Oswald Metzger

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das ist ein klassisches Thema, um das wir als öffentliche Hand einen langen Eiertanz machen, wenn man sich an die Debatte des Jahres 2005 und schon davor an die Debatte 2004 erinnert, als auf Bundesebene die Offenlegung der Bezüge von Vorständen und Organmitgliedern bei Aktiengesellschaften beschlossen wurde.
Ich selbst bin – wenn Sie so wollen – ein gutes Beispiel; denn ein Unternehmen, in dem ich im Aufsichtsrat sitze, hat sich schon früher, vor der gesetzlichen Regelung, an die Offenlegungsvorschriften gehalten und weist traditionell die Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder aus. Also können Sie auch meine Jahresbezüge und gleichzeitig auch die der Vorstandsmitglieder im jährlichen Geschäftsbericht jeweils nachlesen.
Warum tun wir das bei der öffentlichen Hand nicht, obwohl die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dieser rot-grünen Transparenzoffensive am 30. Juni 2005 im Deutschen Bundestag genauso zugestimmt hat wie das Land Anfang Juli 2005 im Bundesrat?
Deshalb verstehe ich den Kollegen Schmid sehr gut, wenn er die Exegese anspricht, dass die SPD in der Tat im Land Ba
den-Württemberg als erste Partei das Thema auf Landesebene angesprochen hat.
Ich finde, Offenheit schafft Vertrauen.
Wenn wir beispielsweise in der Diskussion um die Aussortierung von Ministern – aus welchen Gründen auch immer die Aussortierung erfolgt – Beispiele aus Baden-Württemberg ansprechen – Sie, Herr Schmid, haben das zu Recht getan –, könnte ich Ihnen auf Bundesebene das Beispiel nennen, bei dem eine der SPD angehörende designierte Finanzministerin nicht Finanzministerin werden durfte, weil Oskar Lafontaine den Vorrang hatte. Stattdessen wurde sie Vorstandsmitglied bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Heute ist sie dort Vorstandsvorsitzende. Das muss man ehrlicherweise sagen.
Möglicherweise könnte es bei uns auch zu solchen Versorgungsfällen kommen. Insofern finde ich es in diesem Interessengeflecht zwischen Politik und öffentlichen Einrichtungen außerordentlich wichtig, dass der Steuerzahler, die Öffentlichkeit wenigstens weiß, was dort verdient wird.
Wir sollten ganz schnell einen Knopf dran machen, denn die Regelung, die auf Bundesebene für die ungefähr tausend privaten Aktiengesellschaften getroffen wurde, die es derzeit in Deutschland gibt, könnten wir für die Landeseinrichtungen jederzeit treffen. Dafür gibt es also keinen Hinderungsgrund.
Ein zweites Beispiel möchte ich anführen. Es richtet sich auch an die Adresse der Kollegen von der SPD, aber auch an das Koalitionslager. Wir sollten in der Diskussion um die Offenlegung der Gehälter deutlich machen, dass wir als Abgeordnete auch ein öffentliches Mandat haben, und beispielsweise unsere Nebeneinkünfte der Öffentlichkeit transparent machen. Das muss klar sein.
Ich weiß, dass darüber mit Ihnen durchaus Konsens besteht, aber es besteht nicht insgesamt Konsens. Ich finde auch die Regelung, die auf Bundesebene getroffen wurde, nicht vernünftig. Wenn Sie sich selbst praktisch nur in Stufen klassifizieren, weiß die Öffentlichkeit natürlich nicht, ob sich auch die Kolleginnen und Kollegen in den Parlamenten vorzugsweise um die politische Arbeit kümmern oder vorzugsweise auf der Gehaltsliste anderer Einrichtungen stehen.
In Baden-Württemberg wird die Frage „Teilzeitparlament auch nach 2011, Ja oder Nein?“ demnächst entschieden sein. Daher gibt es nicht einmal diese formale Trennung, dass wir uns diese neuen Regelungen hier nicht zu eigen machen könnten. Wichtig ist: In öffentlichen Ämtern haben wir immer eine geliehene Mandatschaft. In öffentliche Einrichtungen des Landes werden von uns immer Menschen mit einem Auftrag entsandt, der etwas mit öffentlichem Auftrag zu tun hat.
Deshalb ist es aus meiner Sicht oberstes Gebot, hier so schnell wie möglich einen Knopf dranzumachen.
Ich bin gespannt, ob das Angebot, das jetzt der Kollege Hollenbach gemacht hat, im Finanzausschuss Anfang des nächs ten Jahres wirklich einen Knopf hinzumachen, aufgegriffen wird. Ich glaube es noch nicht. Wenn wir wieder so lange warten, bis der Gesetzgeber sozusagen die Zögerlichen zum Handeln zwingt, wie es bei der Regelung für die börsenorientierten Unternehmen der Fall war, als nur ein Drittel der damaligen DAX-Unternehmen das freiwillig getan haben, dann gehen noch Jahre ins Land. Angesichts der Zögerlichkeit der Regierungsfraktionen, die man bei solchen Fragen immer wieder einmal beobachten kann, kann man fast Wetten darauf abschließen, dass es noch eine Weile dauert. Der Public Corporate Governance Kodex auf Bundesebene ist zurzeit nicht einmal in der Konkretisierung.
Ich habe heute vergeblich versucht, die Äußerungen von Bundesjustizministerin Zypries, die sich das im letzten Jahr auf die Fahne geschrieben hat, ein bisschen zu verifizieren. Auch dort wird gebremst.
Mein Schlussappell lautet – ganz im Sinne unseres Fraktionsvorsitzenden –: Denken wir auch an den Föderalismus. Eigenständigkeit von regionalen Parlamenten drückt sich auch darin aus, dass man Gesetzgebungskompetenzen für Dinge nutzt, die alle für richtig halten.
Dann muss man auch nicht auf den Bund warten.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben mit diesem Antrag das Thema in den Fokus genommen, das uns in den Haushaltsberatungen schon beschäftigt hat und das unser Land wie alle Bundesländer in den nächsten 25 bis 30 Jahren extrem belasten wird.
Wir haben jetzt quasi schwarz auf weiß von der Landesregierung, dass das Problem in Baden-Württemberg trotz bereits begonnener kleiner Einschnitte im Bereich der Sonderzahlungen für Beamtinnen und Beamte immerhin dazu führt, dass wir in den nächsten 13 Jahren aufwachsend bis zu 4 % der Steuereinnahmen mehr als im laufenden Jahr 2007 für Pensionsausgaben verwenden müssen, und das bei durchaus optimistischen Annahmen, was die Steuereingänge betrifft: dreiprozentige jährliche Steigerungsraten sind unterstellt, nur unterdurchschnittliche Steigerungsraten sind bei den Versorgungsausgaben unterstellt; auch bei der Beihilfe im Krankheitsfall wurde mit 2,5 % vorsichtig kalkuliert.
Ich behaupte, die Rechnung, die uns die Landesregierung auf den vorliegenden Antrag der Fraktion GRÜNE präsentiert hat, zeigt zwar eine Dramatik, aber die Dramatik wird gegenüber dem, was wir vermuten, noch unterzeichnet. Wir haben uns auf Professor Raffelhüschen und seine Generationenbilanzstudien aus Freiburg berufen, denen zufolge im Jahr 2020 in Baden-Württemberg sage und schreibe 20 bis 22 % aller Steuereinnahmen aufgewandt werden müssten, um Pensionen zu bezahlen.
Dieses Problem ist übrigens jenseits der rein fiskalischen Betrachtung auch ein Problem der Fairness- und Gerechtigkeitsdiskussion in unserer Gesellschaft über die verschiedenen Altersversorgungssysteme.
Das ist übrigens auch ein Thema, das uns als Parlamentarier betrifft. Deshalb möchte ich heute einmal deutlich mit einem Punkt anfangen, der in der Debatte in Parlamenten normal keine Rolle spielt: Ich schäme mich als Politiker, nach wie vor ein Altersversorgungssystem für meinen Berufsstand zu haben,
bei dem wir als Berufspolitiker nach wie vor wesentlich früher Anspruch auf eine Altersversorgung haben, obwohl im Deutschen Bundestag bereits die Rente mit 67 Jahren beschlossen ist.
Das ändern wir eben nicht, Herr Noll.
Nein, Herr Noll, bleiben wir doch einmal auf dem Teppich. Für uns gilt – –
Dann verdeutliche ich es eben am eigenen Beispiel: Ich bin jetzt ein Jahr Mitglied des Landtags dieses Landes und war acht Jahre Mitglied des Deutschen Bundestags. Ich hätte bereits jetzt, wenn ich das Alter hätte, mit 64 Jahren einen vollen Versorgungsanspruch auf 2 400 € – nach acht Jahren im Bundestag und einem Jahr im Landtag! Das erklären Sie einmal einem Arbeitnehmer.
Die Jahre werden zusammengerechnet.
Meine Damen und Herren auf der Zuhörertribüne, Sie merken, Abgeordnete sind an diesem Punkt extrem empfindlich.
Warum ich diesen Punkt so in den Fokus stelle: Diese Glaubwürdigkeitsdebatte rührt auch an der Frage, warum in den Parlamenten in der Vergangenheit die Beamtenversorgung außerordentlich großzügig behandelt wurde. Wir können ja nicht dem öffentlichen Dienst, dem Sonderversorgungssystem für Beamte harte Einschnitte zumuten, wenn wir selbst Profiteure dieser Privilegierung sind.
In dieser Diskussion, Herr Noll, auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD sowie der eigenen Fraktion und erst recht der Regierungsfraktionen, wird sich meines Erachtens die Glaubwürdigkeit des politischen Systems bestätigen müssen.
