Protokoll der Sitzung vom 26.04.2007

Zum Zweiten müssen wir den unterschiedlichen Entwicklungen im Land Rechnung tragen. Denn auch innerhalb Baden-Württembergs sind die Entwicklungen sehr unterschiedlich. Doch auch da haben Sie nichts Neues zu bieten. Sie ge

hen nach wie vor mit der Gießkanne übers Land, streuen die Mittel aus und ignorieren den wachsenden Bedarf an bezahlbaren Mietwohnungen für normal verdienende Familien in den Ballungsräumen. Da haben Sie nichts mehr übrig. Deshalb lautet der zweite Grundsatz, dass jedes Förderprogramm des Landes die unterschiedlichen Entwicklungen der regionalen Wohnungsteilmärkte des Landes zu beachten hat.

Drittens ist der zu versorgende Kreis zu berücksichtigen. Hierbei ignorieren Sie völlig, was der Städtetag unterstreicht: dass wir ein gleichbleibend hohes Niveau in den Notfallkarteien der großen Städte haben. 3 000 Fälle sind es in Stuttgart, davon 1 500 akute Notfälle.

Man kann sich doch vorstellen, wie das ist, wenn eine vierköpfige Familie in einem Zimmer wohnen muss – nicht in einem Zimmer wohnt, weil sie es will, sondern weil sie es muss –, weil die Stadt nicht in der Lage ist, ihr ein anderes Wohnungsangebot zu machen.

So geht es reihum. Die einzige Ausnahme im Land BadenWürttemberg ist die Stadt Mannheim.

(Abg. Winfried Mack CDU: In Mannheim gibt es ein ausreichendes Angebot! – Zuruf des Abg. Klaus Die- ter Reichardt CDU)

Deshalb verlangen wir in diesem Gesetzentwurf, dass sich die Wohnungsförderungspolitik des Landes an diesen besonderen Anforderungen des zu versorgenden Personenkreises orientiert.

Als vierter Grundsatz gilt, dass die Förderprogramme des Landes die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen voranbringen müssen. Es ist gut, dass Sie jetzt endlich auch bereit sind, auf die Fehlbelegungsabgabe zu verzichten; denn diese ist eine Abgabe zur Vertreibung von Familien, die wir als stabilisierende Faktoren in diesen sozial schwierigen Wohnquartieren brauchen.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Aber keine Leer- stände wie in Mannheim!)

Es ist immer besser, man stabilisiert sich gegenseitig, als dass man Sozialarbeiter in die Quartiere schickt. Deshalb ist es notwendig, dass auch Familien, die aus den vorgegebenen Einkommensgrenzen herauswachsen, dort wohnen bleiben, dass wir neue Belegungsmöglichkeiten für die Wohnungsgesellschaften schaffen und dass wir auch differenzierte Einkommensgrenzen setzen; denn auch die Einkommen sind in den Teilräumen des Landes unterschiedlich.

Als fünften Grundsatz verlangen wir einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt, insbesondere flächensparendes Bauen, die Beachtung ökologischer Anforderungen, die Senkung des Energie- und Wasserverbrauchs und die Verwendung ökologisch vorteilhafter, gesundheitsverträglicher Materialien.

Als sechsten Grundsatz fordern wir eine engere Verzahnung der Wohnraumförderung mit der städtebaulichen Entwicklung, mit der Städtebauförderung. Denn meistens geht dies ja Hand in Hand und sollte deshalb nicht isoliert voneinander betrieben werden.

Als Siebtes stellen wir den besonderen Beitrag genossenschaftlichen Wohnens für die Wohnversorgung heraus, d. h. wir wollen bei der Förderung auch eine stärkere Berücksichtigung der Sicherheit des lebenslangen Wohnens in einer Wohneinheit erreichen.

Als achten Grundsatz wollen wir die Entwicklung und Umsetzung neuer experimenteller und zukunftsorientierter Konzepte berücksichtigt haben.

(Abg. Dr. Carmina Brenner CDU: Das kommt doch alles!)

Der neunte Grundsatz ist ganz wichtig für die Städte und Gemeinden, aber auch für die Wohnungsgesellschaften, damit diese mehr Flexibilität bekommen. Die Städte sollen sich mit eigenen Programmen an den Bedürfnissen konkret vor Ort orientieren können, und die Wohnbauförderung des Landes soll hierfür nutzbar gemacht werden. Das heißt: Nicht die Städte sollen ihre Konzepte den Vorstellungen der Landesregierung anpassen, sondern die Landesregierung soll mithelfen, vor Ort entwickelte Konzepte zu realisieren.

Als zehnten Grundsatz fordern wir, die Gelegenheit zu nutzen, nun wirklich zu entbürokratisieren.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Oh!)

Die Antworten der Wohnungsgesellschaften liegen in Ihrem Haus bereits vor. Die Wohnungsgesellschaften hat der helle Schlag getroffen, als sie Ihren Vorentwurf zugesandt bekommen haben. Sie haben Ihnen geschrieben: „Ändern Sie das; wir können nicht noch mehr Bürokratie gebrauchen.“

(Abg. Ingo Rust SPD: Was? Das von der FDP?)

Dabei geht es z. B. um die Feststellung, mit wem eine Wohnung belegt werden darf, wie man nachweist, dass sie belegt ist, was man alles an das Ministerium oder an das Regierungspräsidium schicken muss.

Gehen Sie bitte auf die Vorstellungen ein. Wir haben das versucht und haben deshalb auch sehr positive Rückmeldungen aus der Wohnungswirtschaft in Baden-Württemberg erhalten. Wir haben sehr positive Rückmeldungen vom Städtetag,

(Abg. Ingo Rust CDU: Aha!)

wir haben sehr positive Rückmeldungen vom Deutschen Mieterbund.

