Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Ich glaube, wir haben insgesamt eine sehr gute Entscheidung getroffen, diese Verordnung so, wie sie ist, zu verabschieden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort für die Fraktion GRÜNE erhält Frau Abg. Lösch.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist die Finanzierung von Einrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet nach wie vor nicht zufriedenstellend geregelt. Dies betrifft vor allem Elterninitiativen, die die Arbeit ehrenamtlich machen. Auch wenn es sich nicht um Hunderte von Fällen handelt, so sind doch Fälle vorhanden, wo man reagieren muss, wo Regelungen notwendig sind.

Die Diskussion haben wir schon 2002 begonnen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Richtig!)

Das heißt, wir müssen heute keine Diskussion darüber beginnen, welche Regelung man im Hinblick auf das Thema „gemeindeübergreifendes Einzugsgebiet“ treffen sollte. Vielmehr muss man die Diskussion endlich beenden und zu einer zufriedenstellenden Lösung für alle kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Boris Palmer GRÜNE: Sehr gut!)

Wir haben im Februar einen Rechtsanspruch der Wohnortgemeinde im Gesetz festgelegt und zum anderen in einer Verordnung einen platzbezogenen Zuschuss vorgesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wirklich erstaunlich und auch erschreckend, dass sich nach wie vor einige Kommunen

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wenige!)

nicht viele, aber einige – weigern, diesen Rechtsanspruch anzuerkennen und den entsprechenden Zuschuss zu bezahlen.

Wir Grünen haben bei der Gesetzesnovellierung darauf gedrängt, Einrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet genauso zu behandeln wie Einrichtungen, die in die Bedarfsplanung aufgenommen sind, also einen Zuschuss zu gewähren, der 63 % der Betriebskosten entspricht. Dem haben Sie nicht zugestimmt. Zugestimmt haben Sie dem Minimalkonsens mit der platzbezogenen Pauschale.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aber der DPWV hat auch zugestimmt!)

Selbst diesen Minimalkonsens, Kollege Noll, erkennen die Kommunen zum Teil mit sehr abenteuerlichen Erklärungen nicht an. So weigert sich beispielsweise eine Kommune, Zuschüsse für die Kleinkindbetreuung zu bezahlen, mit dem Argument, dass die Richtwerte erst ab 2010 verbindlich seien, wie es ja in der Kindertagesstättenverordnung steht. Da hätte ich jetzt doch die Bitte an das Kultusministerium, klarzustellen, ob dies generell so stimmt oder ob dies nur für neu gegründete Kleinkindeinrichtungen zutrifft.

Sie sehen also: Das Gesetz und die Verordnung lassen nach wie vor Interpretationsspielräume zu.

(Zuruf des Abg. Andreas Hoffmann CDU)

Deshalb teile ich nicht die Ansicht, das Kindergartengesetz sei in diesem Punkt richtig. Ich finde, das Kindergarten

gesetz ist in diesem Punkt sehr schlampig novelliert und mit heißer Nadel gestrickt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Zurufe der Abg. Andreas Hoffmann und Manfred Hollenbach CDU)

Wenn Sie tatsächlich das Ziel verfolgen, das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, wie es durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil aus dem Jahr 2004 auch bestätigt worden ist, anzuerkennen, müssen Einrichtungen mit besonderem pädagogischem Konzept wie Waldkindergärten, Waldorfkindergärten, Montessorikindergärten oder Betriebskindergärten auch gleichgestellt sein.

Vier Waldorfkindergärten haben nun eine Normenkontrollklage gegen das Land eingereicht. Sie klagen gegen eine in der Praxis völlig unzureichende Förderung eben auch nach der neuen Rechtsverordnung des Kultusministeriums. Obwohl im Gesetz ausdrücklich auch das pädagogische Konzept als Unterscheidungsmerkmal genannt ist, sträuben sich die Gemeinden gegen eine angemessene Finanzierung von Waldorfkindergärten oder anderen Einrichtungen mit besonderem pädagogischem Konzept.