Das ist eben nicht richtig, Frau Berroth. – „Glaubwürdigkeit“ heißt: Wir sollten nicht Wasser predigen und selbst Wein trinken. Genau das tun wir aber als Politiker in Gestalt der Abgeordnetengesetze und in Gestalt der Staatssekretärs- und Ministergesetze.
Jetzt aber zur Lösung, die derzeit aktuell diskutiert wird. Im Finanzministerium gibt es ja jetzt die Haltung, Steuermehreinnahmen in der Größenordnung von – konservativ gerechnet – 1 Milliarde €, die voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren im baden-württembergischen Landeshaushalt zu vereinnahmen sind, vor dem Zugriff des Parlaments schützen zu müssen. Auch Regierungsfraktionen sind ja begehrlich, nicht nur Oppositionsfraktionen. Also gibt man diesem Schutz vor dem Zugriff der Fachpolitik einen Namen. Der Name heißt: Wir nehmen rund 500 Millionen € für einen Pensionsfonds. Das klingt irgendwie gut. Man nimmt noch etwas für Stutt gart 21.
Nein, Herr Kollege, wenn jetzt der Zwischenruf von Ihnen kommt, sage ich Ihnen: Was Ihre Fraktionskollegen in Rheinland-Pfalz jetzt zum Haushalt 2007/2008 der dortigen SPDgeführten Landesregierung sagen, ist richtig.
Dort wird gesagt: Solange ein Landeshaushalt kreditfinanziert und nicht ausgeglichen ist, ist ein Pensionsfonds Nonsens. Das ist genau die Haltung der CDU-Fraktion in der Opposition in Rheinland-Pfalz, und die teilen wir.
Und an die Adresse der SPD in diesem Hause, die natürlich das Pensionsfondsmodell am Beispiel Rheinland-Pfalz immer hochhält, sage ich: Rheinland-Pfalz konnte in den letzten Jahren nur deshalb einen verfassungswidrigen Haushalt vermeiden, weil die kreditfinanzierten Zuführungen an den Pensionfonds des Landes als Investitionen gebucht werden
und damit praktisch der verfassungsrechtliche Verschuldungsbegriff unterlaufen wird. Sie merken: Schlitzohrigkeit auf jeder Ebene. Hier die CDU im Lande, die das machen will, was sie in Rheinland-Pfalz aus meiner Sicht als grüner Politiker zu Recht kritisiert, und hier die SPD – –
Aber solange der Landeshaushalt kreditfinanziert ist – und ich habe nicht gesehen, dass in diesem Jahr, Herr Löffler, ein ausgeglichener Landeshaushalt vorgelegt würde; auch im nächsten Jahr wird dies nicht der Fall sein –, gilt diese Haltung nicht.
Herr Scheffold, Entschuldigung. Mein Gott! Herr Fleischer redet nach mir.
Herr Scheffold. Entschuldigung. Man sieht sich so selten im Landtag. Wir sind ja ein Teilzeitparlament.
Oder ist mein Gedächtnis nicht mehr so gut, seit ich 50 bin?
Jetzt im Ernst gesprochen: Ein Pensionsfonds ist keine Lösung. Eine Lösung ist nur, sich anzuschauen, wie diese Versorgungssysteme privilegieren. Wir Grünen haben dank der Unterstützung durch das Finanzministerium und der Rentenversicherung Baden-Württemberg einmal ausrechnen lassen, wie sich ein konkreter anonymisierter Berufsverlauf eines Beamten in Baden-Württemberg, der am 1. August dieses Jahres in den Ruhestand geht – wir haben bewusst keinen Beamten des höheren Dienstes aus dem Schuldienst genommen, sondern einen Gewerbelehrer in A 12 und der Altersstufe 12 –, auswirkt, was für eine Pension er ab dem 1. August dieses Jahres erhält und was für eine gesetzliche Rente er hätte, wenn seine Erwerbsbiografie der letzten 41 Jahre mit Rentenversicherungsbeiträgen unterlegt worden wäre.
Das Ergebnis ist hoch spannend und zeigt, wie privilegierend die Beamtenversorgung ist. Er bekommt als Beamter ab dem 1. August eine Pension in Höhe von 2 750 € abzüglich 225 € – wir haben die Steuerklasse III angenommen; Daten vom Finanzministerium –, macht rund 2 500 € brutto. Davon geht noch der Beitrag zur Krankenversicherung ab, die 30 % Versicherungsrisiko für seine Privatversicherung. Demgegenüber bekäme er als angestellter Lehrer, praktisch versichert über seine Biografie, eine Rente in Höhe von 1 656 € abzüglich – je nachdem, in welcher Krankenkasse er ist – des persönlichen Arbeitnehmeranteils zur Krankenversicherung und abzüglich des Beitrags zur Pflegeversicherung. Daran erkennen Sie, welche Unterschiede in diesen Versorgungssystemen bestehen und warum die Beibehaltung des heutigen Systems die öffentlichen Kassen überstrapaziert.
Wer glaubt, in der Beamtenversorgung im Interesse der gesamten Bevölkerung irgendetwas ändern zu können, indem er ohne Einschnitte in die Versorgungssysteme etwas macht, der lügt sich in die Tasche.
Herr Noll, in einem Punkt bin ich in der Diskussion der letzten Monate bei Ihnen: Sie haben immer gesagt, der öffentliche Dienst brauche gute Leute. Dieser Meinung bin auch ich. Schauen Sie sich aber angesichts der Demografie einmal an, wie viele Mitarbeiter auch im Versorgungssystem der Berufsbeamten in diesem Land Baden-Württemberg, aber natürlich auch in ganz Deutschland in den nächsten zehn bis 15 Jahren ausscheiden: Das sind vergleichsweise starke Kohorten. Zusammen mit der Einstellungspraxis aller staatlichen Ebenen – wir müssen ja mit weniger Personal auskommen; das ist die Position Ihrer Fraktion wie auch die meiner Fraktion – führt das dazu, dass wir genau zu dem Zeitpunkt, zu dem junge, gut ausgebildete Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt insge
samt rar sind, mit den Lohn- und Gehaltsniveaus der Privatwirtschaft konkurrieren müssen.
Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich: Gute Bezahlung für die Leute im aktiven Dienst: ja. Daher hat unsere Fraktion beispielsweise bei der Sonderzuwendung im aktiven Dienst keinen Kürzungsvorschlag gemacht – im Gegensatz zu dem, was die Regierungsfraktionen mit dem Doppelhaushalt beschlossen haben. Denn wir wollen, dass gute Leute im öffentlichen Dienst auch gut bezahlt werden. Aber den Überversorgungsanspruch mit einer außerordentlich günstigen Krankenversicherung im Alter, weil der Staat 70 % der Rechnung der privaten Krankenversicherung über Steuermittel bezahlt, können wir auf Dauer nicht hinnehmen.
Deshalb sagen wir: Wer im Kernbereich die Alimentation der Beamten erhalten will – langfristig, auch angesichts des demografischen Wandels –, wird an Kürzungen nicht vorbeikommen. Ein Pensionsfonds ist so lange keine Lösung, solange wir einen kreditfinanzierten Landeshaushalt haben.
Vielen Dank.
Herr Kollege Zeller, ich frage mit Ihnen natürlich den Falschen. Die Frage hätte ich dem Kollegen Schebesta gern gestellt, der eine andere Einschätzung hatte. Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieses Hochlobens der Hauptschule folgende Erfahrung? Gestern Nachmittag, ungefähr zu dieser Uhrzeit, besuchte eine Schulklasse aus der Hauptschule in Rosenfeld, Zollernalbkreis – das ist nicht mein Wahlkreis –, den Landtag.
Das ist der Wahlkreis der Kollegen Haller von der SPD-Fraktion und Pauli von der CDU-Fraktion. Es waren 17 Hauptschüler der 9. Klasse. Zwei Hauptschüler aus dieser Klasse haben zum jetzigen Zeitpunkt eine Lehrstellenzusage. Die Schüler haben frustriert im Saal gesessen. Aus der gleichen Hauptschule waren gestern Vormittag 22 Schüler im Landtag, die in der Qualifizierungsklasse sind, also 9. Klassenstufe, die zehn Schuljahre absolvieren. Aussage der Lehrerin dieser Hauptschüler am Nachmittag: „Lehrstellen bekommen bei uns maximal noch die, die 9 + 1, den qualifizierten Hauptschulabschluss, machen, oder Realschüler. Wir gucken in die Röhre. Wir sind Auslaufmodell.“ Wie beurteilen Sie das, Herr Zeller?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschussvorsitzende Rust hat gerade zu Recht das Thema „Umgang des Parlaments mit seinem Königsrecht“ angesprochen. Ich stelle fest: Wir haben in BadenWürttemberg ein Königsrecht des Parlaments, das sich im Ergebnis im Promillebereich bewegt. Wenn nur ein halbes Promille des gesamten Haushaltsvolumens verändert wird – trotz des gerade von Ihnen, Herr Rust, angeführten Vergleichs mit dem Bundeshaushalt –, dann ist das ein Armutszeugnis für dieses Parlament und vor allem auch ein Armutszeugnis für die Regierungsfraktionen.
Denn in der Tat können Sie sich – nach dem Motto „Mitgefangen, mitgehangen“ – nicht im Nachhinein absentieren und als Rächer der Entrechteten aufspielen, wenn Sie vorher behaupten, Sie seien mit einbezogen gewesen – wie es Ihre Haushaltssprecher bei der Pressekonferenz getan haben. Sie können sich jetzt nicht einfach aus dem Staub machen. So geht es nicht. – Das war für mich das erste Phänomen.
