Protokoll der Sitzung vom 25.07.2007

Frau Abg. Bauer, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte schön.

Hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass genau im gleichen Zeitraum die wirtschaftliche Entwicklung anders verläuft, nämlich positiv? Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass die Zahl der Studienanfänger in wirtschaftlich guten Zeiten eher abnimmt. Hängt das vielleicht auch damit zusammen, dass sehr viele, die den Zugang zu einem akademischen Beruf suchen, zuerst über eine andere Ausbildung gehen? Haben Sie das un

tersucht, oder sind das einfach erste Aussagen, die Sie dem Kollegen Löffler genauso vorwerfen?

Bitte, Frau Abg. Bauer.

Ich habe das natürlich nicht persönlich untersucht. Aber Ihre Landesregierung hat das untersucht. Die Landesregierung selbst kommt zu dem Schluss: Der wesentliche Grund dafür, dass weniger Personen ein Studium aufnehmen können, ist die Zunahme lokaler Zulassungsbeschränkungen. Von Semester zu Semester werden mehr Studiengänge auf Bachelor und Master umgestellt. In diesem Zusammenhang kann die Zulassungszahl besser gedeckelt werden. Das erfolgt auch. Das ist der wesentliche Grund, den selbst die Landesregierung angibt. Auch bundesweit zeigt sich diese Entwicklung.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Abg. Klaus Tappeser CDU: Das hat aber nichts mit Studienge- bühren zu tun! – Abg. Karl Zimmermann CDU: Im- mer mehr machen eine Lehre und absolvieren danach ein Studium! – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Schüle CDU – Abg. Gunter Kaufmann SPD: Zweite Grafik in der zweiten Runde!)

Für die FDP/DVPFraktion erteile ich Herrn Abg. Bachmann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 4. November 1982, vor etwa einem Vierteljahrhundert, hat der damali- ge wissenschaftspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Hinrich Enderlein, in diesem Hohen Haus einen Antrag zur Refinanzierung von Ausgaben im Hochschulwesen eingebracht. Dieser Antrag beinhaltete zwei Elemente: zum einen ein nachlaufendes Modell, nach dem die Studierenden erst nach der Beendigung ihres Studiums zur Zahlung herangezogen werden sollten, und zum anderen eine sozialverträgliche Rückzahlung. Das heißt, erst dann, wenn man ein festes Berufsverhältnis hatte, sollte die Rückzahlung beginnen.

Das war vor einem Vierteljahrhundert Politik der FDP/DVP. Das ist eine nachhaltige Politik. Heute haben wir dies gemeinsam mit unserem Koalitionspartner verwirklicht.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Mar- tin Rivoir SPD: So lange dauert es!)

Dieser Ansatz ist nach unserer Auffassung ein sehr sozialer Ansatz. Ich habe mich gefreut, dass wir heute von der linken Seite dieses Hauses auch gegen die Studiengebühren keinen Protest mehr gehört haben.

(Beifall des Abg. Michael Theurer FDP/DVP)

Denn gerade aus sozialen Gründen müssten Sie doch viel stärker dafür eintreten, dass nicht eine Raumpflegerin über ihre Steuern das Studium von Topmanagern finanziert,

(Beifall der Abg. Dr. Ulrich Noll und Michael Theurer FDP/DVP – Abg. Gunter Kaufmann SPD: Um Gottes willen! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Wenn Sie den Schwachsinn noch ein paar Mal wiederholen, wird er auch nicht richtiger!)

sondern dass die Topmanager aus ihren bescheidenen Gehältern zumindest einen Teil ihres Studiums selbst finanzieren. Wir beschließen ein Umverteilungsmodell zulasten von Topmanagern

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

und zugunsten von Raumpflegern, und Sie protestieren immer noch. Was machen Sie eigentlich mit Ihren Stammwählerinnen und Stammwählern?

(Abg. Gunter Kaufmann SPD: Um Gottes willen! – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Nachdem wir gerade beim Thema Umverteilung sind: Lassen Sie uns einmal über die Umverteilung von Steuergeldern reden.

