Protokoll der Sitzung vom 13.12.2006

Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ja. – Der Antwort der Landesregierung ist zu entnehmen, dass wir im Verlauf des Jahres 2007 genau zu diesem Thema einen Bericht bekommen werden. Vielleicht kann aber diese Debatte dazu beitragen, dass die wenigen, die zu dieser Debatte Anlass gegeben haben – sie sind teilweise schon genannt worden –, noch einmal alle in sich gehen und am Gesetzestext überprüfen, ob sie richtig liegen.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, bitte fassen Sie sich kurz.

Dann hätte die Debatte schon etwas genutzt. Denn es geht um die Kinder, über die wir hier reden.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Mentrup für die SPD-Fraktion.

Ich kann erfreut feststellen, dass wir uns in der grundsätzlichen Linie alle einig sind. Ich stelle gleichzeitig fest, dass es immer noch einen Diskussionsbedarf darüber gibt, ob 31,5 % angemessen sind oder ob man nicht eine Gleichstellung mit den anderen Einrichtungen herstellen müsste. Es ist auch deutlich geworden, dass es trotz einer sehr komplexen Vorbereitung und einer offensichtlich weitgehenden juristischen Klärung eben doch zu Umsetzungsproblemen vor Ort kommt.

Insofern würde ich gern den Vorschlag aufgreifen – ich hätte ihn auch selbst gebracht –, das im Ausschuss noch einmal zu diskutieren, vielleicht angereichert um die Information, Herr Hoffmann, die Sie jetzt nicht einbringen, weil Sie heute Nachmittag telefoniert haben. Vielleicht bekommen wir das insgesamt von der Landesregierung zur Verfügung gestellt. Sie hat ja angekündigt, dass sie sich noch einmal informieren will.

An einem Punkt möchte ich die Debatte aber doch zuspitzen. Wenn wir jetzt überall in den Kommunen ausreichend viele Kinderbetreuungsplätze – auch für die unter Dreijährigen – und zugleich einen wilden Run freier Träger hätten, die darüber hinaus zusätzliche Einrichtungen schaffen und mit bestehenden Einrichtungen auf dem Markt konkurrieren würden, dann, Herr Hoffmann, hätte ich großes Verständnis dafür, zu sagen: Wir müssen eine Begrenzung einführen und eine Regelung treffen, damit hier nicht permanent neue Investitionsmaßnahmen ergriffen werden.

Ich sehe aber eher einen völlig anderen Weg. Ich sehe nämlich, dass man als Kommune froh ist, wenn man einen Investor und vor allem einen Träger hat, der ja mit zum Teil erheblichen Eigenmitteln solche zusätzlichen Angebote schafft, wodurch wir die Möglichkeit haben, in bestehenden Einrichtungen für Drei- bis Sechsjährige zusätzlich die eine oder andere Krippengruppe oder die eine oder andere altersgemischte Gruppe einzurichten und damit Kinder zu

versorgen, die dort bislang nicht versorgt werden konnten. Insofern halte ich die Argumentation – vor allem dann, wenn ich mich mit Eltern über dieses Thema auseinandersetze –, eine solche zusätzliche Einrichtung könne nicht begrüßt werden, weil die Bedarfsplanung ja eigentlich abgeschlossen ist, für problematisch. Ich denke vielmehr, wir sollten durchaus die Parole ausgeben: Wir sind froh über jeden Platz, der zusätzlich geschaffen wird. Jeder dieser zusätzlichen Plätze soll so gefördert werden, wie wir das für alle anderen Plätze auch tun.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Mentrup, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Hoffmann?

Diesem Steuerungsproblem können wir uns dann vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt stellen, wobei ich persönlich nicht glaube, dass es – ich gestatte die Zwischenfrage gleich; ich führe nur noch den Gedankengang zu Ende – hier nun einen großen Run der freien Träger auf die damit verbundenen Investitionen geben wird. Daher halte ich das für eine möglicherweise nicht notwendige Diskussion. Aber auch hier können uns die Zahlen der Landesregierung vielleicht weiterhelfen.

Bitte sehr, Herr Abg. Hoffmann.

Herr Kollege Mentrup, ist Ihnen bekannt, dass in Baden-Württemberg bei Kindergartenplätzen für Drei- bis Sechsjährige die Versorgungsquote 104 % beträgt? Das heißt, wir haben im Moment mehr Plätze als Kinder.

(Abg. Ute Vogt SPD: Aber nicht in jeder Stadt!)

