Heute stellt sich natürlich insbesondere die Frage, in welchem Umfang Frauen von diesen Entwicklungen profitiert und daran partizipiert haben. Die Erwerbstätigenquote von Frauen ist schon angesprochen worden. Sie ist in Baden-Württemberg mit 63 % sehr hoch. Sie liegt über dem Bundesdurchschnitt von 59 % und über dem Durchschnitt der EU-Länder, der bei 55 % liegt. Die Lissabon-Strategie der EU „Arbeit und Beschäftigung“ sieht vor, bis zum Jahr 2010 eine Frauenbeschäftigungsquote von 60 % zu erreichen. Dieses Ziel haben wir in Baden-Württemberg dank der guten Arbeitsmarktlage also bereits erreicht.
Auch in Baden-Württemberg ist die Arbeitslosigkeit von Frau en deutlich zurückgegangen, und zwar seit September des letzten Jahres um 18,6 %. Aber damit bleibt der Rückgang der Arbeitslosenquote bei den Frauen um rund drei Prozentpunkte hinter dem Rückgang bei den Männern. Das bedeutet, dass die Frauen von der günstigen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in erheblichem Umfang zwar profitieren, aber in geringerem Ausmaß als die Männer.
Es gibt noch zwei weitere wichtige Aspekte zur Geschlechterdifferenzierung: Frauen sind weiterhin im Durchschnitt länger arbeitslos als Männer, und der Frauenanteil an den Langzeitarbeitslosen ist weiter angestiegen und lag im Juli 2007 bei 55,3 %.
Sie haben auch das Instrumentarium des ESF angesprochen, der natürlich auch hier im Land intensiv genutzt wurde. Ich darf betonen, dass Baden-Württemberg in der jetzt ausgelaufenen Förderperiode eines der wenigen Länder war, das die Zielmarke des Anteils frauenspezifischer Maßnahmen in diesen Programmen von 10 % überschritten hat. Hier haben wir auch den frauenspezifischen Aspekt berücksichtigt. Auch in der neuen Förderperiode – das Programm muss noch genehmigt werden – müssen wir dieses Thema natürlich im Blick haben und dieses Instrument auch im Sinne der Frauen auf dem Arbeitsmarkt nutzen.
Ich möchte jetzt zu einem anderen Thema kommen, das die unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen deutlich werden lässt: Frauen – das ist auch schon angesprochen worden – haben ein deutlich geringeres Durchschnittseinkommen als Männer. Im Durchschnitt verdienen sie 20 % weniger. Im europäischen Vergleich gehört Deutschland mit zu den Ländern mit der höchsten Differenz bei den Einkommen von Frauen und Männern.
Diese Differenz hat natürlich vielfältige Ursachen. Die Frauen erreichen seltener höhere Positionen. Sie sind vielfach in Wirtschaftszweigen mit geringeren Verdienstmöglichkeiten beschäftigt. Sie wechseln familienbedingt seltener den Arbeitsplatz zugunsten erhöhter Chancen mit höherem Verdienst. Aufgrund familienbedingter Unterbrechungen weisen sie weniger Berufsjahre auf. Als Wiedereinsteigerinnen müssen sie oft Rückstufungen oder auch die Übertragung schlechter bezahlter Arbeiten hinnehmen. Sie haben geringere Chancen bei der beruflichen Förderung und familienbedingt auch weniger bezahlte Überstunden oder Zulagen, z. B. im Schichtdienst. Das ist ein Bündel vielfältiger Ursachen, die zu diesem Gehaltsunterschied führen.
Die Tatsache, dass Frauen deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten als Männer, wird in diesen Vergleichszahlen schon berücksichtigt. Auch dass Frauen in den Chefetagen in Baden-Würt temberg lediglich einen Anteil von 18,3 % stellen, ist in diesem Zusammenhang schon erwähnt worden.
Bezeichnend ist: Wir liegen damit unterhalb des Bundesdurchschnitts, der 20,8 % beträgt. Dazu muss ich sagen: Da muss überall noch sehr viel getan werden.
Wesentliche Auswirkungen auf das Lohnniveau hat die Tatsache, dass typische Frauenberufe als Zuverdienstberufe gelten und damit auch geringer bezahlt werden. In den Lohn des Mannes wird traditionell die Versorgung von Frau und Kindern eingerechnet, was zu einem höheren Entgelt führt. Ich halte dies nicht mehr für zeitgemäß, weil die Lebenswirklichkeit heute vielfach anders ist.
