(Widerspruch bei der SPD – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE – Abg. Ursula Haußmann SPD: Un- glaublich!)
Wer unseren Ministerpräsidenten kennt – und das tun wir in diesem Landtag alle –, wer weiß, was ihn in der Politik bewegt, für den ist klar: Günther Oettinger ist ein Mann der Mitte, und er ist von glasklarer demokratischer Überzeugung.
Der Kollege Kretschmann hat das im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ ganz zu Recht herausgehoben. Ich darf zitieren:
als die Republikaner noch im Landtag waren, kennengelernt als jemand, der niemals gewackelt hat. Wir haben zusammen hart gegen diese Rechtsradikalen gekämpft.
Das ist die Wahrheit, und auch das wissen hier alle. Alle Unterstellungen, der Ministerpräsident suche Beifall am Rand des politischen Spektrums,
sind deshalb ohne jegliche Grundlage und verbieten sich angesichts seiner politischen, aber vor allem auch angesichts seiner persönlichen Disposition.
Er hat sie – er hat das auch hier heute klar artikuliert – angenommen, und er steht zu seiner Verantwortung. Aber das muss dann auch respektiert und akzeptiert werden. Mit seiner Klarstellung muss die Debatte auch beendet sein, so wie es im Übrigen der SPD-Bundesvorsitzende Kurt Beck schon frühzeitig erklärt hat.
Doch wenn wir heute noch einmal über die Richtigkeit von Worten und Gesten sprechen, meine Damen und Herren,
dann kann ein Hinweis auch nicht unterbleiben: Frau Vogt, es wäre sicher ein besserer Stil gewesen, wenn Sie darauf verzichtet hätten, zum Tod von Hans Karl Filbinger ausgerechnet einen Satz zu zitieren, der ursprünglich mit Blick auf die Beerdigung der RAF-Terroristen Baader, Raspe und Ensslin gesagt worden war. Hier fällt Ihr Vorwurf „mangelnde Tiefgründigkeit und Sensibilität“ direkt auf Sie zurück.
(Beifall bei der CDU und der Abg. Beate Fauser FDP/ DVP – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Martin Rivoir: Oh!)
(Widerspruch bei der SPD – Abg. Boris Palmer GRÜ- NE: Hört, hört! – Zuruf der Abg. Ursula Haußmann SPD)
wenn die Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion persönlich am Begräbnis für einen ehemaligen Ministerpräsidenten dieses Landes teilgenommen hätte. Insofern hätte gerade Ihnen in Ihrer Rede etwas weniger Selbstgerechtigkeit gut angestanden.
(Beifall bei der CDU – Abg. Martin Rivoir SPD: Oh! – Abg. Ute Vogt SPD: Ausgerechnet Sie sprechen von Selbstgerechtigkeit! – Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)
Meine Damen und Herren, die Christlich-Demokratische Union in Baden-Württemberg hat in mehr als 50 Jahren unter all ihren Ministerpräsidenten – von Gebhard Müller bis Günther Oettinger – aus christlichen, konservativen und liberalen Über zeugungen heraus eine überaus erfolgreiche Politik gemacht. Sie hat diesem Land Stabilität gegeben und demokratische Kultur geprägt und gefördert. Sie steht zur Geschichte und hat – dies sei in diesem Zusammenhang auch einmal besonders erwähnt – am Geschichtsunterricht an baden-württembergischen Schulen festgehalten, als andere in diesem Haus zugunsten eines Faches Sozialkunde dessen Abschaffung gefordert haben.
Im Interesse Baden-Württembergs und seiner Menschen soll ten wir in diesem Parlament nun so schnell wie möglich zur Sacharbeit zurückkehren.
Dafür sind wir gewählt; das wird von uns erwartet. Die CDUFraktion wird zusammen mit unserem Ministerpräsidenten Günther Oettinger den Erfolgskurs für dieses Land fortsetzen. Wir werden weiterhin mit unserer Arbeit und vor allem mit einer Politik der Mitte wie auch in der Vergangenheit überzeugen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In dieser Debatte über die Trauerrede von Ministerpräsident Oettinger beim Staatsakt zum Begräbnis des ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger geht es um viel: um das rechte Gedenken an die Opfer des NS-Regimes, um den Gründungskonsens dieser Republik, nämlich die vorbehaltlose Ablehnung des NS-Regimes in seiner Gänze, um das Ansehen dieses Landes, um das Verhältnis zur NSGeschichte jetzt und in Zukunft, und es geht um grundlegende Werte.
Herr Ministerpräsident, Sie haben jetzt für diese Rede die Verantwortung übernommen. Sie müssen auch die volle Verantwortung für ihre Folgen übernehmen. Verantwortung hat erst einmal etwas mit „antworten“ zu tun. Es stellen sich viele Fragen an Sie und die CDU. Die Grundfrage lautet: Sind Sie als Regierungschef und als Vorsitzender der baden-württembergischen CDU willens, in Ihrer Partei endlich einen Klärungs
prozess über die Rolle Filbingers in der NS-Zeit, das damit verbundene Geschichtsbild und damit die Ursachen dieses Desasters einzuleiten?
