Ich will einen anderen Aspekt ansprechen, der auch zum Thema Familie gehört. Der demografische Wandel – in unser aller Munde – führt dazu, dass mehr ältere Menschen in unserer Gesellschaft leben. Wenn wir in einen heute auf der Tagesordnung stehenden Antrag schauen, sehen wir, dass die Landesregierung zu Recht ausführt:
Überwiegend wird die häusliche Pflege bzw. die Betreuung von älteren Angehörigen von weiblichen Familienmitgliedern übernommen. Die Übernahme der häuslichen Pflege ist mit erheblichen persönlichen Einschränkungen und beruflichen Nachteilen verbunden.
So die Landesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem heute auf der Tagesordnung stehenden Antrag Drucksache 14/1596.
Ich sage Ihnen: Dieser ganze Frauenplenartag nützt nichts, wenn nicht auch Sie, liebe Frau Sozialministerin, Ihre Stellungnahme zur Frage der Pflege an einer Stelle korrigieren. Sie haben nämlich neben den schönen Worten in dieser Stellungnahme zu dem Antrag erst vor Kurzem eine Pressemitteilung in Ihrer Verantwortung herausgegeben. Da heißt es dann lapidar auf die sozialdemokratische Forderung nach Anrechnung der Pflegezeiten und nach einer Pflegezeit für Angehörige:
Es sollte jedem Einzelnen zumutbar und möglich sein, einen kurzfristigen Zeitbedarf zur Koordinierung der Pflege eines Angehörigen in den ersten Tagen nach Eintritt der Pflegesituation abzudecken – entweder mit noch vorhandenem bezahlten Resturlaub oder einem unbezahlten Urlaub bis zu zehn Arbeitstagen.
Ich sage Ihnen: Da wird wieder eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft in den nächsten Jahren, nämlich die Frage „Wie gehen wir mit älteren Menschen menschenwürdig um?“, allein auf die Rücken der Frauen abgewälzt, die dann wieder zu Hause bleiben sollen und sich um die Älteren kümmern sollen, während die anderen dem Arbeitsleben nachgehen.
Deshalb erwarten wir vom heutigen Tag nicht nur eine Debatte, sondern wir erwarten auch, dass daraus ein Lernerfolg resultiert, dass Sie als Regierungsfraktionen und als Landesregierung insgesamt – nicht nur die Frauen in Ihren Reihen – so agieren, wie man es von aufgeklärten Menschen im Jahr 2007 erwarten kann, die mit Frauen auf gleicher Augenhöhe arbeiten und die politisch dafür sorgen, dass auch in der Praxis die entsprechenden Bedingungen geschaffen werden. Kollegin Krueger, da bin ich ganz nah bei Ihnen. Lassen wir doch die Worte von Marie von Ebner-Eschenbach als Losung für die Landesregierung gelten. Der Herr Ministerpräsident
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, die Sie zu diesem Frauenplenartag gekommen sind, den wir heute veranstalten! Die Kollegin Krueger hat es gesagt: Der Frauen plenartag geht auf eine Initiative der weiblichen Abgeordneten zurück, die sich des Öfteren getroffen haben, um diesen Plenartag vorzubereiten.
Ein wichtiger Punkt für uns war und ist, Politik für mehr Chancengleichheit von Frauen hier im Land zu betreiben. Dabei ist es natürlich richtig, dass eine Veränderung in den Köpfen stattfinden muss. Da gebe ich Ihnen recht. Noch wichtiger ist aber, dass wir hier im Landtag von Baden-Württemberg auch darüber diskutieren, welche Veränderungen in der Politik und ganz konkret in der Landespolitik stattfinden müssen. Das ist unsere Aufgabe. Es ist die Aufgabe der Ministerin, insbesondere auch als Beauftragte der Landesregierung für Chancengleichheit, dafür zu sorgen, dass tatsächlich und tagtäglich Verbesserungen auf den Weg gebracht werden. Wenn Sie das tun, Frau Ministerin, dann kann ich Ihnen vonseiten der Grünen-Landtagsfraktion auch für die Zukunft unsere volle Unterstützung zusagen.
Dass diese Unterstützung nötig ist und dass Handlungsbedarf besteht, zeigt weniger die Antwort auf die interfraktionelle Große Anfrage. Diese Antwort ist wenig ergiebig. Hier feh
len uns viele harte Fakten, wie die Situation heute tatsächlich ist. Ergiebiger ist da z. B. die Veröffentlichung „Statistik aktuell“ des Statistischen Landesamts über die Erwerbstätigkeit von Frauen in Baden-Württemberg.
