Protokoll der Sitzung vom 27.06.2007

Ich nenne auch unseren Einsatz beim Thema Lkw-Überholverbot. Da haben wir den Bund und die Mehrheit der Länder momentan überhaupt nicht auf unserer Seite.

Das betrifft die Strategie, die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Die andere Strategie ist eine ganz konsequente Verkehrsüberwachung. Dies gilt übrigens in erfolgreicher Zusammenarbeit mit unseren Partnern außerhalb der Politik, mit der Aktion „Gib Acht im Verkehr“, mit der Verkehrswacht, mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat, mit den Verkehrs- und Automobilklubs und mit vielen mehr. Diese Überwachung erfolgt zielgruppenorientiert und ursachenorientiert.

Wir wissen allerdings, meine Damen und Herren – ich vermute, dass Herr Haller, wie er es angekündigt hat, wie bei der letzten Debatte wieder auf den Zustand unserer Straßen zu sprechen kommen und Unfälle darauf zurückführen wird –: Über 90 % der Unfälle passieren deshalb, weil sich die Verkehrsteilnehmer nicht an die Straßenverkehrsordnung halten.

(Abg. Hans-Martin Haller SPD: Das Einhalten muss man stärker kontrollieren!)

Der Zustand der Straßen ist in der Statistik vernachlässigbar.

(Abg. Ingo Rust SPD: Mehr Kontrollen! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Wir haben vor 14 Tagen in Baden-Württemberg in Zusammenarbeit mit den Kommunen flächendeckend eine sehr intensive Geschwindigkeitsüberwachung durchgeführt. Wir haben 60 000 Fahrer beim Überschreiten der Geschwindigkeit ertappt. Dabei ist besonders problematisch, dass über 3 400 Fahrer 40 km/h und mehr schneller als die erlaubte Geschwindigkeit gefahren sind.

Ich will uns allen und der Öffentlichkeit gegenüber ankündigen, dass wir diese Aktionen in Zukunft wiederholen. Das Hauptproblem ist nach wie vor das Thema Geschwindigkeit. Über die Forderung, flächendeckend Geschwindigkeitsbe

schränkungen einzuführen, kann man reden. Ich will aber sagen: Überall dort, wo gehäuft Unfälle passieren, wo Unfallschwerpunkte sind, gibt es bereits Geschwindigkeitsbeschränkungen. Schauen Sie sich einmal an, wie viele Straßenkilometer bei uns – das ist die große Mehrheit – mit Geschwindigkeitsbeschränkungen belegt sind.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Für Lkws, die bei den Unfällen ein Hauptproblem darstellen, bestehen generell Geschwindigkeitsbeschränkungen. Man kann die Geschwindigkeit beschränken, aber ich vermute, dass sich das bei den Unfallzahlen weniger entlastend auswirkt, als es ein Beitrag zur Entlastung der Umwelt sein kann.

Meine Damen und Herren, genauso erschreckend, wie die Erkenntnisse bei diesen Geschwindigkeitskontrollen waren, werden Erkenntnisse aus Kontrollen zur Einhaltung der Anschnall pflicht und beim Thema „Alkohol und Drogen“ sein. Mich als Verkehrsteilnehmer stört es zunehmend – ich weiß nicht, ob es Ihnen genauso geht –, wenn ich hinter Autos herfahre und sehe, wie schamlos die klare Vorgabe ignoriert wird, dass am Steuer nicht ohne Freisprecheinrichtung mit dem Handy telefoniert werden darf.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Richtig! Unglaublich! – Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Die Leute haben überhaupt keine Hemmungen mehr, das offen sichtbar zu tun. Jeder weiß aber, dass das ein Verstoß gegen die Vorgaben auf der Straße ist. Man kann beobachten, wie dieses Telefonieren auch die Fahrleistung des Fahrers mit seinem Fahrzeug beeinträchtigt.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Ich will zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein paar Sätze zu den Themen „Führerschein“ und „Begleitetes Fahren mit 17 Jahren“ sagen. Ich habe bereits vermutet, dass dieses Thema schon heute aufgegriffen wird. Ich will allerdings sagen, dass sich dieses Thema weniger dazu eignet, kurzfristig politisch zu punkten.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Es hat aber viel mit Verkehrssicherheit zu tun! – Gegenruf des Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das ist noch sehr um- stritten, Frau Berroth! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Es geht um die Hochrisikogruppe der Anfän- ger!)

So ist es, liebe Kollegin Berroth. Das Thema ist eher diskussionswürdig.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Die Schweiz macht das seit 55 Jahren!)

Es geht um einen langfristigen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit auf unseren Straßen.

Ich muss jetzt einmal die linke Seite des Landtags ansprechen, weil Sie einmütig für das begleitete Fahren mit 17 Jahren sind. Die gesetzliche Möglichkeit dafür hat eine rot-grüne Koalition geschaffen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Eine der wenigen guten Taten!)