Deswegen haben wir schon ein Investitionsproblem. Ist Ihnen diese Zahl bekannt? Diese Zahl passt nämlich nicht ganz zu dem, was Sie eben gesagt haben.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: Sehr gut! – Abg. Katrin Altpeter SPD: Darum geht es doch gar nicht!)

Ich hatte ja gerade deutlich gemacht, dass ich sehr wohl sehe, dass wir bei den Drei- bis Sechsjährigen eventuell ein Überangebot haben. Solange dadurch aber die Kapazitäten dafür geschaffen werden können, auch unter Dreijährige zu versorgen, sehe ich darin eigentlich keinen Missstand, sondern eher eine Entwicklungsmöglichkeit, die es sonst nicht gäbe.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ute Vogt SPD: So ist es!)

Daher stellt sich mir schon die Frage, Herr Hoffmann, ob wir uns jetzt zurücklehnen und sagen können: Allein an der Bedarfsplanung machen wir dann fest, ob ein Zuschuss als berechtigt anerkannt wird oder nicht. Ich meine, wir sollten so lange, wie wir keine bedarfsangemessene Vollversorgung für alle Kinder haben, für jeden zusätzlichen Betreuungsplatz dankbar sein. Die Kommunen bzw. die Träger, die freie Plätze haben, sind sehr findig im Umwandeln sol

cher Plätze, denn sie müssen ja auch ihre Investitionen refinanzieren und ihren Betrieb unterhalten. Ich habe überhaupt keine Bange, dass diese dann auch entsprechende Lösungen finden.

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss und bedanke mich für die insgesamt sehr konstruktive Diskussion zu diesem Thema.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Das Wort erteile ich Herrn Kultusminister Rau.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die gemeinsame Empfehlung der kommunalen Landesverbände, des Paritätischen Wohlfahrtsverbands und des seinerzeit für die Thematik zuständigen Sozialministeriums vom 20. April 2005 zur Förderung von Kindertageseinrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet hat damals leider nicht dazu geführt, dass in allen Fällen eine einvernehmliche Finanzierungslösung zwischen den Kommunen und den Trägern von Einrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet herbeigeführt werden konnte.

So blieb insbesondere ein Teil der neuen Einrichtungen, die seit 2003 in Betrieb gegangen waren, gänzlich ohne Förderung durch die Kommune, oder sie erhielten nur einen sehr geringen Zuschuss; sie hatten keinen direkten Anspruch. Das sind solche Einrichtungen, für die die Standortgemeinde keine Refinanzierung über den Finanzausgleich erhält.

Daher waren sich alle Fraktionen des Landtags im Herbst 2005 einig, dass der Gesetzgeber zum Handeln aufgefordert ist. Unterschiedliche Auffassungen bestanden und bestehen noch immer bezüglich der Höhe der platzbezogenen Zuschüsse an die Kindergärten; das ist gerade wieder deutlich geworden.

Als sich der Landtag und die Landesregierung Ende 2005, Anfang 2006 konkret mit einer Kostenausgleichsregelung für Kindertageseinrichtungen mit gemeindeübergreifendem Einzugsgebiet befassten, wurde bald deutlich, dass eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung nur sehr schwer zu erreichen sein würde. Die kommunale Seite – der Gemeindetag und der Städtetag – waren gegen eine verpflichtende gesetzliche Zuschussregelung, weil sie darin einen Eingriff in die erst am 1. Januar 2004 übertragene vollständige Planungs- und Finanzierungsverantwortung für den Kindergartenbereich und damit in das kommunale Selbstverwaltungsrecht sehen. Die freien Trägerverbände der gemeindeübergreifenden Einrichtungen begrüßten zwar naturgemäß die Regelung als solche, kritisierten aber die Höhe der festgesetzten Beträge.

Nun, Frau Kollegin Lösch, haben Sie uns die brandenburgische Regelung als großes Vorbild dargestellt. Ich kann nur sagen: Die Brandenburger haben nichts anderes gemacht, als das SGB VIII abzuschreiben; sie reden nur von einem „angemessenen“ Betrag, sie definieren ihn nicht einmal. Wir haben in unserem Gesetz Beträge festgelegt; damit weiß jeder, womit er rechnen kann. Ich kann also nicht erkennen, was an diesem ungefähren und unbestimmten

Rechtsbegriff und Rechtsanspruch besser sein soll als an einem Rechtsanspruch, der sich an ganz konkreten Beträgen festmacht.

