Protokoll der Sitzung vom 10.10.2007

Es wird doch erlaubt sein, Wahrheiten anzusprechen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Aber es wäre nett, wenn Sie einmal etwas zum Thema sagen würden! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Kommen Sie doch ein- mal zum Thema! Das wäre uns viel lieber!)

Ich würde gern dazu kommen, wenn Sie mich ließen. Keine Nervosität, Frau Haußmann.

Frauen- und Familienfreundlichkeit gehören in den Unternehmen schon heute zu den entscheidenden Wettbewerbskriterien.

Ein kluger Unternehmer – es gibt Gott sei Dank immer mehr davon – setzt auf Frauen und weiß, dass er im Zuge des demografischen Wandels immer mehr auf Frauen angewiesen sein wird. Deswegen ist es Aufgabe der Politik, Impulse zu geben, damit sich unsere Wirtschaft den Frauen zunehmend öffnet. Denn jener Unternehmer, der sich frühzeitig auf die demografische Veränderung eingerichtet hat, wird die Nase vorn haben.

(Beifall bei der CDU)

Ein Letztes: Gleiche Startvoraussetzungen, gleiche Wettbewerbsbedingungen – wohl wahr. Deswegen müssen wir in unseren Betrieben auch jene Hürden abbauen, von denen ich gesprochen habe – Ausbau der Kinderbetreuung auch für Kinder unter drei Jahren. Frau Vogt, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Es ist auch eine Verantwortung und eine Aufgabe der Männer, dafür zu sorgen, dass es mehr Kinder in diesem Land gibt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Ich bin sehr dafür, dass wir jene Männer nicht als rückständig betrachten, die sich für Kinderbetreuung und Kindererziehung einsetzen, wie ich sehr dafür bin, dass wir auch jene Frauen nicht als rückständig erachten, die sich für Kindererziehung und Kinderbetreuung zu Hause entscheiden.

(Beifall bei der CDU)

Gleiche Startvoraussetzungen, gleiche Wettbewerbsbedingungen – aber wer wann ins Ziel kommt, entscheidet der Wettbewerb.

Die Frauen in diesem Lande sind Manns genug, um nicht zu Quotenfrauen degradiert zu werden.

(Lachen der Abg. Ute Vogt SPD)

Es geht um Frauennote, nicht um Frauenquote. In diesem Sinne, meine Damen und Herren: Nutzen wir diese heutige Debatte, um zu erreichen, dass mehr Offenheit in unsere Betriebe, mehr Offenheit der Politik für Frauen in diesem Land Einzug hält! Daran beteiligen wir uns gern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Hausmann für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war leider kein gutes Beispiel, was wir von Herrn Wolf zum heutigen Tag gehört haben. Das war ein Ablenkungsmanöver; das war Mottenkiste mit Allgemeinfloskeln.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Herr Wolf, Sie leben in einem Landkreis mit optierender Kommune. Wenn Sie sagen, es gebe keine weiblichen Ingenieure,

(Abg. Stefan Mappus CDU: Das hat er doch gar nicht gesagt!)

dann muss ich einfach sagen: Sie haben keine Ahnung von der Arbeitslosigkeit und der Situation der Ingenieure. Wenn Sie arbeitslose Ingenieure finden, dann sind das entweder Ältere oder Frauen, die eine Weile aus dem Beruf waren. Wenn man die Wirklichkeit nicht erkennt, dann kann man sie auch nicht verändern.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Baden-Würt temberg eine überdurchschnittlich hohe Erwerbstätigenquote bei Frauen – Frau Arnold hat vorhin darauf hingewiesen –, und das ist erfreulich. Darüber wird man nicht polemisch hinweggehen. Wir freuen uns darüber, dass dies in der Tat ein Zustand ist, der ausbaufähig ist und an dem wir gut ansetzen können.

Trotz alledem haben wir den Blick darauf zu lenken, wie sich die Daten zusammensetzen. Dann finden wir durchaus einiges, was von anderen Bundesländern deutlich abweicht. Da sind wir auf den ersten Blick „spitze“, aber auf den zweiten Blick in einer Situation, in der es Probleme gibt. Wir haben z. B. einen dramatisch hohen Anteil an Frauen in geringfügiger Beschäftigung, womit wir fast an der Spitze aller Bundesländer stehen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Ja!)

Wir haben einen dramatisch hohen Anteil an Frauen in Teilzeitarbeit und führen damit die Statistik der Bundesländer in der Bundesrepublik Deutschland mit an. Das muss schon zu denken geben.

Deswegen hat die „Südwest Presse“ wahrscheinlich schon recht, wenn sie schreibt: „Als Kinderland nur ,mangelhaft‘“ – weil da bereits ein Stück der Erklärung mit drinsteckt.

Jetzt gibt es natürlich auch in Baden-Württemberg und anderswo positive Beispiele. Manche Männer erbarmen sich ja und versuchen, die geringfügige Quote an Frauen zu erhöhen. Schauen wir einmal auf die Aufsichtsräte: Da wird fast nichts getan. Solche Bereiche werden von Männern dominiert. Die Frauenquote ist entsprechend niedrig.

Ein leuchtendes Beispiel revolutionärer Bewegung gegen die Teilzeitbeschäftigung lodert mitten unter uns: Wir als Mitglieder eines Teilzeitparlaments haben der Frau sozusagen ein Stück ihrer Bürde weggenommen, indem wir mit großer Mehrheit männlich besetzt sind – und auch da für die „Quote“ etwas tun. Die Frage ist nur, ob das genügt.

(Heiterkeit der Abg. Ute Vogt SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Nein!)

Ich denke, es genügt nicht.

