Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Zum einen begrüßt nun auch die Landesregierung die Beteiligung des Bundes und kann die Aussage, dass eine unmittelbare Mitfinanzierung des Bundes an den Betriebskosten nach Rechtslage ausgeschlossen ist, so natürlich nicht mehr aufrechterhalten.

Zum Zweiten trägt die Landesregierung nun sogar die gemeinsame Zielvereinbarung einer Versorgungsquote von 35 % mit. Die aktuellen Pläne, ab 2013 Angebote für 35 % der Kleinkinder bereitzuhalten, bedeutet für Baden-Württemberg die zusätzliche Schaffung von 70 000 Plätzen. Man geht von 100 000 Kindern pro Jahrgang aus, das heißt 35 % pro Jahrgang. Abzüglich der im Augenblick bestehenden 31 000 Plätze kommt man eben auf diese ca. 70 000 zusätzlich zu schaffenden Plätze.

Der geplante Ausbau der Kinderbetreuung sei durchaus leistbar, sagte Ministerpräsident Oettinger bei der Mitgliederversammlung des Gemeindetags in Leinfelden-Echterdingen. „Wer wenn nicht wir in Baden-Württemberg soll das packen?“ Dieser Satz in allen Ehren. Aber dann packen Sie es endlich auch an! Wo ist das Ausbaukonzept der Landesregierung? Wo sind Ihre Vorschläge, wie das Ausbauziel der Erreichung einer Versorgungsquote von 35 % im Jahr 2013 stufenweise umgesetzt und vor allem auch finanziert wird?

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Genau! – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aufgewacht?)

Mit dem Konzept, das Sie in Ihren Stellungnahmen vorgelegt haben, kommen Sie allerdings nicht weit. Eine Versorgungsquote von 18,1 % bis 2010 widerspricht jeglichen Bedarfs analysen, selbst denen des Statistischen Landesamts. Wenn Sie an diesem Tempo festhalten, dann erreicht das Land Ba

den-Württemberg das Ausbauziel von 35 % erst im Jahr 2016. Da wird Frau von der Leyen wahrscheinlich schon selbst in Rente sein.

Jetzt rächt es sich, dass die Landesregierung lange Zeit aus ideologischen Gründen im Bremserhäuschen gesessen ist. Nun tut sie sich schwer damit, ein realistisches Konzept vorzulegen, wie sie den Ausbau bewerkstelligen will.

Im Interesse von jungen Menschen, die eine Familie gründen wollen, müssen nun schnellstmöglich klare und verlässliche Ausbauregelungen und Finanzierungsvorschläge vorgelegt und verabschiedet werden. Dies gelingt nur in einem gemeinsamen Konzept mit den Kommunen. Nach wie vor tragen die Kommunen die Hauptlast bei der Finanzierung der Kleinkindbetreuung. Ohne eine bessere finanzielle Unterstützung der Kommunen ist die Zielvorgabe, bis 2013 im Land eine durchschnittliche Versorgungsquote von 35 % zu erreichen, nicht einzuhalten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, die völlig unzureichende Kostenbeteiligung des Landes an den Betriebskosten von 10 % auf 30 % zu erhöhen – ein Vorschlag, den übrigens auch der Städtetag und der Gemeindetag teilen.

Es gibt keinen Grund, die Kleinkindbetreuung finanziell schlechter zu behandeln als die Kindergartenbetreuung. „Gerade für die Kleinsten das Feinste“ ist doch ein von Ihnen gern benutzter Spruch. Dann handeln Sie bitte auch danach!

Ohne eine Aufstockung der Landesmittel wird für die Kommunen auch zu befürchten sein, dass die Elternbeiträge für die U3-Betreuung steigen und um einiges höher als die Kindergartenbeiträge sein werden. Damit werden sozial benachteilig te, sozial schwächere Familien und Alleinerziehende noch mehr als jetzt benachteiligt.

Ein anderer Punkt neben der erhöhten Beteiligung an den Betriebskosten bei den Kommunen ist auch die Regelung der Modalitäten mit den Kommunen, wie die Investitionsmittel und die Betriebskostenzuschüsse des Bundes gerecht im Land verteilt werden. Sie wissen ja, dass die Umsetzung des Inves titionsprogramms des Bundes „Kinderbetreuungsfinanzierung 2008 – 2013“ Aufgabe der Länder ist. Baden-Württemberg stehen aus diesem Programm rund 300 Millionen € für Inves titionen zu. Der Betriebskostenanteil beläuft sich auf 238 Millionen €.

