Bei 15 % weniger Neueinschreibungen gibt es natürlich überlagernde Effekte. Darauf hat das Wissenschaftsministerium auch deshalb zu Recht hingewiesen, weil wir die Situation haben, dass durch den Übergang zu Bachelor und Master viel mehr Studiengänge erst im Wintersemester und nicht zum Sommersemester beginnen, sodass der jetzige Zeitpunkt eigentlich nicht vergleichbar ist.
Das kann man hinterfragen. Man kann fragen, ob das gut und vernünftig ist, vor allem vor dem Hintergrund, dass dadurch natürlich die Spitzen der Wohnungsnot im Wintersemester immer größer werden und die Studentenwerke ganz erheblich darunter ächzen. Aber ich denke, dass wir heute noch nicht in einer Situation sind, in der wir wirklich schon abschließend bewerten können, welche Auswirkungen Studiengebühren in Baden-Württemberg haben.
Was wir haben, sind Erfahrungen aus anderen Ländern. Ich denke, das Land, das sich am besten für einen Vergleich eignet, ist Österreich. In Österreich war es einfach so, dass die Zahl der Neueinschreibungen mit der Einführung der Studien gebühren um 15 % zurückgegangen ist und das Land Österreich sich im Endeffekt bei seinen Studierendenzahlen von diesem damaligen Schock – ich nenne es einmal so – bis heute noch nicht erholt hat. Es ist natürlich zu befürchten – abschließend bewerten können wir es aufgrund der noch nicht vollständigen Datenlage im Moment nicht –, dass sich das hier in Baden-Württemberg analog wiederholen wird. Diese Befürchtungen sind nachvollziehbar und berechtigt.
Dann noch etwas anderes, Herr Kollege Löffler, zu den Studiengebührenkrediten. Ich verstehe schon, dass nur 2,5 % der Studierenden einen Studienkredit von der L-Bank in Anspruch nehmen, wenn man einen Kredit von 4 500 € bekommt und 7 233 € zurückzahlen muss. Es ist ja fast absurd, welche Summen hier von den Studierenden verlangt werden.
Klare und eindeutige Zahlen haben wir dazu nicht, weil es dazu, wie es auch das Wissenschaftsministerium zu Recht sagt, noch konkreterer und detaillierterer Untersuchungen bedarf. Die Folgen sind jedoch ganz eindeutig, dass entweder Mamas Geldbeutel oder Papas Geldbeutel herhalten muss, dass mehr gearbeitet werden muss oder dass die Leute sich eben dafür entscheiden, nicht zu studieren. Aber genau das kann ja nicht das Ziel sein, das wir hier in Baden-Württemberg verfolgen.
Dann noch etwas zum Thema Studiengebührenverwendung. Es ist natürlich richtig, dass durch die Studiengebühren jetzt erst einmal mehr Geld da ist. Aber bei der Anhörung, die wir als SPD-Landtagsfraktion vor zwei oder drei Monaten durchgeführt haben, hat sich schon deutlich gezeigt, dass 20 bis 25 % der Mittel an anderer Stelle gekürzt worden sind, und zwar vor allem dadurch, dass Sondermittel, die bisher vorhanden waren, einfach weggefallen sind.
Schauen Sie sich einmal dieses Flugblatt hier an, das von dem u-asta an der Uni Freiburg verteilt wird.
Auf diesem Flugblatt steht: „Anleitung zur Veruntreuung von Studiengebühren“. Ich hoffe, ich darf das zitieren, obwohl wir uns in einer Aktuellen Debatte befinden. Ich zitiere:
1. Nehmen Sie eine beliebige Ausgabe im Bereich Studium und Lehre (z. B. eine Zuweisung an die Universi- tätsbibliothek), die bisher jährlich aus dem zentralen Universitätshaushalt finanziert wurde.
gestiegene Heizkosten, Forschungsförderung oder andere gesetzlich aus Studiengebühren nicht erlaubte Ausgaben trotzdem zu tätigen.
Ich denke, dass die meisten Universitäten und Fachhochschulen das nicht absichtlich machen, aber die Situation ist einfach so: Wenn auf der einen Seite 20 bis 25 % der Mittel wegfallen – das sind die Zahlen, die wir einfach genannt bekommen –, dann ist einfach die logische Konsequenz, dass dieses Geld erst einmal fehlen wird. Wenn wir weiter in die Zukunft schauen – insbesondere bezüglich des Projekts „Hochschule 2012“, das ja im Grunde richtig ist und auch hier vom gesamten Haus unterstützt wird –, haben wir doch die Situation: Es geht hier um 300 Millionen €; das Land zahlt 150 Millionen €, und on top soll noch das Geld aus dem entsprechenden Bundesprogramm kommen. Aber da fehlt massiv Geld, und ich sage Ihnen hier – davon bin ich fest überzeugt –: Wenn sich an dieser Politik nichts ändert, wird von den heutigen zusätzlichen Einnahmen aus Studiengebühren spätestens im Jahr 2012 nichts mehr übrig sein.
Wir haben ja zwei Runden von Redebeiträgen in einer Aktuellen Debatte. Deshalb denke ich, dass ich jetzt einmal einen Einstieg gegeben habe. Deswegen bis zur zweiten Runde.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Löffler von der CDU hat hier eine begeisterte Rede über die positive Wirkung der Studiengebühren im Lande gehalten.