(Beifall der Abg. Christine Rudolf SPD)

Wenn ich dann gleich die andere Frage von Ihnen mit aufnehmen darf – die Frage der Übergangsregelung für die unter Dreijährigen bis 2010 –: Das ist auch eine Analogie zum SGB VIII, weil der Anspruch auch dort erst ab 2010 verbindlich entsteht. Deswegen ist auch in unserem Gesetz eine entsprechende Übergangsregelung enthalten.

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen des Landtags sind sich bei ihrer Entscheidung, der Gesamtsituation Rechnung zu tragen und nicht nur die Interessen einer Seite zu berücksichtigen, einig. Wir haben das Gesetz im Sinne einer Lösung für die Träger gemeindeübergreifender Einrichtungen gemacht, obwohl dies den Kommunen nicht besonders gefallen hat. Andererseits konnten wir den Städten und Gemeinden nicht völlig ohne Rücksicht auf deren Belange unangemessene finanzielle Belastungen zumuten. Insofern stellt die gefundene Lösung nach meiner Überzeugung einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen Kommunen und Trägern dar, der zum einen nicht zu tief in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreift, zum anderen aber auch den berechtigten Anliegen der gemeindeübergreifenden Einrichtungen nach Sicherstellung einer angemessenen Förderung zu ihrer Existenzsicherung Rechnung trägt.

Um zu sehen, ob sich das Gesetz und die Rechtsverordnung in der Praxis bewähren, werden wir, das Kultusministerium und das Ministerium für Arbeit und Soziales, Anfang kommenden Jahres eine entsprechende Erhebung bei den kommunalen Landesverbänden und bei den freien Trägerverbänden durchführen. Danach wird man sehen müssen, welches Ausmaß ein Restproblem eventuell noch hat und wie man sich dem dann stellt. Ich gehe aber davon aus, dass wir mit dem, was wir im Gesetz beschrieben haben, Ernst machen wollen. Es ist natürlich wichtig, dass sich alle Einrichtungen auf die Auswirkungen des Gesetzes verlassen können.

Der Kollege Dr. Noll hat vorher aus diesem Gesetz zitiert, was denn unter „gleichwertig“ zu verstehen ist. Ich glaube, da ist ein weiter Rahmen gespannt, der deutlich macht, dass man sich dem nicht einfach mit Hilfskonstruktionen vor Ort entziehen kann, indem man eigene Einrichtungen mal ein bisschen umdefiniert und beispielsweise behauptet – wie ich es schon gehört habe –: So ein bisschen Montessori machen wir auch, und damit ist es ein Montessori-Kindergarten. Auf solche Spiele werden wir uns ganz sicher nicht einlassen.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich gehe davon aus, dass die Standortgemeinden bei den Einrichtungen, die bereits 2003 in Betrieb waren, auch weiterhin das in der Rahmenvereinbarung der kommunalen Landesverbände, der Kirchen und der sonstigen freien Trägerverbände vom 25. Juli 2003 enthaltene sogenannte Schlechterstellungsverbot einhalten. Damit ist die Existenz dieser Einrichtungen auf jeden Fall gesichert.

(Minister Helmut Rau)

Wir appellieren an die Gemeinden, die Zuschussansprüche der Träger von gemeindeübergreifenden Einrichtungen ohne Verzögerung anzuerkennen, wenn die Sachlage eindeutig ist. Durch das Gesetz ist die Sachlage eben ziemlich eindeutig geregelt. Ich appelliere an diejenigen, die das streitig stellen, sich auf den Weg der Kooperation zu begeben

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Sehr gut!)

und nicht einfach zu sagen: Wir versuchen so lange wie möglich durchzukommen, ohne einen Anspruch anzuerkennen.

Ich glaube, Sie haben auf den Weg über die Landratsämter verwiesen, Herr Dr. Noll. Der nächste Weg, den man gegebenenfalls begehen muss, um Forderungen geltend zu machen, ist der Rechtsweg. Ich hoffe, dass wir in allen Fällen ohne Rechtsweg auskommen und die Vielfalt der Einrichtungen im Land garantieren können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen jetzt zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Antrags. Es handelt sich um einen reinen Berichtsantrag. Er ist durch die Debatte wohl erledigt.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Nein, wir haben bean- tragt, ihn an den Schulausschuss zu überweisen!)

Es ist beantragt, den Antrag zur weiteren Beratung an den Schulausschuss zu überweisen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Der Landtag beschließt dies so.