Im Augenblick herrscht eine große Unsicherheit bei den Kommunen, wie die Landesregierung die Weitergabe dieser Mittel gestaltet und welche Kriterien zugrunde gelegt werden sollen. Angesichts dieser ungeklärten Situation ist es dringend notwendig, dass die Landesregierung so schnell wie möglich Klarheit über die Fördermodalitäten herstellt und vor allem dieses Mal auf das sogenannte Windhundverfahren verzichtet, damit nicht die gleichen Ungerechtigkeiten entstehen wie bei den IZBB-Mitteln.

Da ist mir die Stellungnahme der Landesregierung zu unserem Antrag zu unklar. Daraus geht nur hervor, dass ein Förderverfahren, das sich allein nach dem Antragseingang richtet, möglichst vermieden oder zumindest abgemildert werden soll. Es

sollte aber nicht nur möglichst vermieden oder abgemildert werden, sondern es sollte überhaupt nicht angewandt werden. Das erwarten wir!

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Mehr dazu in der zweiten Runde.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Was? Da gibt es ei- ne zweite Runde?)

Ja. Antragsteller können auch noch eine Begründung abgeben.

Das Wort erteile ich Frau Abg. Wonnay.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir sprechen über eine der großen Zukunftsaufgaben des Landes. Gott sei Dank müssen wir nicht mehr über den Ausbau der Kleinkindbetreuung streiten. Aber wir streiten – das müssen wir nach wie vor tun – über das Tempo des Ausbaus. Zu der Stellungnahme zu unserem Antrag zu landes- und kommunalpolitischen Konsequenzen der Vereinbarung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe kann ich Ihnen nur sagen: Sie lassen leider noch nicht einmal im Ansatz erkennen, wie das Land in diesem Bereich seiner Verantwortung gerecht werden will.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die einzige konkrete Ankündigung betrifft die bisher knapp 10 % an Plätzen, die Sie in diesem Altersbereich bisher zur Verfügung haben. Sie wissen, wir sind damit noch längst nicht im Spitzenbereich, sondern erst im Mittelfeld der Bundesländer und ganz weit weg von den 35 %, die wir nach der BundLänder-Vereinbarung, die auch Baden-Württemberg mitträgt, bis zum Jahr 2013 erreichen müssen. Ab dem Jahr 2013 gilt dann der Rechtsanspruch, auch wenn es dazu unterschiedliche Interpretationen gibt. Der Gemeindetag geht davon aus, dass wir dann für 70 % der Kinder im entsprechenden Alter Plätze brauchen. Die Erfahrungen aus den Bundesländern, in denen es diesen Rechtsanspruch schon gibt, lassen eher den Schluss zu, dass wir dann wahrscheinlich für 50 % der Kinder ein Angebot vorzuhalten haben.

Aber das, was Sie bisher an landespolitischen Anstrengungen an den Tag legen, bleibt davon ganz weit weg und lässt im Moment keinen anderen Schluss zu, als dass Sie es so wie bisher machen wollen: Den Hauptanteil, den Löwenanteil bei der Erfüllung dieser Aufgabe schieben Sie den Kommunen zu. Das kann aber nicht die Lösung sein.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen – Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Unerhört! Uner- hört!)

Die einzige konkrete Antwort auf unsere Fragen, was denn jetzt konkret vonseiten des Landes passiert, ist in Ihrer Stellungnahme die Antwort, dass der Ministerpräsident irgendwann einmal mit den kommunalen Landesverbänden darüber reden will, wie das umzusetzen ist. Wenn wir schon für das Jahr 2008 die Verteilung der Investitionsmittel, die uns der Bund zur Verfügung stellt, vornehmen müssen und die Kom

