Protokoll der Sitzung vom 07.11.2007

Da gibt es auch Debatten.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Aha! Richtige De- batten!)

Das ist auch wichtig, weil wir nämlich in Bezug auf soziale Gerechtigkeit, in Bezug darauf, wer tatsächlich an dem wirtschaftlichen Aufschwung teilhat und wer nicht daran partizipiert, ein massives Problem haben.

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Und wie organisie- ren wir das? Das ist das Entscheidende!)

Es würde der FDP gut anstehen, sich mit diesen Fragen intensiv zu beschäftigen, Herr Kollege Noll.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/ DVP: Wir hatten ähnliche Programme, die der Herr Metzger ablehnt!)

Zur Kaufkraftstärkung gehört die Bekämpfung von Armutslöhnen. Wir haben im Sozialausschuss über einen Antrag dazu beraten. Wir haben versucht, der Landesregierung, den Regierungsfraktionen eine Brücke zu bauen. Beide haben das gleichermaßen abgelehnt. Da hätten Sie einen wichtigen Beitrag leisten können.

Zum Thema „Reduzierter Mehrwertsteuersatz“, Herr Minis ter: Das ist jetzt wirklich Ankündigungspolitik der feinsten Sorte. Das hören wir seit Jahr und Tag. Eine Bundesratsinitiative liegt nicht auf dem Tisch. Ich kann auch verstehen, dass die CDU-Fraktion da nicht mitmacht, denn es wäre ja absurd, die Mehrwertsteuer erst um 3 % zu erhöhen,

(Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP: Prozentpunkte!)

um ein Jahr später zu sagen: Für einzelne Bereiche reduzieren wir sie jetzt wieder. Man müsste schon heftig den Kopf schütteln bei der Frage, ob das tatsächlich Sinn macht. Ich frage Sie auch: Wenn Sie die Mehrwertsteuer für einen Bereich reduzieren, mit welcher Begründung wollen Sie dann anderen, z. B. Handwerkern, sagen, in ihrem Bereich reduzierten Sie die Mehrwertsteuer aber nicht?

(Zuruf des Abg. Dr. Ulrich Noll FDP/DVP)

Das ist Ankündigungspolitik. Eine Bundesratsinitiative liegt dazu nicht vor, Herr Kollege Noll. Wenn sie vorliegt, können wir im Hohen Haus über dieses Thema noch einmal ausgiebig diskutieren.

Zur Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I: Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr hier schon darüber diskutiert, als Herr Rüttgers diesen Vorschlag gemacht hatte. Die CDU hat auf ihrem Parteitag im letzten Jahr beschlossen, dass die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I verlängert werden soll. Wir haben die klare Position, dass das der falsche Weg ist. Wir haben gerade bei den älteren Beschäftigten einen Anstieg der Beschäftigtenquote. Alle, die in der Demografie-Enquete dabei waren oder sich mit diesem Thema befasst haben, müssten wissen, dass es wichtig ist, dass möglichst viele über 55-Jährige in Beschäftigung sind. Deshalb ist eine Verlängerung des Arbeitslosengeld-I-Bezugs nicht der richtige Weg.

Wenn Sie eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I für Ältere wollen, müssen Sie aber auch sagen, wer das bezahlen soll. Das, was von der CDU vorgesehen ist – dass das Sicherungsnetz bei der Arbeitslosenversicherung dann für die Jüngeren sehr viel schlechter wird –, kann nicht im Interesse einer kinder- und familienfreundlichen Politik sein, wie wir sie hier im Hohen Hause wohl alle wollen.

(Beifall bei den Grünen – Zuruf des Abg. Karl Zim- mermann CDU)

Lassen Sie uns an diesem Punkt bei dem bleiben, was mit der Agenda 2010 beschlossen worden ist. Das ist der richtige Weg. Er führt auch für Baden-Württemberg zu positiven Effekten und mehr Beschäftigung von Älteren, und er erhält die Sicherheit für die Jungen besser als alles, was in CDU und SPD gerade diskutiert wird.

Danke.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Hillebrand.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte nur zu zwei Themen Stellung nehmen, die hier angesprochen worden sind. Es sind zwei arbeitsmarktpolitische Themen. Für diese ist unser Haus bekanntlich zuständig.

Kollege Schmiedel, Sie haben das Thema Mindestlohn aufgegriffen. Obwohl das ja in erster Linie ein bundespolitisches Thema ist, sollten wir die Dinge trotzdem so weit klarstellen, wie sie auch den Fakten entsprechen. Manchmal hat die SPD, speziell die Landes-SPD – es tut mir leid, das so sagen zu müssen –, offensichtlich ein relativ kurzes Gedächtnis.

(Abg. Rainer Stickelberger SPD: Na, na, na! – Abg. Martin Rivoir SPD: Es tut Ihnen nicht wirklich leid! Nicht wirklich!)