Das Zweite, rein prozedural: Eine Einbringung des Haushalts – dessen Verabschiedung das Königsrecht unseres Parlaments ist –, die so vonstatten geht, dass der Haushaltsentwurf in der Nacht zuvor den Abgeordneten zugestellt wird, dass dann der Finanzminister eine Eröffnungsrede hält und dieses Parlament hinterher eine Woche Pause hat
und der Minister erst eine Woche später wieder spricht, bevor dann die Regierungsfraktionen wieder zu Wort kommen, widerspricht jeglicher parlamentarischen Teilhabe.
Das müssen wir auf jeden Fall im Zuge der Parlamentsreform ändern. Dann hat das Ganze eine andere Dynamik, und dann kann auch die Öffentlichkeit nicht mehr sagen, in diesem Landtag werde quasi ein Exekutivparlamentarismus betrieben. Dann ist dieser Landtag wieder ein Ort der parlamentarischen Debatte und Auseinandersetzungskultur. Dann gibt es auch so etwas wie Waffengleichheit zwischen der Regierung und der Opposition, und das, finde ich, stünde einem Land wie Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident, gut an.
Die weitere Erfahrung ist ein Phänomen dieser Haushaltsbera tungen, das ich als „Oettinger-Phänomen“ bezeichnen möchte. Es heißt: Sparen tut nicht weh. Denn eigentlich soll es ja ein Sparhaushalt sein, denn man hat das Ziel der Nullnettokreditaufnahme im Jahr 2011. Aber in diesem Land gibt es keine Personengruppen, die demonstrieren – so, wie es andernorts vor Landtagen der Fall ist, wenn konsolidiert wird. Nun kommt die Union und sagt, wie gerade Herr Kollege Scheffold: „Euer Problem als Opposition ist ja nur, dass der Regierungschef so klug verhandelt hat.“ Ich habe in meinem Leben die Erfahrung gemacht: Wenn man verhandelt und die Verhandlungspartner, denen man eigentlich etwas aus der Tasche ziehen möchte, ruhig sind, dann hat man womöglich ein schlechtes Geschäft gemacht.
Jetzt will ich nicht mit dem Schwert draufhauen, sondern eher wie ein Florettfechter agieren und anerkennen, wo die Verhandlungsergebnisse zwischen der Regierung und den betroffenen Gruppen ordentlich waren. Ich sage Ihnen: Die Vereinbarung mit den Kommunen geht auch nach unserer Auffassung als Grünen-Fraktion in Ordnung. Denn der Deal, den Sie dort gemacht haben, nämlich das Konnexitätsprinzip in die Verfassung aufzunehmen und dafür die Akzeptanz der kommunalen Seite für die Kürzungen im Finanzausgleich zu erreichen, der geht in Ordnung.
Ich will mit dem Florett fechten.
Der zweite Punkt ist ein Thema, das wir, wie ich finde, auch bei der abschließenden Beratung dieses Haushalts in den Mittelpunkt rücken müssen. Die Achillesferse dieses Landeshaushalts ist die Versorgungslast, die wir für die Ruhegehaltsempfänger und ihre Angehörigen tragen.
Mit dem Beitrag, den Sie dem Beamtenbund angeblich abgetrotzt haben, Herr Oettinger, haben Sie eine Placeboeinsparung hinbekommen.
Deshalb ist der Beamtenbund so ruhig. Wissen Sie, warum? Sie haben quasi die 123 Millionen € für Kürzungen der Sonderzahlungen für Pensionäre und aktive Beamte erkauft um den Preis, dass ab 2009 die Sonderzahlungen, auch wenn sie dann reduziert sind, auf Dauer in die Grundgehaltstabellen eingearbeitet sind und damit für alle Zeiten zum Kernbestand der Beamtenalimentation gehören. Sie haben damit in BadenWürttemberg Eingriffe in diese größte ausgabenexplosive Veranstaltung unterbunden. Wenn das ein kluges Geschäft ist, dann verstehe ich nicht, was finanzpolitische Verantwortung und Generationengerechtigkeit heißt.
Kollege Stich, der Vorsitzende des Beamtenbunds in BadenWürttemberg, wurde eingangs aus den eigenen Reihen angegriffen. Er hatte offensichtlich Vermittlungsprobleme, seinen Mitgliedern klarzumachen, dass sie hier auf lange Zeit ein gutes Geschäft gemacht haben. Aber ein gutes Geschäft für
den Landeshaushalt von Baden-Württemberg, Herr Ministerpräsident Oettinger, war diese Vereinbarung mitnichten.
Ich will Ihnen das ganz deutlich sagen. Das Statistische Landesamt schreibt in seinem Jahresbericht vom November 2006, ganz neu – das können Sie sich anschauen –: Etwa 3 000 Versorgungsempfänger kommen in den nächsten 10, 12, 15 Jahren jedes Jahr als zusätzliche Ausgabeposition auf den Landeshaushalt zu. Das sind Versorgungsempfänger, die ihre Anwartschaften natürlich erarbeitet haben.
Sie sind aber nicht mehr im aktiven Dienst und dürfen deshalb aus meiner Sicht, Herr Kollege Scheffold, natürlich auch nicht auf der Habenseite eines Bildungshaushalts auftauchen. Da sehen Sie doch die Krux des Landeshaushalts: Sie loben einen Aufwuchs von 5,6 % im Bereich Schule und Hochschule, und in Wirklichkeit ist die Hälfte dieses Aufwuchses nichts anderes als die Steigerung der Ausgaben für pensionierte Lehrerinnen und Lehrer und pensionierte Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer. Ich habe noch nie gehört, dass ein Bildungsaufwuchs oder eine Qualitätsoffensive des Landes dann spürbar wird, wenn die Ruhegehaltszahlungen für frühere Mitarbeiter steigen.
Daran merken Sie doch, was für ein Problem das Ganze ist.
Lieber Kollege Noll, schauen Sie in den heute zu beschließenden Haushalt. Sie werden feststellen: Im Jahr 2008 steigen die Versorgungsausgaben um 140 Millionen € an. Sie sparen 123 Millionen € ein. Von Jahr zu Jahr geht diese Schere weiter auf. Das ist eine Milchbubenrechnung. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Wir werden den Finger wirklich in die Wunde legen. Darauf können Sie sich verlassen.
Der Zusammenhang zwischen Versorgungsausgaben und eingeschränkten Spielräumen der Landespolitik ist offenkundig.
Denn Sie verschieben hier Lasten auf den Zeitraum nach 2011. Herr Ministerpräsident Oettinger, es ist natürlich auch quasi ein Bubenstück, wenn man jetzt die gesamte Öffentlichkeit auf das Datum 2011 fixiert, aber die Lastenverschiebungen, die tatsächlich danach kommen, nicht in den Blick nimmt und sich vor allem auch nicht auf die Kernpolitikfelder unseres
Landes konzentriert, die für die Zukunftsfähigkeit BadenWürttembergs wichtig sind.
Wenn man für Bildung etwas tun will, lieber Kollege Noll – denken Sie an Ihre Parteitagsbeschlüsse –,
dann muss man Geld in die Hand nehmen. Gerade die skandinavischen Länder, die bei den PISA-Studien im interna tionalen Vergleich von den Bildungsergebnissen her spitze sind,
haben in den Neunzigerjahren angefangen, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Bei allen Problemen einer Statistik wie der in der Bertelsmann-Studie, Herr Finanzminister, wonach Baden-Württemberg, bezogen auf den Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, unter dem Bundesdurchschnitt liegt – Sie relativieren dies mit dem Hinweis auf den Länderfinanzausgleich –, ist es doch tatsächlich so, dass wir zu wenig in die Köpfe investieren. Wir sind aber ein Industrie land. Wir sind stärker als andere Bundesländer vom Export abhängig. Wir stehen stärker im Wettbewerb mit anderen Wachstumsregionen dieser Welt, besonders im asiatischen Raum,
wo der Bildungshunger so kolossal ist. Der Wissenschaftsausschuss unseres Landtags konnte vor Kurzem feststellen, wie viel Geld in diesen aufstrebenden Volkswirtschaften in die Hand genommen wird.
Da müssen wir jetzt die einmalige Chance in unserem Land nutzen, dass die Parallelität zweier Ereignisse sowohl eine Konsolidierungsstrategie möglich macht als auch dazu beiträgt, dass mehr Geld für die Bildung mobilisiert werden kann. Das ist die Parallelität, dass zum einen in den nächsten zehn Jahren Lehrerinnen und Lehrer in großer Zahl in den Ruhestand gehen, also quasi Personalabbau beim Staat stattfinden kann, ohne dass das zu betriebsbedingten Kündigungen führt – bei Beamten würde das sowieso nicht laufen –, und zum anderen ausscheidendes Personal nicht ersetzt zu werden braucht, weil gleichzeitig die Schülerzahlen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten zehn Jahren massiv zurückgehen.
Wenn man im Saldo den Personalabbau auf 8 000 Stellen konzentriert, über einen Zehnjahreshorizont einen Bildungspakt abschließt und jetzt sowie in den nächsten Jahren für eine Bildungsoffensive mehr Geld in die Hand nimmt, dann hat das nichts mit Schattenhaushalt zu tun, sondern ist das eine korrekte Abfinanzierung einer Innovations- und Qualitätsoffensive für unseren Standort.
