Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

Lassen Sie mich jetzt zu ein paar konkreten Themen, die angesprochen worden sind, kommen.

Als Erstes ist – weil ich gerade von der dritten Säule gesprochen habe – folgende Überlegung wichtig – und das gilt gerade auch für die älteren Menschen, die durchaus bereit sind, ihr Engagement in die Gesellschaft einzubringen, und zwar auch im Wechsel und im Austausch mit der Elterngeneration und mit den Kindern –: Wir würden das, was sich im Bereich der dritten Säule entwickelt und was uns nur wenig Geld kos

tet, gefährden, wenn wir da radikal kürzen würden. Solche Bereiche – wir erinnern uns – waren übrigens eine Zeit lang immer die „Steinbrüche“, nach dem Motto: „Freiwilligkeitsleistung, muss das alles sein? Das sind doch Spielwiesen!“ Wir sagen Nein zu einer solchen Betrachtung, und wir konnten die Mittel in vollem Umfang erhalten.

Ich weise schon noch einmal darauf hin, dass das Sozialminis terium im Grunde gerade einmal die Hälfte dessen, was ihm bei diesem notwendigen Sparhaushalt nach dem eigentlichen Schlüssel aufzuerlegen gewesen wäre, erbringen musste. Im sozialpolitischen Bereich mussten eben nicht Kahlschlag und Rasenmäher regieren.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Da ist doch sowieso nichts mehr da! Da kann man doch nichts wegneh- men!)

Ich denke, wir Sopos können uns doch ein Stück weit auf die Fahnen schreiben, dass wir wirklich sinnvolle Projekte, die mit wenig Geld viel dazu beitragen können, um bürgerschaftliches Engagement und Selbsthilfe zu stützen, gemeinsam erreicht haben. Darauf dürfen wir auch ein bisschen stolz sein.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Lassen Sie mich zum nächsten Thema kommen: Suchtkrankenhilfe. Dieses Thema ist mir schon wichtig. Die Kollegin Lösch hat gerade darauf hingewiesen, dass sich die beteiligten Städte jetzt zusammengetan haben und versuchen wollen, die Frage zu lösen: Was passiert eigentlich mit diesen Menschen? Zugegebenermaßen sind es nicht Tausende; vielmehr handelt es sich um ca.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: 300!)

1 800 Menschen in Deutschland. Aber noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich hielte es für zynisch, wenn man sagen würde: „Was sind schon 1 800 Leute?“ Das sind schwerstkranke Menschen, für die wir inzwischen eine wissenschaftlich als geeignet erachtete, auch in Karlsruhe positiv bewertete Therapie anbieten könnten.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Sie heißt dummerweise „Heroinabgabe auf Krankenschein“. Eigentlich heißt sie „Diamorphingestützte Therapie für Schwerstabhängige“. Auch da bitte ich noch einmal – – Der Ball liegt im Moment ja im Feld.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Machen wir doch ei- ne Bundesratsinitiative!)

Liebe Frau Haußmann, Sie wissen, der Ball liegt im Moment im Feld der Bundesregierung. An ihr sind Sie beteiligt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Baden-Württemberg kann nicht aktiv gestalten!)

Ich weiß, dass Ihre Seite dafür kämpft, dass die Diamorphintherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Ich appelliere mit Ihnen gemeinsam auch an die Kollegen hier auf der rechten Seite, sich all den Argumenten nicht weiter zu verschließen. Denn es ist eben nicht nur wissenschaftlich nach

gewiesen, dass es sich um eine effiziente Therapie handelt, dass sie lebensrettend wirken kann, sondern diese Therapie ist auch wirtschaftlicher,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP, der SPD und der Grünen)

wenn man tatsächlich alle Kosten, alles, was daran hängt – Beschaffungskriminalität, Haftkosten, Drehtüreffekte usw. –, zusammenrechnet. Da liegen die Ergebnisse jetzt doch vor. Ich kann nur noch einmal appellieren, sich diesen Ergebnissen nicht zu verschließen.

(Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)

Wenn die Debatten, die wir hier ja schon mehrfach geführt haben, ein Gutes hatten, dann besteht es darin, dass man gemeinsam bereit war, noch einmal 1 Million € draufzulegen, um in der Suchthilfe eben mehr begleitende und unterstützende Maßnahmen über das rein Medizinische hinaus zu ermöglichen. Ich freue mich sehr, dass es zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen von der CDU gelungen ist, sogar mehr draufzulegen, als Sie vorhatten.

So viel zu den Änderungsanträgen.

Jetzt kommt ein heute schon mehrfach diskutiertes Thema zur Sprache: Wie kommen wir bei Erziehung, Bildung und Betreuung noch schneller zu einer besseren Situation?

Frau Wonnay, Sie haben ja recht. Das ist ein Feld, wo wir wirklich nicht nur schlechter sind als manche anderen Bundesländer – Sie sprachen den Krabbenfang an –, sondern wo wir im Ländervergleich unsere Probleme haben und hatten. Das hat historische Gründe; das muss man einfach wissen.

Wenn Sie die Stadt Stuttgart anschauen, sehen Sie, dass die Quoten dort natürlich deutlich über den geforderten 20 % liegen. Die Frau Müller-Trimbusch hat mir das neulich noch einmal klargemacht. Es gibt aber andere Regionen, wo die gesellschaftlichen Strukturen einfach anders sind und wo diese Quoten noch nicht erreicht werden.

Wir haben uns trotzdem gemeinsam vorgenommen, dass wir uns massiv darauf konzentrieren, gerade im Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit übrigens auch im Hinblick auf Chancengleichheit von Frauen und Männern – beide sind ja beteiligt, das ist ein Thema, das, wenn man Gender verinnerlicht hat, alle Politikbereiche betrifft –, diesen Bereich auszubauen. Einen kleinen Beitrag konnten wir mit den Kontaktstellen „Frau und Beruf“ wieder einmal leis ten. Ich sage hier: Hoffentlich zum letzten Mal. Denn wir waren eigentlich übereingekommen, dass künftig für die mittelfristige Finanzplanung die Istzahlen zu nehmen sind und nicht jedes Mal wieder die Ansätze gekürzt werden. Diese Diskussion sollte nicht mehr geführt werden müssen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Verpflich- tungsermächtigungen sind schon da!)

Zudem sind wir in der Tat der Meinung, dass wir, wenn wir Familien zielgenau fördern wollen – insofern gebe ich Frau Lösch recht –, mit dem bisherigen Landeserziehungsgeld schon deswegen nicht mehr weiterkommen, weil es jetzt ein Bundeselterngeld gibt und damit die Bedingungen völlig an

dere geworden sind. Trotzdem müssen wir einfach wahrnehmen, dass jedenfalls im Moment noch die Situation von Familien in jeder Form, in denen Kinder leben – auch von Alleinerziehenden –, im Hinblick auf Steuern und Transfers – die eigentlich der Zuständigkeit des Bundes unterliegen – nicht optimal ist.

Der Gedanke war ja, dass wir zusätzlich eine Transferleistung geben, nämlich ein Landeserziehungsgeld. Nur kommt mir das inzwischen genauso vor, als wenn wir künftig zusätzlich zu den Bundesleistungen ein Landesarbeitslosengeld beschließen würden. Das ist eigentlich nicht Aufgabe des Landes. Nun verschließe ich mich nicht der Realität; deswegen konnten wir uns darauf einigen, dass wir das nicht abschaffen, sondern dass wir einen Teil umwidmen.

