Protokoll der Sitzung vom 24.05.2007

Abschlüsse zu definieren. Wir haben Standards und Kompetenzbeschreibungen konsequent zur Grundlage der Unterrichtsplanung, der Qualitätsentwicklung im Unterricht gemacht. Ich glaube, dass wir damit weiter sind als alle anderen. Wir können in diesem Prozess große Chancen sehen. Wir sollten von diesem Prozess nicht auf Strukturdebatten hin ablenken. Auch dafür habe ich Zeugen aufgeführt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Wenn es so wäre, dass wir kein Potenzial mehr für Veränderung hätten, das uns den gewünschten Ergebnissen näher bringt, dann müsste man die Frage, die Sie gestellt haben, in Ihrem Sinn beantworten. Aber jetzt sage ich Ihnen einmal, was außer den neuen Bildungsplänen noch alles auf dem Weg ist. Vielleicht erinnern Sie sich dann daran, dass Sie – nicht Sie persönlich, aber andere aus Ihrer Fraktion und aus der Fraktion der SPD – immer wieder sagen, dass zu viel angefangen werde.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Genau!)

Wir haben die Ausschreibungen für das Bildungshaus für Drei- bis Zehnjährige herausgegeben. Wir sammeln konkrete Erfahrungen – am 15. Juni 2007 ist die Ausschreibungsfrist abgelaufen – für das längere gemeinsame Lernen, indem wir Modelle entwickeln, wie Kindergärten und Grundschulen sehr eng miteinander vernetzt werden können.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das ist ganz wesentlich für die Frühförderung.

In die Optionen zur Schulentwicklung vor Ort haben wir ausdrücklich die Schulverbünde von Hauptschule und Realschule aufgenommen – mit umfangreichen übergreifenden Elementen: gemeinsame Schulleitung, Austausch von Lehrkräften, gemeinsame außerunterrichtliche Angebote, gemeinsame Unterrichtsangebote. Das alles ist möglich.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Das sind Krücken! – Abg. Dr. Frank Mentrup SPD: Nur im Ergänzungs- bereich! – Gegenruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Stimmt doch nicht! Sie wollen es einfach nicht wahrhaben!)

Nein! Das ist nicht richtig. Es gibt auch die Möglichkeit zu gemeinsamen unterrichtlichen Projekten. Das sind keine „Krücken“! Es sind ganz konkrete Erfahrungen, die wir über Schularten hinweg sammeln werden. Wir haben solche Maßnahmen an anderer Stelle eingeführt. In den Kooperationsklassen zwischen Hauptschulen und beruflichen Schulen funktioniert das hervorragend. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die die größten Leistungsprobleme haben, bekommen auf einmal zu einem ganz großen Prozentsatz Lehrstellen, weil diese Zusammenarbeit der Schularten funktioniert.

Wir haben die Schulen für Partner der außerschulischen Bildung geöffnet. Wir wollen, dass diese Entwicklung weitergeht, dass wir nicht nur aus der Substanz des Unterrichts heraus Schule halten, sondern auch mit außerschulischen Partnern. Das alles sind Ansätze, die verfolgt werden.

Der Aufstieg auf unterschiedlichen Wegen, lieber Herr Kretsch mann, betrifft eben nicht nur die Realschule und das berufliche Gymnasium.

(Beifall der Abg. Volker Schebesta CDU und Beate Fauser FDP/DVP)

Es geht auch um die Hauptschule und die Berufsfachschule. Die zweijährige Berufsfachschule führt zur Mittleren Reife. Es gibt die Möglichkeit, über das Berufskolleg zur Fachhochschulreife zu kommen.

(Zuruf des Abg. Winfried Kretschmann GRÜNE)

Es gibt die Möglichkeit, im Weiteren zum Abitur und zur allgemeinen Hochschulreife zu kommen. Wir haben viele Chancen geschaffen, und wir lassen uns diese Chancen nicht schlechtreden oder sie gar in einem allgemeinen Wunsch nach veränderten Schulstrukturen untergehen, die nichts von dem auffangen, was wir an konkreten Chancen geschaffen haben.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie noch Nachfragen der Frau Abg. Rastätter und des Herrn Abg. Lehmann?

Ja.

Bitte, Frau Abg. Rastätter.

Herr Kultusminister Rau, dürfen die Hauptschüler und die Realschüler in einem solchen Schulverbund einen gemeinsamen Unterricht in allen Fächern besuchen? Werden sie dort bis zum Ende der Schulzeit differenziert gefördert?

