Ich werde Ihnen sagen, welche Chancen ich in dieser Legislaturperiode sehe und welche ich nicht sehe.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen, meine Damen und Herren: Wir wissen auch, dass die Ziele des Bundesverkehrswegeplans bei dieser Finanzausstattung bis zum Jahr 2015 bei Weitem nicht erreicht werden. Jetzt erlebe ich fast jeden Tag – und das auch wieder fraktions- und parteiübergreifend –, dass Bundestagskollegen, Landtagskollegen an das Land herantreten und sagen: Wenn wir schon kein Geld für den Bau haben, dann sollte man wenigstens mit der Planung beginnen.
Ich verstehe diesen Wunsch, durch eine begonnene Planung Druck bei allen Maßnahmen des Vordringlichen Bedarfs auszuüben. Aber wenn wir schon heute sagen können, dass mit dieser Art der Finanzierung allenfalls die Hälfte der Maßnahmen des Vordringlichen Bedarfs bis 2015 realisiert werden, dann sollte man doch wenigstens Konsens darüber herstellen, dass es wenig Sinn macht, Maßnahmen des Weiteren Bedarfs jetzt zur Planreife zu führen. Eine solche Forderung kann man natürlich leicht stellen, weil das alles mit Landesgeld geschehen muss.
Meine Damen und Herren, woher soll das Geld für Neubaumaßnahmen, für Ausbaumaßnahmen, für Erhaltungsmaßnahmen kommen? Auch dazu eine kurze Aufklärung, weil wir auch da unterschiedliche Zahlen hören. Herr Haller hat recht, Frau Razavi hat recht. Sie spricht von Geld, das für Neubaumaßnahmen zur Verfügung steht – das sind rund 180 Millionen €, die wir pro Jahr bekommen –, und Sie, Herr Haller, sprechen von den Straßenbaumitteln, die insgesamt vom Bund kommen; das sind rund 500 Millionen €. Beide Zahlen sind also richtig.
Aber wenn wir fragen, wie es in der Zukunft weitergeht, ist doch die Frage wesentlich interessanter, wie viele Mittel wir
Woher soll das Geld kommen, meine Damen und Herren? Obwohl wir in Baden-Württemberg so gut sind und obwohl wir wirklich alles können, sollten wir die Welt nicht immer wieder neu erfinden,
sondern wir sollten einfach über den nicht mehr vorhandenen Grenzzaun unseres Landes schauen, vor allem nach Süden, nach Westen und gern auch weit herum in Europa. Dabei stellen wir fest, dass vor allem Österreich und die Schweiz, also Länder, in denen die Verkehrsinfrastruktur aufgrund ihrer Topografie außerordentlich teuer ist, in der Lösung ihrer Probleme wesentlich schneller vorankommen – aber nicht deshalb, weil deren Bundeshaushalte oder Staatshaushalte so extrem gut für den Verkehr aufgestellt wären, sondern deshalb, weil diese Länder vor Jahren umgesteuert haben, weg vom Haushalt und hin zu einer nutzerorientierten Finanzierung.
Übrigens – das wissen viele nicht – sind auch in unserem Straßennetz Neubaumaßnahmen außerordentlich teuer. BadenWürttemberg unterhält etwa 40 % aller Brücken und Tunnel in Deutschland.
Wenn wir sagen, wir sollten uns an Österreich, an der Schweiz und anderen europäischen Ländern orientieren, dann stehen wir nicht allein, meine Damen und Herren. Wir haben starke Verbündete im wissenschaftlichen Bereich. Die PällmannKommission – wahrscheinlich für Sie alle ein Begriff –, die seit dem Jahr 2000 weitreichende Vorschläge in dieser Frage macht, aber auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums unterstützen diesen Weg, den nicht nur die vorher genannten Länder, sondern auch andere Länder gegangen sind.
Ein erster Schritt ist getan – mit massiver Unterstützung; ich nenne stellvertretend nur den damaligen Verkehrsminister Ulrich Müller, der seinerzeit die Verhandlungen auf Bundesebene ganz wesentlich mitgeführt hat – mit der Entwicklung hin zur Lkw-Maut. Das war – das haben wir immer gesagt – ein Anfang und kein Schlusspunkt. Jetzt geht es um die Fahrzeuge mit einem Gewicht unter 12 t bis hin zum Pkw.
Wenn wir uns fragen: „Ist die Vignette oder aber ein Mautsys tem das Richtige?“, ist festzustellen: Wir haben mit Toll Col lect ein Gott sei Dank gut funktionierendes Mautsystem. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein solches System eine Million Fahrzeuge oder 45 Millionen Fahrzeuge – um nur die Zahl der inländischen Fahrzeuge zu nennen – bewältigen muss.
Experten sagen uns immer wieder, dass die Weiterentwicklung eines solchen Systems zu einem perfekten System Jahre – die Angaben schwanken zwischen sechs und zehn Jahren – dauert. Jetzt frage ich einmal: Sollen wir sechs, sieben oder zehn weitere Jahre warten?
Natürlich ist das Mautsystem das bessere System, weil es auch verkehrslenkend, verkehrsbeeinflussend wirken kann, weil Bezüge zur Umwelt herzustellen sind, Kollege Wölfle. Dem können wir viel Gutes abgewinnen. Aber wir müssen eben auch mit der entsprechenden Wartezeit rechnen. Hingegen wissen wir, dass die Vignette ganz schnell nach der Einführung wirkt. Innerhalb eines Jahres nach der Einführung der Vignettenpflicht kommt Geld in die Kasse, Geld, das wir dringend brauchen.
