Protokoll der Sitzung vom 09.02.2007

Ihnen fällt es ja schon schwer, einmal nicht das Wort „spitze“ zu verwenden. Bei der CDU ist ja immer alles spitze, weil Sie regieren.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Dr. Stefan Schef- fold: Aber man muss die Tatsachen nehmen, wie sie sind! – Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Ihre Re- de ist befriedigend!)

Tatsache ist auf jeden Fall – das hat die Bertelsmann-Stiftung festgestellt; das konnten Sie am Montag dieser Woche im „Focus“ nachlesen –:

(Abg. Winfried Mack CDU: Das ist doch Unsinn!)

Baden-Württemberg als reiches Land gibt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt,

(Abg. Winfried Mack CDU: Diese Rechnung war grober Unsinn!)

weniger für Bildung aus als der bundesweite Durchschnitt; übrigens auch Bayern.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Uns kommt es auf den Output an und nicht auf den Input!)

Die Bertelsmann-Stiftung steht nicht uns nahe – das wissen Sie auch –, sondern die Familie Mohn ist eher im konservativen Lager angesiedelt. Um das einmal deutlich zu sagen: unterdurchschnittliche Bildungsausgaben.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Welches Ergebnis erzie- len wir damit?)

Sämtliche skandinavischen Länder, die heute im internationalen Vergleich nicht nur bildungsmäßig gut abschneiden, sondern übrigens auch in ihren wirtschaftlichen Parametern gut abschneiden – ob Schweden, Finnland oder Norwegen –, haben Anfang der Neunzigerjahre ihre Bildungssysteme umgekrempelt, haben damals Geld in die Hand genommen. Bildungsinvestitionen haben einen Vorlauf.

(Abg. Winfried Mack CDU: Auch wir haben in den letzten Jahren Bildungsinvestitionen gemacht! Das haben Sie nicht mitbekommen!)

Das geht nicht so, dass man einmal ein Jahr lang Geld hineinpumpt und dann innerhalb der nächsten drei, vier Jahre den Benefit bekommt. Wenn dieses reiche Land Baden-Württemberg im nächsten Jahrzehnt Wertschöpfung erzielen will, dann tritt es in Konkurrenz zu den Ländern, die mein Fraktionsvorsitzender schon erwähnt hat, nämlich zu den Ländern im asiatischen Raum, wo bei Bildung richtig geklotzt wird.

Herr Kleinmann, der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, ist gerade nicht da. Aus den Reihen des Wissenschaftsausschusses waren eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen in Indien: Schauen Sie einmal, was für eine Explosion der Investitionen in Bildung in den letzten zehn Jahren dort stattgefunden hat. Indien hat jetzt 10 Millionen Studierende. Diese klugen Köpfe konkurrieren mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren, mit den Geisteswissenschaftlern von

Baden-Württemberg. Wenn wir hier nicht Geld in die Hand nehmen, und zwar in den nächsten paar Jahren, dann werden wir in die Röhre gucken.

(Beifall bei den Grünen)

Der jetzige Konjunkturboom in Baden-Württemberg hat eine interessante Wirkung. Er läuft nämlich in dem traditionellen Maschinenbausektor mit gut qualifizierten Facharbeitern. Das sind sozusagen noch die Benefits aus der Vergangenheit. Aber bei den Hochtechnologien der Zukunft, wo der Kampf um die Köpfe stattfindet, entscheidet sich das jetzt an der Bildungsfront. Deshalb werden wir hier Geld in die Hand nehmen müssen.

Ich prophezeie Ihnen – egal wie Sie als Sozialdemokraten und Sie als verantwortliche Regierungsfraktionen das sehen –: Sie werden unseren Vorschlag beim Bildungspakt aufgreifen. Es ist eine historische Chance, jetzt für Bildung Geld in die Hand zu nehmen, die daraus resultiert, dass wir an vielen Schulen ein sehr altes Kollegium haben. Viele Lehrerinnen und Lehrer der in den Sechziger- und Siebzigerjahren eingestellten starken Kohorten gehen jetzt in den Ruhestand. Gleichzeitig haben wir zurückgehende Schülerzahlen. Das ist eine Parallelität der Ereignisse, die für einen Finanzpolitiker eine Einladung für eine intelligente Lösung ist, nämlich jetzt in der Übergangsphase Stellen zu schaffen und ab 2010, 2011, 2012 sukzessive, wie es selbst der zuständige Kultusminister macht, abzuspecken

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Wir haben seit dem Jahr 2000 35 000 neue Lehrer eingestellt!)

