Protokoll der Sitzung vom 28.06.2007

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Hervorragend!)

Ich will nicht, dass die anderen Länder schlechter werden oder schlecht bleiben. Ich will, dass wir vorn bleiben und andere Länder im Wettbewerb Anreize bekommen, ähnlich gut wie wir zu sein. Aber damit eine Wagenburg aufzubauen wäre falsch.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Da braucht man Win-win-Formeln. Da braucht man Anreize. Da braucht man Leistungsziele für alle, für Geberländer und für Nehmerländer. Daran arbeiten wir. Lieber Kollege Kretschmann und Kollege Drexler, Sie wissen: Wir meinen es ernst. Da können Sie mich beim Wort nehmen. Ich werde die Interessen Baden-Württembergs wahren, aber ein Nullsummenspiel wäre falsch. Deswegen ist eine kluge Moderation und die Bündelung aller Interessen notwendig, um einen gemeinsamen Nenner von Bremen bis Baden-Württemberg, vom Saarland bis nach Bayern zu finden. Dazu brauche ich Ihre konstruktive Mitwirkung; darauf setze ich. Aber dann ist Ihr Angriff bei den ersten Ideen meines Erachtens ungerecht. Ohne Ideen und ohne Konzepte gewinnt man in der Kommission außer Sitzungsstunden und Protokollen mit Sicherheit nichts.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Ste- fan Mappus CDU: Sehr richtig!)

Nachher, um 13 Uhr, kommt der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Barrot, zu uns nach Baden-Württemberg, nach Stuttgart. Heute Nachmittag kommt Herr Mehdorn hierher nach Stuttgart.

(Abg. Thomas Oelmayer GRÜNE: Das wird teuer!)

Das wird bei Mehdorn nicht so arg teuer. Wie teuer das wird, hängt davon ab, wie weit der von mir geschätzte Bundesverkehrsminister uns entgegenkommt. Und da er den Sozialdemokraten angehört, bin ich dankbar, dass Sie mithelfen. Aber mein Rat ist: Sagen Sie nie: „Der Oettinger hat sich bei Tiefensee zu nachgiebig gezeigt“; denn das hieße ja umgekehrt, dass Tiefensee hartleibig gegen Baden-Württemberg ist,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Michael Theurer FDP/DVP: So ist es!)

und Sie können nicht wollen, dass die SPD in Berlin gegen die Interessen Baden-Württembergs regiert. Denn dann sehen Sie hier im Land steinalt aus.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Ich habe das Projekt Stuttgart–Ulm nicht erfunden, aber ich bin von ihm überzeugt. Als ich im Dezember 2005 lesen durfte, dass die Europäische Union ein Förderprogramm für die europäische Schieneninfrastruktur auflegt, war mir klar: Wir müssen die Geschwindigkeit beschleunigen, damit Baden-Württemberg überhaupt in den Genuss der Förderung kommt.

Seit 19 Jahren liegt die Idee der Heimerl-Trasse auf dem Tisch. Seit 13 Jahren wird geplant. Ohne Erwin Teufel wäre es Rot-Grün gelungen, die Beerdigung bereits vor sieben Jahren stattfinden zu lassen. Sie wurde vermieden, aber es blieb ein Moratorium.

(Zuruf des Abg. Dieter Kleinmann FDP/DVP)

Seit 15 Jahren sind wir in der Planfeststellung, und wir sind weitgehend durch: Wir kennen den Boden, die Geologie, die Topografie; wir kennen die Risiken, wir haben Eigentum erworben, wir haben im Grunde genommen die Baureife fast erreicht. Da wir wollten, dass dafür europäische Mittel abrufbar sind, haben wir seit letztem Frühjahr auf Spitzengespräche

Wert gelegt. Jetzt steht die Entscheidung an. Am 20. Juli 2007 muss der Brief der Bundesregierung in Brüssel im Briefkas ten sein. Anfang Juli wird im Bundeskabinett entschieden. In den Stunden davor brauchen wir die Entscheidung: so oder so.

Klar ist: Wenn die baureife Trasse Flughafen–Wendlingen– Ulm nicht kommt, dann

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Gute Nacht um sechse!)

kommt für die hier anwesende Generation

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Nichts mehr!)

in der Schieneninfrastruktur während unserer aktiven Berufsjahre gar nichts mehr.

(Zuruf von der SPD: So alt sind wir noch gar nicht!)

Ich bin dankbar, dass Herr Tiefensee die Trasse seit einigen Wochen übernommen hat und sich gegen seine Beamten durchsetzen konnte.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hel- mut Walter Rüeck CDU: Es gibt noch lernfähige So- zialdemokraten!)

Übrigens: Um den tiefer gelegten Bahnhof in Stuttgart geht es mir aus Sicht der Landespolitik eher nur sekundär.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Aha! Dann lassen wir den doch sein!)

