Protokoll der Sitzung vom 27.06.2007

(Abg. Reinhold Gall SPD: Das war ich!)

hilft uns zunächst einmal nicht weiter. Wir werden sehr genau analysieren, was noch zu tun ist.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Darum geht es! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Dass nicht alles in Ord- nung war, haben wir doch gesehen!)

Herr Kollege Oelmayer – –

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Herr Innenminis ter, braune Blöcke werden von der Polizei geschützt! Demnach wäre die Polizei offensichtlich in der La- ge, schwarze Blöcke von friedlichen Demonstranten fernzuhalten!)

Ich lasse das einmal als Zwischenruf zu, Herr Präsident. Es ist interessant, was der Kollege Oelmayer hier inszeniert. Wissen Sie, die Conclusio Ihres Zwischenrufs heißt: „Wenn es knallt, war die Polizei schuld.“ Das ist doch unglaublich.

(Beifall bei der CDU – Widerspruch bei der SPD und den Grünen – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Ja! – Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Nein!)

Doch. Es heißt, da habe die Polizei versagt.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE)

Also gut, auf Sie komme ich auch noch zurück. Lassen Sie mich Folgendes sagen:

(Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

Ich möchte angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingun gen – Kollege Oelmayer hat eben ein Spannungsfeld aufgezeigt; dazu komme ich noch –

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Da bin ich einmal gespannt!)

unserer Polizei, diesen 1 263 Beamtinnen und Beamten, die vor Ort waren, für ihr großes Engagement von diesem Haus aus ausdrücklich danken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Es ist schon bewundernswert, was da geleistet wurde. Stellen Sie sich einmal hin und lassen sich anspucken und anpöbeln

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das habe ich al- les gemacht!)

und versuchen dann, deeskalierend zu wirken.

Die Einsatzkräfte haben trotz der Brutalität, mit der sie konfrontiert waren, ruhig und besonnen agiert. Sie haben einerseits für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer sorgen müssen, andererseits gleichzeitig die Versammlungsfreiheit der friedlichen Demonstranten schützen müssen, und sie haben die Gewalttätigen herausfischen müssen. Das ist wirklich nicht einfach. Dass dies – bei allem, was dann dennoch passiert ist – in diesem Umfang gelungen ist, verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung. Ich habe mir große Sorgen um die Gesundheit unserer Polizeibeamten gemacht. 19 Einsatzkräfte aus Baden-Württemberg wurden während des Gipfels verletzt, zum Glück nur leicht. Aber in diesem Zusammenhang will ich

auch sagen: Es war die sehr gute Körperschutzausstattung für unsere Einsatzkräfte, die sich bewährt und die Schlimmeres verhindert hat. Ohne diesen massiven Schutz wäre die Zahl der Verletzten wahrscheinlich erheblich höher ausgefallen.

Meine Damen und Herren, die Polizei in Baden-Württemberg und auch die Polizeien anderer Länder waren auf diesen Gipfel vorbereitet. Wir haben vieles im Vorfeld gemacht, was dann auch Wirkung gezeigt hat. Unsere Philosophie ist aufgegangen. Die Linie ist ja bekannt: Wir dulden keine rechtsfreien Räume. Deshalb halte ich auch Ihre Forderung, Herr Kollege Blenke, die autonome Szene zu beobachten, für richtig. Diese Demonstrationen und die Deeskalationsstrategie bedeuten eben nicht, die Gewalttäter unbehelligt zu lassen. Wir sind im Gegenteil für null Toleranz gegenüber solchen gewalttätigen Demonstranten. Wir stehen für ein frühes und ein niederschwelliges Agieren der Polizei, und wir wollen den Rechts rahmen, der uns zur Verfügung steht, in vollem Umfang ausschöpfen.

Meine Damen und Herren, es ist nicht von der Hand zu weisen: Wir sind nicht blind, weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge.

(Beifall des Abg. Hagen Kluck FDP/DVP)

Das war unser Verfassungsschutz noch nie und unser Landes kriminalamt auch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Aber die Zahl der linksextremen Gewaltdelikte in BadenWürttemberg steigt, von 2005 auf 2006 stieg sie um 85 %.

Ich will es nicht ganz so stehen lassen – 85 %, das klingt beeindruckend. Man muss jedoch auch die absoluten Zahlen nennen, und dann relativiert es sich ein bisschen; das will ich der Fairness halber sagen. Aber die Zahl dieser Gewalttaten stieg immerhin von 54 im Jahr 2005 auf jetzt 100. Das macht deutlich, dass Linksextremisten in zunehmendem Maß bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt gegen den Staat und seine Einrichtungen durchzusetzen.

Die Polizei und der Verfassungsschutz haben 2006 insgesamt 685 Delikte mit linksextremistischem Hintergrund gezählt; das ist ein Anstieg gegenüber 2005 um 225 Delikte oder knapp 49 %. Auch das will ich relativieren – weil das einfach zur Wahrheit gehört –: Bei einem Teil dieser Delikte handelt es sich um Straftaten mit den verfremdeten Hakenkreuzen – Sie erinnern sich –, deren Verwendung nach der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom März ja nicht mehr strafbar ist, jedenfalls dann nicht, wenn eine deutliche Dis tanzierung vom Nationalsozialismus erfolgt. Etwa ein Viertel der linksextremistischen Straftaten ereigneten sich im Zusammenhang mit Demonstrationen, davon 127 gegen den Rechtsextremismus.

