Dann stimmen wir darüber ab. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. –
(Abg. Ute Vogt SPD: Jetzt sagt einmal! – Abg. Wolf- gang Drexler SPD: Das ist ja nun wirklich lächer- lich!)
(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Dann machen wir eben einen neuen Antrag! Sag einmal! Was ist das für ein parlamentarisches Verständnis? Das ist das Letzte! Unglaublich! – Abg. Reinhold Gall SPD: Man kann es auch übertreiben! Das ist eine Borniertheit! – Abg. Ute Vogt SPD: Angst vor der Debatte! – Lebhafte Un- ruhe)
Meine Damen und Herren, nachdem die Überweisung des Antrags an den Finanzausschuss abgelehnt worden ist, muss jetzt in der Sache entschieden werden. Das heißt, wir stimmen jetzt über den Antrag ab.
Wer dem Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 14/853, zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Erklärung zur Abstimmung! – Gegenruf der Abg. Ute Vogt SPD: Nein! Es gibt jetzt keine Erklärung zur Abstimmung mehr! Das ist jetzt erledigt! – Unruhe)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben genau gesagt: Wir wollen das Ergebnis der Arbeitsgruppe abwarten.
Zu sagen, eine Ausschussberatung könne eine Arbeitsgruppe beflügeln, ist der Sache meines Erachtens nicht unbedingt förderlich.
Wir haben unsere Aspekte hier dargelegt und deutlich gesagt: „Wenn die Arbeitsgruppe ihr Ergebnis vorgelegt hat, werden wir entscheiden.“ Deswegen haben wir die Überweisung jetzt abgelehnt.
Große Anfrage der Fraktion der SPD und Antwort der Landesregierung – Haltung des Ministerpräsidenten und der Landesregierung zur Einführung einer Pkw-Vignetten-Maut in Baden-Württemberg oder im gesamten Bundesgebiet – Drucksache 14/889
Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Besprechung fünf Minuten je Fraktion, für das Schlusswort fünf Minuten.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Herbst letzten Jahres, pünktlich zum 11.11. um 11:11 Uhr, hat die CDU-Fraktion in Person des Herrn Kollegen Mack – manchmal stimmt „nomen est omen“, wenn man das noch mit einem e versorgt – das Land mit der Forderung nach Einführung einer baden-würt tembergischen Maut, also einer Art Schwabenmaut überrascht. Das war eine Forderung, die von den „Stuttgarter Nachrichten“ und dem ADAC damals zu Recht als – ich zitiere – „Rückfall in die Kleinstaaterei des Mittelalters“ bezeichnet wurde und – man höre und staune – sogar von der FDP/DVP milde als „wenig durchdacht“ kritisiert wurde. „Wenig durchdacht“ – meine Damen und Herren, dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden durch die von der CDU verfolgte Zielsetzung, als – ich zitiere – „zweitbeste Lösung für eine Übergangsphase“ eine Vignettenmaut einzuführen. Das haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen.
Aber mit dieser Vignettenmaut will die CDU ein Problem lösen, das wir analytisch in gleicher Weise sehen, nämlich die drastische Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur bzw., anders formuliert, die große Lücke zwischen verkehrlichen Wünschen und deren Finanzierbarkeit. Das Problem sei noch einmal kurz dargestellt: Im IRP für die nächsten fünf Jahre stehen für Baden-Württemberg Projekte für 3,1 Milliarden €; Straßenverkehrsprojekte in Höhe von 1,1 Milliarden € sind planfestgestellt. Dafür stehen uns jährlich ca. 200 Millionen € zur Verfügung. Das Land hat 1999 für Straßenbau, -erhalt und -unterhalt noch insgesamt 235 Millionen € bekommen. Heute, sieben Jahre später, sind es immerhin schon 500 Millionen €. Ich möchte darauf noch einmal hinweisen, um das klarzustellen.
(Abg. Winfried Scheuermann CDU: Wo? – Gegenruf der Abg. Nicole Razavi CDU: Geheime Kasse! – Zu- ruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU)
Klar ist: Seit die CDU nicht mehr in Bonn oder in Berlin über das Verkehrsministerium verfügt, fließen dem Land jährlich mehr Mittel zu.
Das veranlasst nun viele, nach einer Maut zu rufen – so auch die OECD, die das Ganze verbrämend ein neues System des Roadpricing nennt. Das ist ein Anglizismus, mit dessen Hilfe man das Abkassieren verschleiern möchte.