Die Pro-Kopf-Verschuldung in Brandenburg – dort ist Herr Platzeck Ministerpräsident – beträgt 7 357 €, und es gibt keine Studiengebühren. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Rheinland-Pfalz – dort regiert „König Kurt“ – beträgt 7 443 €, Studiengebühren null. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin beträgt 17 354 €, Studiengebühren null. Die Pro-Kopf-Verschuldung in Baden-Württemberg – hier regieren wir – beträgt 4 479 €, Studiengebühren 500 €. „Arm, aber sexy“, das ist Berlin, das ist Ihre Politik – und immer zulasten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie der Raumpflegerinnen und Raumpfleger aus Baden-Württemberg. Das machen wir nicht mehr mit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Wir alle kennen ja Herrn Schleicher von der PISA-Studie. Er hat hier in Stuttgart an der Universität Hohenheim einmal einen Vortrag gehalten, die soziale Durchlässigkeit von Bildungssystemen angesprochen und die USA gelobt.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

In den USA werden z. B. in Princeton 14 546 € pro Semester an Studiengebühren genommen; an der Universität, an der ich studiert habe, an der University of Minnesota Law School, sind es 5 112 €.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

Herr Schleicher sagt, da sei die soziale Durchlässigkeit größer. Warum sagt er das als Autor international anerkannter Studien? Weil dort die Stipendienangebote ganz anders sind. An meiner Universität gab es für eingeborene Amerikaner, für Amerikaner afrikanischer Abstammung sowie für alle anderen Minderheiten selbstverständlich Stipendien in ausreichen der Zahl. Auch für Frauen gab es genug Stipendien. Da nahm man die „affirmative action“, wie es dort heißt, sehr ernst. Es gab auch Studienkredite für sozial Schwache in ausreichen dem Umfang. Cash zahlen dort nur die Kinder reicher Eltern. Das ist ein Modell – ich sage es Ihnen ganz ehrlich –, an dem Sie sehen, wie über Studiengebühren – ich darf Schleicher noch einmal in Erinnerung rufen – auch Sozialpolitik betrieben werden kann.

Apropos Studienkredite: Ich will einräumen, dass ein Zinssatz von 7,05 % mit einer Kappungsgrenze bei 8,38 % ohne

ein Risiko – denn die schwierigen Kredite werden ja von einem Fonds, den das Land geschaffen hat, übernommen –,

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: Das stimmt nicht! – Abg. Carla Bregenzer SPD: Das ist der schlichte Wu- cher! Da verdient das Land dran!)

bei einem Nullrisiko – verglichen mit dem Immobilienmarkt, wo die Zinsen bei 4,5 % liegen und wo es Risiken gibt – vielleicht doch ein klein wenig hoch ist. Vielleicht kann die Landesregierung noch einmal mit der L-Bank darüber sprechen, ob man über diese Zinssätze nicht noch einmal nachdenken könnte.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

Zur Verwendung der Studiengebühren hat Ihnen Minister Professor Dr. Frankenberg am 13. Juli einen Zwischenbericht vorgelegt. Er wird Ihnen diesen gleich noch einmal erläutern. Kollege Löffler ist ja schon in vielen Punkten darauf eingegangen.

Ich kann aus den Gesprächen an den Hochschulen bestätigen, dass die Studiengebühren im Großen und Ganzen sinnvoll verwendet werden. Die Zufriedenheit der Studierenden ist übrigens dort am höchsten, wo sie in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Ich will für unsere Fraktion nur noch sagen, dass es uns ganz wichtig ist, dass diese Gebühren, wie das geschieht, für die Lehre verwendet werden. Für die Lehre wurden sie eingeführt, und für die Lehre sollen sie verwendet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Professor Dr. Frankenberg das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Studiengebühren stellen wirklich einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik dar – auch hinsichtlich der wirtschaftlichen Aspekte der Hochschulen. Deshalb ist es eine begrüßenswerte Debatte, die wir hier führen. Sie erfolgt vor dem Hintergrund, dass wir den Anspruch haben, in Deutschland, teilweise aber auch in Europa über die besten Hochschulen mit der besten Ausbildung, Forschung und Entwicklung zu verfügen. Dazu brauchen wir eine entsprechende Finanzierung. Wenn wir nun von den davon Begünstigten einen Eigenanteil von etwa 10 % verlangen, so, glaube ich, ist das ein sinnvoller Beitrag angesichts der natürlichen Begrenztheit der staatlichen Ressourcen.