Damit komme ich zum zweiten Teil. Wenn man weiß, dass die Arbeitslosenquote von Frauen in Baden-Württemberg bei

53 % liegt, dann muss man sich als Landespolitiker und als verantwortliche Regierung überlegen, was man dagegen tun kann und muss.

Wenn man sich dann noch anschaut, wie sich die Struktur der Arbeitslosigkeit darstellt, stellt man fest, dass überdurchschnittlich viele junge Frauen unter 25 Jahren arbeitslos sind. Diesbezüglich befinden wir uns wieder in der „Spitzengruppe“ aller Bundesländer – natürlich von hinten gesehen.

Baden-Württemberg hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil an langzeitarbeitslosen Frauen – da sind wir wiederum in der „Spitzengruppe“ unter allen Bundesländern. Ich denke, dagegen muss etwas getan werden.

Man könnte sich ja etwas überlegen, und vielleicht kommt jemand auf die Idee, zu sagen, arbeitsmarktspezifische Zugänge in Baden-Württemberg wären da vielleicht ein Ansatz. Aber schauen wir es uns an: Spezifische Arbeitsmarktprogramme wurden gestrichen. 1996 standen dafür noch 36 Millionen DM zur Verfügung, heute sind wir fast auf null.

Es gibt noch den Europäischen Sozialfonds. Dabei gibt das Land zwar kein Geld aus, hat aber Einfluss auf die Verteilung der Gelder. Doch auch da sieht es ziemlich schlecht aus: Frauen werden nach diesen Programmen in unterdurchschnittlichem Maß gefördert, obwohl deren Arbeitslosenquote deutlich über 50 % liegt.

Wenn wir dann ins Wirtschaftsministerium schauen, Herr Pfis ter, das ja einen Teil dieser Gelder verteilt, stellen wir fest, dass unter den Geförderten der Frauenanteil bei ungefähr einem Drittel liegt. Dann merken wir, dass da etwas vorne und hinten nicht stimmen kann.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Das ist mehr als unter Spöri!)

Eines will ich Ihnen sagen: Man muss anerkennen, wo BadenWürttemberg eine gute Position hat – das wird überhaupt nicht in Abrede gestellt und darf auch nicht in Abrede gestellt werden. Aber es genügt doch nicht, sich darin zu sonnen, sich zu sagen: „Wir sind spitze!“, sich zurückzulehnen und abzuwarten. Wenn man es ernst damit meint, dass die bestausgebildete Frauengeneration, die wir je hatten, auch in Baden-Württemberg eine Chance haben soll – und damit wir alle und auch unser Land –, dann muss man wirklich etwas tun und die Handlungsmöglichkeiten des Landes ausnutzen. Dazu fordere ich Sie auf. Da tun Sie zu wenig und werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erhält Herr Abg. Lehmann für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Zum heutigen Frauenplenartag müssen wir leider feststellen, dass Politik und Wirtschaft es trotz hehrer Sonntagsreden nicht geschafft haben, einen nachhaltigen und umfassenden Wandel hin zu einer echten Chancengleichheit für Frauen auf dem Arbeitsmarkt einzuleiten. Jun

ge Frauen gehören heute zwar zu den Bildungsgewinnern bei den allgemeinbildenden Schulabschlüssen. Mehr Mädchen als Jungen machen heute das Abitur – erfolgreich mit sehr guten Noten. Die beruflichen Karrieren werden jedoch nach wie vor fast ausschließlich von Männern gemacht.

Seit den Siebzigerjahren steigt die Zahl der Studentinnen stetig an; heute stellen sie knapp die Hälfte der Erstsemester. Beachtlich, muss man sagen. Doch nur wenige erreichen die obersten Sprossen der akademischen Karriereleiter. 9 % bleiben übrig, wenn es darum geht, die Lehrstühle zu besetzen. Da ist meines Erachtens das Land auch in der Verantwortung, Änderungen herbeizuführen. Das liegt in unserem Verantwortungsbereich, und das sollte eine Konsequenz sein, die heute eingeleitet wird.

(Beifall bei den Grünen)

Ungeachtet des stark gestiegenen Qualifikationsniveaus von Frauen weist der Arbeitsmarkt noch immer fast ungebrochen stark geschlechtsspezifische Teilungen auf – seit Jahrzehnten fast unverändert. Die Rangliste der zehn häufigsten Männerberufe wird vor allem von technischen Berufen dominiert. Daran haben auch die Maßnahmen, die in der Antwort auf die Große Anfrage Drucksache 14/1616 beschrieben worden sind, nichts geändert. Die Rangliste der zehn häufigsten Frauenberufe setzt sich hingegen ganz klassisch, wie schon immer, aus Sozial-, Gesundheits- und kaufmännischen Berufen zusammen. Einher geht das nach einer Untersuchung der BöcklerStiftung mit einem Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern von 23 %. Damit sind wir in Europa nicht spitze, sondern fast das Schlusslicht. Lediglich Estland und die Slowakei weisen hier eine noch größere Lohndifferenz auf. Das sollte uns zu denken geben.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass lediglich 2 % der erwerbstätigen Frauen in Baden-Württemberg einen technischen Beruf ausüben und der Frauenanteil bei den Ingenieurberufen bei 10 % liegt – der Anteil der Männer beträgt also 90 %. Die geringe Akzeptanz, Herr Wolf, die Frauen gerade in diesen männerdominierten Berufen haben, zeigt sich am Beispiel der Ingenieurberufe sehr deutlich. Die Arbeitslosenquote der Ingenieurinnen lag Ende letzten Jahres bei 9,7 %, der Ingenieure hingegen bei 3,7 %.

(Abg. Theresia Bauer GRÜNE: So ist es!)