Frau Rastätter, es ergibt keinen Sinn, bei zwei vorhandenen Schularten zu sagen: Der Unterricht ist für alle der gleiche.

(Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Dem Förderbegehren kann besser entsprochen werden, wenn man ein unterschiedliches, ein differenziertes Angebot macht.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Sie haben ja noch nicht einmal die Frage verstanden, Herr Rau!)

Ich habe die Frage sehr wohl verstanden.

(Abg. Christine Rudolf SPD: Nein!)

Aber es wird auch möglich sein, dass Schülerinnen und Schüler wechseln und dass sie Erfahrungen im Unterricht an der anderen Schule sammeln, damit sie selbst sehen können, wo sie in ihrer Entwicklung stehen.

(Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Aha!)

Aber es wird keine Auflösung der Schulstrukturen geben, sondern eine sehr enge, die Schularten übergreifende Kooperation, wie ich sie zuvor beschrieben habe.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Renate Rastätter GRÜNE: Eine Kooperation! – Zuruf von der CDU: Es muss doch einen Unterschied zur Ba- sisschule geben!)

Bitte schön, Herr Abg. Lehmann.

Herr Minister, ich teile ja Ihre Auffassung, dass es sicher wichtig ist, den Blick auch auf die innere Struktur und die Ausbildung in den Schulen zu lenken. Dort wird Qualität produziert. Müssen die Gesellschaft und die Politik aber nicht auch eine Antwort darauf finden, wenn gemäß einer repräsentativen Umfrage lediglich 9 % der Personalchefs der Ansicht sind, dass die Hauptschule die geeignete Vorbereitungsform für eine berufliche Ausbildung ist? Kann die Politik das einfach ignorieren, oder muss sie darauf nicht auch Antworten finden?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Handwerkskam- mer, IHK!)

Was jene 9 % der Personalchefs meinen, ist die Tatsache, dass diejenigen, die schwächere schulische Ergebnisse aufweisen, schlechtere Chancen haben. Das gilt für jedes Schulsystem,

(Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: So ist es! Genau!)

unabhängig davon, wie differenziert es ist oder was zusammengelegt wird.

(Zuruf des Abg. Stephan Braun SPD)

Der Punkt ist, dass mehr Chancen entstehen müssen. Die Aussichten dafür sind gut. Ich gehöre dem Innovationskreis „Berufliche Bildung“ bei der Bundesbildungsministerin an. In diesem Zusammenhang wurde bis vor Kurzem immer darüber gesprochen – –

(Abg. Christine Rudolf SPD: Das ist ja überra- schend!)

Nein. Ich bin in der KMK der Sprecher der CDU-regierten Länder für das Themenfeld „Berufliche Bildung“. Das hat mit nichts anderem zu tun, Frau Rudolf.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Bis vor Kurzem hat man in diesem Kreis nach dem Motto diskutiert: „Wen können wir nicht gebrauchen?“ In der letzten Sitzung haben auf einmal die Vertreter des Industrie- und Handelskammertags, des Handwerkskammertags und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände davon gesprochen, dass die demografische und die wirtschaftliche Entwicklung ja sehr viel genauer beachtet werden müssten, dass man Personalausbildung auf Vorsorge betreiben müsse, dass man einen Facharbeitermangel kommen sehe und man sich deswegen wieder um alle kümmern müsse.

Ich habe die begründete Hoffnung, dass sich die Ausbildungschancen in diesem Jahr und in den kommenden Jahren verbessern. Das wird in ganz erheblicher Weise Druck gerade von den Schülern nehmen, die aufgrund ihrer Leistungen für die Personalchefs, die Sie zitiert haben, nicht erste Wahl sind.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Nachfrage des Herrn Abg. Kretschmann?

Ja.

Bitte schön.

Herr Minister, Sie haben die entscheidende Frage nicht beantwortet, warum Sie solche Basisschulen nicht als Modellschulen zulassen – die Durchführung solcher Modelle wäre eigentlich das normale Verfahren, um schließlich zu entscheiden, was der richtige Weg ist –, warum Sie sich dem verweigern. Was sind die Gründe dafür?

(Abg. Volker Schebesta CDU: Leistungsvergleiche machen wir! Jetzt schauen wir einmal!)

Wir haben deswegen die Längsschnittstudie mit Sachsen angeregt, weil dieses Land ein anderes System als Baden-Württemberg hat. Sachsen ist auch aus einem anderen System gekommen. Diesen Fakten wollen wir uns stellen.