Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Durch gentechnisch veränderte Pflanzen! – Unruhe)

Die wachsen bei dem Steppenklima ja gar nicht, Herr Kollege.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Gespräche außerhalb des Plenarsaals zu führen. Der Redner ist sonst schwer zu verstehen.

Denn eines ist leider festzuhalten: Weder beim CO2-Ausstoß noch beim Flächenverbrauch, noch beim Pestizideinsatz sieht es so aus, als würde das Land ernsthafte Anstrengungen unternehmen, die selbst formulierten Ziele zu erreichen. Im Gegenteil: Wir in Baden-Würt temberg sind leider spitze im Überschreiten von Pestizidgrenzwerten. Daher konstatieren wir von den Grünen: Eine moderne, zukunftsfähige Umweltpolitik findet oft in Reden, aber leider nur sehr selten in Taten statt. Anders formuliert: Die Landesregierung, vom Ministerpräsidenten bis hin zu den Fachministern, redet grün, aber handelt schwarz.

Ich nenne drei Beispiele, um zu untermauern, worum es uns im Sinne eines effektiven, glaubwürdigen Verbraucherschutzes in Baden-Württemberg und genauso außerhalb Baden-Würt tembergs geht.

Erstens: Oberflächengewässer. 28 t pestizide Wirkstoffe gelangen jährlich in Deutschland in unsere Oberflächengewässer. Jedes Kilogramm ist zu viel. Was zu viel ist, ist zu viel.

Zweitens: Von 38 gewässerrelevanten Pestiziden halten nur acht die Zielvorgaben der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser an allen Standorten ein; fünf Pestizide überschritten

sie an mehr als 25 % der Messstellen. Wir meinen: Jede Überschreitung ist eine zu viel.

(Beifall bei den Grünen)

Drittens: Ökonomische Schäden. Die jährlichen Folgekosten durch Pestizideinsätze betragen allein für die Trinkwasseraufbereitung und für die Überwachung von Lebensmitteln auf Rückstände sowie für Gesundheitsschäden über 150 Millionen €. Jeder hierfür ausgegebene Euro ist einer zu viel.

Damit, verehrter Herr Minister Hauk, konkretisiere ich einen der drei Punkte, die bei Ihnen anlässlich einer meiner letzten Reden hier im Plenum auf so freudige Resonanz gestoßen sind: der wenig imageträchtige Dreiklang „Gift, Gen, Gammel“. Vorhin ging es um Punkt 2, nämlich Gen, jetzt geht es um Punkt 1, Gift.

Übrigens: Viel lieber wäre es mir, wir müssten diesen Antrag gar nicht stellen. Viel lieber wäre es mir, wir hätten einen mutigeren Agrarminister. Viel lieber wäre es mir, Sie hätten mit den Landwirten, mit den Fachverbänden und natürlich auch öffentlich diskutiert und entschieden, mit welchen Maßnahmen Sie den Pestizideinsatz um 15 % verringern werden. Das, Herr Minister, ist Ihre Pflicht. Die gesamte Problematik hat übrigens entschieden weniger mit den Landwirten zu tun; vielmehr sind diese eher als Opfer einer – auch Ihrer – in weiten Teilen verfehlten Agrarpolitik zu sehen. Es hat entschieden mehr mit der Frage zu tun, wie sich die CDU – von der Antiumweltpartei FDP ganz zu schweigen – zum Thema „Verbraucherschutz und gesunde Lebensmittel“ verhält.

