Herr Hauk, diese wohltönenden Worte haben Sie in Ihrer Stellungnahme zum Antrag der Fraktion der FDP/DVP gebraucht. Aber leider zeigt die Praxis der baden-württembergischen Verbraucherschutzpolitik ein völlig anderes Bild.
Erstens: Im Bereich der Lebensmittelkontrolle werden weiter notwendige Maßnahmen verschleppt, ignoriert oder nur halbherzig ausgeführt.
Der Bericht der Verbraucherkommission Baden-Württemberg vom März 2007 – das können Sie nachlesen – spricht hier eine deutliche Sprache. Die von Ihnen nach der Zerschlagung des alten, funktionierenden Systems neu ausgerichtete Lebensmittelkontrolle ist noch immer nicht ausreichend mit Personal und Finanzmitteln ausgestattet, um ausreichende Kontrollen zu gewährleisten. Die Ausbildung der Lebensmittelkontrolleure hinkt weit hinter den notwendigen Planzahlen hinterher. Die Verbraucherschützer beklagen zudem, dass die Kompetenzverteilung in Ihrem Ministerium nach außen im
So lässt sich die Gesundheit der Verbraucher nicht sichern. Anstatt Voraussetzungen für Gesundheit, Gewinn und Genuss zu schaffen, werden diese weiter durch Gift, Gen und Gammel bedroht, Herr Hauk.
(Abg. Hagen Kluck FDP/DVP: Starker Tobak! – Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP: Das ist ja unglaub- lich!)
Zweitens: Faktisch werden weiter zahlreiche Bevölkerungsgruppen aufgrund Ihrer fehlgeleiteten Politik vom Ziel der unabhängigen Verbraucherbildung ausgeschlossen.
Von Baden-Württemberg, leider. Das sind doch nicht meine Zahlen. Das sind die Zahlen, die von der Verbraucherzentrale vorgelegt worden sind. Die habe ich doch nicht erfunden.
Bei sinkender Landesförderung ist die wichtige, weil unabhängige Verbraucherzentrale personell unterbesetzt. Dies hat zur Folge, dass verschiedene Dienste entweder nur auf dem Weg eines teuren Telefonanrufs erreichbar sind oder drängende Verbraucherfragen erst nach unzumutbar langer Wartezeit beantwortet werden können. Zahlreiche Dienststellen der Verbraucherzentrale wurden aufgrund des Kostendrucks weggespart.
Damit schließt das Land mit seiner Förderpolitik jedoch gerade jene Bevölkerungsgruppen von Informationen aus, die auf die unabhängige Beratung besonders angewiesen sind. Welcher ALG-II-Bezieher, welcher Rentner, welche kinderreiche Familie kann sich denn ein unvorhersehbar langes Telefonat für einen Preis von 1,75 € pro Minute leisten? Wie viele Menschen haben die Möglichkeit, auf ein Internetangebot auszuweichen? Was nutzt dem Mieter eine Auskunft, die er erst nach Wochen und damit oft Wochen zu spät erlangen kann? Wohin sollen sich die Bewohner des ländlichen Raums denn wenden, deren Anlaufstelle vor Ort geschlossen wurde, wenn der Nahverkehr auch noch zusammengestrichen wird? Sie sind nicht mobil genug, um zur weit entfernten Informationsstelle zu fahren.
Damit bleiben aber genau die Personen ohne Zugang zu Informationen, die nicht das Geld und die Infrastruktur haben, um sich schnell und ohne Zugangsschwellen unabhängig zu informieren. So wird das Ziel des informierten Verbrauchers nicht erreicht, Herr Hauk.