Darin wird deutlich: Teilzeitarbeit ist nach wie vor eine Domäne der Frauen. 83 % der Teilzeitarbeitsplätze werden von Frauen besetzt. Da wird auch deutlich, was die Kollegin Vogt gesagt hat: Die Statistik zeigt, dass Frauen bei der beruflichen Qualifikation aufholen, dass Frauen aber trotz dieser guten beruflichen Qualifikation weniger verdienen, und zwar im Schnitt 25 % weniger als Männer, und dass Führungspositionen nach wie vor Männersache sind. Damit können und wollen wir uns nicht zufriedengeben, meine Damen und Herren.
Wir können aber auch noch eine andere Veröffentlichung heranziehen, nämlich den Genderbericht Baden-Württemberg 2006 von der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.
Darin wird deutlich, dass Frauen stärker als Männer vom Abbau von Arbeitsplätzen mit geringen Qualifikationsanforderungen betroffen sind. Da wird auch deutlich, dass der konjunkturelle Aufschwung Männern stärker nützt als Frauen und dass deshalb die Arbeitslosigkeit bei Frauen langsamer sinkt. Wenn wir dann darüber sprechen, was neben der Veränderung in den Köpfen in der Politik zu tun ist, dann sehen wir: Es gibt hier im Land Gestaltungsspielräume, die genutzt werden müssen.
Vielleicht noch ein paar Zahlen: Der Anteil der Frauen an allen Arbeitslosen ist von 50,8 % im Juli 2006 auf 53,2 % im Juli 2007 angestiegen – 53,2 %! Der Anteil der Frauen an den Langzeitarbeitslosen betrug im Juli 2007 55,3 %. Damit schneidet Baden-Württemberg schlechter ab als der Bundesdurchschnitt. Das muss uns zu denken geben.
Wenn es z. B. um die Mittel des Europäischen Sozialfonds und das Operationelle Programm für die nächsten Jahre geht, müssen ganz deutlich Schwerpunkte gesetzt werden. Es reicht nicht aus, einfach zu sagen: In der Regel werden geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt. Vielmehr muss der faktische Anteil der Frauen an diesen Zielgruppen bei den Programmen berücksichtigt werden. Das Programm muss sich stärker an den Problemlagen von Frauen ausrichten. Das erwarten wir ganz konkret von der Landesregierung für die neue Förderperiode.
Selbstverständlich gibt es weitere Gestaltungsmöglichkeiten, was die Landesregierung, die Regierungsfraktionen und wir alle zusammen tun können. Tagesordnungspunkt 2 – Vereinbarkeit von Familie und Beruf – gehört sicherlich dazu. Ich will dem aber nicht vorgreifen. Dazu gehört aber auch die Frage, wie wir mehr Frauen in Führungspositionen bekommen. 18 % der Führungspositionen waren in Baden-Württemberg
im Jahr 2004 mit Frauen besetzt. Wir erwarten, dass die Landesbehörden, die Landesverwaltung und die Ministerien hier vorbildlich vorangehen.
Wenn ich zwei Bereiche anspreche, in denen wir immer wieder Probleme feststellen können, dann lassen Sie mich zum einen die Hochschulen nennen, bei denen nach wie vor klar ist, dass Gleichstellungsaspekte viel zu wenig Berücksichtigung finden und dass die Zahl der Professorinnen und der Lehrstuhlinhaberinnen sehr weit von einer repräsentativen Beteiligung entfernt ist. Baden-Württemberg rangiert unter Gleichstellungsaspekten in Rankings ganz hinten.
Das andere Beispiel betrifft die Polizei. Auch hier ist der Anteil der Frauen im gehobenen und im höheren Dienst mit 1,1 % bzw. mit 5,7 % erschreckend niedrig. Frau Ministerin Stolz, wir erwarten, dass Sie sich als Beauftragte für Chancengleichheit in diesem Bereich dafür einsetzen, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen und bessere Aufstiegs chancen haben.
Lassen Sie mich zuletzt noch auf die Einkommensunterschie de zwischen Männern und Frauen zurückkommen. Diese Unterschiede sind nach einem Ranking des Instituts Berlinpolis in Baden-Württemberg besonders groß. Baden-Württemberg landet in dem Ranking auf dem 16. Platz von 16 Plätzen. Das ist sogar noch eine Verschlechterung im Vergleich zum Jahr 2000. Damals waren wir – na ja – immerhin noch auf dem 14. Platz. Es ist klar, dass gerade in Baden-Württemberg Hand lungsbedarf besteht und dass Sie hier aktiv werden müssen.