Ich frage Sie: Was macht die Landesregierung? Konkretes Beispiel: Am 18. April, also gerade einmal vor sechs Tagen, hat die Landesregierung uns im Landwirtschaftsausschuss über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ informiert, bei der ganze 4,7 Millionen € von 70,1 Millionen € für den Ökolandbau vorgesehen sind. Das sind keine 7 %! Mit welchen Maßnahmen will das Land denn eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes erreichen, wenn nicht mit der Förderung des ökologischen Landbaus? Derweil boomt der Biomarkt, und wir müssen aufgrund der Nachfrage aus unserem Land zunehmend Biolebensmittel importieren. Man muss sich und man muss Sie, Herr Minister, schon fragen: Cui bono? Wem sollen die synthetischen Pestizide helfen? Dem Verbraucher helfen sie sicherlich nicht.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Joseph.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Her ren! Pestizide und Lebensmittel sind eigentlich schon ein Widerspruch in sich. Deshalb muss dieser Widerspruch von der Politik, von den politisch Handelnden aufgeklärt und vielleicht auch in Richtung dessen, was von den Grünen vorgetragen worden ist, gelöst werden. Ich meine, wir sollten bei Pestiziden auch nicht so sehr auf Grenzwerte schielen, denn eigentlich sollten unsere Lebensmittel gänzlich frei von Pes tiziden sein.

Wenn vom „Pestizidtourismus“ gesprochen worden ist, dann hat sicherlich Greenpeace das alles noch einmal in bewährter Manier pressewirksam aufgegriffen, aber eigentlich war vielen bekannt, dass dies leider so läuft. Es macht aber auch deutlich, dass in unserem Land die Maßnahmen der Kontrolle in diesem Bereich nicht ausreichend sind. Ich meine auch, dass die Maßnahmen der Ausbildung gerade im Umgang mit Pes tiziden – soweit diese zulässig sind – nicht ausreichend sind. Ich glaube insbesondere auch, dass die Maßnahmen der Weiterbildung nicht ausreichend sind.

Wenn ich die Stellungnahme der Landesregierung zu Ziffer 4 des Antrags der Fraktion GRÜNE – dort geht es um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Wasserschutzgebieten – lese, muss ich leider feststellen, dass auch die Antwort der Landesregierung bzw. des zuständigen Ministers nicht ausreichend ist. Darin wird nämlich deutlich, dass nur in Wasserschutzgebieten mit karsthaltigem Untergrund der Einsatz bestimmter Pestizide nicht empfohlen wird. Hier müssen, glaube ich, weiter gehende Maßnahmen wie Gewässerrandstreifen und vieles andere mehr in erweiterter Form kommen, wo ein solcher Einsatz nicht möglich ist.

In diesem Antrag wurde auch die Frage nach dem Einsatz von Round up angesprochen. Ich glaube, aus der Stellungnahme der Regierung geht hervor, wie schädlich Round up für unsere Natur eigentlich ist. Und passieren tut nichts. Ich glaube, das darf man so nicht hinnehmen. Man darf nicht einerseits in der Erläuterung erklären, dass es zu einer sehr hohen Sterberate bei Amphibien kommt, und sich dann andererseits darauf zurückziehen, dass es eben bundesrechtliche Regelungen gibt, die den Einsatz grundsätzlich gestatten. Da muss man die Initiative ergreifen, z. B. über den Bundesrat – das sollte möglich sein –, um eben diese bundesgesetzlichen Möglichkeiten und Vorgaben zu ändern.

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Minister, nur auf das Reduzierungsprogramm als abschließende Antwort zu verweisen ist nach meiner Auffassung und nach Auffassung meiner Fraktion ebenfalls zu wenig. PAN Germany hat laut einer Pressemitteilung vom 17. April 2007 – also ziemlich aktuell – dieses Reduktionsprogramm aus dem Jahr 2005 einmal näher untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass eine aktuelle Umfrage bei den zuständigen Ministerien der Bundesländer belege, „dass das Programm nicht mit dem erforderlichen Nachdruck umgesetzt wird“, dass also nicht so vorgegangen wird, wie es der im Jahr 2005 veröffentlichten Absichtserklärung eigentlich entsprä che.

In der gleichen Pressemitteilung heißt es: „Gut schneiden Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ab.“ In der Aufzählung positiver Beispiele finde ich das Land Baden-Würt temberg leider nicht. Also sind wir offenbar beim Pestizidreduktionsprogramm nicht spitze in der Bundesrepublik. Auch dort sollten wir jedoch, meine ich, spitze sein.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Beschlussteil des Antrags der Fraktion GRÜNE darf ich kurz feststellen, dass meine Fraktion der Auffassung ist, dass wir auf dem Boden der Realitäten bleiben sollten.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! Das ist immer richtig!)