(Abg. Friedlinde Gurr-Hirsch CDU: Erzählen Sie et- was von Ihrer Frau! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)
Zwar werden diese im Schulunterricht über notwendige Vitamine und Mineralien im Essen theoretisch aufgeklärt, doch praktisch wird ihnen in den Schulen überwiegend ein ganz anderes Bild vermittelt. Die jüngste Studie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung legt Mindeststandards für Qualitätsanforderungen an ein ausgewogenes und sinnvolles Mittagessen für Schulkinder fest, das eine optimierte Mischkost und die Vermeidung von zu viel Fleisch, Frittiertem und Süßwaren vorsieht. Ein Schulessen dieser Qualität ist nach der Studie nicht unter 2,50 € pro Schulkind zu erreichen.
Diese Anforderungen – ich komme gleich zum Ende – werden in den meisten Schulen des Landes nicht erfüllt. Die Schulkinder sind aufgrund der derzeitigen Zuständigkeitsregelungen abhängig von der weitgehend zufälligen Einsatzbereitschaft und den Handlungsmöglichkeiten der Schulträger und dem Geldbeutel der Eltern. Schulessen wird gar nicht angeboten oder nur in höchst unterschiedlicher Qualität. Wie soll jedoch ein Kind aus einer einkommensschwachen Familie Zugang zu qualitativ hochwertigem Essen bekommen, wenn in den ALG-II-Regularien Richtwerte von 2,50 € für drei Mahlzeiten am Tag festgelegt sind?
(Abg. Elke Brunnemer CDU: Thema verfehlt! – Abg. Winfried Scheuermann CDU: Das habt ihr doch ge- macht, als ihr im Bund an der Regierung wart!)
Das Land zieht sich hier aus der Verantwortung, wenn es auf die Schulträger verweist und keine einheitliche Regelung und Sicherstellung der Finanzierung im Landesschulgesetz verankert.
Wir erreichen Ernährungserziehung nicht mit theoretischer Wissensvermittlung und Flugblättern für die Eltern, wenn beim Schulessen in der Praxis all diese Kriterien missachtet werden. Verbraucherschutz in der Schülerernährung bedeutet Engagement des Landes, sowohl bei den Vergabe- und Qualitätskriterien als auch durch die notwendige finanzielle Ausstattung der Schulkantinen und die Bezuschussung des Essens für Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Familien.
(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Essen hat auch noch etwas mit Genuss zu tun! Das sollten Sie wis- sen!)
(Beifall bei den Grünen – Abg. Winfried Scheuer- mann CDU: Das kann doch überhaupt nicht mehr ste- nografiert werden!)
Wir – das ist das gemeinsame Ziel der Koalition in BadenWürttemberg – dürfen den Verbraucher nicht nur als zu Schützenden sehen, sondern müssen ihn als Wirtschaftspartner in diesem Land ernst nehmen.
Dabei muss uns auch gelingen, Herr Kollege Pix, den Verbraucherschutz aus einer – so sage ich einmal – ideologischen Ecke herauszuholen und den Verbraucher ernst zu nehmen als Wirtschaftspartner, der auch selbst Verantwortung trägt,
den man nicht ständig schützen muss, sondern der auch selbst Verantwortung zu tragen hat für das Leben, das er gestaltet.
Da gibt es natürlich schon einige Parameter, die man berücksichtigen muss. Aber wenn Sie jetzt hier sagen, Telefongebühren von 1,75 € pro Minute etc. seien zu hoch und die Beratungen kosteten bis zu mehreren Hundert Euro, dann sage ich Ihnen: Da geht es um Individualberatung. Da geht es nicht um pauschale Beratungen, sondern um die ganz persönliche Situation, die jeweils einzeln analysiert wird, wenn Fragen zu individuellen Finanzdienstleistungen oder dem Abschluss von Lebensversicherungen etc. gestellt werden.
Wenn Sie, liebe Kollegin Kipfer und Herr Pix, hier vorne am Rednerpult gesagt hätten: „Wir fordern mehr Transparenz für Versicherungsverträge; sollen doch mal die Versicherungen ihre Provisionen etc. offenlegen“, dann hätte ich das verstanden. Das wäre vergleichender Verbraucherschutz.