Seit 2001 ist vieles geschehen. Der entsprechende Prozess war schwierig. Wir wissen das, weil wir in der Bundesregierung daran beteiligt waren. Es war ganz schwierig, die Balance zwischen mehr Sicherheit, wirksamen Instrumenten gegen eine neue Gefährdung und dem gleichzeitigen Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte zu organisieren. Dies war jeden Tag ein mühseliges Unterfangen, zumal der Innenminister damals Otto Schily geheißen hat, von dem ich persönlich schwer enttäuscht bin, da ich heute lesen muss, dass er quasi per Dienstanweisung – ohne den Weg über das Parlament zu suchen – die Onlinedurchsuchung veranlasst hat.
Der Innenminister des Landes Baden-Württemberg muss uns die Frage beantworten, ob es so etwas vielleicht auch in Baden-Württemberg gegeben hat, da der Bundesinnenminister offensichtlich eine Rechtsgrundlage für sein Vorgehen gesehen hat.
Was war angesagt, und was ist angesagt, meine Damen und Herren? Immer eine sehr nüchterne Bestandsaufnahme, eine fortlaufende Analyse, ob das technische und gesetzliche Instrumentarium der Sicherheitspolitik ausreichend ist oder nicht. Herr Innenminister, das, was gegenwärtig passiert – Sie beteiligen sich leider fast schon wie der Zwillingsbruder des Bundesinnenministers daran –, ist etwas völlig anderes. Jeden Tag wird eine neue sicherheitspolitische Erfindung oder Diskussion durch die Medien gejagt. Seitdem gibt es eine wachsende Verunsicherung bei den Bürgerinnen und Bürgern,
(Abg. Karl Zimmermann CDU: In welcher Welt le- ben Sie denn? – Gegenruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: In der realen Welt, Herr Zimmermann!)
und zwar nicht hinsichtlich einer neuen islamistischen Bedrohung, sondern hinsichtlich der Frage: Was will dieser Staat eigentlich alles von uns? Was wird er uns in Zukunft noch alles abverlangen?
(Abg. Karl Zimmermann CDU: Das haben wir schon! Das langt! – Zuruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)
Mautdatenauswertung, Onlinedurchsuchung, Fingerabdruckdatei – jeden Tag eine neue Erfindung und eine neue Diskussion. Jeder Zusammenhang mit einer tatsächlichen islamis tischen Bedrohung ist doch längst verloren gegangen. Der Eindruck, den die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land und auch in diesem Bundesland haben müssen, ist doch, dass die größte Gefahr offensichtlich von ihnen selbst ausgeht. Die Bevölkerung wird mittlerweile doch offensichtlich unter Generalverdacht gestellt.
Es wäre ein fataler Fehler, wenn die Gefahr des Terrorismus als Anlass für einen massiven Abbau der Bürgerrechte herhalten müsste. Deshalb, Herr Innenminister: Machen Sie halt an diesem Punkt, führen Sie eine nüchterne Evaluation dessen, was wir haben, und dessen, was wir brauchen, durch, und seien Sie auf unserer Seite, wenn es darum geht, auch in Zukunft Bürgerrechte und Freiheitsrechte in diesem Land hochzuhalten.
Herr Kollege Sckerl, ich muss mich auch ab und zu mit Zwischenrufen und Unmutsäußerungen von rechts auseinandersetzen.
Aber ich kann hier ganz klar erklären: Sowohl von Herrn Zimmermann als auch von Herrn Scheuermann geht keine Gefahr aus, und schon gar nicht die größte.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP/DVP und der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Ein bisschen diffe- renzieren sollte man bei den beiden aber schon! Das würde ich so nicht unterschreiben!)
Herr Kollege Junginger, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie jetzt deutlich gemacht haben, dass die SPD, seit sie nicht mehr den Bundesinnenminister stellt, allmählich auf den Weg rechtsstaatlichen Denkens zurückkehrt.
(Beifall der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP – La- chen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)
Das Gleiche gilt für Herrn Sckerl, der so getan hat, als hätten er und seine Freunde von dem, was Herr Schily alles ausgeheckt hat, nichts gewusst.
Herr Kollege Blenke, wir stehen zu dem, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Wir sind auch mit Ihnen der Auffassung, dass die Polizei für ihre gute Arbeit die richtigen politischen Rahmenbedingungen braucht. Deswegen ist uns auch klar, dass wir unser Polizeigesetz veränderten Bedingungen anpassen müssen. Aber wir werden das in aller Behutsamkeit und in gutem Einvernehmen tun.