Ein Rückgang um 90 % für das Jahr 2015, wie gefordert, ist nach unserer Auffassung im Bereich der konventionellen Landwirtschaft einfach nicht darstellbar. Deshalb ist das eine utopische Zielsetzung, der wir uns so nicht anschließen möchten. Es wäre sicherlich gut, wenn man das erreichen könnte, aber man kann es nicht; darüber muss man sich im Klaren sein. Es wäre sicherlich gut für Baden-Württemberg, aber es würde immer noch keinen Verbraucherschutz darstellen, weil wir in Baden-Württemberg keine Insellösung bei der Versorgung unserer Bevölkerung schaffen können.

(Beifall des Abg. Alfred Winkler SPD)

Es wäre sicherlich auch gut im Hinblick auf Marketingmaßnahmen, aber es würde den Menschen und unserer Umwelt nicht helfen. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der Ihnen auch vorliegt. Denn wir sollten eine Chance nutzen: Sie, sehr geehrter Herr Minister Hauk, sind zurzeit Vorsitzender der Verbraucherschutzministerkonferenz. Sie könnten sich in dieser Funktion stark machen und sich mit einem Pestizidreduktionsprogramm an die Spitze setzen, das das Ziel hat, den Pestizideinsatz nachhaltig mit realistischen Quoten abzusenken. Darum bitten wir Sie. Deshalb bitten wir auch um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Röhm für die Fraktion der CDU.

(Abg. Alfred Winkler SPD: Da muss er jetzt mitma- chen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Aussprache über das Thema Pestizidreduktion dürfen zwei Dinge nicht vergessen werden. Erstens hat unser Land durch die ehemalige Landesanstalt für Pflanzenschutz sehr früh Versuche zu alternativen Verfahren in der Schädlingsbekämpfung aktiv gefördert – Sie wissen das –, ganz besonders im Bereich des Obstanbaus. Ich erinnere hier lediglich an die Ablösung des berüchtigten E 605 durch den Einsatz von Schlupfwespen. Zweitens hat unser Land ebenfalls schon früh Programme aufgelegt, die zum Ziel haben, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und andere Methoden zu fördern.

Eines dieser Programme ist unter dem Kürzel MEKA bekannt. Mit MEKA bieten wir unseren heimischen Erzeugern Unterstützung bei der Umsetzung folgender drei Ziele: erstens keine Wachstumsregulatoren in Weizen, Dinkel und Roggen, zweitens Verzicht auf Herbizide im Ackerbau und drittens Einsatz von Nützlingen im Garten- und Ackerbau.

Selbstverständlich – Kollege Joseph, da gebe ich Ihnen recht – wissen auch wir um die Gefährlichkeit, die von Pestiziden ausgeht. Wir kennen die Studie der Harvard-Universität über Pestizide als Auslöser für Parkinson, wir kennen aber auch die Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung zu ebendieser Studie. Aus der Stellungnahme des Bundesinstituts geht eindeutig hervor, dass es derzeit keine gesicherten

wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen direkten Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson gibt.

Wir alle wissen – Sie haben das auch angesprochen –, welche Gefahren für Wasserschutzgebiete von Pflanzenschutzmitteln ausgehen können. Das Land lässt deshalb zahlreiche Messungen in diesen Gebieten durchführen. Wenn diese Messungen eine Überschreitung des in der Trinkwasserverordnung festgelegten Vorsorgegrenzwerts für Pflanzenschutzmittelwirkstoffe nachweisen, dann greifen im Land die durch die SchALVO vorgegebenen Beschränkungen und Verbote für die Anwendung dieser Stoffe.