Jetzt sind Sie ein bisschen ungeduldig, weil das schwierig ist. Aber ich sage Ihnen, liebe Frau Lösch und vor allem auch Herr Metzger – er ist gerade nicht da –: Wir wollen das seriös machen. Wir wollen rechnen. Wir wollen übrigens auch Anspruchsberechtigungen von Menschen, die schon Kinder haben und Ansprüche hätten, im Auge behalten. Deswegen geht es halt nicht so schnell. Es geht nicht, dass Sie statt der veranschlagten Mittel einfach einmal 20 Millionen € herausnehmen und sagen: „Ja, ja, die haben es alle noch nicht beantragt, deswegen können wir denen das streichen.“ Ich hielte es für zynisch und menschenverachtend, zu sagen: „Du hättest zwar Anspruch auf das Landeserziehungsgeld, hast aber Pech gehabt; du hast es nicht rechtzeitig beantragt.“ Daher werden wir diesen Weg einer radikalen Streichung von Mitteln nicht mitgehen, sondern versuchen, dass die Ansprüche der Menschen, die auf das vertrauten, was zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes gilt, erfüllt werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

So viel zum Thema Seriosität. Es geht nicht an, im Umfang von einigen Millionen Euro Familien Gelder wegzunehmen, auf die sie noch einen Rechtsanspruch haben, der im Zweifelsfall verfassungsrechtlich eingeklagt werden könnte.

Lassen Sie uns deswegen noch einmal auf die Frage zurückkommen: Wie können wir es vernünftig und seriös umsetzen? Es wird tatsächlich eine Übergangsproblematik geben, weil in den Jahren 2008 und 2009 sowohl noch Ansprüche aufgrund des alten Landeserziehungsgelds in nicht unerheblicher Höhe als auch Ansprüche durch das neue Landeserziehungsgeld bestehen werden, das noch im Jahr 2007 beschlossen werden soll und ab 2008 in Kraft treten wird. Da bekommen wir eine Doppelbelastung. Das heißt, es wird zunächst auf keinen Fall zu Einsparungen, sondern erst einmal zu Mehrbelas tungen führen. Dazu sind wir im Interesse der Familien und im Interesse eines sauberen Übergangs durchaus bereit.

Aber man muss natürlich noch einmal rechnen. Es kann nicht das Motto gelten: „Darf’s noch ein bisschen mehr sein?“ Nein, wir müssen das seriös machen, und deswegen wird man die Höhe des Landeserziehungsgeldes noch einmal im Detail durchrechnen müssen. Das wird dann die zweite Säule. Die ist garantiert und in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben. Das sind mindestens 8 Millionen € zusätzlich, die in die Betreuung für Kinder unter drei Jahren – und zwar nicht ausschließlich in Krippenbetreuung, sondern auch z. B. zur För

derung innovativer Modelle bei der Tageselternbetreuung – investiert werden müssen.

(Zuruf von der SPD: Gut!)

Es gibt ein Modell in Leinfelden-Echterdingen, das Ihr frü herer Kollege Klenk, der jetzt OB ist, entwickelt hat. Er sagte: Für mich als Stadt ist es eigentlich günstiger, statt in Krippenplätze zu investieren, Zuschüsse an Tagesmütter zu zahlen, damit es für die Eltern, die ihr Kind dorthin bringen, bezahlbar wird. Das scheinen mir sehr innovative und sehr gute Modelle zu sein. Wenn wir dieses Geld, das wir jetzt durch Umschichtungen frei machen, in solche Modelle investieren, dann sind wir, glaube ich, auf dem richtigen Weg.

Zum Schluss zur dritten Säule, zu der Stärkung der Erziehungsfähigkeit. Ich halte das für ein sehr, sehr wichtiges Thema. Denn Untersuchungen – ich habe es heute Morgen schon zitiert – zeigen, dass gerade im ersten Lebensjahr die Gefahr am größten ist – und zwar nicht aus Böswilligkeit, sondern teilweise aus Überforderung von Familien –, dass Kindern nicht das Maß an Zuwendung und an Betreuung zukommt, das sie wirklich brauchen. Deswegen glaube ich schon, dass es sich lohnt, die bestehenden Strukturen zu nutzen, mit denen wir leichter an diese Familien herankommen, statt ihnen nur einen Brief oder einen Gutschein zu schicken. Wir sollten ein eher niederschwelliges Modell für eine Gehstruktur entwickeln, bei der die Familien aufgesucht werden, ohne dass sie Angst haben müssen, sie würden gleich an den Pranger gestellt und würden für nicht fähig gehalten, ihre Kinder zu erziehen.