Ich möchte zu diesem Thema nur Folgendes sagen: Mitte Juni – das ist jetzt ungefähr ein halbes Jahr her – hat der Koalitionsausschuss zwischen SPD und CDU/CSU auf Bundes ebene zum Thema Mindestlohn eine Einigung erzielt.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Der Koalitionsaus- schuss ist nicht die SPD! Das ist eine Koalitionseini- gung, aber nicht nur von der SPD!)

Die Einigung, lieber Kollege Schmiedel, ging in die Richtung, dass auch die SPD diesem Kompromiss zugestimmt hat. Das war nicht die Landes-SPD, sondern die Bundes-SPD. Diese Einigung sieht vor, dass ein allgemeiner flächendeckender Mindestlohn ausgeschlossen werden soll.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da gibt es aber mitt- lerweile auch von der CDU ganz andere Stimmen, Herr Kollege!)

Der Kompromiss, der geschlossen wurde, sieht vor, dass Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % zukünftig die Möglichkeit erhalten, auf Antrag in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen zu werden. So ist die Situation.

Sie stellen hier Anträge, wonach die Landesregierung das Land Rheinland-Pfalz bei seiner Bundesratsinitiative unterstützen solle. Ich kann nur sagen: Das ist absolut kontraproduktiv. Denn es ist ganz evident – da teile ich die Auffassung von vielen, die hier schon gesprochen haben –, dass der flächendeckend eingeführte gesetzliche Mindestlohn zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland und zu mehr Schwarzarbeit führen würde.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Lächerlich! Das muss bei uns ausgetragen werden und nicht im Ausland! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Unglaublich!)

Letztlich, lieber Kollege Gall, ist ein ganz wichtiger Aspekt: Der Niedriglohnsektor ist oft der Türöffner für den ersten Arbeitsmarkt. Das darf man nicht übersehen. Das ist eine ganz wichtige Geschichte.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Völlig falsch! Trotzdem muss man vom Einkommen leben können!)

In diesem Zusammenhang – das muss ich auch noch sagen – gibt es in unserem Land Kombilohnmodelle, die wesentlich besser sind als das, was Sie hier mit dem Mindestlohn vorsehen.

Noch ein Punkt zum Thema Arbeitslosengeld I und zu dem Neunpunkteprogramm, das die SPD auf ihrem Hamburger Parteitag beschlossen hat, das hier angesprochen worden ist. Ich halte es in der Tat für den absolut falschen Weg, die Bezugszeiten für das Arbeitslosengeld I zu verlängern. Das würde entgegen den Berechnungen, lieber Kollege Schmiedel – –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Es gibt Parteitagsbe- schlüsse dazu!)

Die halte ich auch für falsch. Auch wenn Herr Rüttgers es so gesehen hat, bin ich trotzdem der Auffassung, dass wir aufgrund der Agenda 2010 – die hat ihren Beitrag dazu geleistet – speziell auch in Baden-Württemberg die Situation haben, dass insbesondere über 55-jährige Arbeitnehmer wieder überproportional im ersten Arbeitsmarkt gelandet sind –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Trotzdem ist es gera- de für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders schwer! Das wissen Sie doch auch!)

Langzeitarbeitslose übrigens genauso. Wenn ich dies jetzt rückabwickle, indem ich Verlängerungsmöglichkeiten und Gleitmöglichkeiten ins Rentenalter einräume, dann bedeutet das – –

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Diese Leute haben aber auch sehr viele Jahre einbezahlt, Herr Staatsse- kretär!)

Das ist absolut richtig, Frau Haußmann. Trotzdem bedeutet es im Ergebnis – – Wir haben übrigens schon eine Verlängerung für die älteren Arbeitnehmer.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Eben!)

Wir haben bereits die 18 Monate im Gegensatz zu den zwölf Monaten für die unter 50-Jährigen. Aber das nochmals zu verlängern, hieße, einen gleitenden Übergang ins Rentenalter zu schaffen, so, wie das vormals der Fall war.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Nein! – Glocke des Präsidenten)

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Schmiedel?

Aber gern.

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt herausgearbeitet, dass es einen Unterschied zwischen Koalitionsbeschlüssen und SPD-Beschlüssen gibt. Aber ist Ihnen auch der Unterschied zwischen Koalition und SPD schon bekannt?

Zweite Frage: Ist Ihnen auch bewusst,

(Zuruf des Abg. Klaus Dieter Reichardt CDU)

dass Sie sich mit Ihrer Meinung zur Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I in der CDU in der Minderheit befinden?

Wie sich das bundespolitisch darstellt, lieber Kollege Schmiedel, vermag ich nicht zu beurteilen.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Da gibt es einen Partei- tagsbeschluss! – Abg. Reinhold Gall SPD: Sie sollten sich nicht nur unsere Parteitagsbeschlüsse anschau- en, sondern auch Ihre!)

Aber unser Ministerpräsident hat sich zu diesem Thema eindeutig in dem Sinn geäußert, wie ich das hier vorgetragen habe. Ich kann nur noch einmal sagen: Die Zahlen im Land Ba