Einen wichtigen Beitrag zur Entgeltgleichheit können Institutionen leisten, die die Arbeitsentgelte bestimmen. Das sind
im Wesentlichen die Tarifparteien. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, aber auch gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit gehören seit Jahren zu den Zielen einer tatsächlichen Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Wir müssen uns, denke ich, gerade auch im europäischen Vergleich dieser Herausforderung noch mehr stellen.
Wie das Beispiel der Entgeltungleichheit zeigt, kann es jedoch nicht ausschließlich Aufgabe des Staates sein, die tatsächliche Chancengleichheit von Frauen und Männern zu fördern. Vielmehr müssen sich alle Verantwortlichen in der Gesellschaft dieser Aufgabe bewusst werden.
Lassen Sie mich noch zwei weitere Punkte anführen, die beim Thema „Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt“ wesentlich sind und auch schon angesprochen wurden: Das ist einmal das Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen und zweitens die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Seit Jahren richtet sich unser Augenmerk auf das Berufswahlverhalten von Mädchen. Mit Initiativen und Programmen sollen Mädchen für technisch-naturwissenschaftliche Berufe begeistert werden. Es ist gerade für Baden-Württemberg ein wichtiger Teilaspekt, dass wir in diesem Bereich den Anteil von jungen Frauen erhöhen.
Es ist allgemein bekannt, dass das Ingenieurwesen für die baden-württembergische Wirtschaft eine herausragende Bedeutung hat. Wir leben ja im Land der Tüftler und Denker. Daran hat sich nichts geändert. Das ist weiterhin unsere Chance und die Chance des Landes Baden-Württemberg. Hier zeigt sich, dass Fachkräfte zunehmend knapp werden. Ich denke, bevor wir hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte suchen, müssen wir die eigenen Potenziale und Ressourcen wirklich auch ausschöpfen. Dazu gehören neben den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern insbesondere auch die jungen Frauen. Da brauchen wir auch die Denkerinnen und Tüftlerinnen.
Es ist schon angesprochen worden: Die Arbeitslosenquote bei Ingenieurinnen lag im Dezember 2006 bei 9,7 % und war damit mehr als doppelt so hoch wie die bei den männlichen Fachkollegen mit 3,7 %. Wir haben also ein gut ausgebildetes Fachkräftepotenzial im eigenen Land.
Die Betriebe und Unternehmen müssen demnach mehr als bisher die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese gut ausgebildeten Frauen auf Arbeitsbedingungen und Unternehmenskulturen stoßen, die ihnen eine Tätigkeit ermöglichen. Die Ini tiativen zu verbesserten Wiedereinstiegschancen auch vonseiten des Wirtschaftsministeriums sind in der Antwort auf die Große Anfrage aufgeführt.
Aber nicht nur die Mädchen zeigen ein eingeschränktes Berufswahlverhalten, sondern auch die Jungen. Wir haben in diesem Herbst in vier Kreisen mit dem Boys’ Day begonnen. Die Jungen sollen an diesem Tag die Chance haben, auch Berufsfelder im sozialen, erzieherischen und pädagogischen Bereich kennenzulernen und in ihre Berufswahl einzubeziehen. In einer gemeinsamen Initiative mit dem Kultusminister habe ich mich zudem an die Schulen gewandt, damit im Rahmen der Berufsorientierungsprogramme stärker bei Schülern für diese Berufsfelder geworben wird. Das ist kein Selbstzweck, sondern das ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Wir brau
chen mehr männliche Erzieher und Grundschullehrer, auch als Vorbilder für unsere Jungen und Mädchen.
Ein weiterer Aspekt ist natürlich die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Neben einer verbesserten Kinderbetreuung bedeutet das z. B. auch, dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Darauf werden wir beim nächsten Tagesordnungspunkt eingehen.
Der Staat hat letztlich auf die Personalpolitik und die Arbeitskultur in privaten Unternehmen wenig Einfluss. Gleichwohl sollten wir durch Überzeugungsarbeit, das heißt auch mit der Kraft guter Argumente, weiterhin darauf hinwirken, dass die Betriebe und Unternehmen dem Aspekt der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowohl bei Frauen als auch bei Männern stärkere Aufmerksamkeit schenken.