Es ist unser Anspruch, dass die Studiengebühren letztlich denen zugutekommen, die sie zahlen, das heißt, dass sie zu einer Verbesserung der Studien- und Lehrsituation führen.

Bei aller Vorläufigkeit der Erfahrungen kann man einiges mit Sicherheit sagen. Die Akzeptanz der Studiengebühren steigt. Eine soziale Auslese ist derzeit nicht feststellbar.

(Lachen der Abg. Theresia Bauer GRÜNE und Car- la Bregenzer SPD)

Auf breiter Front gibt es Verbesserungen für Studium und Lehre. Die Aufwendungen für die Verwaltung der Studiengebühren sind weit geringer, als die Kritiker gewünscht und wir befürchtet haben.

Die Einführung der Studiengebühren – das kann man, wenn man auf die Hochschulen insgesamt blickt, schon jetzt sagen – stellt einen Erfolg dar. Es ist ein Erfolg der Nachhaltigkeit der Finanzierung der Hochschulen. Denn diese Studiengebühren bauen auf einer Sicherung der staatlichen Zuwendung über die nächsten acht Jahre, nämlich dem Solidarpakt, auf. Sie bauen auch auf auf der Zusicherung der Tarifsteigerungen und auf der Finanzierung zusätzlicher Studienplätze im Rahmen unseres Programms 2012 und im Rahmen des Hochschulpakts zwischen den Ländern und dem Bund. Beide Mittel reichen insgesamt, um die zusätzlichen Studienplätze zu finanzieren. Es sind nicht die jetzigen zahlenden Studierenden, die über ihre Studiengebühren die zusätzlichen Studienplätze der nächsten Generationen finanzieren.

Vieles wurde bereits in diesem Sommersemester über die Gebühreneinnahmen bewegt, von verlängerten Öffnungszeiten bei Bibliotheken, Studien- und Rechenzentren bis hin zur besseren Bücherausstattung und einer Verbesserung der Betreuungsrelation, durch zusätzliche Tutorien, aber auch durch die Verbesserung der Infrastruktur im EDV-Bereich. Dass dies natürlich nicht innerhalb nur eines Semesters überall von null auf hundert gelingt, ist selbstverständlich. Es wurde die Erfahrung gemacht, dass etliche Hochschulen ihre Vorhaben schneller, besser und transparenter umsetzten als andere. Das ist Anreiz und Ansporn für jene Hochschulen, die nicht zu den Best-Practice-Beispielen gehörten.

Einige Zahlen: Die Hochschulen haben insgesamt 90 Millionen € zusätzlich eingenommen. 15 % der eigentlich erwarteten Einnahmen entfielen aufgrund von Befreiungen, das heißt, wir haben knapp 15 Millionen € nicht eingenommen, zum Großteil aufgrund von Beurlaubungen. In der Regel fallen Beurlaubungen – und das ist auch sinnvoll – mit Urlaubssemestern im Ausland zusammen. Es wäre nicht sinnvoll, hier zu bezahlen und im Ausland zu studieren. Es gab in 300 Fällen einen Studiengebührenerlass oder eine Stundung aufgrund von Härtefallregelungen. In weiteren Fällen wurde zugunsten der Förderung besonders begabter Studierender von Fall zu Fall und unter den an der jeweiligen Hochschule geltenden Bedingungen die Studiengebühr erlassen.

Bei den Befreiungen aus besonderen Gründen schlagen die Erziehenden von Kindern besonders stark zu Buche, ferner befreite Behinderte

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Menschen!)

sowie die gebührenbefreiten dritten Kinder einer Familie.

Die Befreiung wegen Beurlaubung zeigt, in welch hohem Prozentsatz unsere Studierenden ins Ausland gehen. Das ist der Haupttatbestand, der dahintersteckt.