Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! 300 Krankenhäuser, 61 000 Betten, 1 950 000 Patienten im Jahr und 140 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das sind unsere aktuellen Zahlen. Jeder von uns hier im Raum, auf der Zuhörertribüne und hier unten im Plenarsaal, ist durchschnittlich an zwei Tagen im Jahr in einem Krankenhaus in Baden-Württemberg.
Das heißt, wenn wir uns heute mit einem Gesetz befassen, das sich mit unseren Krankenhäusern beschäftigt, sollten wir sehr gut überlegen, was wir da tun. Wir haben uns sehr gut überlegt, was wir da tun.
Bevor ich auf die einzelnen Punkte eingehe, will ich etwas Grundsätzliches zum Stellenwert der stationären Versorgung der Menschen in unserem Land sagen. In Artikel 20 des Grundgesetzes ist das Sozialstaatsprinzip verankert, und zwar in Form einer unverrückbaren Verantwortung des Staates für bestimmte Bereiche in der Sozialpolitik. Der Staat – das sind jetzt wir hier in diesem Raum als Gesetzgeber – ist zur Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Versorgung mit Krankenhausleistungen gegenüber jedem Bürger und jeder Bürgerin in diesem Land verpflichtet.
Ich sage das sehr bewusst vorab. Es gibt auch eine ethische Betrachtung. Wir beschließen heute in hoher Verantwortung ein Gesetz, in dem es auch darum geht, zu zeigen, wie wir mit kranken Menschen umgehen und welchen Stellenwert wir dem Genesungsprozess, der Heilung und der Linderung von Schmerzen, aber auch einem Prozess, der am Ende zum Tod führen kann, und den Menschen hier beim Thema Krankenhauspolitik einräumen.
Ich glaube, es zeigt sich, mit welchen Wertvorstellungen bestimmte gesetzliche Vorhaben gemacht werden und wie sie geprägt sind.
Ich will einen Satz sagen, weil er immer wieder zur Diskussion führt. Ich will ihn auch deswegen sagen, weil er alle weiteren Ausführungen prägen wird. Wir haben im Krankenhaus den größten Kostenfaktor im Bereich der Gesundheitsversorgung. Wir haben mit den Krankenhäusern aber gleichzeitig den wichtigsten Partner im Gesundheitswesen vor uns. Dabei gibt es jetzt eine Teilung, die im Stillen verläuft. Es geht um die Frage: Was ist im Krankenhaus Marktwirtschaft, und was ist nicht Marktwirtschaft? Ich schaue meinen Freund Ulrich Noll an, weil er schon darauf wartet.
Marktwirtschaft ist im Krankenhaus ein Weg zu einer guten Versorgung und auch ein Weg zu einer Versorgung, die wirtschaftlich sein kann. Aber, lieber Uli Noll: Marktwirtschaft ist nicht das Ziel einer Krankenhauspolitik, sondern sie ist ein Weg dahin. Das Ziel ist eine angemessene Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger. Ich glaube, darüber sollte man einig sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Ul- rich Noll FDP/DVP: Danke! Jetzt kann ich meine Re- de ganz anders halten!)
Ich will auf das Thema „Wertvorstellungen bei der Gesundheitsversorgung“ zurückkommen. Wir haben mit diesem Krankenhausgesetz viele Paragrafen beseitigt, die bürokratisch waren.
Meine Damen und Herren, bitte verlegen Sie die Unterhaltungen nach draußen. Der Stenografische Dienst kann schier nichts verstehen.
Wir haben viele Regelungen beseitigt, die bürokratisch waren und nicht mehr in eine moderne Krankenhauslandschaft gepasst haben. Viele Paragrafen sind weggefallen. Wir haben aber einen neuen Paragrafen – den § 3 a – im Landeskrankenhausgesetz ergänzt. Dieser Paragraf ist ein eindeutiges Bekenntnis dazu, dass Bürgerinnen und Bürger, die ins Krankenhaus gehen, als Patienten keine Handelsware sind, sondern einen bestimmten Anspruch auf eine bestimmte Qualität haben. In diesem neuen Paragrafen steht, dass die Bürger jetzt einen Anspruch darauf haben, wohnortnah behandelt zu werden und in den Krankenhäusern behandelt zu werden, die für ihre Versorgung vorgesehen sind. Das heißt, das Weiterleiten eines Patienten an andere Krankenhäuser rein aus Kostengründen wird mit diesem neuen Paragrafen verhindert. Wir schieben damit einer Regelung einen Riegel vor, der sicherlich einmalig ist. Ich kenne kein anderes Landeskrankenhausgesetz, das so etwas vorsieht.