Herr Mappus, Herr Stratthaus, Herr Ministerpräsident, Sie werden noch in dieser Legislaturperiode auf diese Linie einschwenken. Sie zieren sich jetzt noch. Aber die Kraft des Faktischen ist einfach so, dass an diesem vernünftigen, rational rechenbaren Konzept kein Mensch vorbeikommt. Wir müssen jetzt in eine Bildungsoffensive investieren, in Ganztagsbetreuung – auch übrigens schon vor der Schule in Form eines bedarfsgerechten flächendeckenden Angebots der Kleinkindbetreuung – und in Hochschulplätze investieren. Gerade heute haben wir ja in der Presse über den Bildungspakt mit den Hochschulen, den Sie gestern vorgestellt haben, lesen können, dass die Vertragspartner hochschulseitig schon bezweifeln, dass der Aufwuchs an Studienplätzen, den Sie planen, überhaupt reicht und vor allem, dass er seriös finanziert ist.
Wenn Sie das alles zusammenbinden, dann – davon bin ich überzeugt – haben wir als Grünen-Fraktion eine nachhaltige, generationengerechte Finanzpolitik für unser Land, die Zukunftschancen eröffnet und Haushaltskonsolidierung möglich macht.
Schauen Sie sich an, welche Risiken im Etat auf einer anderen Baustelle liegen. Kann man sich für eine Nettonull wirklich schon auf die Schultern klopfen, wenn man hierfür das Tafelsilber verkauft?
Das Geld, das Sie aus Immobilienveräußerungen einnehmen, stecken Sie nicht in die Substanzerhaltung des Vermögens unseres Landes – allein der Sanierungsbedarf der Hochschulen und Fachhochschulen beträgt 3 Milliarden € –,
sondern in den Haushaltsausgleich, weil Sie nicht die Kraft haben, an den wichtigen Ausgabenpositionen strukturell zu sparen.
Herr Ministerpräsident, entspricht es Ihrer Vorstellung von klugem Sparen, wenn man Vermögensverzehr nicht zur Substanzerhaltung reinvestiert? Das gilt übrigens nicht nur für die Hochschulen, sondern auch für die Verkehrsinfrastruktur in diesem Land.
Solange Sie die Substanzerhaltung nicht in den Vordergrund stellen, brauchen Sie den Bürgermeistern im Land keine neuen Straßenprojekte in großem Stil zu versprechen, weil das Ganze quasi eine unehrliche Politik ist.
Jetzt noch zum Thema „Nachhaltigkeit und Ökologie“. Herr Mappus – das hat übrigens auch etwas mit dem Ritual zu tun, wie man dieses Parlament ausbremst –: Ihr kleines Ökobonusle, das Sie quasi fristgerecht auf den Tag lanciert haben, an dem sich dieses Parlament im Dezember in der ersten Lesung erstmals mit dem Haushalt befasst hat, mobilisiert die sagenhafte Summe von drei oder dreieinhalb Millionen Euro – wenn dies über die Landesbauordnung überhaupt umsetzbar ist; daran haben wir Zweifel.
Gleichzeitig streichen Sie Nahverkehrsmittel – und der Protest in der Fläche ist stärker, als Sie glauben. Nordwürttemberg meldet sich heute via Presse, in meiner Region sind selbst Bürgermeister vor Ort, die immer für Stuttgart 21 eingetreten waren, plötzlich höllisch vorsichtig, weil sie sagen: Uns fallen jetzt Bahnhöfe weg, die man mit CDU-Mehrheiten in den Kreistagen vor fünf Jahren noch mit GVFG-Mitteln gefördert hat.
Biberach-Süd, Berufsschulzentrum. Sie haben einen Kollegen in Ihrer Fraktion sitzen, der dort Landrat war.
Nein. Aber wenn die Verbindungen aus dem Süden des Landkreises wegfallen, dann können die Schüler und Berufspendler diese Verbindungen nicht mehr nutzen. Dann werden sie auf das Auto umsteigen. Damit will ich sagen: Sie – –
Aber bitte!
Herr Herrmann, ironisieren Sie das Thema nicht. Sie werden dann Probleme bei Ihren Leuten vor Ort bekommen.
Der Warthauser Bürgermeister Fark hat eine Resolution seines Gemeinderats an den Verkehrsminister übersandt: „In Warthausen fallen Zugverbindungen weg, sodass der Bahnhof seine Funktion für den Berufsverkehr verliert.“ Herr Schneider, Biberach-Süd hat künftig für den Schülerverkehr
weniger Halte. Es gibt Protest. Ihr Nachfolger im Landratsamt, Heiko Schmid, hat die Abgeordneten, Sie und mich, angeschrieben. Aber ich will hier keine Wahlkreisrhetorik betreiben.
Es fallen Verbindungen weg, Herr Herrmann.
Ich bleibe korrekt.
Herr Herrmann, ich werde noch korrekter: In meiner Heimatstadt Bad Schussenried fallen 14 Halte weg. Das sind 25 % der gesamten heute noch 55 Halte pro Tag. Wenn das nicht ein gravierender Eingriff ist, dann weiß ich nicht, wie man das anders bewerten sollte. Ich wäre also vorsichtig.
In der Fläche ist der Protest stark, und Sie haben sich ein Ei gelegt, das Sie noch Unterstützung für Stuttgart 21 kosten wird.
Wir geben Ihnen als Regierungsfraktionen heute noch einmal die Chance, durch einen Änderungsantrag, den wir Grünen einbringen und über den wir namentlich abstimmen lassen wollen, diesen Fehler auszubügeln, und zwar nicht, indem wir jetzt in die Vollen gehen, sondern indem wir sagen: Die ärgsten Probleme in den Verbindungen können Sie ausbügeln mit der kleinen Summe von 5 Millionen € in diesem und im nächsten Jahr. Letzte Woche haben bei einer Abstimmung, bei der es um den dreifachen Betrag ging, zwei Kollegen der FDP/DVP wenigstens den Mut gehabt, hier im Landtag nicht etwas anderes zu sagen als vor Ort. Sie könnten das Ganze hier heute auch unter Beweis stellen. Ich wäre froh, wenn Abgeordnete hier auch einmal aus der Sicht der Region entscheiden würden und sich nicht hinter die Aussage zurückziehen würden: „Es sind ja nur 3 % der Zugkilometer in Baden-Württemberg.“
Knapp 3 %, Herr Mappus.
Klare Ansage zu diesem Etat: Dort, wo die großen strukturellen Probleme der Zukunft liegen, wo wir in Baden-Würt
temberg mit der zahlenstärksten Beamtenschaft aller westdeutschen Bundesländer in den nächsten Jahrzehnten einen immensen Aufwuchs an Ausgaben haben, tun Sie nichts bzw. lassen sich vom Beamtenbund, Herr Oettinger, über den Tisch ziehen.
Darum sind die so ruhig.
Zweiter Punkt: In einem Bereich, der für das Land wichtig ist, weil es um die Köpfe geht, im Bildungsbereich, tun Sie unterdurchschnittlich viel, verstecken dies aber mit dem Hinweis, dass es ein Ausgabenwachstum gibt. Dieses Ausgabenwachstum beruht jedoch mehr als zur Hälfte auf den Versorgungsausgaben.
Herr Oettinger, an einem Punkt, wo Sie in Ihrer Partei in die Fußstapfen eines Friedrich Merz treten könnten, indem Sie sozusagen die wirtschaftsliberale Karte der Union spielen, empfehle ich Ihnen, sich dann auf Bundesebene nicht nur in der Föderalismusreformkommission II zu tummeln, sondern vor allem Sorge dafür zu tragen, dass die Steigerungen der Lohnnebenkosten eingedämmt werden, die durch die verfehlten Sozialstaatsreformen entstehen. Die Gesundheitsreform ist eine Reform, die die Kosten treibt, die am Faktor Arbeit hängen, die die Lohnnebenkosten treibt. Bei der Pflege droht ähnliches Ungemach. Da hätten Sie als Ministerpräsident eine Baustelle, an der Sie verdienstvoll auch für den Industriestandort Baden-Württemberg indirekt in Ihrer Partei sorgen könnten. Denn das, was die CDU dort mitträgt, hat mitnichten etwas mit guter Standortpolitik für Baden-Württemberg zu tun.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beraten die Denkschrift an einem besonderen Tag. Heute findet in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung aufgrund der Klage von CDU/CSU und FDP gegen einen Haushaltsentwurf aus dem Jahr 2004 statt, den noch die rot-grüne Bundesregierung vorgelegt hat. Gerade angesichts dieser heutigen Anhörung durch das Bundesverfassungsgericht wird das Thema „Schuldenvorbelastung der öffentlichen Hand und wirkungsvolle Schuldenbremsen“ auch wieder in den tagespolitischen Fokus gerückt.
Spannend ist, Frau Berroth, dass beispielsweise der Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Herr Fricke, der Ihrer Partei angehört, heute in „Spiegel online“ ein bemerkenswertes Interview über die „süße Droge der Staatsverschuldung“ gegeben hat. Er hat gesagt, dass wirkungsvolle Mechanismen der Schuldenbegrenzung außerordentlich wichtig seien.
Das, was der Rechnungshof in seiner Denkschrift 2006 zu diesem Gesichtspunkt vorschlägt, geht weit über das hinaus, was Sie jetzt mit der vorgesehenen Regelung in der Landeshaushaltsordnung als Erfolg verkaufen.
Denn in die Landeshaushaltsordnung schreiben Sie nur hinein: „Kredite sind kein reguläres Einnahmemittel mehr.“ Aber alle Ausnahmetatbestände nach dem Stabilitäts- und
Wachstumsgesetz von 1967 sind nach wie vor drin. Insofern ist das aus meiner Sicht eine Placeboregelung,
die zu keiner Veränderung führt. Genau diese alte Regelung, die ja auch in der Bundesverfassung und in der Landesverfassung vieler Bundesländer enthalten ist, hat in der Vergangenheit nicht funktioniert.