Deshalb sagen wir: Die Einführung der Vignette ist der zweitbeste Schritt – gar nichts zu tun, wäre der schlechteste –, um dann in wenigen Jahren zum besten Schritt zu kommen.
Danke schön. – Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, durch die Einführung der Vignette komme Geld in die Kasse, das wir dringend brauchten.
Der erste Punkt: Das Geld, das über die Vignette – übrigens später auch über die Maut – eingespielt wird, darf nicht mehr durch die Hände des Finanzministers gehen.
Das hat nichts zu sagen über den Einfluss der Politik darauf, welche Straßen dann gebaut werden. Aber es kann nicht sein, dass das Geld hierfür immer nur entsprechend der jeweiligen Haushaltssituation zur Verfügung steht. Wir wissen vom Bund,
vom Land, von überallher, dass, wenn ein Haushalt in Schwierigkeiten gerät, zunächst dort gespart wird, wo nicht zwingend gesetzlich vorgegebene Maßnahmen einzuhalten sind.
Der zweite Punkt: Wir wollen diese Verkehrsinfrastrukturgesellschaft stärken. Wir wollen sie kreditfähig machen. Wir erreichen damit vor allem, dass wir ausgeglichenere Jahresverkehrshaushalte bekommen. Es ist kaum vorstellbar, kaum nachvollziehbar und auch kaum bewältigbar, wenn jedes Jahr ganz unterschiedliche Geldmengen zur Verfügung stehen, die dann im Laufe eines Haushaltsjahres auch in Investitionen umgesetzt werden müssen. Dies ermöglicht keinen ausgeglichenen Personaleinsatz. In der freien Wirtschaft besteht haargenau das gleiche Problem: einmal Unterlastung, einmal Überlast. Wenn wir ausgeglichenere Jahreshaushalte haben, können wir viel sicherer, viel stabiler planen und viel effizienter arbeiten.
Der dritte Punkt ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt für diejenigen, die das Geld dann bezahlen müssen: Das Geld kommt von der Nutzung der Straße und muss ungeschmälert der Straße und nicht irgendwelchen anderen Haushaltszwecken zur Verfügung gestellt werden.
Vierter Punkt – und jetzt nähere ich mich Ihrer Frage, lieber Kollege Schmiedel –: Wie sieht es mit der Entlastung des Bürgers aus? Wir haben hier noch kein fertiges Konzept, und deshalb interessieren mich erste Berechnungen, die Bayern anstellt oder die andere Länder anstellen, zunächst einmal nicht. Wir sollten aber ernsthaft der Frage nachgehen, ob es Möglichkeiten gibt, den Bürger, den wir belasten, auch wieder zu entlasten. Da sind die Stichworte ja genannt worden. Es geht dabei um die Frage, ob die Kfz-Steuer abgeschafft oder doch reduziert werden soll. Was mir und was uns, dem Land, lieber wäre, das zielt auf die Mineralölsteuer. Denn wir haben das massiv wachsende Problem des Tanktourismus.
Wer in Grenznähe wohnt, kann beobachten, wie dieser Tanktourismus immer weitere Kreise zieht bis ins Hinterland hinein. Dabei sind es keine Beträge im niedrigen prozentualen Bereich, die dem Bundeshaushalt verloren gehen, sondern es geht um den gesamten Steueranteil jedes einzelnen Liters Benzin – und wir wissen ja alle, wie beträchtlich dieser ist.
Deshalb sollte man nicht sagen, das funktioniere alles nicht, sondern wir sollten dies wirklich einmal konkret ausrechnen, damit wir hinterher darüber reden können. Wir fordern den Bund ja immer wieder auf, hier mitzuziehen und gleichfalls zu überlegen, wie der Belastung des Bürgers auf der anderen Seite wieder durch eine Entlastung entsprochen werden kann, ohne dass dabei neue Löcher in den Bundeshaushalt gerissen werden.
Der nächste Punkt: Wenn es eine Vignette geben soll, dann muss das im Sinne einer besseren Akzeptanz eine zeitlich gestaffelte Vignette sein. Es sollte also nicht nach dem Beispiel der Schweiz für das ganze Bundesgebiet nur eine – sehr teure – Jahresvignette geben, sondern es sollten Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresvignetten angeboten werden.
Wenn wir uns also an diesem Vorschlag orientieren – wie gesagt, es ist der zweitbeste Vorschlag –, dann geschieht das auf der Basis des Gedankens von Leistung und Gegenleistung. Die eigentliche Gegenleistung für den Bürger ist ja nicht die Entlastung, die er durch eine Minderung der Kfz-Steuer oder der Mineralölsteuer zu erwarten hätte, sondern die eigentliche Entlastung für den Bürger besteht darin, dass endlich Lärm, Abgase, Gestank und andere Belästigungen aus den Innenstädten verschwinden und die Leute nicht noch weitere zehn oder 15 Jahre hierauf warten müssen.
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Rich- tig! – Abg. Claus Schmiedel SPD: Aber wo kommt dann mehr Geld her? Wo ist denn jetzt mehr Geld im Haushalt?)
Die Gegenleistung für den Bürger, und hier vor allem für den Verkehrsteilnehmer, die eigentliche Entlastung, ist dadurch erbracht, dass es weniger Staus gibt, dass man schneller vorankommt, dass der Verkehr schneller fließen kann und es nicht überall wieder zu Stockungen kommt.