Mir geht es darum, dass vom Pragsattel bis nach Wendlingen 28 km Schiene neu gebaut werden, dass der Bahnhof am Flughafen neu gebaut wird.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Das ist das Ent- scheidende!)

Unsere Generation baut einen neuen Europabahnhof am Flughafen, an der Messe, an der Autobahn; dadurch gibt es ein Angebot nach Reutlingen und auch nach Tübingen, ein Angebot nach Ulm, ein Angebot nach ganz Baden-Württemberg. Um die Strecke nach Ulm kämpfen wir. Wenn die nicht kommt, kommt gar nichts. Denn der Weiterführungsfall ist eine Schimäre und blanke Illusion.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP sowie Abge- ordneten der SPD – Abg. Stefan Mappus CDU: Sehr gut! – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Bravo!)

Bei der Trasse Karlsruhe–Basel, die uns genauso wichtig ist,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Jawohl!)

bei der Rheintalbahn, sehen wir doch, was der Weiterführungsfall bringt: Einsprüche, Bedenken, Protest. So wie in Ras tatt, in Offenburg, in Freiburg, auf der Alpentrasse durch die Kernstädte zwei neue Schienen nie durchsetzbar sind –

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Zu Recht!)

oder glauben Sie im Ernst, dass der Bürger vor Ort es akzeptiert, wenn der ICE mit 140 km/h ohne anzuhalten durch Rastatt fährt? –, wäre die Schnellbahn, wäre der TGV, der von Paris kommt und nach München weiterfährt, in Bad Cannstatt, in Esslingen, in Plochingen auch nicht durchsetzbar, weil er nicht hält. Deswegen ist der Weiterführungsfall Schnee von gestern. Aber er ist noch immer Schnee auf dem Haupt der Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Wir haben bei Ihnen leider nichts erreicht. Aber ich bin dankbar, dass Herr Tiefensee eingesehen hat: Wenn etwas kommt, dann die Strecke Flughafen–Ulm mit den beiden Bahnhöfen. Das heißt, die Technik, die Trassenführung ist entschieden. Das war der erste Durchbruch, der im letzten Jahr gelungen ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Der zweite Durchbruch war, dass die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit, die der Bund noch im Oktober geäußert hat, jetzt ausgeräumt sind. Jetzt geht es „nur noch“ um viel Geld.

(Abg. Ute Vogt SPD: Genau!)

Da haben wir ein Problem in Baden-Württemberg:

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Eines?)

Der Bund steckt seit Jahren zu wenig Mittel in den Neubau von Schienenstrecken in Deutschland.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Unter den Grü- nen!)

Von dem Geld, das Herrn Tiefensee in der bisherigen langfris tigen Budgetplanung bis 2017 zur Verfügung steht, ist jeder Euro der nächsten neun Jahre durch Baumaßnahmen, die jetzt schon im Bau oder ausgeschrieben sind, verbaut. Das heißt, für irgendeine Zusage oder gar Investition in den nächsten neun Jahren hat er gar keine Mittel mehr zur Verfügung. Da kann man sagen: Wiedervorlage 2017. Wunderschön. Aber bis dahin wäre Baden-Württemberg abgehängt.

Deswegen werde nicht ich, sondern werden demokratisch die Regierung und der Landtag in den nächsten Wochen, von mir aus gern auch in außerordentlichen Sitzungen, entscheiden müssen, wenn die Verhandlungen mit Tiefensee und Mehdorn, der Stadt und der Region zu Ende sind und wir wissen, zu welchem Preis und mit welchem Risiko wir die Ausbaustrecke Flughafen–Wendlingen–Ulm bekommen, ob es uns für die Wirtschaft und die Arbeitswelt, für die Bürger und für die Europatauglichkeit Baden-Württembergs wert ist, diese Summe zu investieren und zu riskieren.

Das heißt, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Dann hat der Haushaltsgesetzgeber, der Landtag, das Wort. Ich baue darauf, dass verantwortlich entschieden wird. Aber auch dies gehört in unsere Bilanz. Wir haben bei diesem Thema in den letzten Monaten enorm viel getan – nicht wertelos, sondern linientreu. Ich glaube, dass dies einmal im Geschichtsbuch Baden-Württembergs stehen wird. Ich bin der Meinung, wir haben hier eine große Chance.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es!)

Wenn wir sie nutzen, wird dies für das Wachstum der Wirtschaft und die Beschäftigung der nächsten Jahrzehnte ein entscheidender Faktor sein.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Zur Bilanz gehört – nur nebenbei –, dass Baden-Württemberg zusammen mit Bayern – kein Problem – bei der Exzellenzini tiative des Bundes mit seinen Universitäten am besten abgeschnitten hat, dass wir die Studiengebühren eingeführt haben – sie halten vor Gericht und gewinnen an Akzeptanz. Ist Ihnen nicht aufgefallen, dass es nirgendwo so wenig Proteste und nirgendwo so maßvollen Dialog zwischen Studierenden und der Politik gab wie in Baden-Württemberg?