Die frühere Mehrheit im Bundestag hat aus guten Gründen – in sieben Jahren sind ja ein paar wenige Sachen gut gemacht worden –

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr weni- ge! – Abg. Wolfgang Drexler SPD: Die Bundesregie- rung macht doch gerade die Politik mit uns weiter!)

nicht den Führerschein mit 17 Jahren eingeführt und die alte Regelung nicht abgelöst, sondern eine Phase des Ausprobierens geschaffen mit der Ankündigung, eine generelle Regelung erst 2011 treffen zu wollen. Wenn sie sich so sicher gewesen wäre, dass das begleitete Fahren mit 17 d i e Lösung ist, um eine höhere Verkehrssicherheit auf unseren Straßen zu erreichen, dann wäre es, muss ich sagen, unverantwortlich von einer rot-grünen Mehrheit auf Bundesebene gewesen, diese Regelung nicht sofort einzuführen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Föderalismus! Das sollen die Länder selbst machen! – Unruhe)

Aber zu Recht hat sie es nicht getan, weil man sich dort einig war, dass wir diese Regelung zuerst ausprobieren müssen.

Dann war die Ausgangslage geschaffen: Ein paar wenige Länder erproben diese Möglichkeit, dann ziehen wir Bilanz, und dann kommt eine generelle Regelung für Deutschland.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Frau Berroth, ich gebe wahrscheinlich die Antwort auf das, was Sie fragen wollen.

Zuerst wollten ein paar wenige Länder nicht abwarten, dann wollten das immer mehr Länder einführen; es ist fast ein Wettlauf entstanden, das begleitete Fahren mit 17 einzuführen, ohne die vereinbarten Bilanzen abzuwarten. Das hat natürlich auch für uns im Land eine neue Ausgangslage geschaffen.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: So ist es!)

Wer genau wissen will, was das Land vorhat, dem sage ich: Es gab überhaupt keinen Schlingerkurs, sondern ein Einstellen auf eine neue Situation. Wir haben in die Koalitionsvereinbarung hineingeschrieben, dass auch Baden-Württemberg an diesem Modellversuch teilnimmt, wenn uns Erkenntnisse aus anderen Ländern vorliegen.

(Zuruf des Abg. Wolfgang Drexler SPD)

Jetzt haben wir uns darauf eingestellt, dass diese Erkenntnisse Mitte dieses Jahres vorliegen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Im Mai!)

Wir haben da auch Daten genannt. Es ist aber alles weiter nach hinten verschoben worden. Inzwischen hat der Bund angekündigt, dass zum 31. Juli von der Bundesanstalt für Straßenwesen eine Zwischenbilanz vorgelegt wird – nicht früher, wie ursprünglich gedacht, sondern zum 31. Juli. Das ist für uns ein wichtiges Datum, kombiniert mit einem anderen Datum, nämlich Anfang August, wenn Niedersachsen – das erste Land, das in den Modellversuch eingestiegen ist – ebenfalls eine Zwischenbilanz vorlegt.

Dass das begleitete Fahren mit 17 in der Phase bis zum 18. Geburtstag positiv ausgeht, hat jeder vermutet. Das ist für uns nicht das Thema. Für uns ist vielmehr das Thema: Was geschieht dann, wenn diejenigen, die am begleiteten Fahren teilgenommen haben, nicht mehr begleitet am Straßenverkehr teilnehmen? Dazu warten wir jetzt den Zeitpunkt Ende Juli/ Anfang August ab. Die Landesregierung wird dann die Konsequenzen aus den gesammelten Erfahrungen ziehen, und zwar im Hinblick auf eine Regelung für Baden-Württemberg, die Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt.

Meine Damen und Herren, ich glaube, eine solche Debatte darf nicht ohne – –

(Abg. Rainer Stickelberger SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Es gibt eine Zwischenfrage.

Zunächst eine Zwischenfrage von Frau Abg. Berroth.

Herr Staatssekretär, ich wollte Sie nur fragen, ob Sie sich bewusst sind, dass in der Schweiz seit mindestens 55 Jahren ein flächendeckender Feldversuch zum begleiteten Fahren stattfindet und dass vermutlich die anderen Länder in Deutschland gute Gründe hatten, zügig einzusteigen.

Ich finde es schade, dass Baden-Württemberg da nicht an der Spitze ist, sondern am Schluss.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mir ist bekannt, dass es nicht nur Erfahrungen aus der Schweiz gibt, sondern genauso auswertbare Erfahrungen aus Österreich und aus Skandinavien. Diese sind aber nicht in allen Details auf das Modell übertragbar, das der Bund uns anbietet. Auch dem Bund war bekannt, dass es diese Versuche gibt; er hat aber nicht generell den Führerschein anders geregelt, sondern wollte ganz bewusst, dass das in einzelnen Ländern ausprobiert wird.

Herr Abg. Stickelberger.

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt einen sehr gestreckten Zeitplan für die Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 vorgelegt. Wie beurteilen Sie die Äußerung Ihres Ministerkollegen, des Staatsministers Stächele, der für eine unverzügliche Einführung des begleiteten Fahrens mit 17 plädiert und das Land auffordert, es solle ohne das Abwarten weiterer Gutachten sofort in das Modell einsteigen? Könnten Sie uns diesen Widerspruch bitte erklären.

Ich glaube nicht, dass das ein Widerspruch ist. Ich denke, dass Staatsminister Stächele mit diesem Zeitfahrplan sehr einverstanden ist, weil – das habe ich schon mehrfach gesagt – die Zukunft der jungen Generation in Baden-Württemberg nicht davon abhängt, ob diese Möglichkeit bei uns ein, zwei oder drei Monate früher oder später geschaffen wird.

(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Dann sind die aber alle 18!)