Die Zahl der Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken nimmt zu. Es kam im letzten Jahr 21-mal zu solchen heftigen Konfrontationen. Man könnte dabei mit Fug und Recht von Straßenschlachten sprechen. Unsere Polizei steht dann dazwischen. Man muss der Öffentlichkeit immer wieder deutlich sagen, weil die Akzeptanz für das Einschreiten der Polizei bei so etwas nachlässt: Wenn die Polizei bei Demons

trationen Rechtsradikale begleitet, dann doch nicht, weil sie etwa eine geistige Nähe zum Rechtsextremismus hätte, wie manchmal unterstellt wird. Vielmehr müssen wir sehen, dass, wenn die zuständigen Behörden und unabhängige Gerichte eine solche Demonstration wegen des hohen Stellenwerts der Meinungs-, der Demonstrations- und der Versammlungsfreiheit genehmigt haben, sich die Polizei an diese Rechtslage zu halten hat.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Aber für alle De- monstrationen gleichermaßen!)

Für alle gleichermaßen. – Die Einsätze sind häufig nur mit einem großen Kräftepotenzial durchzuführen.

Der Verfassungsschutz – damit Sie auch diese Zahl noch haben – schätzt das linksextremistische Potenzial in BadenWürttemberg auf 2 600 Personen; bundesweit sind es über 30 000. Die gewaltbereite Szene umfasst bundesweit ca. 6 000 Personen, davon 590 in Baden-Württemberg. Ich könnte auch noch regionale Schwerpunkte nennen, aber das würde den Rahmen dieser Debatte sprengen.

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, wir haben in Baden-Württemberg die Täter, die als gewalttätig gelten und durch Straftaten in erheblichem Umfang bei solchen Demonstrationen auffallen, in einer Datei erfasst. Wir brauchen dies aber bundesweit und – Herr Kollege Blenke, ich geben Ihnen recht – eigentlich auch europaweit. Bei der Fußball-WM hat dies hervorragend funktioniert. Da haben uns die Teilnehmerländer und fast alle europäischen Staaten Informationen über ihre „Kameraden“ geliefert, sodass wir wussten, wer da ankommt, und diese auch rechtzeitig ansprechen konnten. Das hat sich bewährt.

Ich halte das auch unter Gesichtspunkten des Datenschutzes für zulässig und auch für erforderlich, weil nur so überhaupt eine regelmäßige enge Zusammenarbeit zwischen dem Landeskriminalamt und dem Landesamt für Verfassungsschutz erfolgen kann. Um die überregional oder bundesweit agierenden Gewalttäter zu identifizieren und Vernetzungen zu erkennen, brauchen wir ein solches Projekt zur Auswertung von Daten über reisende linke Gewalttäter. Das machen wir jetzt. Auf dieser Basis, meine Damen und Herren, können wir dann auch mit Meldeauflagen, mit Platzverweisen, mit Hausarresten und notfalls auch mit Ingewahrsamnahmen agieren. Das meine ich, wenn ich sage, wir müssen das vorhandene Rechtspotenzial ausschöpfen. Das tun wir.

Was zukünftig noch erforderlich ist, werden wir sehen, wenn wir die Analysen erstellt haben. Wir müssen aber – ich sage es noch einmal – alle rechtlichen Möglichkeiten des Polizeigesetzes ausschöpfen. Dazu gehört die frühzeitige Identifizierung gewaltbereiter Personen. Das geplante Landesversammlungsgesetz für Baden-Württemberg – darauf will ich abschließend hinweisen – wird Regelungen, z. B. über die Kooperation zwischen Veranstalter und Behörden, sowie Rechtsgrundlagen für die Datenerhebung – etwa Videoaufnahmen – und für Beschränkungsmaßnahmen enthalten, welche zur Vermeidung eines gewalttätigen Demonstrationsverlaufs beitragen können.

Die Gebiete, auf denen wir noch besser werden müssen – ich habe es gesagt –, sind die europaweite Vernetzung und manch anderes.

Aber eines dürfen wir nicht tun, meine Damen und Herren: die Fakten verharmlosen und die Gefahr von links unterschätzen. Wir sehen augenblicklich ein Erstarken der gewaltbereiten linken Szene, und wir müssen und wir werden dafür sorgen, dass diese Chaoten bei uns keine Chance haben.

Meine Damen und Herren, zwei Bemerkungen veranlassen mich noch zu zwei kurzen Repliken.

Herr Kollege Gall, Sie haben den Bundesinnenminister angesprochen.

(Zuruf des Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE – Abg. Dr. Klaus Schüle CDU: Guter Mann!)

Wenn es einen Bundesminister gibt, der kein Regulativ braucht – und Gott sei Dank in der SPD in Berlin auch keines hat –,

(Abg. Reinhold Gall SPD: Abwarten!)

dann ist es der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Abwarten!)

Wissen Sie, Regulative braucht jemand, der sich nicht an Regeln und an rechtliche Grenzen hält. Da sollten Sie sich einmal mit dem vormaligen Bundesinnenminister unterhalten.

(Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Ich sage nur Otto-Katalog! Das war ein ehemaliger Grüner!)

Der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat ganz klar gesagt: Wir brauchen die Onlinerecherche; aber sosehr wir sie brauchen, wir werden sie nur einsetzen, wenn wir eine klare, saubere rechtliche Grundlage haben. Darin – insbesondere hinsichtlich dieser Voraussetzung – unterstütze ich ihn.

Zweite Bemerkung: Herr Gall, Sie haben die Frage aufgeworfen, ob der Ertrag des Gipfels den Aufwand rechtfertigt.

(Abg. Werner Wölfle GRÜNE: Das fragen sich viele in diesem Land! – Abg. Reinhold Gall SPD: Das fra- gen sich viele! Da bin ich nicht der Einzige!)

Da werde ich ganz blass.