Interessanterweise gibt es immer Zuschriften von Betroffenen, wenn sich Gesetze ändern. Immerhin ist das ein sehr wichtiges Gesetz. Ich war am Montag bei der Tagung der Krankenhausdirektoren des Landes Baden-Württemberg. Dort waren über 100 Krankenhausdirektoren anwesend, und wir haben am Rande der Veranstaltung über das Landeskrankenhausgesetz diskutiert. Die Krankenhausdirektoren in diesem Land sagen: Ihr habt uns mit diesem Gesetz die Möglichkeit ge
schaffen, dass wir zukunftsfähige Krankenhauspolitik machen. Die Standorte sind gesichert. Das Personal kann sicher sein, dass es weiterbeschäftigt wird, und wir haben endlich eine gesetzliche Regelung, die den heutigen Zeiten entspricht.
Ich will einige Punkte aufgreifen, die die Opposition auch in der letzten Sozialausschusssitzung angesprochen hat. Ich will sie gleich zu Beginn ansprechen, weil ich es für wichtig halte, dass man diese Dinge gleich beim Namen nennt.
Stichwort „Medizinisches Versorgungszentrum“: Frau Mielich, das war Ihnen wichtig. Im Landeskrankenhausgesetz ist die klare Botschaft enthalten, dass wir Medizinische Versorgungszentren schätzen, aber nicht um jeden Preis. Dort, wo die Behandlung im ambulanten Bereich durch niedergelassene oder frei praktizierende Ärzte sichergestellt ist, wollen wir nicht, dass unsere stationären Einrichtungen den im ambulanten Bereich tätigen Ärzten Konkurrenz machen.
Überall dort, wo Unterversorgung herrscht oder wo es kein Angebot gibt, machen Medizinische Versorgungszentren Sinn.
Das zweite Stichwort lautet: Privatstationen. Wir haben in die se Gesetzesnovelle eine Regelung aufgenommen, die ausschließlich dem Verbraucherschutz dient. Ich muss mich auch gegen anderslautende Unterstellungen verwahren, die zum Teil geäußert worden sind. Wir haben im Landeskrankenhausgesetz festgelegt: Wenn ein Krankenhaus eine Privatstation betreibt und in diesem Krankenhaus Patienten behandelt werden, die keine Privatpatienten sind, dann kann das Krankenhaus denen, die es nicht wollen, keine Privatleistungen abverlangen. Da geht es gar nicht so sehr um medizinische Leis tungen, sondern da geht es – nicht in der Behandlungsqualität, sondern in der Betreuungsqualität – um Zusatzangebote. Das ist ein klares Indiz dafür.
Eine Bemerkung zu den Investitionskosten. Uns wurde unterstellt – interessanterweise nur von der Opposition, nicht von den Krankenhäusern selbst –, wir würden in die Investitionsförderung eingreifen. Wir tun gerade das Gegenteil. Das Land Baden-Württemberg leistet jedes Jahr netto 340 Millionen € an die Krankenhäuser für bauliche Maßnahmen, für investive Maßnahmen und für Maßnahmen, die teure Apparate beinhalten. 340 Millionen €! Wir haben nicht vor, die Höhe dieser Gelder in irgendeiner Form nach unten zu verändern.
Vielleicht erreichen wir im nächsten Haushalt sogar wieder einmal einen Aufschlag. Denn wir wollen moderne Krankenhäuser behalten und wollen keine Krankenhäuser, die marode sind. Besuchen Sie andere Bundesländer – ich will Bayern ausdrücklich ausnehmen. Es gibt Bundesländer, nicht weit entfernt von Baden-Württemberg, die ihre Landeskrankenhäuser an private Träger verkaufen, weil diese Häuser inzwischen so marode sind, dass die Länder es sich nicht leisten können, diese Einrichtungen in Schuss zu halten. Das brauchen wir in Baden-Württemberg nicht. Unsere Häuser sind in Schuss.
Die Krankenhäuser, die noch nicht in Schuss sind, kommen in den Genuss von Fördermitteln, und sie kommen relativ schnell in den Genuss der Fördermittel.
Wir haben in Baden-Württemberg jetzt den Startschuss zu einer ganzen Reihe von gesetzlichen Veränderungen gegeben. Ich will das heute noch einmal ansprechen. Das Landeskrankenhausgesetz ist der Rahmen einer Gesetzgebung. Es werden aber weitere Maßnahmen folgen und auch folgen müssen.
Mit der Novellierung des Landeskrankenhausplans, also der konkreten Frage „Welche Stationen an welchen Krankenhäusern an welchen Orten?“, wird im nächsten Frühjahr begonnen. Die Reform unseres Universitätsklinika-Gesetzes – die Universitätsklinika behandeln rund 20 % aller Patienten in Baden-Württemberg –, die Reform der Poolverordnung – da geht es um die Verteilung der Mittel – und die Reform der Investitionsförderung werden folgen. Das Thema Bett spielt heute keine Rolle mehr. Unsere Investitionsförderung ist bisher auf Betten ausgerichtet, aber ein Krankenhaus hat viele Patienten, die kein Bett brauchen, weil sie ambulant operiert und entsprechend versorgt werden. Das Medium Bett ist in ganz Deutschland überholt, weil wir inzwischen Fallpauschalen haben. Auch hier wird etwas verändert. Wir wollen auch über die Zentren für Psychiatrie sprechen, was die Frage der Betriebsform angeht.