und den Aufwuchs jetzt dadurch zu finanzieren, dass wir wegen der zurückgehenden Schülerzahlen im nächsten Jahrzehnt 8 000 Lehrerstellen im Saldo weniger haben. Wir müssen aber jetzt Geld zur Verfügung stellen und in die Köpfe investieren. Die Studierendenlawine ist keine Bedrohung. Vielmehr ist es eigentlich eine Gnade für ein Land, wenn man Köpfe hat, die studieren wollen, die nach Bildung gieren. Das ist der Reiz des asiatischen Raumes, der von uns Europäern beneidet wird, weil die jungen Leute dort gierig sind auf Ausbildung. Denn was man im Kopf hat, kann einem niemand nehmen. Das ist individuelles und auch volkswirtschaftliches Kapital. Mit dem von uns beantragten Bildungspakt wäre es möglich, diesen Schritt zu gehen.

Von wegen Schattenhaushalt, Herr Schmid. Wenn Sie Erbsenzählerei in der Bildungspolitik praktizieren wollen und wenn Sie – Herr Mentrup, Sie waren gestern in der Tonlage noch wesentlich schärfer – davon reden, dass 2 800 Stellen dem Unterricht entzogen werden, dann sage ich Ihnen: Wenn man einmal nachrechnet, was Sie auf Ihrer Webseite eingestellt haben, dann merkt man, dass Sie der Regierung nur vorwerfen können, dass rund 1 000 Stellen dem Unterricht entzogen werden.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Das wollen Sie durch Absenkung der Eingangsbesoldung finanzieren. Das reicht aber nur für 800 Stellen. Für 2 000 Stellen liefern Sie keine Finanzierung. Das ist unehrlich. Das ist falsch.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Widerspruch bei der SPD – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Hört, hört!)

Ich kann es Ihnen vortragen.

(Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Die werden doch in Projekte umgesetzt! Die gegenwärtigen Projekte tau- gen zum Teil nichts!)

Herr Mentrup, ich wollte damit nur andeuten: Mit vollen Hosen ist gut stinken.

(Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Zuruf des Abg. Dr. Nils Schmid SPD)

Mit dem Bildungspakt Investitionen in die Köpfe und in die Zukunft zu tätigen, das können wir uns aus unserer Sicht leis ten. Die Kraft des Faktischen – davon bin ich überzeugt – wird auch die Landesregierung dazu bringen, genau diesen Weg in den nächsten Jahren einzuschlagen. Denn ansonsten fällt das Wertschöpfungspotenzial unseres reichen Bundeslandes in Zukunft einfach zusammen, wenn wir uns hier nicht zusätzlich anstrengen.

Noch einen Taktschlag zum Umgang mit dem Haushalt. Ich habe mich gewundert, dass von manchen Journalisten gerade in der Woche, in der wir den Haushalt im Plenum beraten, das mangelnde Selbstbewusstsein des Parlaments kritisiert wird, obwohl wir uns in dieser Woche relativ viel damit befasst haben. Aber eines ist schon wahr, meine Damen und Herren vor allem von den Regierungsfraktionen: Wir haben einen Etat über 33 Milliarden € Jahresvolumen, und Sie schaffen es gerade einmal, Änderungen im Umfang von 32 oder 33 Millionen € zu beschließen – 1 Promille! Die beiden Finanzsprecher der Regierungsfraktionen, Herr Herrmann und Frau Berroth, sagen als Begründung bei unserer gemeinsamen Pressekonferenz, Sie seien so stark in die Aufstellung des Haushaltsplans eingebunden.

(Abg. Gundolf Fleischer CDU: So ist es!)

Dann kommen Sie aber und sagen, wir müssten die Einsparvorschläge der Regierung, beispielsweise im Sozialbereich, korrigieren. Da muss ich feststellen: Sie haben zunächst die Einsparungen mitgemacht und sind dann unter dem Druck der Öffentlichkeit und unter dem Druck der Anträge der Opposition „umgeswitcht“.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Nicht überschät- zen!)

Das als Selbstbehauptungswillen des Parlaments zu verkaufen, das ist reichlich grotesk.

(Beifall bei den Grünen)

Ich habe heute früh – jedenfalls über die Mikrofonanlage im Haus – die Rede von Frau Umweltministerin Gönner mitverfolgt und gehört, wie sie sich bei der CDU-Fraktion bedankt hat. Sie hat mit einer Formulierung begonnen, die ihr dann offensichtlich peinlich war. Es ging dabei um das Geld, das die CDU-Fraktion zur Verfügung hatte, also um die Nummer mit dem „Spielgeld“.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Mir wäre es als Parlamentarier peinlich, mir von meiner Regierung sagen zu lassen: „Da hast du ein paar Millionen; damit kannst du dich austoben, und den Rest machen wir.“ Wir sind der Gesetzgeber, und die Regierung hat nur eine geliehene Macht! Dies richtet sich an die Regierungsfraktionen ebenso wie an die Opposition. Ein bisschen mehr Selbstbehauptungswillen, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, auch in der offiziellen Auseinandersetzung auf der politisch-parlamentarischen Bühne zwischen Parlament und Regierung, täte manchmal ganz gut.