Der Innenminister hat hier noch einmal klar gesagt, reflexartiges Reagieren sei der falsche Weg. Diese Aussage teilen wir. Vielen Dank für diese sachbezogene Darstellung.
Lassen Sie mich noch folgenden Hinweis geben. Heute Morgen ist gesagt worden, es finde keine Schulsozialarbeit statt. Das ist jetzt nicht mein Thema. Wir haben heute ja noch Gelegenheit, darüber zu sprechen. Aber wenn sich das Land aus einem Bereich zurückzieht, der eine originäre kommunale Aufgabe ist, heißt das doch nicht, dass in diesem Bereich nichts mehr stattfinden würde. Vielmehr findet Schulsozialarbeit in breitem Maß statt.
Sie müssen doch Folgendes sehen: In der Zivilgesellschaft ist es wichtig, dass wir die Verteidigung und den Schutz der Rechte und der Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger nicht allein der Polizei überlassen. Vielmehr müssen wir dies als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachten. Dazu brauchen wir ganz dringend auch eine gesamtgesellschaftliche Ächtung der Gewalt gegen Personen.
(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Von rechts und von links!)
Ja. – Da „verludern“ bei uns nach und nach die Sitten. Dem muss man ganz klar einen Riegel vorschieben.
Herr Sckerl, auch ich hoffe, dass die Demonstrationen beim G-8-Gipfel friedlich verlaufen. Aber die Erfahrung lehrt leider, dass bei solchen Veranstaltungen ein so hohes gewaltbereites Potenzial vorhanden ist, dass man einen friedlichen Verlauf eben nicht garantieren kann. Deswegen ist es auch notwendig, dass unsere Bereitschaftspolizei ins ferne Mecklenburg-Vorpommern fährt – nicht einmal, sondern immer wieder einmal, weil die Frau Bundeskanzlerin dort ihren Wahlkreis hat –,
um bei bestimmten Veranstaltungen mit einzuschreiten. Bei uns im Land wird die Bereitschaftspolizei für solche Aufgaben glücklicherweise, weil die Menschen hier vielleicht etwas vernünftiger sind, nicht so oft benötigt.
Ich meine auch, dass wir darauf achten müssen, dass die Potenziale bei unserer Polizei insgesamt gut verteilt und gut eingesetzt werden.
Ich will noch einmal sagen: Die Freie Demokratische Partei wird nicht dafür sein, dass wir – egal, in welchem Bereich – in großem Umfang neue Stellen schaffen. Das geht einfach nicht. Denn wir sind es unseren nachfolgenden Generationen schuldig, dass wir das Ziel der Nullnettoneuverschuldung erreichen. Wir sind auf gutem Weg dahin.
Aber wir können umschichten. Wir müssen den Staatshaushaltsplan immer wieder darauf abklopfen: Wo können wir
Umschichtungen vornehmen, um auch den Einstellungskorridor für die Polizei zu verbreitern? Da gibt es viele Möglichkeiten. Der Innenminister ist ja ein kreativer Mensch. Ihm wird da schon etwas einfallen.
Wir müssen auch überlegen, ob wir Stellen von der Bereitschaftspolizei zu den Dienststellen vor Ort umschichten können, damit wir dort höherwertige Stellen bekommen.
All dies sind Möglichkeiten, die wir ergreifen müssen, um die Sicherheitslage in unserem Land noch weiter zu verbessern.
Ich will auch noch Folgendes sagen: Hier ist zu Recht der Vandalismus im öffentlichen Raum beklagt worden. Da kann man nur an die Kommunen appellieren, ihre Ordnungskräfte nicht nur zur Überwachung des ruhenden Verkehrs einzusetzen, sondern auch darauf zu achten, dass das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger nicht als etwas angesehen wird, was zur Zerstörung freigegeben ist.
Ich will noch einmal zusammenfassen: Wir können feststellen, dass unsere Polizei sehr gute Arbeit leistet. Dafür sind wir ihr sehr dankbar. Wir haben eine Sicherheitspolitik in diesem Land, die ihre Hausaufgaben erfüllt hat und weiter erfüllen wird. Wir werden darauf achten, dass dies so bleibt und Baden-Württemberg weiterhin das sicherste Bundesland bleibt.
Für die Landesregierung erteile ich noch einmal dem Herrn Innenminister das Wort mit der Bitte, sich kurz zu fassen. Andernfalls müsste ich den Fraktionen zusätzliche Redezeit geben.