Das sind die Dinge, die in den nächsten Monaten bezüglich der Krankenhäuser zur Diskussion anstehen. Wir sind in Baden-Württemberg gut aufgestellt. Wir haben eines der besten Krankenhaussysteme in ganz Deutschland. Das ist uns erst kürzlich von Herrn Dr. Bruckenberger bestätigt worden, der ein international anerkannter Spezialist für Krankenhausfragen ist, international berät und Dinge analysiert. Er hat gesagt: Wenn alle Bundesländer so kontinuierlich gut mit ihren Krankenhäusern umgegangen wären wie Baden-Württemberg, müssten wir keine Schlagzeilen wie vor einer Woche lesen, als die Bundesregierung für die schlechte Versorgung in der Krankenhausmedizin in einigen Bundesländern gescholten worden ist.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die SPDFraktion wird diesen Gesetzentwurf in der heutigen Schlussabstimmung ablehnen.
Der Gesetzentwurf enthält zwar richtige und begrüßenswerte Änderungen im Detail, aber an entscheidenden Stellen – ich
Ohne Not öffnet der Gesetzentwurf die Tür zu einer Zweiklassenmedizin an unseren Krankenhäusern. Der bisherige § 32 des Landeskrankenhausgesetzes lautet klar und eindeutig: „Privatstationen werden nicht mehr errichtet und betrieben.“ Diese Regelung soll nun entfallen, meine Damen und Herren, und damit beschreitet die Landesregierung unseres Erachtens einen gesundheitspolitisch falschen und ordnungspolitisch äußerst fragwürdigen Weg.
Zudem ist es nicht akzeptabel, wenn Steuermittel und Gelder der gesetzlichen Krankenkassen dafür verwendet werden, für eine kleine Gruppe von Patienten besser ausgestattete Sonderbereiche (besserer Service, kürzere War- tezeiten) zu schaffen. Dies würde zwangsläufig zulasten derjenigen Patienten gehen, die sich den Aufenthalt in der Privatstation nicht leisten können. In dem Bericht der Expertenkommission werden Privatstationen nicht explizit erwähnt, da dieses Thema auch innerhalb der Kommission kontrovers diskutiert wurde.
Zudem wird unseres Erachtens die Krankenhauspauschalförderung verschlechtert. Das ist ein weiterer Kritikpunkt unsererseits. Bisher regelt ja § 16 des Landeskrankenhausgesetzes, dass diese Pauschalförderung durch Rechtsverordnung in Abständen von höchstens zwei Jahren der Kostenentwicklung angepasst wird. Künftig soll dies nur noch „in regelmäßigen Abständen“ erfolgen. Die gemeinsame Stellungnahme der Krankenhausgesellschaft und der drei kommunalen Landesverbände kritisiert dies völlig zu Recht. Ich will zitieren:
Mit der Neuregelung eröffnet sich das Land die Möglichkeit, die Zeitabstände für die Anpassung der Pauschalförderung an die Kostenentwicklung beliebig zu vergrößern. Die Gesetzesbegründung spricht davon, dadurch den Verwaltungsaufwand zu minimieren. Aus Sicht von BWKG, Landkreistag, Städtetag und Gemeindetag geht es hierbei nicht um eine bloße Verwaltungsvereinfachung. Vielmehr wird der Anspruch auf Anpassung an die Kos tenentwicklung geschwächt. Daher ist der bisherige zweijährige Turnus beizubehalten.
Meine Fraktion hat in den Ausschussberatungen außerdem beantragt, die Berufsgruppe der psychologischen Psychotherapeuten im Gesetz als Berufsgruppe zu berücksichtigen. In Kliniken und Rehaeinrichtungen erbringen psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten eigenständige therapeutische Leistungen, und durch das Psychotherapeutengesetz wurden die Psychotherapeuten zu einem eigenständigen Heilberuf mit Approbation. Das Landeskrankenhausgesetz müsste eigentlich diesem Sachverhalt Rechnung tragen.
Leider sind CDU und FDP/DVP unserem Anliegen nicht gefolgt. Sie haben unseren Änderungsantrag mit dem Argument
abgelehnt, dann müsste man auch jede andere am Krankenhaus tätige Berufsgruppe berücksichtigen. Diese Argumentation verkennt bedauerlicherweise den Status der psychologischen Psychotherapeuten als einen eigenständigen Heilberuf, der es unseres Erachtens rechtfertigt, diese Berufsgruppe im Landeskrankenhausgesetz zu berücksichtigen.