Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme gleich zum Schluss.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Zeller?

Ich komme gleich zum Schluss. Ich habe noch ein bisschen zu sagen. Das ist mir gerade wichtiger.

Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle auch noch einmal in Erinnerung rufen, warum das Ehrenamt überhaupt Ehrenamt heißt. Weshalb ehren wir denn die jungen Menschen für ihr Engagement? Doch deshalb, weil sie sich neben ihren Alltagspflichten gesellschaftlich aktiv verhalten – und dies nicht wiederum auf Kosten der Gesellschaft tun. Vielleicht erscheint es Ihnen weltfremd, an die soziale Verantwortung unserer ausbildenden Betriebe zu glauben.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, würden Sie bitte zum Ende kommen. Sie sind dabei, Ihre Redezeit zu verdoppeln.

Ich bin gleich fertig. – Vielleicht halten Sie es auch für weltfremd, davon auszugehen,

dass Unternehmen das Ehrenamt schätzen und unterstützen. Die Wirklichkeit in Baden-Württemberg sieht anders aus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Monika Chef FDP/ DVP begibt sich zurück zu ihrem Abgeordnetenplatz. – Abg. Norbert Zeller SPD: Gestatten Sie keine Zwi- schenfrage?)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 14/1768 zur weiteren Beratung an den Schulausschuss und federführend an den Sozialausschuss zu überweisen. – Sie stimmen dem zu. Es ist so beschlossen.

Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen – Drucksache 14/1767

Das Präsidium hat Folgendes festgelegt: zunächst Begründung des Gesetzentwurfs durch die Regierung und danach eine Aussprache mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Wem darf ich das Wort erteilen? – Herr Minister Pfister.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie wissen, dass der Deutsche Bundestag im September des vergangenen Jahres – Stichwort Föderalismusreform – beschlossen hat, das Wohnungsbauwesen vom Bund in die Verantwortung der Länder zu übertragen. Wir legen Ihnen als erstes Bundesland – zusammen mit Bayern – heute einen Gesetzentwurf vor, in dem die se neuen Möglichkeiten der Wohnungsbaupolitik – bezogen auf das Land Baden-Württemberg – beschrieben sind.

Wir hatten eine lange, ausführliche Anhörungszeit. Sie hat vor den Sommerferien begonnen und ist jetzt abgeschlossen. Die in dieser Zeit erhaltenen Anregungen sind weitgehend in das Gesetz aufgenommen worden. Wir gehen davon aus, dass wir nach einer weiteren Anhörung am kommenden Mittwoch im parlamentarischen Verfahren dazu kommen werden, dass dieses Gesetz zum 1. Januar 2008 Wirklichkeit wird und Baden-Württemberg damit zusammen mit Bayern das erste Bundesland sein wird, in dem diese Umsetzung nach der Föderalismusreform vollzogen worden ist.

Natürlich kann man sich die Frage stellen: Ist das überhaupt sinnvoll? Ergibt es einen Sinn, wenn das Thema Wohnungsbaupolitik, das über 50 Jahre lang in der Verantwortung des Bundes war, jetzt auf die Länder übertragen werden soll? Ich glaube: Ja, es ist sinnvoll. Das lässt sich schon daran ablesen, dass wir in den letzten 15 bis 20 Jahren und insbesondere nach der Wende, nach dem Fall der Mauer, deutschlandweit doch sehr unterschiedliche Entwicklungen hatten. Man sieht, dass es Länder gibt, die heute in hohem Maße Zuwanderung erhalten, und man sieht auf der anderen Seite, dass es Länder gibt, in denen eher ein Bevölkerungsschwund festzustellen ist. Unter diesen Gesichtspunkten ist es sicherlich vernünftig, Möglichkeiten zu schaffen, damit die länderspezifischen Hand

lungsspielräume in dieser Situation genutzt und noch verbessert werden. Das ist im Grunde auch der Sinn dieser Idee der Föderalismusreform und ihrer Umsetzung gewesen.

Es ist insgesamt so – lassen Sie mich das vorausschicken –, dass wir in den ersten Jahren nach dem Fall der Mauer generell ein hohes Maß an Wohnungsbau hatten. Man muss aber natürlich auch sagen, dass der Wohnungsbau in Deutschland in den letzten zehn Jahren, seit 1996, insgesamt zurückgegangen ist.