Vor allem das Datenmaterial, das der Rechnungshof in seinem ausführlichen Denkschriftbeitrag Nummer 3 vorlegt, ist ja spannend. Hätten wir heute in diesem Bundesland den Schuldenstand von vor 20 Jahren, würden wir statt 2 Milliarden € Zinsen nur 800 Millionen € Zinsen bezahlen. Wenn man in der Rückgriffswirkung nur zwei Jahrzehnte anschaut und in der Projektion auf die Zukunft sozusagen die Vorbelastung – explizite und implizite Verschuldung – der nächsten zehn Jahre anschaut, dann merkt man, wie dünn das Eis ist, auf dem wir auch jetzt diese Konsolidierungsdebatten führen. Es ist gravierend und eines der größten politisch-parlamentarischdemokratischen Probleme, uns als Politiker wirkungsvolle Fußfesseln anzulegen, damit wir der Versuchung widerstehen, dieser süßen Droge zu erliegen, Lasten auf die Zukunft zu verschieben.
Staatsverschuldung ist schnell angeprangert. Aber wirkungsvoll und strukturell auf der Ausgabenseite zu konsolidieren ist extrem schwierig. Hier hat unsere Fraktion in der Tat auch bei der Denkschriftbehandlung versucht, bei dem Thema: „Wie kann man angesichts der langen finanzpolitischen Horizonte strukturell sparen?“ das, was wir im Bildungspakt zur Finanzierung der Lasten für Schulen und Hochschulen vorgeschlagen haben, also Investitionen in die Köpfe, kompatibel zu machen mit dem Gebot, sparsam mit den öffentlichen Ressourcen umzugehen. Wir wollten eine Kopplung: Wenn Kredite aufgenommen werden, sollten diese mit einem verbindlichen Tilgungsplan versehen werden.
Unsere solide Vorstellung – das behaupte ich nach wie vor – ist die: Wenn wir in dem Zeithorizont der nächsten zehn Jahre beispielsweise im Bildungsbereich von Baden-Württemberg feststellen, dass die Schülerzahlen massiv zurückgehen – das ist eine Tatsache, an der wir nicht mehr vorbeikommen; das ist so – und gleichzeitig die Zahl der Pensionierungen von Lehrerinnen und Lehrern, von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft massiv steigt, dann können wir das Ganze miteinander koppeln und damit durch den Abbau von netto 8 000 Stellen im Bildungsbereich eine Anschubfinanzierung vornehmen, die in den nächsten Jahren zu massiven Mehrausgaben führt, die aber unterm Strich die Haushalte nicht belastet. Das ist solide Finanzpolitik mit dem Hintergrund des Aufgreifens einer wichtigen Denkschriftanregung des Rechnungshofs und aus unserer Sicht im besten Sinne nachhaltig.
Die Kollegen haben gemerkt: Man kann auch klatschen.
Aber Sie wissen, Zustimmung im ganzen Haus ist immer dadurch gegeben, dass die Leute zuhören, und ich will auch hier nicht Beifall heischend reden.
Der zweite Beitrag, zu dem ich reden will, betrifft die Gutachtenvergabe. Der Ausschussvorsitzende und Kollege Rust hat diesen Punkt zu Recht auch in den Fokus seiner Ausführungen gestellt. Sie müssen sich einmal vorstellen, was passiert, wenn der Rechnungshof die Landesverwaltung prüft. Da ist allein schon spannend, welche Abschreckungswirkung offensichtlich harte Prüfungsmaßnahmen hatten. Bei der vorangegangenen Prüfung hatte der Rechnungshof zwischen 2000 und 2004 sage und schreibe 336 Gutachtenvergaben der Landesregierung mit einem Auftragsvolumen von insgesamt 22 Millionen € kritisiert. Als ob quasi eine Art Schrecksekunde in der Landesverwaltung eingetreten wäre, hat sich bei der Nachprüfung, die dann zwei Jahre später durchgeführt wurde, gezeigt, dass in diesen zwei Jahren nur noch 18 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 2 Millionen € vergeben wurden. Das ist eine bemerkenswerte Reaktion.
Bei der Nachprüfung selbst war aber der eigentliche Skandal, dass von den 18 überprüften Aufträgen 15 nicht den haushaltsrechtlichen Vorgaben entsprochen haben. Dazu stelle ich jetzt fest: Wenn eine Verwaltung so agiert, dass man zwar das Auftragsvolumen zurückfährt, aber offensichtlich nicht entsprechend den Kriterien ausschreibt, und wenn noch dazukommt, dass unsere Fraktion im Finanzausschuss ungefähr zehn Fragenkomplexe mit etwa 15 Fragen einbringt – das war im Oktober – und die Fragen bis heute nicht beantwortet sind, dann können Sie sich vorstellen, dass wir richtig sauer reagieren werden, Herr Finanzminister.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie als unser Partner im Ausschuss Ihre Ressortkollegen, die offensichtlich zögerlich antworten, ein bisschen antreiben, damit wir im Ausschuss demnächst Tacheles reden können. Das fände ich auch wichtig; hier gibt es Handlungsbedarf.
Jetzt zu einem ökologischen Thema. „Amphibienschutz an Straßen“ war auch ein Thema der Prüfungen, Beitrag Nummer 9 in der Denkschrift.
In der Presse wurde damals das Ganze teilweise so kolportiert wie im Ausschuss: „Die Grünen tragen die Kröten über die Straße.“ Das ist billig. Aber so ähnlich und auf diesem Niveau wurde teilweise diskutiert, weil der Beitrag so verstanden wurde, als ob der Rechnungshof kritisiert hätte, dass eine ökologische Maßnahme bei Straßenbaumaßnahmen vorgenommen wird. So haben wir das nicht gelesen und auch nicht verstanden. Der Rechnungshof hat aus unserer Sicht zu Recht darauf hingewiesen, dass auch für ökologische Maßnahmen wie beispielsweise Amphibienschutz beim Straßenbau Kosten-Nutzen-Analysen gemacht werden müssen und dass es ein Bärendienst für die Ökologie ist, Baumaßnahmen für den Amphi
bienschutz vorzunehmen, die anschließend nicht funktionieren, weil sie technisch nicht richtig umgesetzt sind oder nicht unterhalten werden.
Interessant war: Als wir als Grünen-Fraktion im Ausschuss zur Ergänzung der entsprechenden Beschlussempfehlung gesagt haben, wir wollten trotz Wirtschaftlichkeitsberechnung einen verbesserten Amphibienschutz, haben die Regierungsfraktionen das abgelehnt nach dem Motto, das wir in den letzten Wochen bei der Ökodebatte gehört haben: Umweltschutz ist offensichtlich immer nur ein Kostenfaktor, und ökologische und ökonomische Verhaltensmuster passten nicht zusammen. Mir verschließt sich die Erkenntnis, wie Sie zu diesem Schluss kommen. Wir wollten Wirtschaftlichkeit u n d Umweltschutz, und das ist doch bei Gott richtig. Der Rechnungshof ist da ökologisch viel weiter als die Regierungsfraktionen.
Ein letzter Punkt, damit Sie merken, dass wir natürlich nicht nur rechnungshofgläubig sind, sondern manchmal auch einen Bedarf zum Nachdenken sehen: Beitrag Nummer 20 der Denkschrift betrifft die Landesbibliotheken. Da hat sich der Rechnungshof vor allem die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe sehr kritisch vorgenommen, auch im Vergleich zur Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart. In einer Anmerkung des Rechnungshofs steht beispielsweise, man solle die Nutzergebühren erhöhen, dann könne man die Ausleihaktivitäten ein Stück weit bremsen. Wenn es die Philosophie ist, im Bildungsbereich an Hochschulstandorten wie Karlsruhe, wo vor allem Studierende die Fernleiheangebote der Landesbibliothek nutzen, mit der Kostenkeule zu kommen und das als Einsparvorschlag zu bringen, dann ist das mir und uns insgesamt zu vordergründig. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen eine Konzeption Wissenschaftsministerium/Landesbiblio theken. Welche Rolle haben Landesbibliotheken in der veränderten Medien- und Wissensgesellschaft? Wenn diese Konzeption vorliegt, unterhalten wir uns darüber. Wir wollen natürlich ein Kostenbewusstsein in den Landesbibliotheken, aber nicht mit dem Fallbeil die Zahl der Ausleihungen drücken, indem man die Gebühren für die Ausleihung erhöht.
Alles in allem ist festzuhalten: Nie war der Rechnungshof mit seinen Anmerkungen wertvoller als heute. Deshalb, Herr Vizepräsident, Dank an Sie persönlich und an das gesamte Amt. Bleiben Sie am Ball. Befeuern Sie den Finanzausschuss und das Parlament mit kritischen Vorschlägen. Wir von der Opposition werden sie nutzen. Wenn die Regierungsfraktionen dem auch in gleicher Weise folgen würden, dann wäre es um das Land und um seine Finanzpolitik künftig nicht schlecht gestellt.
Danke.
Dann gehe ich doch prompt in Ihre Reihen.
Kollege Theurer, Sie haben eben die Linie der FDP zum Verschuldungsverbot angesprochen und die anderen Parteien abgewatscht. Wie verhalten Sie sich zu der Feststellung, dass in der Zeit der sozialliberalen Regierung in Bonn am Rhein zwischen 1969 und 1982 die Verschuldung der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt stärker gestiegen ist als in der Ära danach,
auf jeden Fall stärker als in der Ära Rot-Grün, aber auch stärker als selbst in der konservativ-liberalen Ära? Welche Feststellung treffen Sie dazu?
Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage: Immer dann, wenn die FDP mitregiert hat, war die Verschuldung – unabhängig davon, mit welchem Partner sie regiert hat – auch ihr Mittel der Politik?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eines fällt in diesem Haus natürlich auf: Wenn Finanzer reden, dann ist es ruhig, dann argumentiert man, dann hört man zu. Klimatisch war es auch im Ausschuss deutlich besser, obwohl ich natürlich auch bei Ihnen, Herr Schmid, trotz Ihres ruhigen Tons gemerkt habe, dass Sie ein neues Faible entdeckt haben: dass man offensichtlich innerhalb der Opposition gegeneinander diskutiert.
Auf der rechten Seite sitzen diejenigen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Ich nehme Sie jetzt auf dem Weg mit, zunächst eine Attacke zu reiten.
Wir in Baden-Württemberg, einem reichen Bundesland, haben in der Ausgangssituation eine hohe explizite Verschuldung. Vielfach – so auch in Ihrer Rede, Herr Groh – wurde zu Recht auch die Zinslast beschrieben. Aber die implizite Verschuldung wird in der offiziellen Wahrnehmung immer unterschlagen. Sie wissen: Bis 2011, sofern dann wirklich die Nettonull im Entwurf des übernächsten Doppelhaushalts steht, werden die expliziten Schulden weiter auf etwa 44 bis 45 Milliarden € angewachsen sein. Wenn man beispielsweise den Barwert der Pensionslast berechnen würde, käme man auf einen impliziten Betrag von 80 bis 90 Milliarden €. Das wäre eine korrekte Betrachtung der Lasten, die unser Land in Zukunft schultern muss.
Wenn man diese Lasten betrachtet und auf den Doppelhaushalt herunterbricht und gerade das wichtige Landesthema Bildung berücksichtigt, und wenn man gleichzeitig feststellt, dass, wie der Finanzminister in seiner Etatrede im Dezember 2006 sagte, die Ausgaben im Bildungsbereich um über 5 % wachsen, dann sieht man, dass von den 5 % Wachstum über 200 Millionen € bei Schulen und Hochschulen allein für Versorgungsausgaben der nicht mehr im Schul- und Hochschulunterricht befindlichen Mitarbeiter ausgegeben werden. Das zeigt, wie brutal die Last der Vergangenheit ist, für die Generationen von Politikern nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in anderen Bundesländern Verantwortung tragen. Wir haben nie Vorsorge für die Beamtenversorgung getroffen. Bei uns im Land ist dies aber klar zu adressieren: Das geht in Richtung Schwarz. Wir sind das Bundesland mit den ältesten Beamten, mit dem höchsten Beamtenanteil unter allen westlichen Bundesländern in Deutschland. Für diese Last haben Sie keine Vorsorge getroffen.
Wenn Sie jetzt den Eindruck erwecken, mit den Einschnitten bei der Sonderzahlung in Höhe von 123 Millionen € würden
Sie einen nachhaltigen Deckungsbeitrag leisten, dann täuschen Sie sich völlig. Ich habe soeben die Zahl aus dem Bildungs- und Hochschulbereich genannt: Um 200 Millionen € sind allein dort die Ausgaben in diesem Jahr und im nächsten Jahr aufgrund der steigenden Versorgungslasten gestiegen. Das zeigt: Sie bremsen den Anstieg nicht ab. Wenn Sie die Antwort des Finanzministeriums vom Januar 2007 auf einen Antrag unserer Fraktion lesen, dann werden Sie feststellen: Trotz der eingeleiteten Maßnahmen steigt der Anteil der Steuereinnahmen, der für die Versorgungsausgaben aufzuwenden ist, deutlich an, nämlich bis zum Jahr 2020 auf gut 16 %. Das heißt: Trotz der Sparmaßnahme, bei der Sie jetzt die Ansage machen „Jetzt ist Schluss mit Einschnitten im Berufsbeamtentum“,
steigen die Ausgaben in diesem Bereich weiterhin an. Sie werden sich noch wundern.
Ein anderer Erhöhungskanal ist ja seit gestern wieder deutlich geöffnet, nachdem die EZB deutlich gemacht hat, dass bei der nächsten Sitzung eine Zinserhöhung kommen wird. Trichet deutet schon an, dass aufgrund der Tarifbewegungen noch eine zweite Zinserhöhung in diesem Jahr kommen wird. Damit gibt es einen Anstieg des Zinssatzes auf die gesamte Schuldenlast um einen halben Prozentpunkt. Geht man mittelfristig davon aus, dass die Inflationsgefahren durch die veränderte konjunkturelle Entwicklung eher größer werden, dann entsteht bei den Zinsausgaben ein Druck
in einer Größenordnung von 200 bis 250 Millionen €. Das sind Punkte, die man offen ansprechen muss. Jeder von Ihnen, gerade die CDU-Abgeordneten, die ja fast ausnahmslos die Wahlkreise im Land direkt gewonnen haben, weiß, wie marode die Infrastruktur vor Ort ist, wie es um den Substanzverzehr bei Straßen, bei der Schieneninfrastruktur, bei Hochschulen und bei kommunalen Einrichtungen bestellt ist.
Der Rechnungshof hat uns doch aufgezeigt, dass wir allein im Hochschulbereich einen Sanierungsaufwand von 3 Milliarden € haben. Diese Lasten sind überhaupt nicht abgedeckt. Wir verkaufen zurzeit Immobilienvermögen, Herr Finanzminister, dessen Erlöse wir nicht zur Substanzerhaltung des Bestands einsetzen, sondern um die Nettonull zu erreichen. Ich meine, eine nachhaltige Konsolidierungsstrategie müsste anders aussehen.
Wenn ich mir diese Ausgangssituation anschaue, bin ich der Meinung, dass wir als Grünen-Fraktion hier saugut aufgestellt sind. Denn wir haben seit Jahren hier im Landtag für eine nachhaltige Finanzpolitik den Finger in die Wunde gelegt. Die Fraktion hat hier eine gute Tradition. Ich sehe, dass die SPD hier mit manchen Anträgen andockt, Herr Schmid. Wir sehen das sehr differenziert, dass Sie durchaus Maßnahmen für eine sozialdemokratische Opposition machen und zur Finanzierung beispielsweise Einschnitte bei der Besoldung
oder – was Sie heute am Rednerpult angesprochen haben – bei der Beihilfe durch die Gebührensatzänderung vorschla
gen. Diese Vorschläge sind zumindest überlegenswert, um dort Kosten zu sparen; das ist gut so.
Aber wir haben hier eine Tradition als Nachhaltigkeitspartei, die sich sehen lassen kann,
weil wir die zwei Bereiche „intelligent investieren“ und „struk turell sparen“ zusammenbinden. Wir haben als Grüne gesagt: Wir können angesichts der Versorgungslasten der Berufsbeamten nicht ohne Einschnitte in diesem Bereich agieren, aber gleichzeitig auch nicht ohne Einschnitte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes. Beamte haben ja ihre Dienstzeiten hinter sich, wenn sie versorgt werden. Sie sollen im Kernbestand auch langfristig Planungssicherheit haben, dass wir das leisten können. Aus diesem Grund sagen wir: Diese Planungssicherheit kriegt ihr mit unseren Einsparungsvorschlägen. Denn wenn die Sonderzahlungen wegfallen und wir bei der Beihilfe etwas machen, dann ist dieses Land auch im Jahr 2030 in der Lage, die dann doppelt so hohe Versorgungsempfängerzahl zu finanzieren, weil der Anteil der dafür notwendigen Steuereinnahmen bei rund 13 % konstant bleibt. Das ist unsere Rechnung.
Übrigens: Wenn man unseren Vorschlägen zur Beamtenbesoldung und -versorgung und zur Beihilfe folgen würde, dann könnten im Jahr 2007 und im Jahr 2008 jeweils 250 Millionen € eingespart werden. Die frei werdenden Mittel haben wir nicht durch andere Anträge unserer Fraktion verplant, sondern diese würden in der Tat die Nettokreditaufnahme reduzieren.
So viel übrigens zum Thema Ehrlichkeit, Herr Schmid. Wir würden damit sogar faktisch – wenn Sie jetzt meinen, man erhöhe die Verschuldung über einen Schattenhaushalt beim Bildungspakt; ich komme noch dazu – die Ausgaben im Bildungs- und Hochschulbereich durch die Einsparungen in ei nem anderen wichtigen Ausgabensegment kompensatorisch abdecken. Das ist nachhaltige Politik. Das ist grüne Politik in Baden-Württemberg. Darauf bin ich als Haushalts- und Finanzsprecher der Grünen stolz.
Der zweite Punkt: Bildung, Bildung, Bildung. Das ist das Potenzial, das ein Land wie Baden-Württemberg braucht. Wir sind im nationalen Maßstab nicht schlecht aufgestellt.
Aber international sind wir
auf jeden Fall Mittelmaß, nicht spitze.
Ihnen fällt es ja schon schwer, einmal nicht das Wort „spitze“ zu verwenden. Bei der CDU ist ja immer alles spitze, weil Sie regieren.
Tatsache ist auf jeden Fall – das hat die Bertelsmann-Stiftung festgestellt; das konnten Sie am Montag dieser Woche im „Focus“ nachlesen –:
Baden-Württemberg als reiches Land gibt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt,
weniger für Bildung aus als der bundesweite Durchschnitt; übrigens auch Bayern.