Ich glaube, er war ein bisschen vorschnell. Ich sehe mich durch den Bericht bestätigt, den das Wissenschaftsministerium vor wenigen Tagen vorgelegt hat. Er ist mit noch sehr zurückhaltenden ersten Zahlen und Bewertungen doch eher lei
se und betont, dass man zum jetzigen Zeitpunkt nichts wirklich Substanzielles über die Auswirkungen der Studiengebühren sagen kann. Weil Sie die Debatte jetzt beantragt haben, will ich diesen Bericht etwas gegen den Strich bürsten und eine erste Bewertung darüber abgeben, was sich im Land getan hat.
Zur Erinnerung: Als die Studiengebühren eingeführt wurden, hat die Landesregierung immer versprochen: Das Gebührenmodell wird sozialverträglich, und niemand soll aus finanziellen Gründen vom Studieren abgehalten werden; es darf keinen Abschreckungseffekt geben.
Sie haben zwei Punkte genannt, mit welchen Elementen Sie das machen wollen: erstens den Kredit der L-Bank – den Rechtsanspruch auf diesen Kredit für diejenigen, die das Geld nicht parat haben – und zweitens die Befreiungstatbestände.
Schauen wir uns einmal an, wie sich das in Zahlen niederschlägt. Den Kredit der L-Bank nehmen nur knapp 2,4 % der gebührenpflichtigen Studierenden in Anspruch, weil sie so doof nicht sind. Dieser Kredit mit seinen 7 % Zinsbelastung bietet so unattraktive Konditionen, dass die Leute es lieber gleich lassen. In diesem Punkt hat sich nicht die Idee von einem sozialverträglichen Kreditangebot durchgesetzt, sondern eine L-Bank, die dieses Geschäft nie machen wollte – sie hatte kein Interesse daran, damit Arbeit zu haben; auch das geringe Kreditvolumen war für sie unattraktiv.
Ebenfalls durchgesetzt haben sich die Hochschulleitungen, die nie ein Interesse daran hatten, eigene Mittel aufzubringen, um für Studierende, die nicht zahlungsfähig sind, in die Lücke zu springen. Ins Leere schauen die Studierenden, die nicht das Geld haben, um die Studiengebühren zu zahlen.
Der zweite Punkt: die Befreiungstatbestände. Auch hier sind die Zahlen bei genauem Hinschauen eher bescheiden: Der Anteil der Befreiungen aus sozialen Gründen entspricht ganzen 3,4 % aller zahlungspflichtigen Studierenden. Das ist minimal. Das taugt nicht, um eine sozialverträgliche Absicherung sicherzustellen. Ich fordere Sie auf: Da ist dringend Nachbesserungsbedarf angesagt. Statt Schulterklopfen müssten die Alarmglocken bei Ihnen angehen. Ein weiterer Beleg für die besorgniserregende Entwicklung sind die zurückgehenden Studienanfängerzahlen.
Ich bin keine von denen, die sagen: Die Studiengebühren sind allein verantwortlich dafür, dass die Anfängerzahlen zurückgehen. Das geben die Fakten nicht her, weil die Anfängerzahlen nämlich schon viel länger zurückgehen.
Das ist aber überhaupt kein Grund, sich zu beruhigen und zu sagen: Hurra, die Studiengebühren schrecken unsere Leute nicht ab. Wir haben nämlich eine andere Waffe, um die Leute vom Studieren abzuhalten. Es gibt im Land offensichtlich ein hocheffektives Instrument: die lokalen Zulassungsbeschrän kungen, die jedes Jahr weiter zunehmen und dafür sorgen,
dass seit vier Jahren Jahr für Jahr weniger junge Menschen im Land ein Studium aufnehmen können. Studiengebühren sind also keine Hilfe, sondern eine zusätzliche Hürde und machen auch noch in finanzieller Hinsicht die Entscheidung für ein Studium schwerer.
Ich möchte Ihnen das anhand einer Grafik vorführen. Ich habe ein kleines Bild gemalt – anhand der Zahlen des Statis tischen Landesamtes.
Das müssen Sie sich vor Augen führen. Die obere Kurve stellt die Studienberechtigten dar, also diejenigen, die Abitur machen und eine Hochschulzugangsberechtigung erhalten. In den letzten vier Jahren wächst diese Zahl. Vom Jahr 2003 bis zum Jahr 2006 ist sie um 15 % angewachsen.
Im gleichen Zeitraum ist die Anzahl derer, die im Land tatsächlich ein Studium aufnehmen, jedes Jahr zurückgegangen. Die rote Linie stellt die Zahl der Studienanfänger dar, bereinigt um die ausländischen Studierenden. Man sieht also, wie groß die Lücke zwischen denjenigen, die eine Studienberechtigung haben, und denjenigen, die ein Studium aufnehmen können, schon ist. Sie klafft Jahr für Jahr weiter auseinander.
(Abg. Klaus Tappeser CDU: Vielleicht hängt das auch mit der wirtschaftlichen Entwicklung zusam- men, Frau Kollegin!)
Thema dieser Debatte müsste sein, wie wir diese Gerechtigkeitslücke schließen können, nicht aber das vorschnelle und etwas oberflächliche Lob für die Wohltaten, die mit den wenigen Studiengebühren bezahlt werden können.
In der zweiten Runde werde ich noch etwas zum Thema „Verteilung und Verwendung der Gebühren“ sagen. Ich glaube aber, dass das Hauptproblem in dieser Grafik veranschaulicht ist: die sinkenden Zugangschancen.