Meine Damen und Herren, wir von der SPD sind nicht denkfaul. Wir sind offen, über die Frage andersartiger Finanzierungsinstrumente für den Straßenbau zu diskutieren und den Status quo kritisch zu hinterfragen. Aber das sei klargestellt: Die Vignettenmaut kommt für uns nicht infrage. Das, was die CDU will, heißt, Not durch Elend zu ersetzen.
Wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, über neue Wege nachdenken, lassen Sie uns doch gleich die beste Lösung anstreben, wenngleich sie aktuell nicht zur Verfügung steht: eine streckenbezogene, nutzungsabhängige Finanzierung, eine Finanzierung, die auch den Anspruch der Nutzergerechtigkeit und der ökologischen Steuerung erfüllt. Wie gesagt, noch haben wir nicht die Möglichkeiten hierfür. Aber die SPD in Baden-Württemberg, diesem Hightechland, diesem Kernland des Automobilbaus, gibt sich nicht mit der zweitbesten Lösung zufrieden, jenem von der CDU angestrebten „Bäbber“. Das wäre technologische Steinzeit.
Was spricht gegen die Maut? Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das im Einzelnen auflisten. Die Maut bringt keine Mehreinnahmen. Derzeit haben wir ca. 50 Milliarden € aus Kfz- und Mineralölsteuer plus Lkw-Maut in den Staatskassen. Da das Ziel ist, die entsprechenden Steuern aufgrund der Einnahmen aus der Maut zu reduzieren, stehen letztendlich keine zusätzlichen Gelder zur Verfügung. Die Mittel könnten allenfalls, wenn man es wie in Österreich macht, benutzerbezogen verwendet werden.
Entscheidend aber ist: Sie schaffen eine neue Bürokratie, Sie schaffen eine neue Verwaltung durch eine dritte Säule der Finanzierung, nämlich die Maut. 10 % der Einnahmen – das dürften ca. 300 Millionen € sein – braucht man allein für die Verwaltung, stehen also dem Straßenbau nicht zur Verfügung. Das Land braucht nicht mehr, sondern weniger Verwaltung, mehr Investitionen anstelle von Bürokratie.
Dass die Rechnung nicht aufgeht, zeigt das Beispiel Ihrer Schwesterpartei, die ja dasselbe Ziel hat. Sie strebt eine Vignette an, die 120 € kostet. 120 €! Meine Damen und Herren auf der Tribüne, rechnen Sie das einmal durch, und vergleichen Sie, was Sie in Österreich und der Schweiz bezahlen.
Dafür, sagt Herr Beckstein – demnächst bayerischer Ministerpräsident –, könne bei der Mineralölsteuer eine Entlastung um 15 Cent pro Liter eintreten, was insgesamt einer Steuerentlas tung um 8 Milliarden € entspricht. Diese 120 € bringen aber nur 4,5 Milliarden € ein – es bleibt eine Lücke von rund 3 Milliarden €. Diese Differenz deckt Herr Beckstein mit dem Argument, wir hätten dann ja keinen Tanktourismus mehr. Das stimmt natürlich hinten und vorne nicht, und die Presse hat das zu Recht als ein Wunder, von dem alle profitieren sollen, bezeichnet.
Tanktourismus kommt vor; das ist unstrittig. Das ist eine Sache von grenznahen Orten, aber nicht ein globales Thema, wie auch in der Antwort auf die Anfrage gezeigt wird. Wurde für 2003 noch ein Steuerverlust von 700 Millionen € genannt, wurde uns für 2005 einmal der Betrag von 2,7 Milliarden €, ein anderes Mal der Betrag von 6 Milliarden € genannt. Es gibt keine verlässlichen Zahlen; alles ist reine Spekulation. Daher gibt es nur einen Schluss: Es gibt nur Spekulationen.
Und ein letztes Argument – ich komme nachher noch auf ein anderes zu sprechen – ist: Ausländer fahren kostenlos auf deutschen Straßen. Das ist ein Ärgernis, wenn wir anderswo bezahlen müssen. Aber deswegen eine Maut einzuführen, deren Aufkommen durch die Verwaltungskosten zum Teil auf
gefressen wird, macht keinen Sinn. Wir belasten uns dadurch selbst. Die Maut begünstigt die Vielfahrer. Diese werden subventioniert. Von daher sind die Vignetten finanziell, sozial und ökologisch nicht angemessen.
Der Fahrer eines Fiat 500 und die Fahrerin eines Smart zahlen gleich viel wie der Fahrer eines S-Klasse-Wagens.
Meine Damen und Herren, das Verursacherprinzip wird da auf den Kopf gestellt. Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine andere Form der Finanzierung. Zudem werden nun die Wenigfahrer auf belastete Straßen ausweichen.