Diese Regelungen haben sich durchaus bewährt, meine Damen und Herren. Und ein Instrument, das sich bewährt hat, gibt man eben nicht leichtfertig aus der Hand. In diesem Zusammenhang sei zusätzlich daran erinnert, dass das Verbot von Atrazin auf eine Initiative Baden-Württembergs zurückgeht.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Studie der Universität Pittsburgh über die für Flora und Fauna schädlichen Auswirkungen von Round up – dies wurde ebenfalls angesprochen – muss eindeutig darauf hingewiesen werden, dass bei diesem Feldversuch mit Konzentrationen des Wirkstoffes Glyphosat gearbeitet wurde, die weit über den bei uns zulässigen Mengen lagen. Wenn sich nun die in der Studie beschriebenen schädlichen Auswirkungen auf Amphibien auf der Grundlage der bei uns zulässigen Anwendungsmengen ergeben hätten – das ist die entscheidende Frage –, dann gäbe es bei Round up in der Tat Handlungsbedarf.

Wir dürfen in diesem Zusammenhang keinesfalls vergessen, dass dem Land – und das sehe ich anders als Sie, Herr Kollege Joseph – ein Verbot von Round up ohnehin nicht möglich ist – Sie haben das angesprochen –, weil dafür der Bund zuständig ist.

Wenn die Grünen heute ein Pestizidreduktionsprogramm fordern, das zum Ziel hat, den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft bis zum Jahr 2010 zu halbieren – so Ihr Antrag – und bis 2015 gar um 90 % zu reduzieren, dann verweise ich darauf, dass es schon immer ein Anliegen unserer Fraktion war, den Einsatz von Pestiziden möglichst zu vermeiden und so intensiv wie möglich nach Alternativen zu forschen. Baden-Württemberg kann in diesem Zusammenhang durchaus auf einige Bereiche verweisen, in denen eine Reduzierung der eingesetzten Mittel um 50 % und mehr möglich geworden ist.

Diese überzeugende Reduzierung der eingesetzten Mittel ist uns aber nicht von heute auf morgen gelungen, sondern durch kontinuierliche Entwicklungen stets neuer Verfahren. Dazu benötigen wir Zeit. Eine Reduzierung um 50 % in einem Zeitraum von drei Jahren ist ganz und gar unrealistisch.

Denken wir den Antrag der Grünen doch konsequent zu Ende. Wenn im Jahr 2015 lediglich noch 10 % der heutigen Menge eingesetzt werden sollen, dann kann das doch nur bedeuten, dass in unserem Land nach 2015 ausschließlich ökologischer Landbau betrieben würde. Lügen wir uns nicht in die Tasche, meine Damen und Herren! Im ökologischen Landbau werden Kupferpräparate und Schwefelpräparate eingesetzt, daneben die durchaus nicht ungefährlichen Pyrethrumpräparate – ein Insektizid aus Chrysanthemen.

Ich möchte zum Schluss noch einen Aspekt ansprechen, dem angesichts des Umweltszenarios eine ganz erhebliche Bedeutung zukommt. Ich frage Sie: Wenn wir diese Forschung radikal zurückfahren, wie sollen wir dann den neuen Herausforderungen begegnen? Ich bin der Meinung, dass wir uns nichts vormachen dürfen. Ein völliger Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist absolut realitätsfern; das können wir uns, wenn ich so sagen darf, höchstens im Garten Eden vorstellen. Aber dort gab es auch die Schlange.

(Zuruf des Abg. Reinhold Pix GRÜNE)

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion ist der Meinung, dass wir ein vernünftiges Miteinander von Ökonomie und Ökologie brauchen. Dazu gehören auch Pflanzenschutzmittel – im Interesse unserer Landwirte, die nicht nur produzieren, sondern die auch etwas verdienen müssen.

Aus den genannten Gründen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Sehr gut! – Abg. Alfred Winkler SPD: Und unseren Änderungsantrag? – Gegenruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Auch! – Gegenruf des Abg. Alfred Winkler SPD: Warum? – Gegenruf von der CDU: Wenn schon, denn schon! – Gegenruf von der SPD: Das ist ja eine tolle Begründung! – Abg. Al- fred Winkler SPD: Herr Röhm, da müssen Sie noch einmal raus! Wir wollen eine Erklärung!)

Das Wort erhält Frau Abg. Chef.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Das Anliegen der Grünen, zu einer Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu kommen, ist lobenswert. Doch im Gegensatz zu Ihnen stützt sich unsere Fraktion, wenn sie entsprechende Anträge stellt, auf Fakten.