Damit es nicht nur dabei bleibt, dass wir heute darüber sprechen, möchte ich Ihnen noch eine Aktion von „Business and Professional Women Germany e. V.“ vorstellen. Diese Aktion gegen Lohndiskriminierung heißt „Initiative Rote Tasche“.
(Die Rednerin hält eine rote Tasche hoch. – Abg. Reinhold Gall SPD: Sehr gut! – Abg. Dr. Frank Men- trup SPD: Super!)
Ich möchte mit dieser Aktion und mit dieser Tasche erreichen, dass Sie alle hier im Hohen Haus, wenn Sie in Zukunft eine rote Tasche sehen, sofort daran erinnert werden, dass es gro ßen Handlungsbedarf gibt und dass das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ endlich in die Tat umgesetzt werden muss.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat: Es gibt in der Bundesrepublik und auch in unserem Land noch viel zu tun, aber ich möchte uns doch zunächst noch einmal die positive Entwicklung in Erinnerung rufen, die die Situation der Frauen gerade auch in den letzten 30 Jahren in unserem Land genommen hat.
Als meine drei Kinder klein waren, hat der Kindergarten noch um zwölf geschlossen, und sie sind morgens zu drei verschiedenen Zeiten in die Schule gegangen und mittags zu drei verschiedenen Zeiten wieder zurückgekommen. Hier hat sich doch einiges deutlich geändert.
Meine Vorrednerinnen haben ja auch schon den langen Weg beschrieben, der dazu geführt hat, dass es heute selbstverständlich ist, dass Frauen eine Ausbildung bekommen, dass Frauen berufstätig werden können. So hat sich die Erwerbstätigenquote in den letzten 30 Jahren bei den Frauen auch deutlich verbessert: Im Jahr 1980 lag sie noch bei 54 %, im Jahr 2006 bei 63 %. Das heißt, zwei Drittel der Frauen in Baden-Württemberg sind heute erwerbstätig. Bei Männern hingegen verminderte sich die Erwerbstätigenquote im selben Zeitraum von 83,5 auf 76,7 %. Das ist doch eine bemerkenswerte Entwicklung. Die Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen hat sich in unserem Land also deutlich angenähert.
Aber an dieser Stelle möchte ich in der Tat noch einige Probleme nennen, die sich auf unserem Arbeitsmarkt nach wie vor ergeben.
Das Arbeitsvolumen von Frauen und Männern – das ist schon angesprochen worden – ist völlig unterschiedlich. Der Umfang der Teilzeitbeschäftigung ist ja in den letzten Jahren generell sprunghaft angestiegen – vor allem durch die neuen gesetzlichen Maßnahmen, die es hier gibt –, und zwar auch bei Männern, aber Frauen sind nach wie vor in größerem Umfang teilzeitbeschäftigt als Männer. Unter den ausschließlich geringfügig Beschäftigten sind fast 70 % Frauen. Diese Frauen erwerben in der Regel keine Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung.
Qualifikation wird immer wichtiger. Heute haben wir die am besten ausgebildete Frauengeneration aller Zeiten. Auch das ist eine sehr positive Entwicklung. Aber – das wurde eben schon angesprochen – Frauen sind in der Tat deutlicher vom Abbau von Arbeitsplätzen mit geringeren Qualifikationsanforderungen betroffen. Qualifikation ist für sie also dringend geboten.
Sie profitieren auch weniger vom wirtschaftlichen Aufschwung als Männer in unserem Land. Die Arbeitslosenquote sinkt bei ihnen langsamer. Dafür werden folgende Gründe vermutet: Frauen sind wegen ihrer familiären Verpflichtungen nicht so mobil, zeitlich nicht so flexibel und eben oft auch nicht so gut ausgebildet wie Männer. Ihr Anteil an bestimmten Arbeitslosengruppen ist auch in unserem Land noch viel zu hoch. Bei den Arbeitslosen, die wieder zurück in den Beruf wollen, die eine Teilzeitarbeit suchen oder alleinerziehend sind, liegt der Frauenanteil zwischen 94 und 98 %. Auch das kann uns nicht zufriedenstellen.
Letzter Punkt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt im Wesentlichen ein Frauenproblem – auch das wurde schon angesprochen –, und zwar trotz aller Silberstreifen am Horizont, die sich hier abzeichnen.