Die Novellierung des Gesetzes müsste doch genau das zum Ziel haben, Frau Ministerin. Genau das müsste das Ziel sein, eben keine Rolle rückwärts zu machen,
sich nicht unter allen Bundesländern in dieser Frage zu isolieren und nicht zurückzugehen und den hohen Standard, den wir hier in Baden-Württemberg haben, nicht zu gefährden. Diese Gefahr sehe ich in diesem Gesetzentwurf.
Ich sehe auch ein Positives darin – das sage ich Ihnen auch, und ich stehe voll dahinter –, dass Sie hier vorgesehen haben, die Freistellungsregelungen auf den Sport auszuweiten. Das ist richtig und gut. Das möchte ich unterstreichen.
Aber die von Ihnen vorgelegte scheinbare Verbesserung durch die Herabsetzung des Mindestalters der freistellungsberechtigten Personen auf 16 Jahre
bringt in der Realität nicht viel. Sie wissen ganz genau, dass das durchschnittliche Eintrittsalter in eine berufliche Ausbildung heute bei 19,3 Jahren liegt.
Die eigentliche Zielrichtung, die Sie mit dem Gesetz verfolgen, haben Sie richtig beschrieben: Es gibt für Sie wichtigere Dinge in der Gesellschaft als das ehrenamtliche Engagement und die Sicherstellung einer entsprechenden Förderung durch das Land. Das ist Ihre Aussage,
Da könnte man noch sagen: Das ist in Ordnung. Aber bei den Auszubildenden über 18 Jahre halbieren Sie den Freistellungsanspruch auf fünf Tage.
Was ich wirklich nicht richtig finde – das müssen Sie sich einfach anhören –: Sie haben hier den Verdacht in das Gesetz hineingeschrieben, dass diese Freistellung auch Ausbildungszielen schaden könne. Da sage ich Ihnen: Lesen Sie einmal Ihre Bildungspläne zur beruflichen Ausbildung, wo es um Sozial- und Handlungskompetenz geht. Genau diese Qualifikationen werden mit den Freistellungen gefördert, und zwar nicht bloß für die einzelnen Jugendlichen,
Gehen Sie einmal ins Land hinaus, gehen Sie einmal in Ihren Ort, gehen Sie einmal in einen Jugendverband und fragen die Leute, ob sie das verstehen, was Sie hier mit dem Gesetzentwurf machen. Das versteht keiner im Land.
(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Haben Sie schon einmal mit Betrieben gesprochen, mit kleinen Aus- bildungsbetrieben?)
(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU: Na, na, na! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Theoretisch mag es stimmen! Praktisch habe ich viele junge Menschen ausgebildet!)
Letzter Satz – dann bin ich schon fertig –: Wir haben hier drei Änderungsanträge eingebracht, mit denen wir versuchen, den Gesetzentwurf an einzelnen Punkten substanziell zu verändern.
Ich weiß, dass Sie hier hartnäckig sein werden, weil Sie sich darauf eingeschworen haben. Ich finde es schade, dass auch bei den Ausschussberatungen die zumindest in Ansätzen feststellbaren Signale nicht realisiert werden konnten und dass sich die, die eigentlich für die Stärkung des Ehrenamts sind, in ihren Fraktionen nicht durchsetzen konnten. Das finde ich tragisch; ich finde es schade und halte es für eine schlechte Botschaft an die Jugend.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich die heutige Debatte verfolge, liebe Kollegen von der Opposition, dann kommt in mir der Gedanke auf, dass ich auch meinen Kindern einiges mehrmals wiederholen muss, bis sie es endlich begreifen. Genau dieses Gefühl habe ich gerade.
(Lachen des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP – Widerspruch bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Ein ganz schlechter Einstieg!)
Ich möchte einiges von dem, was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, gesagt haben, zitieren. Gunter Kaufmann hat gesagt: „Trotz Auftragsboom und Fachkräftemangel gibt es immer noch viel zu wenig Ausbildungsplätze.“
Nach Jahren der Diskussion haben wir das alte Jugendleitersonderurlaubsgesetz novelliert. Neu geregelt wurden die Freistellungsansprüche für alle Personen, die in Organisationen der Jugendarbeit ehrenamtlich tätig sind. Sie können verlangen, bis zu zwei Wochen – das war früher übrigens nicht anders – von ihrem Dienst-, Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis freigestellt zu werden, um bei Veranstaltungen, bei denen
Kinder und Jugendliche betreut werden, mitarbeiten zu können. Gemeint sind z. B. Zeltlager, Veranstaltungen in Jugendherbergen oder Begegnungsstätten. Bei diesen Freistellungsregelungen – da wiederhole ich mich noch einmal – handelt es sich um rechtliche Mindestansprüche.
(Abg. Norbert Zeller SPD: In welchem Land leben Sie eigentlich? – Gegenruf der Abg. Ursula Hauß- mann SPD: In der schönen neuen FDP-Welt!)
Viele Firmen geben sich viel Mühe, neben den normalen curricularen Ausbildungsinhalten auch die sogenannten „weichen Qualifikationen“ mit einzubauen. Nicht nur dieses, viele Firmen legen bei Stellenbesetzungen Wert auf ehrenamtliches Engagement, ist es doch ein Zeichen von Kreativität, Teamfähigkeit, Interesse und vielem mehr. Dies alles lernen ehrenamtlich Mitarbeitende in der Jugendarbeit, nicht zuletzt in Ferienfreizeiten.