er das nicht gehabt hätte, wäre er noch nicht da!)

Na ja, er ist wahrscheinlich nicht der Schnellste.

(Heiterkeit bei den Grünen – Abg. Dr. Klaus Schü- le CDU: Was für ein Niveau!)

Okay, Spaß beiseite, Kollege Schüle.

Neben dem rechtlichen Änderungsbedarf auf Bundesebene besteht natürlich auch auf Landesebene Handlungsbedarf. Im Bereich der Verbesserung der Opferschutzmaßnahmen sind bedarfsgerechte Zufluchtsmöglichkeiten, eine fachspezifische Opferberatung, Vernetzung und präventive Maßnahmen notwendig.

Die bestehenden Angebote in Baden-Württemberg sind nicht ausreichend. Wir haben zu wenige Notunterkünfte für Zwangsverheiratete oder von Zwangsheirat bedrohte junge Frauen.