Das Beispiel des integrativen Kinderhauses Maria Montessori in Ottersweier ist Ihnen ja bekannt, denn wir wurden alle angeschrieben. Ich möchte gern aus diesem Brief zitieren:

Wir stehen nunmehr seit Mitte des Jahres mit 13 Gemeinden und Städten in ständigem schriftlichen und telefonischen Kontakt – das alles neben unserer eigentlichen pädagogischen Arbeit mit 38 behinderten und nicht behinderten Kindern. Die in der Verordnung vorgeschlagenen Pauschalen werden erst 2010 verbindlich. Das bedeutet, dass einzelne Städte nunmehr die Pauschalen um 50 % kürzen und Kinder ab drei Jahre mit lediglich 55 € monatlich bezuschussen wollen.

Sie sehen also, wie es diesen Einrichtungen geht. Es kann nicht sein, dass wir ein Kindergartengesetz verabschieden, das solche Interpretationsfreiräume lässt. Es reicht nicht aus, sich verbal zu einer pluralen Kindergartenlandschaft zu bekennen, sondern das muss auch entsprechend geregelt sein.

Ein Blick über die Landesgrenzen ist da manchmal gar nicht schlecht. Beispielsweise das Bundesland Brandenburg hat diese Frage insofern ganz gut geregelt, als für Kinder, die aufgrund des Wunsch- und Wahlrechts der Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII in Kindertagesstätten außerhalb des eigenen Wohnorts aufgenommen wurden, die Wohnortgemeinde auf Verlangen der aufnehmenden Gemeinde einen angemessenen Kostenausgleich zu gewähren hat; das Gleiche gilt für Gemeindeverbände. Dies ist ein Gesetz, in dem klipp und klar steht, wie zu handeln ist.

Ich glaube, dass es kein Fehler ist, Schwächen in einem bestehenden Gesetz zu erkennen, entsprechend zu handeln und das Gesetz in diesem Punkt nachzubessern.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat eine lange Geschichte, mit der wir uns beschäftigt haben. Der Kollege Hoffmann hat es korrekt geschildert. Wir haben – zu Recht, wie ich meine – den Kommunen, die sowieso den gesetzlichen Auftrag hatten, für die Kinderbetreuung, die Kindererziehung und die Kinderbildung zu sorgen, nicht nur die Planungshoheit, sondern auch die Finanzhoheit übertragen – mit einem schlanken gesetzlichen Rahmen, der sich im Großen und Ganzen bewährt hat. Bei alldem muss man wirklich einmal sagen: Was die Kommunen zugunsten ihrer Familien mit Kindern an Ausbau geleistet haben, ist unser aller Lob, Anerkennung und Dank wert. – Das ist das Erste.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Zweite: In der Tat hat es in der Vergangenheit Gemeinden gegeben, die die Intention des Gesetzgebers nicht richtig interpretiert haben und die am Wortlaut des Gesetzes entlang versucht haben, sich auf der Kostenseite ein Stück weit zu entlasten, sage ich jetzt einfach einmal. Das ist verständlich. Auch die Gemeinderäte vor Ort achten natürlich immer darauf, dass man dann, wenn es nicht unbedingt sein muss, nicht Gelder in andere Kommunen transferiert. Das missbillige ich noch gar nicht.

Wir hatten damals aber gesagt: Wir setzen darauf, dass zugunsten einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Geist des Gesetzes beachtet wird. Wenn jemand an einem anderen Ort arbeitet, als er wohnt, soll die Möglichkeit geschaffen werden, die Kinder z. B. in einem Betriebskindergarten zu versorgen. Da die Kinder dann am eigenen Wohnort nicht versorgt werden müssen, sollen die Gelder, die aus dem Landestopf kommen, sozusagen im Rucksack mitgegeben und weitergereicht werden.

Das hat an vielen Stellen funktioniert. Es war eine freiwillige Lösung, und die kommunalen Landesverbände haben sich massiv bemüht, möglichst alle Kommunen auf einen gemeinsamen Weg zu bringen. Trotzdem hat das nicht so weit gefruchtet, dass die Situation befriedigend gewesen wäre.