Landesregierung und Land als großer Arbeitgeber haben im Chancengleichheitsgesetz hier deutliche Zeichen gesetzt. Ich gehe davon aus, dass die demografische Entwicklung diesen Prozess auch erheblich fördern wird. Wir können es uns nicht mehr leisten, unsere qualifizierten und hoch motivierten jungen Frauen vom Arbeitsleben auszuschließen und ihnen Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verwehren. Ich bin zuversichtlich, dass immer mehr Menschen, die unternehmerische Verantwortung tragen, dies ebenfalls erkennen werden. Ich wage auch, die These aufzustellen: Mit mehr Unternehmerinnen und Frauen in den Chefetagen könnte vielleicht an dieser Stelle statt eines Appells auch ein Lob für soziale und familienkompetente Unternehmenspolitik ausgesprochen werden.
Auch das Land ist sich seiner Verantwortung bewusst. Es hat gemeinsam mit den Kommunen daran mitzuwirken, die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und stetig weiterzuentwickeln. Dazu gehört der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote und der Ganztagsschulen. Auch daran arbeiten wir intensiv, wie Sie wissen. Ich werde darauf bei Tagesordnungspunkt 2 eingehen.
Es ist heute auch schon mehrfach angesprochen worden, dass wir die Chancengleichheit von Frauen und Männern letztlich nur erreichen, wenn alle an einem Strang ziehen, wenn Frauen wie Männer, Staat und Gesellschaft am gleichen Strang ziehen. Nur in einem Miteinander werden wir Fortschritte machen. Ich denke – auch das ist heute schon angesprochen worden –, dass in der Partnerschaft und bei Aufgaben der Familie natürlich auch die Männer mehr mit ins Boot genommen werden müssen. Kollege Wolf hat mit dem Hürdenlauf und mit der freien Strecke ein sehr schönes Bild gebraucht.
Ich denke, dass wir gerade auch in der Partnerschaft die Las ten der Kindererziehung etwas verteilen können und mehr Chancengleichheit herstellen können, wenn Männer sich zunehmend auch an dieser Aufgabe beteiligen.
Wenn ich die Zahl der Anträge auf das Elterngeld, das Vätergeld und die Väterzeit in Baden-Württemberg betrachte, dann kann mich diese Zahl der Anträge seitens der Väter durchaus optimistisch stimmen. Auch die Väter in Baden-Württemberg sind auf einem guten Weg.
Ich denke, bei diesem Thema müssen alle zusammenarbeiten. Insofern danke ich den Kolleginnen auch für die heutige fraktionsübergreifende Initiative. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Es ist zwar – das gebe ich zu – noch viel zu tun, aber wir haben es, denke ich, gut angepackt.
Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache über die Große Anfrage beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Landesregierung – Vereinbarkeit von Studium, Arbeit und Familie an den Hochschulen, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg – Drucksache 14/682
Landesregierung – Bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit in Baden-Württemberg – Drucksache 14/1402
des Wirtschaftsministeriums – Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine familienbewusste Personalpolitik in den Unternehmen – Drucksache 14/1595
Ministeriums für Arbeit und Soziales – Vereinbarkeit von Familien- und Pflegezeiten mit Erwerbsarbeit für Männer und Frauen in Baden-Württemberg – Drucksache 14/1596
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wenn wir heute über das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutieren, dann sollten wir zu Beginn zwei Feststellungen treffen:
Erstens: Wir haben in Baden-Württemberg eine große Übereinstimmung darin, dass wir gemeinsam die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter voranbringen wollen.
Zweitens: Wir – das Land, die Kommunen und auch die Wirtschaft – haben in den letzten Jahren bereits viel erreicht.
Entscheidend ist, dass wir dieses Thema nicht in die Mühlen der parteipolitischen Auseinandersetzungen bringen, sondern dass wir sachgerecht und zielgerecht daran arbeiten und es weiter voranbringen, dass es vor allem von Frauen vorangebracht wird, die wissen, wovon sie reden. Ich denke an Kol
leginnen und Kollegen, deren ganz persönliches Umfeld von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geprägt ist. Einfach gesagt: Wer dieses Thema persönlich durchlebt und zu Hause vorangebracht hat, der weiß, wovon er ganz konkret redet.