Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP/ DVP)

Nach § 82 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich der Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Frau Abg. Vogt, das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Ministerpräsident! Ich teile Ihre Eingangsanalyse nicht. Dieser Haushalt passt nicht in unsere Zeit, und er passt auch nicht wirklich zu unserem durchaus vorwärtsgewandten Land,

(Abg. Dr. Bernhard Lasotta CDU: Er passt nicht zur SPD!)

zu einem Land, in dem mutige Menschen wohnen. Es ist ein Haushalt, der zu Ihrer Regierung und zu Ihrem Regierungsstil passt.

(Abg. Thomas Blenke CDU: Und damit zum Land!)

Sie haben ja in Ihren Darlegungen selbst bewiesen, dass Sie auf Zuwächse bauen, die von woanders kommen. Sie haben der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass möglicherweise weitere konjunkturelle Zuwächse ins Haus stehen. Das wäre uns allen recht, und wir alle wären froh, wenn wir wieder mehr Geld zur Verfügung hätten, auch um möglicherweise mehr Schulden zurückzuzahlen.

Aber Sie haben selbst aufgelistet, wo Sie Einsparungen vornehmen. Bei all diesen Einsparungen ging es, mit Ausnahme der Personalbereiche, um einmalige Einsparungen.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das stimmt doch nicht!)

Da ist doch der Vorwurf zu erheben, dass Sie mit diesem Haushalt nicht darangehen, in vielen Bereichen auch die Struktur zu hinterfragen. Damit meine ich nicht nur die Mi nisterien, die ich vorhin zitiert habe; dazu haben Sie wiederum nicht Stellung genommen.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Kürzungen bei Be- amten!)

Vielmehr meine ich, dass Sie Ihre Worte selbst ernst nehmen sollten. Ich habe mir noch einmal das entsprechende Kapitel aus Ihrer Haushaltsrede herausgesucht. Es stand gleich am Beginn der zweiten Seite. Da haben Sie selbst zu Recht die Frage gestellt:

Brauchen wir wirklich in allen Ressorts eine Abteilung I heutigen Zuschnitts? Die ressortübergreifende Bündelung von Sachverstand wäre hier ein neuer Weg. Wir sollten untersuchen, ob die Querschnittsaufgaben der Ministerien des Landes … zusammengefasst … werden können.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Wir denken zu- erst, bevor wir handeln!)

Das war doch Ihre Frage. Aber Sie haben sie nicht beantwortet, weil Sie sich in Ihrem Haushalt nicht an die Strukturen herantrauen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen, ebenfalls gemessen an Ihrem eigenen Maßstab. Sie haben deutlich gemacht und wiederum gefragt – ich zitiere –:

Ich will ganz konkret die Frage stellen, wie viele Ebenen für die Überprüfung von Behördenentscheidungen wir uns eigentlich leisten können. Ist es tatsächlich nötig, dass

nahezu jede Behördenentscheidung zunächst im Widerspruchsverfahren ein zweites Mal aufgerollt werden kann?

Ich bin sicher, es geht hier nicht um die Frage des Rechtswegs. So viel Rechtskenntnis haben Sie ja auch, dass Sie wissen, dass man den Rechtsweg nicht beschneiden kann.

(Abg. Dieter Hillebrand CDU: Also!)

Vielmehr geht es Ihnen auch bei dieser Frage zu Recht um die Überlegung: Ist der Aufbau im Land mit den Landkreisen und den vier überflüssigen Regierungspräsidien noch zeitgemäß? Hier hätten wir den Mut erwartet, dass Sie in die Strukturen gehen, anstatt einmalige Einsparungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Thomas Blenke CDU: Das haben Sie aber völlig falsch verstanden!)

Nun komme ich zu Ihrem Angebot für eine Wette. Ich bin gern bereit, mich darauf einzulassen. Ich habe mich über ein solches Angebot gefreut, weil Sie dadurch zumindest auch zum Ausdruck bringen, dass Sie davon ausgehen, dass die Sozialdemokratische Partei auch nach der nächsten Bundestagswahl im Bund weiter Regierungsverantwortung tragen wird.

(Beifall des Abg. Stephan Braun SPD)

Das ist etwas, wofür wir auch mit arbeiten.

Wichtig ist aber, dass wir wissen – weil wir uns gerade in Baden-Württemberg vielleicht noch mehr als andere damit befasst haben –, dass die Nutzung der Atomenergie ein Irrweg ist. Wir Sozialdemokraten haben selbst – das muss man doch zugeben – noch im Godesberger Programm geschrieben, es sei die Hoffnung unserer Zeit, dass die Atomkraft viele Probleme lösen könne, wenn man sie nur friedlich einsetze. Aber wir haben gelernt – nicht zuletzt aus grausamen Unfällen, nicht zuletzt aus schrecklichen Katastrophen wie in Tschernobyl oder aus Beinahe-Katastrophen wie kürzlich in Schweden –, dass es eben keine solche Technologie gibt, die wir auf Dauer beherrschen könnten.