(Glocke der Präsidentin)

Ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich werde sofort zum Ende kommen. Ich weise aber darauf hin, dass ich nur eine Runde mache.

Sie haben keine Redezeit mehr, Herr Kollege.

Dann darf ich abschließend das Gutscheinmodell noch einmal auf den Vorschlag hin präzisieren – darüber sind wir ja auch im Gespräch –, in das Modellprojekt „Guter Start ins Kinderleben“, welches ja auf aufsuchende Hilfen und eine Vernetzung der vorhandenen Angebote setzt, die Gutscheine zu integrieren. Denn wenn man erkennt, dass eine Familie an dieser oder jener Stelle ein klar zu identifizierendes Problem hat, und sie dann darauf hinweist, dass bei dieser oder jener Familienbildungsstätte oder sonst wo ein Gutschein erhältlich ist und man sich dort beraten lassen kann, wird das möglicherweise besser genutzt. Deshalb sollte man den Vorschlag mit den Gutscheinen nicht lächerlich machen. Ich halte ihn für einen richtigen Gedanken.

Manchem mag alles nicht schnell genug gehen. Wir stülpen nichts von oben über, sondern wir lassen gemeinsam mit den Kommunen neue Modelle wachsen. Dafür wollen wir durch Umschichtungen Geld bereitstellen. Denn eines gilt auch da: Über mehr Schulden können wir dies alles nicht finanzieren. Mein Lieblingssatz lautet – Sie müssen ihn wieder hören –: Auf Schuldenbergen können Kinder nun mal nicht spielen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Frau Ministerin Dr. Stolz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich als eine Ministerin, die zum ersten Mal in dieser Position Haushaltsberatungen erlebt, als Erlebnis eigener Art etwas an den Anfang stellen, was meine Kollegen vorher an den Schluss ihrer Reden gestellt haben, nämlich einen herzlichen Dank an alle Beteiligten: an das Finanzministerium, den Finanzminis ter, auch an alle Beteiligten und Kollegen, die an der Aufstellung dieses Haushalts beteiligt waren und konstruktiv mitgearbeitet haben. Ich habe bei den vielen Verhandlungen, die in den letzten Monaten geführt werden mussten, oftmals an den Satz Bismarcks von der Politik als der Kunst des Möglichen gedacht. Er ist mir oft in den Sinn gekommen. Ich glaube, wir haben in der Tat mit vielen Verhandlungen und auch mit viel konstruktiver Unterstützung vieles erreicht. Dank dafür an alle.

(Beifall des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ja, Dank an alle. Auch die Opposition ist da eingeschlossen. Sie werden das gleich merken.

Was haben wir erreicht, was mir wichtig ist? Es ist uns am Ende gelungen, auch im Sozialhaushalt unseren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Das ist auch im Interesse derer wichtig, für die wir im Moment Politik machen. Das sage ich auch ganz offen als Kinderbeauftragte, die natürlich immer Gelegenheit hat, Geld auszugeben. In der jetzigen Zeit ist die Haushaltskonsolidierung auch im Interesse eines Gestaltungsspielraums für die Generation, die im nächsten Jahrzehnt etwas gestalten will, sehr wichtig. Insofern haben wir einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten können. Dabei haben wir darauf geachtet, dass den Bürgerinnen und Bürgern keine zusätzlichen Lasten auferlegt werden, sondern die Kürzung der Ansätze regelmäßig auf die letzten Istausgaben beschränkt bleibt.