Darum haben wir uns unter vielen Mühen zunächst einmal zu einer Novellierung des Kindergartengesetzes bewegt; das war 2005. Dabei haben wir unter § 8 Abs. 3 eine Passage aufgenommen, die da heißt:

Träger von Einrichtungen im Sinne von Absatz 2 mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet... erhalten von der Wohnsitzgemeinde... einen... Zuschuss..., soweit in der Wohnsitzgemeinde kein gleichwertiger Platz zur Verfügung steht.

Das ist gesetzlich normiert. Das haben wir in einer Rechtsverordnung konkretisiert. Dieser Rechtsverordnung haben übrigens alle – auch diejenigen, die jetzt die Höhe des Zuschusses kritisieren – damals per Unterschrift zugestimmt. Man kann zwar sagen, das sei zu wenig, aber man hat da

mals zugestimmt. Es war eben wie immer bei Kompromissen.

Ich sage noch einmal: Wenn es Einrichtungen sind, die nicht offiziell in die Bedarfsplanung aufgenommen worden sind, dann halte ich es für richtig, dass man einen Mindestzuschuss gibt – da steht auch, dass man mindestens 31,5 % zu gewähren hat – und die Träger darüber hinaus durch Zuschüsse aus anderen Gemeinden letztendlich zu einem vollen Zuschuss – zumindest theoretisch – kommen können.

Wo war das nächste Problem? Das nächste Problem war, dass Gemeinden natürlich zu Recht gesagt haben: Ich habe aber hier am Ort einen gleichwertigen Betreuungsplatz. Da lohnt wieder ein Blick ins Gesetz. Das sind nämlich Interpretationsschwierigkeiten. Zum Thema Gleichwertigkeit steht in der Begründung zu § 8 Abs. 3:

Ein gleichwertiger Platz

in der Wohnsitzgemeinde –

steht nicht zur Verfügung, wenn er nicht in Bezug auf das pädagogische Konzept

Montessori-, Waldorf-, Wald- oder sonst ein Kindergarten –

oder die Betriebs- und Betreuungsform oder hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Ausbildungsbzw. Erwerbstätigkeit vergleichbar ist.

Das ist eigentlich eindeutig. Dann kommt auch noch der Verweis – im Gesetz, nicht in der Verordnung – auf das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern nach § 5 SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die gesetzliche Lage ist eindeutig. Die Eltern haben, wenn es nicht zu unverhältnismäßigen Mehrkosten kommt, ein Recht auf die von ihnen gewünschte Betreuungsform – nicht nur rein quantitativ von der zeitlichen Betreuung her, sondern auch qualitativ hinsichtlich des pädagogischen Konzepts.

Daher glaube ich, dass in vielen anhängigen Fällen das Problem aufgrund der bestehenden Rechtslage klärbar sein müsste. Zuständig sind – auch darauf hat Kollege Hoffmann hingewiesen – im Grunde genommen die Landkreise. Warum? Die Aufgabe der Betreuung ist von den Landkreisen als Träger der Kinder- und Jugendhilfe an die Kommunen delegiert. Es hat ja schon Fälle gegeben, in denen Landkreise verklagt und zur Zahlung verurteilt worden sind. Darum sehe ich auch die Landkreise als die Aufsichtsbehörden, die versuchen sollten, den Konflikt zu klären, wenn sich Kommunen offensichtlich nicht an den gesetzlichen Text und an dessen Intention halten. Das sind Gott sei Dank wenige Fälle.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es gelingen mag, zunächst durch – wie man das einmal so schön genannt hat – „Beatmung“ der betroffenen Kommunen vielleicht doch zu einer Regelung zu kommen, die wirklich im Interesse der Familien mit ihren Kindern ist. Denen nützt es überhaupt nichts, wenn wir hier Gesetzestexte verlesen, an die man sich nicht hält. Daher glaube ich, die Debatte ist gut und richtig. Wir sollten auch im Ausschuss noch einmal in aller Ruhe diskutieren, was man tun kann.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.