Deshalb täten Sie gut daran, bei der weiteren Beratung über die gesetzlichen Grundlagen der künftigen Wohnraumförderung des Landes Baden-Württemberg unseren Gesetzentwurf zur Grundlage zu machen und nicht das Papier, das aus dem Ministerium stammt, das – bisher jedenfalls – überwiegend auf Kritik gestoßen ist.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abg. Mack das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmiedel, das Beste an dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, der im Übrigen

einem entsprechenden Gesetzentwurf aus Bayern nachgebildet ist,

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Abgeschrieben!)

ist die Einleitung. Dort steht, dass seit 1. September 2006 eine neue Rechtsgrundlage für die Gesetzgebungskompetenz im Wohnungswesen besteht. In der Tat: Hierbei handelt es sich für die Wohnungsbaupolitik um ein einschneidendes Datum. Zu diesem Zeitpunkt nämlich hat sich der Bund aus der Wohnraumförderung verabschiedet, und zwar mit unser aller Zustimmung. Der Bund hat sich aus seiner Sicht aus der Wohnraumförderung verabschiedet. Das ist aus seiner Sicht Politikbeendigung in diesem Bereich. Dies ist auch gerechtfertigt.

Der Wohnungsbau war in der Nachkriegszeit und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine wichtige Aufgabe. Aber wir haben heute völlig unterschiedliche Verhältnisse in Deutschland. Weil dies so ist, hat der Bund konsequenterweise auch das Finanzvolumen deutlich zurückgefahren. Wir haben in Baden-Württemberg nach der Wiedervereinigung Jahr für Jahr 1 Milliarde DM für die Wohnraumförderung vom Bund erhalten. Heute sind es noch 24,5 Millionen € netto – also ein ganz geringer Betrag.

Wir haben im Osten der Republik teilweise einen Wohnungsüberhang. Wir haben für den Osten der Republik ein Wohnungsrückbauprogramm des Bundes. Das muss man sich einmal vorstellen. Wir haben in Niedersachsen und im Ruhrgebiet zum Teil zu viele Wohnungen. In solchen Situationen braucht man keinen Wohnungsbau, sondern muss man Wohnungen künstlich vom Markt nehmen, damit der Wohnungsmarkt überhaupt wieder funktioniert.

Deswegen war es vernünftig, die angesprochene Aufgabe an die Länder und Gemeinden zu geben. Auch war es vernünftig, das Subventionsvolumen zurückzufahren. Jetzt haben wir noch 24,5 Millionen € vom Bund –

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

nicht 42 Millionen € –, und zwar deswegen, weil der Bund sagt, dass wir das Geld noch bis zum Jahr 2013 bekommen und bis zum Jahr 2013 auch noch Altverpflichtungen des Bundes in Höhe von 125 Millionen € abbauen müssen.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Aus rot-grüner Zeit!)

Es ist nicht sicher, ob wir im Jahr 2014 überhaupt noch einen Euro bekommen.

(Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Aha! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Bayern erhält genauso viel und macht 20-mal so viel wie wir!)

Das ist die Situation, vor der wir stehen, die die beiden großen Fraktionen in der Berliner Koalition gemeinsam herbeigeführt haben. Deswegen rate ich Ihnen einfach, Herr Schmiedel, Ihre Reden einmal umzuschreiben. Sie halten immer noch die gleichen Reden wie vor zehn Jahren.

(Beifall des Abg. Thomas Blenke CDU)

Dies passt nicht mehr zur gegenwärtigen Situation.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU: Vergilbt! – Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist ja richtig kon- servativ sozusagen!)

Wir sind in der Wohnungsbaupolitik in eine Phase gekommen, in der der Wohnungsmarkt und die Wohnungsmärkte funktionieren müssen. Wir können eben nicht mehr durch Subventionen Defizite in einem nicht funktionierenden Wohnungsmarkt ausgleichen.

Deswegen ist der wichtigste Punkt: Wenn es nicht attraktiv ist, zu vermieten – das kann man nur jedes Mal wieder sagen –, werden die Mieten immer weiter steigen. Deswegen müssen wir gerade beim Mietrecht – die Koalition in Stuttgart hat ja eine entsprechende Initiative gestartet – zu Verbesserungen kommen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Die ist doch kläglich versandet! Im Papierkorb des Bundesrats gelandet!)

Deswegen ist die Initiative nicht weniger richtig.

(Lachen des Abg. Claus Schmiedel SPD – Abg. Claus Schmiedel SPD: Die hat es ja nicht einmal ins Ple- num des Bundesrats geschafft!)

Wenn der Staat zu Subventionen greift, kann er sie bei dem wenigen Geld, das wir noch haben, nur noch gezielt einsetzen. Er muss auch Schwerpunkte setzen. Herr Schmiedel, wir haben in diesem Jahr den Schwerpunkt „Familienland BadenWürttemberg“ gesetzt. Wir wollen, dass Familien mit Kindern Wohneigentum in Baden-Württemberg erwerben können, und haben dafür ein ausgesprochen attraktives Programm aufgelegt. Dafür geben wir immerhin einen Betrag von 48 Millionen € aus. Dieses Programm kann sich sehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir haben in diesem Jahr – ich sage ausdrücklich: in diesem Jahr – nicht mehr den sozialen Mietwohnungsbau. Wir haben uns das genau überlegt. Wenn man nur sehr wenig Geld zur Verfügung hat, muss man sich überlegen, was man mit dem Geld anfangen kann. Betrachtet man die Situation, stellt man fest, dass nur ganz wenige Städte in Baden-Württemberg – wirklich nur ganz wenige Städte, nicht Mannheim – überhaupt noch einen Bedarf nach alten Grundsätzen geltend machen können, und zwar in begrenztem Umfang.