Protokoll der Sitzung vom 07.02.2007

wenn Sie als Regierungschef, wie in der letzten Debatte, gegenüber der Opposition mit einem „Stören Sie uns nicht!“ auftreten und in der jetzigen Debatte sagen: „Lassen Sie uns in Ruhe!“

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP – Abg. Ur- sula Haußmann SPD: Dieser Umgang ist bei seiner schlagenden Verbindung angebracht, aber nicht bei uns!)

Das ist ein Umgang, Herr Ministerpräsident, der an Arroganz nicht zu überbieten ist und der möglicherweise in Ihren Reihen üblich ist. Aber hier in einem Parlament, in dem demokratisch gewählte Abgeordnete sitzen, die sich auseinanderzusetzen haben,

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

die den Auftrag haben, die Regierung zu kontrollieren, müssen Sie es auch aushalten, dass man andere Meinungen zum Ausdruck bringt. Man muss diesen Abgeordneten auch zuhören und vielleicht sogar dafür offen sein, einmal das eine oder andere zu lernen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Ebenfalls nach § 82 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält jetzt der Vorsitzende der Fraktion GRÜNE, Herr Abg. Kretschmann, das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, wenn es darum geht, einen Sparhaushalt zu kommunizieren, muss man erst recht sagen, wo man die notwendigen Prioritäten setzt. Einfach nach dem Rasenmäherprinzip zu sparen ist Politikverzicht.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das haben wir aber gewiss nicht gemacht!)

Doch, das habt ihr gemacht. Jetzt wird die zweite Phase kommen, nachdem alles „ausgemostet“ worden ist. Da heißt es jetzt einmal, Farbe zu bekennen. Deswegen glaube ich,

Herr Ministerpräsident: Die Haushalte bis 2011 sind in keiner Weise abgehakt – in keiner Weise!

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das wissen wir! – Abg. Stefan Mappus CDU: Das wissen wir! Das ha- be ich vorhin ja gesagt! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Richtig!)

Die harte Strecke kommt erst jetzt. Wir selbst haben den vorliegenden Haushalt weder abgehakt noch durchgewunken. Wir haben dazu knapp 100 Änderungsanträge gestellt. Davon umfassen manche ein erhebliches Volumen, etwa was den Bildungspakt oder was die Sanierung des Haushalts im Hinblick auf die Pensionslasten angeht.

(Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP: Fleißig, fleißig! – Zurufe der Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP und Ste- fan Mappus CDU)

Ich sage noch einmal klar: Sie stützen sich im Kern zunächst einmal auf die gute Konjunktur und auf die Steuereinnahmen, die uns hereingespült werden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist ja nichts Un- anständiges!)

Nein. Darüber können wir uns nur alle freuen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Aber trotz dieser beträchtlichen Mehreinnahmen müssen wir uns ja immer noch in gigantischem Maß weiter verschulden. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir durch die Erhöhung der Verschuldung bis 2011 für jede zusätzliche Milliarde noch einmal 40 Millionen € an Zinsen aufbringen müssen, was unseren Handlungsspielraum wiederum verengt.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wir erhöhen doch keine Schulden! – Gegenruf der Abg. Christine Ru- dolf SPD: Natürlich! Das haben Sie noch gar nicht kapiert, Herr Noll!)

Es kommt jetzt also darauf an, wo man Prioritäten setzt. Man setzt sie gewiss nicht dadurch, dass man im Kernbereich, wie bei den Schulen, über 500 Lehrerstellen nicht besetzt. Jetzt haben wir einen Ausbau der Ganztagsschulen, und wir haben Ihr Programm zu den Jugendbegleitern. Aber das kann in der ganzen Schulpolitik doch wohl nicht eine Qualitätsoffensive einleiten. Das kann doch niemand im Ernst glauben.

Wir brauchen im ganzen Schulbereich noch Tausende von zusätzlichen Stellen. Seit ich dem Parlament angehöre, hatten allein die beruflichen Schulen noch niemals genügend Lehrer. Wir haben einen Lehrermangel an den beruflichen Schulen, seit ich in diesem Haus bin. Und Sie sind in diesem wichtigen Bereich nicht in der Lage, jetzt einmal zuzulegen und dem Lehrermangel an diesen Schulen abzuhelfen. Jeder weiß, dass wir schon jetzt auf einen Facharbeitermangel zusteuern. Dieser wird durch den Lehrermangel natürlich vergrößert. Die Berufsschulen mit ihren spezialisierten Lehrern haben die größten Schwierigkeiten, jetzt über die Runden zu kommen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Wenn sie zu finden sind!)