Im Jahr 1996 gab es in der Bundesrepublik Deutschland bezogen auf 1 000 Einwohner nur 7,2 Wohnungen, die neu gebaut wurden. Diese Zahl ist in der Zwischenzeit bundesweit aktuell auf 3,0 zurückgegangen. Baden-Württemberg spielt dabei eine hervorgehobene Rolle, was die Anzahl der Wohnungen angeht. Wir haben insgesamt unter den Bundesländern den dritten Platz, das heißt, Baden-Württemberg gehört zu den Ländern, die auch in der Vergangenheit, zumindest im nationalen Vergleich, noch relativ viele Wohnungen gebaut haben.

Was sind nun die besonderen Gesichtspunkte, unter denen die Landesregierung dieses Wohnungsbaugesetz auf den Weg gebracht hat? Ich will stellvertretend zwei Aspekte nennen. Zum einen ist es unser großes Anliegen, die Gestaltungsmöglichkeiten in der Wohnungspolitik in besonderer Weise hervorzuheben und zu betonen – nicht nur was zukünftige Wohnungen, zukünftigen Wohnungsbau, sondern auch was den aktuellen Bestand an Wohnungen angeht. Hier wollen wir mehr Gestaltungsmöglichkeiten als bisher haben, um auch ein höheres Maß an Flexibilität mit auf den Weg zu geben. Das war der eine Gesichtspunkt, der uns besonders geleitet hat.

Der zweite Gesichtspunkt, der uns geleitet hat, war die Forderung nach weniger Bürokratie. Wir wollten mit diesem Gesetzentwurf beweisen, dass wir nicht nur über Bürokratieabbau sprechen, sondern diesen in wichtigen Punkten auch tatsächlich praktizieren.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Um Gottes willen!)

Lassen Sie mich zum Thema „Flexibilität und Gestaltungsspielraum“ ein paar Beispiele bringen. Es wird nach diesem Gesetz in der Zukunft möglich sein, nicht nur einzelne Wohnungsobjekte zu fördern, sondern auch ganze Quartierstrukturen. Was meine ich damit? Ich meine damit, dass in der Zukunft auch ein engeres Zusammenbringen z. B. von Wohnungsbaupolitik und Städtebausanierung stattfinden wird. Das heißt, wir haben ganze Wohnquartiere im Auge. Wir haben mit diesem Gesetz u. a. die Möglichkeit, das soziale Umfeld in diesen Wohnquartieren zu verbessern, beispielsweise indem Begegnungsstätten für verschiedene Generationen gebildet werden, indem für Kinder Spielplätze gefördert werden, indem – das geht bis hin zu einem Quartiermanagement – Personalkostenzuschüsse geleistet werden, um in einem manchmal schwierigen Wohnumfeld das soziale Umfeld zu verbessern. Das ist etwas, das natürlich in der Vergangenheit noch nicht der Fall war. Dieses Gesetz gibt uns diese Möglichkeiten. Ich halte es daher insgesamt für einen wichtigen Fortschritt in der Wohnungsbaupolitik des Landes.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ein zweites Beispiel für mehr Flexibilität: In der Vergangenheit waren aufgrund der Gesetzeslage die Einkommensgrenzen, die dafür maßgeblich sind, ob man in den Genuss der Förderung von Mietwohnungen, Eigentumswohnungen oder Eigenheimen kommt, starr. Die wurden irgendwann vom Gesetzgeber festgelegt. Die Länder konnten zwar per Verordnung noch die eine oder andere Abweichung machen, aber wenn die Grenzen einmal festgelegt worden sind, dann waren sie für den gesamten Förderzeitraum bzw. Bindungszeitraum unveränderlich. Auch das wird sich in der Zukunft ändern. Wir können in der Zukunft mit diesem Gesetzentwurf stärker auf die aktuelle Einkommensentwicklung eingehen und können danach auch die einzelnen Einkommensgruppen stärker ins Visier nehmen. Das heißt, das Gesetz wird auch in dieser Frage ein höheres Maß an sozialer Treffsicherheit haben. Auch das ist ein Fortschritt, der übrigens im SPD-Gesetzentwurf nicht enthalten ist. Dort gibt es nach wie vor eine starre Einkommensgrenze. Diese wollten wir nicht mehr. Ich glaube, das ist ein zweiter wichtiger Vorteil, mit dem wir unseren Anspruch, ein flexibles Gesetz vorzulegen, in tatsächlich besonderer Weise realisieren konnten.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP)

Ich will ein drittes Beispiel nennen: Mietobjekte aus dem klassischen sozialen Mietwohnungsbau, für die es ja bisher langfristige Bindungen gab, können in Zukunft in Einzelfällen aus diesen Bindungen entlassen werden, und zwar dann – aber ich sage bewusst: in Einzelfällen –, wenn damit eine sinnvolle wohnungswirtschaftliche Nutzung erreicht wird.