Selbst wenn wir in Deutschland sagen: „Wir haben recht sichere Kraftwerke“, wissen wir noch immer nicht, was eigentlich passiert, wenn entsprechendes Material in die Hände von anderen gerät. In Zeiten, in denen wir viele terroristische Bedrohungen auf der Welt haben, müssen wir doch alles dafür tun, den Anfall von strahlendem Material zu reduzieren und die Gefahrenquellen zu verringern. Da fangen wir bei uns an, Alternativen aufzubauen. Denn nur dann können wir auch alternative Technologien in andere Länder verkaufen und damit verhindern, dass Atomkraft das Einzige ist, auf das z. B. auch heutige Entwicklungsländer in 20 Jahren bauen.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht sollten Sie bei Ihrer Hoffnung auf die Atomenergie zur Kenntnis nehmen: Zum 1. Januar dieses Jahres ist kein neues Kraftwerk ans Netz gegangen. Im Gegenteil, die Zahl der Atomkraftwerke hat abgenommen. Drei weitere wurden mit Beginn des Jahres 2007 abgeschaltet. Es ist ein großes Märchen, das da von der Renaissance der Atomenergie verbreitet wird.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Darauf sind Sie stolz, ja?)

Wir sind vorangegangen. Wir haben in Deutschland mehr geschafft als viele andere.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie uns doch dieses Potenzial nutzen, und hören Sie auf, auch hier immer nach hinten zu schauen.

Ich wünsche mir, Herr Ministerpräsident – auch im Sinne der politischen Hygiene in unserem Land –, dass Sie möglicherweise einmal überdenken, mit welchen Worten Sie politisch Andersdenkende zuweilen bezeichnen. Sie haben davon gesprochen, dass man wohl „blöd“ sei. Ich meine, das Wort „blöd“ haben Sie ja nun in verschiedenstem Zusammenhang schon ziemlich missbräuchlich verwendet. Sie sollten es vielleicht einmal aus Ihrem Wortschatz streichen. Aber wenn Sie hier davon sprechen, dass diejenigen blöd seien, die glauben, dass es ein vernünftiger Ansatz ist, eine EU-Regelung zu finden und in einem Gesetz Grenzwerte festzulegen, auch was die Automobilindustrie betrifft, dann müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen, dass auch Ihre eigene Umweltministerin, Frau Gönner, genau eine solche gesetzliche Regelung befürwortet hat. Also überlegen Sie sich gut, wem Sie dieses Wort an den Kopf werfen. Es ist nicht nur die Opposition, die in diesem Falle vernünftige Ziele anerkennt und sagt: Wir müssen hier etwas tun und die Industrie an manchen Stellen zwingen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Sie an die Zeit erinnern, als man in Deutschland darüber diskutiert hat, ob die Automobilindustrie in der Lage sei, die Einführung des Katalysators zu verkraften. Was haben wir da für ein Geschrei gehört! Ich vermute, auch damals waren Sie mit vornan.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Logisch!)

Wir helfen der Automobilindustrie nicht, wenn wir einen Schutzzaun um sie bauen. Sie will das ja auch selbst gar nicht. Wir helfen ihr, indem wir voranbringen, was alternative Energien und andere Antriebsformen möglich machen, indem auch Landesregierung und Landesparlament Fördermaßnahmen in die Wege leiten, um den Einsatz von Brennstoffzellen voranzubringen, indem wir überlegen, wie man mit alternativen Treibstoffen noch besser und noch effektiver arbeiten kann. Hierauf wollen wir uns konzentrieren und nicht auf das Errichten eines teuren Schutzzauns.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen freue ich mich trotzdem, dass Sie Herrn Verheugen beistehen, der ja von den CDU-Kollegen im Bund gern gemobbt wird.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wie bitte? – Widerspruch bei der CDU)

Insofern haben wir wenigstens hier eine erfreuliche Begleiterscheinung.

Da ich vorhin meine Redezeit über Gebühr in Anspruch genommen habe,

(Abg. Thomas Blenke CDU: Unsere Zeit auch! – Zu- ruf von der CDU: Genau!)

möchte ich zum Abschluss eines deutlich sagen. Ihre Zwischenrufe scheinen mir zu belegen, dass es notwendig ist, hier auch über die Frage des politischen Umgangs miteinander zu reden.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Herr Ministerpräsident, es ist bekannt, dass Sie ein Faible für die Monarchie haben. Aber wir sind hier in einem demokratisch gewählten Parlament, und ich halte es für unangemessen – um es freundlich zu formulieren –,

(Zuruf von der SPD: Unanständig!)

wenn Sie als Regierungschef, wie in der letzten Debatte, gegenüber der Opposition mit einem „Stören Sie uns nicht!“ auftreten und in der jetzigen Debatte sagen: „Lassen Sie uns in Ruhe!“