(Zuruf von den Grünen: Sehr gut! – Abg. Klaus Herr- mann CDU: Pure Theorie! Wir sind hier nicht im Bundestag, Herr Kollege! Bei uns ist das anders! – Lachen bei Abgeordneten der SPD und der Grünen – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Herr Herrmann ist nur Teilzeit! – Abg. Dr. Dietrich Birk CDU: Herr Metz- ger, wie viel haben Sie denn im Bundestag be- wegt?)

Herr Herrmann, jetzt mache ich eine Pause, damit ich nachher noch Redezeit für eine mögliche Replik auf den Finanzminister des Landes übrig habe.

Danke.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort für die FDP/ DVP-Fraktion erteile ich Frau Abg. Berroth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die von der CDU-FDP/DVP-Koalition angesetzte Stotterbremse wirkt. Autofahrer wissen: Stotterbremsen muss man dann, wenn es brenzlig wird. Es ist höchste Zeit, dass wir den Umschwung geschafft haben, die in der mittelfristigen Finanzplanung ursprünglich vorgesehene Neuverschuldung noch einmal drastisch herunterzufahren. Wir tun mit diesem Haushalt einen wichtigen Schritt zur Reduzierung der Neuverschuldung als Vorbereitung – das sage ich deutlich – zu dem danach ebenso notwendigen Schuldenabbau in der nächsten Legislaturperiode.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Eines ist klar: Eine nachhaltige Konsolidierung des Haushalts – das wurde auch von allen meinen Vorrednern schon richtig dargestellt – ist nur mit einer nachhaltigen Begrenzung der Personalausgaben des Landes möglich. Auch in dem nun vorgelegten Haushalt werden aber schon in erheblichem Maße Stellen abgebaut. Das Staatshaushaltsgesetz schreibt fest, dass im Jahr 2007 insgesamt 815 Stellen und im folgenden Jahr 1 078 Stellen in Abgang zu stellen sind. Das ist erneut eine große Zahl, und damit werden die seit einigen Jahren laufenden Programme zum Stellenabbau konsequent umgesetzt.

Mit dem Haushaltsstrukturgesetz 2007 wird das Sonderzahlungsgesetz des Landes dahin gehend geändert, dass die Sonderzahlungen für aktive Beamte auf etwa 50 % eines Monatsbezugs und für Pensionäre auf 30 % eines Monatsbezugs festgesetzt werden. Damit wird eine Verständigung zwischen dem Land und den Verbänden und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes umgesetzt, die hier nun erstmals haushaltswirksam ist, in ihrer Wirkung aber deutlich über das Haushaltsstrukturgesetz hinaus besteht.

Die Regelungen zur Sonderzahlung – früher einmal „Weihnachtsgeld“ genannt – führen zu Einsparungen in Höhe von 39 Millionen € in diesem und 123 Millionen € im nächsten Jahr. Auch für die Folgejahre ist eine steigende Tendenz abzusehen. Zugleich wurde aber vereinbart – und so ist das auch im Vorblatt des Gesetzentwurfs zum Haushaltsstrukturgesetz festgehalten –, dass die Beamten, so wie auch die Tarifbeschäftigten, im Jahr 2008 eine Gehaltserhöhung um 2,9 % erhalten. Dies ist uns wichtig; denn wir wollen, dass dort Wirkungsgleichheit besteht und es nicht zu einseitigen Entwicklungen kommt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Diese Vereinbarung wird so umgesetzt, dass zum 1. Februar 2008 für alle Beamten eine Anhebung um 1,5 % stattfindet sowie zum 1. August desselben Jahres für den einfachen und den mittleren Dienst und zum 1. November für den gehobenen und den höheren Dienst eine weitere Anhebung um 1,4 % erfolgt, sodass letztlich trotz der Reduzierung der Sonderzahlungen niemand einen geringeren Betrag als bisher auf dem Konto hat.

Schließlich – und auch das ist wichtig – hat die Landesseite erklärt, dass sie in dieser Legislaturperiode keine eigenen Eingriffe in die Beihilfe- und die Heilfürsorgeregelungen plant und auch die Wochenarbeitszeit und die Lehrdeputatsverpflichtungen der Beamtinnen und Beamten nicht weiter erhöhen wird.