Dem wollen Sie nun begegnen, indem Sie noch über 500 Lehrerstellen nicht besetzen. Das ist doch geradezu absurd und verfehlt die Perspektive, die wir notwendigerweise schaffen müssen, völlig.

Wir haben bei den Studierenden einen Aufwuchs von 19 000 Personen. Um dieser Situation gerecht zu werden, stellen Sie doch gar keine neuen Mittel bereit. Die erforderlichen Mittel müssen von den Hochschulen selbst erbracht werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP – Gegen- ruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Das Einzige ist, dass die Hochschulen aus den Studiengebühren Mittel für die Verbesserung der Lehre erhalten. Aber wir brauchen angesichts des erwähnten Aufwuchses doch mindestens 3 000 Personalstellen mehr. Diese wollen wir über den von uns vorgeschlagenen Bildungspakt einbringen. Ich frage Sie: Wie wollen wir in diesem Kernbereich weiterkommen, wenn Sie uns da nicht folgen?

Wir konkurrieren bei den Hochschulen ja nicht mit Mecklenburg-Vorpommern. Wir konkurrieren vielmehr mit den wichtigsten Bildungsstandorten der Welt.

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! Harvard! – Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Ich nenne einmal ein Beispiel: Die Universität Karlsruhe hat einen Etat von etwa 160 Millionen €. Die ETH Zürich dagegen, eine Hochschule von ganz ähnlichen Strukturen mit ungefähr gleich viel Studierenden, hat einen Etat von über 700 Millionen €.

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das sind die Konkurrenten, um die es geht. Ich empfehle Ihnen einmal, Herr Ministerpräsident, den Wissenschaftsausschuss einzuladen. Die Ausschussmitglieder waren gerade in Indien und können Ihnen erzählen, was dort genau im Hochschulbereich an Dynamik besteht, welch riesiger Aufwuchs an Studierenden dort vorhanden ist. Mit solchen Zentren konkurrieren wir, und in dieser Hinsicht sehe ich einfach nichts.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Wie sieht es dort mit Stu- diengebühren aus? Wie hoch sind die?)

Auf diesem zentralen Gebiet tun Sie nicht das Notwendige.

(Abg. Stefan Mappus CDU: Ja, ja!)

Das ist jedenfalls klar. Ein solcher Haushalt ist nicht zukunftsorientiert. Das Versprechen in die Zukunft ist das, was den politischen Kern eines Haushalts ausmacht.

Das, was Sie zum Fahrzeugbau gesagt haben, war allerdings ein Offenbarungseid.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Ja!)

Noch einmal mit solchen Formulierungen zu kommen wie „mit der Umweltkeule gegen den Standort Baden-Württemberg“,

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Völliger Blödsinn! – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

anstatt klare ordnungspolitische Vorgaben für die Autoindustrie zu machen – ich habe das im ersten Redebeitrag schon ausgeführt –, die gegen jeden Umweltstandard Sturm gelaufen ist und die die Vorschriften jedes Mal sehr gut erfüllen konnte, ist von vorgestern.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Wir hätten noch kei- nen Katalysator!)

Herr Ministerpräsident, das ist ein Offenbarungseid.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Wir hätten noch die Antriebskur- bel!)

Sie haben keine einzige Ansage gemacht, wonach Sie erwarten, dass die Autoindustrie ambitioniert auf Innovationen setzt, die den Spritverbrauch reduzieren. Das war immerhin Ihre Ansage. Jetzt frage ich einmal: Wer setzt eigentlich die Standards? Ich denke, immer noch das Parlament.

Jetzt darf ich vielleicht einmal aus einer Originalpressemitteilung des Umweltausschusses vom 1. Dezember letzten Jahres zitieren:

Aus dieser Selbstverpflichtung wird nach Aussage Müllers

das ist der Vorsitzende des Umweltausschusses –

nichts, was die Ausschussmitglieder bewogen habe, sich eindeutig hinter die EU-Vorgabe von 120 Gramm CO2Ausstoß pro Kilometer bis zum Jahr 2012 zu stellen. „Funktioniert die Selbstverpflichtung in diesem zentralen Bereich der Umweltpolitik nicht, so muss das Ziel über gesetzliche Bestimmungen erreicht werden“, so der Vorsitzende Ulrich Müller im Namen aller Abgeordneten. …

(Beifall bei der SPD und den Grünen)