munen und die Träger rasch Klarheit in diesem Bereich brauchen, dann ist ein Gespräch am 10. Dezember, wie es bisher geplant ist, einfach viel zu spät. Sie werden in diesem Bereich Ihrer Verantwortung einfach nicht gerecht.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Wenn es Ihnen wirklich so ernst mit dem „Kinderland“ ist, dann müsste es möglich sein, im Terminkalender des Minis terpräsidenten einen etwas früheren Termin zu finden. Vor allem müssten Sie den Kommunen, die schon jetzt Ausbaupläne in den Schubladen haben – die diese im Moment erst einmal auf Eis legen, bis klar ist, was jetzt eigentlich kommt –, eine andere Hilfestellung geben als das, was Sie bisher in Aussicht gestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben als SPD unsere Vorstellungen klargemacht. Es wird eine gewaltige Kraftanstrengung brauchen, um das Ziel zu erreichen, zunächst einmal bis zum Jahr 2013 mehr als eine Verdreifachung des bisherigen Platzangebots zu erreichen und dann noch den Sprung bis zur Erfüllung des Rechtsanspruchs zu schaffen.

Deshalb sagen wir – das fordern wir seit Jahren –: Wir dürfen bei der Bezuschussung vonseiten des Landes keinen Unterschied machen zwischen dem Bereich der Kleinkindbetreuung und der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindergartenkindern. Auch die Kleinkinder müssen dem Land 30 % Zuschuss wert sein.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Dann müssen Sie sich endlich einmal daranmachen, gemeinsam mit den anderen Akteuren einen wirklich klaren Ausbauplan vorzulegen und aufzuzeigen, in welchen Stufen Sie diese wirklich gewaltige Differenz von 10 % auf 35 % in den nächsten sechs Jahren aufholen wollen. Sie können sich nicht immer wegducken und sagen: „Es gibt einen unterschiedlichen Bedarf“, und es wird alles wachsweich gehandhabt. Damit werden wir nicht zum Ziel kommen.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Das Dritte ist: Sie müssen Klarheit schaffen bei den Fördermodalitäten der Investitionsförderung. Es freut mich natürlich, wenn Sie schon einmal sagen, Sie wollten diesmal aus den Fehlern des Windhundprinzips beim Ausbau der Ganztagsschule lernen, Sie wollten ein transparentes Verfahren, und Sie wollten ein Verfahren, das alle Landesteile gerecht berücksichtigt. Diese Ankündigung freut uns. Aber wichtig wäre, dass Sie jetzt endlich zu Potte kommen.

(Beifall bei der SPD)

Die Kleinkindbetreuung, meine sehr geehrten Damen und Herren, dient nicht nur der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie dient vor allem der Förderung unserer Kinder von Anfang an, und sie dient auch der Unterstützung der Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgabe. Sie ist auch ein Baustein zu besserer Elternbildung.

Deshalb möchten wir Ihnen nachher – wir werden über unseren Antrag abstimmen lassen, den Betriebskostenzuschuss schon im Nachtragshaushalt von 10 % auf 30 % zu erhöhen –

(Abg. Nikolaos Sakellariou SPD: Sehr gut! Höchste Zeit!)

die Gelegenheit geben, Ihrer Kinderlandrhetorik Taten folgen zu lassen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grü- nen)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Krue ger.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen: Unlängst – vor wenigen Tagen – haben Bund und Länder die Vereinbarung zum Ausbau der Betreuungseinrichtungen für die unter dreijährigen Kinder unterschrieben.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wer?)

750 000 Plätze sollen es bis zum Jahr 2013 werden. Das entspricht einer Versorgungsquote von 35 %. Für Baden-Würt temberg hatten wir ohnehin bis zum Ende der Legislaturperiode einen Ausbaugrad von 22 % vorgesehen, orientiert an dem, was hier im Land an Bedarf ermittelt ist, nämlich 23 %. Wenn jetzt zusätzliche Mittel in den Ausbau der Kleinkindbetreuung fließen können, dann begrüßen wir das als CDU-Fraktion natürlich auch. Nur machen wir es uns nicht so einfach wie die Oppositionsfraktionen, indem wir uns in plakativen Forderungen nach einer Erhöhung des Landeszuschusses gefallen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Plakativer als „Kin- derland“ geht es doch nicht mehr!)

Wir werden unserer Verantwortung für das Land, für die Kommunen, aber auch für künftige Generationen in dieser Frage gerecht werden, ohne das Ziel der Haushaltskonsolidierung aus den Augen zu verlieren.

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)