Die Bertelsmann-Stiftung steht nicht uns nahe – das wissen Sie auch –, sondern die Familie Mohn ist eher im konservativen Lager angesiedelt. Um das einmal deutlich zu sagen: unterdurchschnittliche Bildungsausgaben.
Sämtliche skandinavischen Länder, die heute im internationalen Vergleich nicht nur bildungsmäßig gut abschneiden, sondern übrigens auch in ihren wirtschaftlichen Parametern gut abschneiden – ob Schweden, Finnland oder Norwegen –, haben Anfang der Neunzigerjahre ihre Bildungssysteme umgekrempelt, haben damals Geld in die Hand genommen. Bildungsinvestitionen haben einen Vorlauf.
Das geht nicht so, dass man einmal ein Jahr lang Geld hineinpumpt und dann innerhalb der nächsten drei, vier Jahre den Benefit bekommt. Wenn dieses reiche Land Baden-Württemberg im nächsten Jahrzehnt Wertschöpfung erzielen will, dann tritt es in Konkurrenz zu den Ländern, die mein Fraktionsvorsitzender schon erwähnt hat, nämlich zu den Ländern im asiatischen Raum, wo bei Bildung richtig geklotzt wird.
Herr Kleinmann, der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses, ist gerade nicht da. Aus den Reihen des Wissenschaftsausschusses waren eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen in Indien: Schauen Sie einmal, was für eine Explosion der Investitionen in Bildung in den letzten zehn Jahren dort stattgefunden hat. Indien hat jetzt 10 Millionen Studierende. Diese klugen Köpfe konkurrieren mit den Ingenieurinnen und Ingenieuren, mit den Geisteswissenschaftlern von
Baden-Württemberg. Wenn wir hier nicht Geld in die Hand nehmen, und zwar in den nächsten paar Jahren, dann werden wir in die Röhre gucken.
Der jetzige Konjunkturboom in Baden-Württemberg hat eine interessante Wirkung. Er läuft nämlich in dem traditionellen Maschinenbausektor mit gut qualifizierten Facharbeitern. Das sind sozusagen noch die Benefits aus der Vergangenheit. Aber bei den Hochtechnologien der Zukunft, wo der Kampf um die Köpfe stattfindet, entscheidet sich das jetzt an der Bildungsfront. Deshalb werden wir hier Geld in die Hand nehmen müssen.
Ich prophezeie Ihnen – egal wie Sie als Sozialdemokraten und Sie als verantwortliche Regierungsfraktionen das sehen –: Sie werden unseren Vorschlag beim Bildungspakt aufgreifen. Es ist eine historische Chance, jetzt für Bildung Geld in die Hand zu nehmen, die daraus resultiert, dass wir an vielen Schulen ein sehr altes Kollegium haben. Viele Lehrerinnen und Lehrer der in den Sechziger- und Siebzigerjahren eingestellten starken Kohorten gehen jetzt in den Ruhestand. Gleichzeitig haben wir zurückgehende Schülerzahlen. Das ist eine Parallelität der Ereignisse, die für einen Finanzpolitiker eine Einladung für eine intelligente Lösung ist, nämlich jetzt in der Übergangsphase Stellen zu schaffen und ab 2010, 2011, 2012 sukzessive, wie es selbst der zuständige Kultusminister macht, abzuspecken
und den Aufwuchs jetzt dadurch zu finanzieren, dass wir wegen der zurückgehenden Schülerzahlen im nächsten Jahrzehnt 8 000 Lehrerstellen im Saldo weniger haben. Wir müssen aber jetzt Geld zur Verfügung stellen und in die Köpfe investieren. Die Studierendenlawine ist keine Bedrohung. Vielmehr ist es eigentlich eine Gnade für ein Land, wenn man Köpfe hat, die studieren wollen, die nach Bildung gieren. Das ist der Reiz des asiatischen Raumes, der von uns Europäern beneidet wird, weil die jungen Leute dort gierig sind auf Ausbildung. Denn was man im Kopf hat, kann einem niemand nehmen. Das ist individuelles und auch volkswirtschaftliches Kapital. Mit dem von uns beantragten Bildungspakt wäre es möglich, diesen Schritt zu gehen.
Von wegen Schattenhaushalt, Herr Schmid. Wenn Sie Erbsenzählerei in der Bildungspolitik praktizieren wollen und wenn Sie – Herr Mentrup, Sie waren gestern in der Tonlage noch wesentlich schärfer – davon reden, dass 2 800 Stellen dem Unterricht entzogen werden, dann sage ich Ihnen: Wenn man einmal nachrechnet, was Sie auf Ihrer Webseite eingestellt haben, dann merkt man, dass Sie der Regierung nur vorwerfen können, dass rund 1 000 Stellen dem Unterricht entzogen werden.
Das wollen Sie durch Absenkung der Eingangsbesoldung finanzieren. Das reicht aber nur für 800 Stellen. Für 2 000 Stellen liefern Sie keine Finanzierung. Das ist unehrlich. Das ist falsch.
Ich kann es Ihnen vortragen.
Herr Mentrup, ich wollte damit nur andeuten: Mit vollen Hosen ist gut stinken.
Mit dem Bildungspakt Investitionen in die Köpfe und in die Zukunft zu tätigen, das können wir uns aus unserer Sicht leis ten. Die Kraft des Faktischen – davon bin ich überzeugt – wird auch die Landesregierung dazu bringen, genau diesen Weg in den nächsten Jahren einzuschlagen. Denn ansonsten fällt das Wertschöpfungspotenzial unseres reichen Bundeslandes in Zukunft einfach zusammen, wenn wir uns hier nicht zusätzlich anstrengen.
Noch einen Taktschlag zum Umgang mit dem Haushalt. Ich habe mich gewundert, dass von manchen Journalisten gerade in der Woche, in der wir den Haushalt im Plenum beraten, das mangelnde Selbstbewusstsein des Parlaments kritisiert wird, obwohl wir uns in dieser Woche relativ viel damit befasst haben. Aber eines ist schon wahr, meine Damen und Herren vor allem von den Regierungsfraktionen: Wir haben einen Etat über 33 Milliarden € Jahresvolumen, und Sie schaffen es gerade einmal, Änderungen im Umfang von 32 oder 33 Millionen € zu beschließen – 1 Promille! Die beiden Finanzsprecher der Regierungsfraktionen, Herr Herrmann und Frau Berroth, sagen als Begründung bei unserer gemeinsamen Pressekonferenz, Sie seien so stark in die Aufstellung des Haushaltsplans eingebunden.
Dann kommen Sie aber und sagen, wir müssten die Einsparvorschläge der Regierung, beispielsweise im Sozialbereich, korrigieren. Da muss ich feststellen: Sie haben zunächst die Einsparungen mitgemacht und sind dann unter dem Druck der Öffentlichkeit und unter dem Druck der Anträge der Opposition „umgeswitcht“.
Das als Selbstbehauptungswillen des Parlaments zu verkaufen, das ist reichlich grotesk.
Ich habe heute früh – jedenfalls über die Mikrofonanlage im Haus – die Rede von Frau Umweltministerin Gönner mitverfolgt und gehört, wie sie sich bei der CDU-Fraktion bedankt hat. Sie hat mit einer Formulierung begonnen, die ihr dann offensichtlich peinlich war. Es ging dabei um das Geld, das die CDU-Fraktion zur Verfügung hatte, also um die Nummer mit dem „Spielgeld“.
Mir wäre es als Parlamentarier peinlich, mir von meiner Regierung sagen zu lassen: „Da hast du ein paar Millionen; damit kannst du dich austoben, und den Rest machen wir.“ Wir sind der Gesetzgeber, und die Regierung hat nur eine geliehene Macht! Dies richtet sich an die Regierungsfraktionen ebenso wie an die Opposition. Ein bisschen mehr Selbstbehauptungswillen, ein bisschen mehr Selbstbewusstsein, auch in der offiziellen Auseinandersetzung auf der politisch-parlamentarischen Bühne zwischen Parlament und Regierung, täte manchmal ganz gut.
Herr Herrmann, jetzt mache ich eine Pause, damit ich nachher noch Redezeit für eine mögliche Replik auf den Finanzminister des Landes übrig habe.
Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn das Budgetrecht das vornehmste Recht des Parlaments ist, dann muss man sagen, dass ohne Rechnungshof die politische Controllingfunktion für das Parlament natürlich absolut nicht möglich ist. Der Landesrechnungshof in Baden-Württemberg hat aber einen entscheidenden Nachteil, und zwar wegen der seit vielen Jahren andauernden, politisch zementierten Mehrheit: Vor allem die Unionsfraktion folgt vielen seiner Denkschriftvorschläge nicht. Insofern ist der Rechnungshof in der Tat ein Ritter ohne Schwert. Denn nur dann, wenn wir als Parlament dieses Instrumentarium, das Sie uns über Ihre Denkschriften zur Verfügung stellen, tatsächlich nutzen, erzielen Sie tatsächlich Wirkung.
Frau Kollegin Lazarus, ich habe Ihre Rede per Tonübertragung im Haus mitbekommen. Sie haben ja ein paar Beispiele genannt und in Euro und Cent belegt, dass sich beispielsweise im letzten Jahr durch geltend gemachte Rückforderungen für überzählige Straßenbauförderungen nach GVFG locker Personalstellen im Rechnungshof bezahlt gemacht haben.
