Letzter Punkt: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt im Wesentlichen ein Frauenproblem – auch das wurde schon angesprochen –, und zwar trotz aller Silberstreifen am Horizont, die sich hier abzeichnen.
Warum all dies? Wir wissen es. Frauen können nicht so intensiv wie Männer ins Berufsleben einsteigen, weil die Betreu
ung und die Erziehung der Kinder überwiegend auf ihren Schultern ruhen. Da können wir von Landesseite, wie es hier gefordert wird, noch so viel tun, wie wir wollen: Zunächst einmal muss sich in unseren Köpfen etwas ändern. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der die Betreuung und Erziehung der Kinder gleichmäßig auf beiden Schultern verteilt wird, den Schultern der Männer und den Schultern der Frauen.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der es selbstverständlich ist, dass sich auch junge Männer fragen: Wann nehme eigentlich ich meine Babypause? Jedes Mal, wenn ich das sage, ernte ich auf den meisten Gesichtern ein Lächeln. Das ist doch schon etwas. Zumindest zeigt sich kein wütender Protest. Dank des großartigen Engagements – das will ich an dieser Stelle auch einmal würdigen – von Frau von der Leyen und ihres Elterngelds sind wir hier wirklich schon einen Schritt weiter.
Aber von den Verhältnissen, wie sie z. B. in Island bestehen, sind wir noch weit entfernt. Dort nutzen 90 % aller jungen Männer das Angebot einer bezahlten Elternteilzeit. Was in diesem Zusammenhang noch viel wichtiger ist: 74 % der isländischen Arbeitgeber befürworten den befristeten Ausstieg der Väter aus der Erwerbsarbeit. Hier hat sich also das gesellschaftliche Bewusstsein schon deutlich gewandelt.
Worum geht es? Es geht nicht nur um die gleichen Chancen am Arbeitsmarkt für alle, für Männer und Frauen. Es geht auch darum, dass die Väter wieder in unsere Familien zurückkehren müssen. Dort fehlen sie, vor allem in den ersten Lebensjahren der Kinder.
Wie es der Zufall will, habe ich gerade gestern Abend eine Geburtsanzeige auf meinem Tisch zu Hause vorgefunden. Da schreibt ein junger Vater über seine kleine, neugeborene Tochter – ich darf zitieren –:
Mal leise, mal laut – ein Wunder ist sie jeden Tag. Sie verschlägt uns den Atem und bringt uns zum Lächeln. Wir sind unendlich glücklich und dankbar.
Kindererziehung ist ein Riesenjob. Sie ist anstrengend und mühsam. Das wissen wir alle besonders gut. Aber hierin liegt auch eine große Chance, einmal im Leben auch etwas beglückend anderes machen zu können als immer nur den Job, den Job und noch einmal den Job.
Ich fordere die Generation der jungen Männer auf: Machen Sie von dieser Chance Gebrauch! Haben Sie teil an diesem Lebensglück! Es würde unserer Gesellschaft sehr guttun. Darum geht es auch.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun ist es also an mir, in dieser Debatte als erster Mann das Wort zu ergreifen. Ich glaube, es ist auch sinnvoll und richtig, in einer Debatte über Chancengleichheit Männer und Frauen in gleicher Weise zu Wort kommen zu lassen.
Ich will auch überhaupt nicht verhehlen, dass vieles, worüber wir heute reden, korrektur- und verbesserungsbedürftig ist.
Lassen Sie mich eine Frage an den Anfang stellen. Wir reden über Chancengleichheit. Was ist überhaupt Chancengleichheit?
Lassen Sie mich den Begriff „Chancengleichheit“ anhand eines Hundertmeterlaufs definieren. Es geht um gleiche Startvoraussetzungen, es geht um gleiche Wettbewerbsbedingungen. Entscheidend ist, dass sich der Hundertmeterlauf für die Frau nicht als Hürdenlauf erweist, während der Mann über die ebene Strecke das Ziel erreicht.
Entscheidend ist nicht, dass alle zur gleichen Zeit ins Ziel kommen, weil dies Wettbewerb ausschließen würde. Das wollen wir nicht, meine Damen und Herren.
Wenn wir über gleiche Startvoraussetzungen reden, müssen wir zunächst einmal positiv feststellen, dass sich hier einiges verändert hat.
51 % der Abiturienten sind weiblich, und der Anteil an weiblichen Hochschulabsolventen beträgt 48,4 %. Das heißt, beim Thema Bildung sind Frauen inzwischen weitgehend gleichauf.
Wie gut die Startvoraussetzungen jeweils sind, entscheidet jede und jeder auch selbst durch die Wahl der Disziplin. Wenn zu viele auf die gleiche, weil gerade populäre Disziplin setzen, sind die Gewinnchancen geringer. Eine arbeitslose Sozialpädagogin kenne ich, eine arbeitslose Ingenieurin kenne ich nicht.
Hier ist es Aufgabe der Politik, aber auch der Wirtschaft, Impulse für mehr Technikfreundlichkeit bei Mädchen und jungen Frauen zu geben. Damit müssen wir bereits in unseren Grundschulen beginnen, meine Damen und Herren.
Zum Zweiten geht es um gleiche Wettbewerbsbedingungen. Ich räume ein, dass wir hier Nachholbedarf haben und sich einer Frau nach wie vor manche Hürde stellt, die Männern nicht im Weg steht. Dies ist so.
Aber wenn wir über gleiche Wettbewerbsbedingungen reden, dann sage ich als Erstes: Wir brauchen eine gute Arbeitsmarktpolitik für alle, egal ob Mann oder Frau. Es gibt wenige Hinterlassenschaften aus der Erbschaft von sieben Jahren RotGrün, die man wirklich nicht ausschlagen musste. Die Agenda 2010 gehört dazu. Dass Sie von der SPD derzeit mit Kräften daran arbeiten, dieses Erbe leichtfertig zu verjubeln, ist traurig genug.
(Lachen der Abg. Ute Vogt SPD – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: Was hat das denn mit Chancengleichheit zu tun? Das ist doch lächerlich!)
Es ist traurig genug, dass Sie, Frau Vogt, bereits daran beteiligt waren, Franz Müntefering als Parteivorsitzenden abzusägen. Dies ist nicht vergessen.
(Abg. Marianne Wonnay SPD: Jetzt sind wir beim üblichen Gehabe! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie sol- len ein bisschen zum Thema sprechen!)
Ich spüre schon, dass Ihnen das unlieb ist. Nutzen Sie den angekündigten Rückzug von Frau Vogt dazu,
(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Bravo! – Zu- rufe von der SPD, u. a. Abg. Reinhold Gall: So ein dummes Zeug!)
(Abg. Ute Vogt SPD: Das wahre frauenpolitische Ge- sicht der CDU! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)