Wir haben gestern über das Thema „Wohnraum für Studenten“ gesprochen. Bisher war es aufgrund der Rechtslage überhaupt nicht möglich, dass Studierende geförderte und gebundene Mietwohnungen in Anspruch nehmen. Das wird nach diesem Gesetzentwurf in der Zukunft möglich sein. Das heißt, dieser Gesetzentwurf wird eine neue Möglichkeit dafür schaffen, dass in Unistädten mit einer schwierigen Wohnungssituation auch im Mietwohnungsbereich etwas für Studenten getan werden kann. Auch das halte ich für einen wichtigen Fortschritt.

Schließlich sieht das Förderprogramm gemäß einer Anregung der kommunalen Landesverbände, der wir gern gefolgt sind, insbesondere bei Modernisierungsmaßnahmen vor, dass in Zukunft hinsichtlich der Fördermittel die Wahlmöglichkeit besteht, entweder sogenannte verlorene Zuschüsse oder aber verbilligte Darlehen in Anspruch zu nehmen. Bisher war das nicht der Fall. Hier bieten wir unseren Bürgerinnen und Bürgern eine Wahlmöglichkeit. Das ist ein weiteres Beispiel dafür, dass wir mit der Forderung nach mehr Gestaltungsmöglichkeiten und mehr Flexibilität Ernst gemacht haben.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Was den Bürokratieabbau angeht, möchte ich Ihnen wenigs tens zwei oder drei Beispiele nennen. Komplett kann ich das jetzt nicht machen; das müsste man an anderer Stelle tun.

Ein typisches Beispiel für unnötige Bürokratie ist die Fehlbelegungsabgabe.

(Beifall des Abg. Dietmar Bachmann FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, wir haben im Land Baden-Würt temberg 1 010 Städte und Gemeinden.

(Zuruf des Abg. Claus Schmiedel SPD)

Oder 1 111.

(Abg. Michael Theurer FDP/DVP: 1 008!)

Pardon.

(Unruhe)

Wer weiß Bescheid?

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: 1 110, weil die 1 111. fusioniert hat!)

Also, wir haben im Land Baden-Württemberg gut 1 000 Städte und Gemeinden.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Weit über 1 000!)

Gehen Sie einmal von rund 1 000 Städten und Gemeinden aus. Von diesen rund 1 000 Städten und Gemeinden erheben im Augenblick noch genau 43 die sogenannte Fehlbelegungsabgabe.

(Abg. Walter Heiler SPD: Wie viel Prozent sind das? – Vereinzelt Heiterkeit)

Wenn Sie von diesen 43 Städten und Gemeinden noch die Städte Stuttgart und Freiburg abziehen, die übrigens aus der Fehlbelegungsabgabe herauswollen und die allein rund 40 % des Aufkommens aus der Fehlbelegungsabgabe erzielen, dann haben Sie insgesamt die Situation, dass etwa 40 Städte und Gemeinden rund 2,2 Millionen € Fehlbelegungsabgabe netto nach Abzug der Verwaltungskosten erzielen. 40 Gemeinden erzielen netto nach Abzug der Verwaltungskosten noch 2,2 Millionen €.

Meine Damen und Herren, das steht in keinem sinnvollen Verhältnis zum Aufwand mehr. Übrigens sagt auch das Bundesverfassungsgericht, dass diese Zahlen nicht mehr in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Deshalb war es eine richtige Entscheidung – und zwar völlig unabhängig davon, dass auf diese Art und Weise auch die Möglichkeit besteht, sozialere Wohnstrukturen zu erzielen –, dass die Fehlbelegungsabgabe wie in fast allen anderen Bundesländern endlich auch in Baden-Württemberg fällt, meine Damen und Her ren.