Aber in ganz wichtigen strukturellen Fragen hat gerade in der letzten Finanzausschusssitzung Ihre Fraktion in Gestalt der federführenden Kollegen Berichterstatter dem Rechnungshof eine Fehlinterpretation angedichtet, die kolossal war, und zwar zum Thema Pensionslasten. Fälschlicherweise hat die CDUFraktion einen alten Rechnungshofbericht so interpretiert, dass die Barwertmethode quasi beweisen würde, dass Beamte langfristig günstigere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Dienstherrn Land Baden-Württemberg seien. Der Rechnungshofmitarbeiter musste in der Sitzung korrigierend darauf hinweisen, dass diese Rechnung falsch ist, weil die Be
amtenversorgung unter Zeitwertgesichtspunkten – die für die Kostenbelastung der Etats der Zukunft allein entscheidend sind – für unser Bundesland tatsächlich teurer ist. In solchen wichtigen Strukturfragen würde ich mir natürlich wünschen, dass man auf den Rechnungshof hört.
Also, Quintessenz der gesamten Geschichte: Wenn der Rechnungshof wirtschaftliches Handeln anmahnt, wenn er mehr Transparenz für die Erbringung staatlicher Leistungen anmahnt – beispielsweise in Form von Kosten- und Leistungsrechnung, von kaufmännischem Rechnungswesen, von ausgewiesenen Rückstellungen für eingestellte Beamtinnen und Beamte –, dann wäre das Befolgen dieser Ratschläge im bes ten Sinn proaktives Reagieren auf den Hof und nicht nur eine Ex-post-Analyse von Schwachstellen, und dann könnten wir im besten Sinne auch beruhigt auf das Jahr 2030 schauen. Denn dann würden wir in Bezug auf unsere Dienstherrenfunktion, die wir als Landtag und damit Landesgesetzgeber und als Landesregierung haben, in der Tat wirtschaftlich und vorausschauend handeln. Aber hier fehlt es ein Stück weit.
Also, am Rechnungshof liegt es nicht. Herr Vizepräsident, das wissen Sie. Es gibt nicht nur eine räumliche Nähe zwischen unserer Fraktion und Ihnen im Finanzausschuss, sondern wir sind Ihnen natürlich auch inhaltlich verbunden, auch wenn wir nicht immer allen Ihren Vorschlägen folgen. Wir würden uns auf jeden Fall wünschen, dass Ihnen die hier auf der rechten Seite des Hauses mindestens so folgen wie wir. Dann wäre es besser um unser Land bestellt.
Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn jetzt hier angedeutet wird, quasi am Horizont zeichne sich ab, dass die Große Koalition in Bezug auf die Unternehmensteuerreform auf dem richtigen Weg wäre, dann sage ich an die Adresse der SPD: Lesen Sie bitte die heutige Zeitung. Die SPD-Finanzexperten in Berlin propagieren heute in der „Financial Times Deutschland“, dass die Unternehmensteuerreform keineswegs in trockenen Tüchern ist und beispielsweise bis heute kein Konsens in der Frage gefunden wurde, wie man mit der stärkeren ertragsunabhängigen Komponente bei Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer umgeht. Nächsten Montag findet eine Spitzenrunde von Steinbrück und Koch statt, von der jetzt schon behauptet wird, dass sie voraussichtlich keine Lösung finden wird. Insofern haben Sie auch auf dieser Baustelle das Szenario, das wir – auch die breite Öffentlichkeit – inzwischen kennen: Die können es nicht. Das wurde uns – Rot-Grün – früher immer entgegengehalten, aber Sie haben als Große Koalition auf Bundesebene in einem Jahr schon so viel Vertrauen verspielt, dass die Bevölkerung heute ihr Urteil in demoskopischen Umfragen deutlich von sich gibt.
Man kann ruhig klatschen.
Zur Sache: Kollege Herrmann hat als finanzpolitischer Sprecher der CDU zu Recht darauf hingewiesen, dass die nominalen Körperschaftsteuersätze in Deutschland europaweit in der Spitzengruppe liegen. Gleichzeitig – Herr Schmid, da haben Sie recht – ist die tatsächliche Steuerbelastung entsprechend niedriger. Beim Steuerrecht ist immer entscheidend, was hinten rauskommt. Da sind also die Abschreibungsmöglichkeiten und die Steuergestaltungsmöglichkeiten von Bedeutung, und da sind andere Länder teilweise schlechter. Trotzdem stelle ich als Oberschwabe die Vorarlberger Misere fest: Vorarlberg, das mit den niedrigen österreichischen Nominalsteuersätzen wirbt – 25 % Körperschaftsteuersatz plus 3 % Lohnsummensteuer, also 28 % Ertragsteuerbelastung –, wirbt unsere ertragsstarken Mittelständler aus Südwürttemberg ab.
Die Schweizer tun das Gleiche mit südbadischen Firmen.
Herr Schmid, die Tatsache, dass uns Steuereinnahmen entgehen, weil wir hier ein falsches Steuerrecht haben, plagt auch den Finanzminister, die plagt alle Finanzpolitiker. Da müssen wir in der Tat etwas tun.
Eine intelligente Gestaltung setzt natürlich voraus, dass man Mittelstandskomponenten aus der Sicht der Praxis betrachtet. Betrachten Sie einmal die Fremdfinanzierungsanteile auch von Mittelständlern. Wenn man jetzt ertragsunabhängige Elemente stärker besteuern würde – das will die SPD; zunächst wollte man eine Besteuerung von 50 %, dann hat man sich auf den Satz von 25 % geeinigt –, ist das natürlich eine Achillesferse für Mittelständler, die investieren. Denn diese werden, wenn ertragsunabhängige Elemente bei der Unternehmensteuer stärker verankert werden, den Teufel tun, weiter zu investieren, weil sie sagen: Dann werde ich im Zweifelsfall in schlechten Ertragszeiten substanzbesteuert, und dann lohnt sich Investition weder in Baden-Württemberg noch in Deutschland insgesamt.
Da muss man also höllisch aufpassen und darf auf der anderen Seite auch nicht einfach den Eindruck erwecken, man wäre kommunalfreundlich, weil man den Kommunen permanent in Sonntagsreden verspricht – das geht übrigens durch alle Parteien –, die Einnahmen der Gemeinden verstetigen zu wollen. Eine Lösung, die zulasten des Mittelstands geht, nützt den Gemeinden überhaupt nichts,
weil dann nämlich Betriebe hier von der Bildfläche verschwinden werden.
Die Lösung liegt in einem Spannungsfeld, das politisch auch in meiner Partei und Fraktion nicht entschieden ist,
nämlich in der Frage: Welche steuertechnische Möglichkeit haben wir, um die Gemeinden tatsächlich mit einer eigenen Einnahmequelle auszustatten, die aber eine Abkehr von der heutigen Gewerbeertragsteuer darstellt? Ich glaube, steuersystematisch und praktisch hat die Gewerbeertragsteuer der alten Form keine Zukunft. Wenn wir hier eine Lösung anstreben würden, wie sie sich jetzt bei der Großen Koalition in Berlin am Horizont abzeichnet, dann führte das zu einer Verankerung der Gewerbeertragsteuer in der heutigen schlechten Form auf ewige Zeiten im Gesetzblatt. Mir wäre lieber – das sage ich offen –, wenn man in Richtung des Viersäulenmodells der Stiftung Marktwirtschaft marschieren könnte:
Grundsteuer – Grundsteuer C; das wurde angesprochen; da hätte man einen Berührungspunkt –, eine Bürgersteuer für alle Bürger als Zuschlag der Gemeinden auf die Einkommensteuer, eine Unternehmensteuer von 6 bis 8 % auf die Körperschaftsteuer und eine Lohnsummensteuer, die Arbeitsplätze vor Ort auch in das Interesse der Gemeinden stellt.
Mit einem solchen Vorschlag hätten wir eine Lösung, die tatsächlich die Ertragskraft der Gemeinden gewährleistet und diese einbettet in ein Steuerkonzept, das tauglich ist.
Bei uns wird das offen diskutiert, auch in der baden-württembergischen Landtagsfraktion. Man hat immer den Vorteil, lieber Kollege: Wenn man in der Meinungsbildung in der Fraktion noch nicht festgelegt ist, kann man freier denken, als wenn die Meinung schon festgelegt ist. Wir haben das in der Fraktionssitzung auch offen besprochen. Insofern biete ich Ihnen hier keine One-Man-Show, sondern ich will die Bandbreite schildern, in der wir stehen.
Das Problem des gesamten Steueraufkommens aus dem Unternehmenssektor in Deutschland ist doch Folgendes: Wir haben nicht nur die Steuerfront, sondern auch die Regulierungsdichte am Arbeitsmarkt. Wir haben eine Überbürokratie in vielen Bereichen. All dies zusammen führt dazu, dass immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer über den niedrigsten Zaun springen und die Steuergestaltungsmöglichkeiten in einem großen Ausmaß nutzen, wozu die hohen Steuersätze veranlassen. Dieser Hintergrund macht das ganze Dilemma deutlich.
Ich kann nur hoffen – dazu sage ich in der zweiten Runde etwas –, dass bei der Erbschaftsteuerreform die Ministerpräsidenten der Länder – im Bundesrat hat die Union die Mehrheit – nicht bremsen und auf das Verfassungsgericht warten wollen. Finanzminister Steinbrück dagegen hat am 26. September in Berlin vor dem BDI versprochen, die Reform zum 1. Januar nächsten Jahres ins Gesetzblatt zu brin
gen. Auch da wird wieder deutlich: Große Koalition – große Gegensätze. Ausbaden dürfen es auch in diesem Fall die Mittelständler.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Nachdem die Debatte jetzt so fachlich geworden ist, will ich ein bisschen polemisch werden.
Die Debatte zeigt nämlich auch, wie wir das Steuerrecht – wenn auch durch gut gemeinte Veränderungen – jetzt weiter verkomplizieren.
Das ist eindeutig so.