Danach sieht es leider nicht aus. Sie, Herr Kollege Mappus, haben ja jetzt wie schon am 17. April wiederum gesagt: „Für uns ist die Sache erledigt.“ Und Sie selbst, Herr Oettinger, erklärten: „Es gibt keine Krise; die Debatte ist erledigt.“ Das darf nicht wahr sein!
Ich darf Sie nochmals an den Gang der Dinge erinnern. In einem Staatsakt stilisieren Sie Filbinger zum Gegner des NSRegimes hoch und machen damit den Versuch der Geschichtsklitterung. Das Schlimme an diesen Passagen war ja, dass Sie sie ganz in der Diktion unmissverständlicher Tatsachenbehauptungen getroffen haben, apodiktisch, wie der Historiker Hugo Ott es genannt hat. Über eine hoch umstrittene Person quasi regierungsamtlich eine solche abschließende historische Beurteilung abzugeben ist eine unglaubliche Anmaßung. Dass eine Regierungspartei und ihr Repräsentant aus interessengeleiteten Gründen – Sie haben jetzt Ihre noch einmal dargelegt – versuchen, sich der Geschichte zu bemächtigen, ist in einer Demokratie untragbar.
Die aufkommende Kritik haben Sie ganz im Geiste Filbingers und seiner Apologeten mit dem Vorwurf der Kampagne von Rot und Grün gekontert. Kein einziger Mandatsträger der CDU aus Baden-Württemberg ging auch nur auf leise Distanz. Im Gegenteil: Die Rede wird für gut und ausgewogen befunden – so der Fraktionsvorsitzende Mappus –, bis hin zu dem enthusiastischen „fünf Ausrufezeichen hinter jedes Wort“ – so der Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag Brunnhuber.
Herr Ministerpräsident, Herr Mappus, es ist erklärungsbedürftig, wie es zu so etwas kommt. Ich gebe Ihnen meine Erklärung: Es ist dies die geistige Wagenburgmentalität einer durch Filbingers Rücktritt offenbar schwer traumatisierten CDU, an der seit 30 Jahren jede Kritik in dieser Sache abgeprallt ist und die kritiklos die Version Filbingers als geschmähtes Opfer übernimmt. Teufel, Kauder und andere strickten mit an der Legende einer fortwährenden Kampagne, bis die CDU-Bundesvorsitzende und Bundeskanzlerin Merkel eine erste Bresche in diese Wagenburg schlug. Schließlich kann man sie nur schwer einer linken Kampagne zuordnen. Vom Koalitionspartner FDP hört man jetzt erst irgendetwas, das man auch irgendwie als Kritik interpretieren kann.
Jetzt folgt Ihre Erklärung, die von Missverständnissen sprach und sich floskelhaft für Dinge entschuldigte, die Ihnen gar niemand vorgeworfen hatte. Aber die Rede war gerade nicht missverständlich.
Erst weiterer Druck von außen und ultimativer Druck durch die Bundeskanzlerin von oben führten dann zur Rücknahme dieser Äußerung, Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen.
Meine Damen und Herren von der Union, es ist erklärungsbedürftig, wieso Sie erst auf Druck der Bundeskanzlerin
Der Schaden ist gewaltig, die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten ist schwer beschädigt. Eine Umfrage ergab, dass 84 % die Entschuldigung nicht für glaubwürdig halten, auch 82 % der Unionsanhänger nicht. Ich frage Sie, Herr Oettinger, und ich frage Sie, Herr Mappus: Wollen Sie allen Ernstes diese Debatte für erledigt erklären?
Nein, sie muss endlich beginnen! Denn Sie fügen sonst auch dem Land weiter schweren Schaden zu. Sollen die Menschen von Baden-Württemberg den Eindruck bekommen, dieses Land sei zwar wirtschaftlich spitze, aber es werde von Leuten regiert, deren Gesinnung so dunkel ist wie der Schwarzwald?
Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat in seiner schon zitierten berühmten Rede zum 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1985 gesagt:
Bei uns ist eine neue Generation in die politische Verantwortung hereingewachsen. Die Jungen sind nicht verantwortlich für das, was damals geschah. Aber sie sind verantwortlich für das, was in der Geschichte daraus wird.
Es geht also um viel. Deswegen müssen Sie begründet und glaubwürdig erklären, warum es zu diesem Teil dieser Rede kommen konnte, warum es keine Kritik aus Ihren Reihen gab, warum sie abgewehrt wurde und warum Sie dauernd von einer Kampagne gesprochen haben.
In einem ersten Schritt erwarten wir, dass Sie davon alle Regierungsmitglieder überzeugen, Herr Ministerpräsident – auch Staatssekretär Gundolf Fleischer; und falls er sich nicht überzeugen lässt, erwarten wir, dass Sie ihn aus der Regierung entlassen.
In einem weiteren Schritt erwarten wir, dass die baden-würt tembergische CDU einen Klärungsprozess über ihr Geschichtsbild einleitet und die Diskussion darüber eröffnet und nicht schließt. Das wird noch einmal durch das bestätigt, was Sie wieder apodiktisch gesagt haben: Sie hätten es überhaupt nicht nötig. Wieder beginnt eine Geschichtsklitterung, indem so getan wird, als habe es am Anfang dieser Republik nicht auch die Globkes und andere im Apparat von Adenauer gegeben,