Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Jetzt nenne ich Ihnen zum Abschluss ein ganz aktuelles Beispiel – ich gebrauche diesen Begriff jetzt bewusst –, das zeigt, was von den Sprechblasen des Herrn Ministerpräsidenten zu halten ist. Günther Oettinger hat gesagt – als die Bund-Länder-Vereinbarung kam, hat er sich ganz flugs in der „Schwäbischen Zeitung“ vom 7. September 2007 zu Wort gemeldet –, dass das Land den Rechtsanspruch ab dem ersten Jahr freiwillig schon vor dem Jahr 2013 erfüllen wolle.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Oh! Stöhnen der Abg. Ursula Haußmann! – Zuruf des Abg. Bernd Hitzler CDU)

Wir haben das dann in einem Antrag abgefragt. Darauf kam eine Stellungnahme der Landesregierung. Sie können diese in der Drucksache 14/1710 nachlesen:

Dabei wird es auch um die Frage gehen, wie das Anlie gen des Herrn Ministerpräsidenten, das Betreuungsan gebot für Kleinkinder bereits vor 2013 bedarfsgerecht auszubauen, entsprechend umgesetzt werden kann.

(Abg. Claus Schmiedel SPD: Auch solche Populis ten!)

In der jüngsten Stellungnahme der Landesregierung zum Thema, diesmal zu einem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion GRÜNE, heißt es:

Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf einen Betreu ungsplatz für Kleinkinder bereits vor 2013 steht derzeit nicht zur Diskussion und wird seitens der Landesregie rung auch nicht unterstützt.

Es sind also Sprechblasen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Solange Sie uns nicht durch Taten eines Besseren belehren, bleibt es dabei, dass das „Kinderland“ ein schöner Begriff ist, mit dem aber leider auch Etikettenschwindel betrieben wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Klenk.

Liebe Kollegin Wonnay!

(Zurufe von der SPD: Herr Präsident! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Und was ist mit uns?)

Wir sind in der zweiten Runde.

Ich kann Ihnen auf Ihre Aussagen gegenüber unserem Minis terpräsidenten nur erwidern:

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Da kann man eigent- lich gar nichts sagen!)

Unser Ministerpräsident hat sich aktuell in einem Punkt geäußert.

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Was hat er denn ge- sagt?)

Als es um die Essensversorgung von Kindern ging, hat er sich dahin gehend geäußert, dass es Aufgabe der öffentlichen Hand sei, dafür zu sorgen, dass Kinder morgens ein Frühstück und mittags ein Mittagessen bekommen.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wo hat er das ge- sagt?)

Und er überlegt sich, wie Land und Kommunen gemeinsam einen Weg finden können, dies den Kindern ohne Stigmatisierung zukommen zu lassen. Da gibt es intelligente Systeme. Ich denke, da werden wir auch einen Weg finden.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Es gibt weiter die Aussage – dazu stehen wir auch als Regierungsfraktion –: Wenn wir uns über mehr Mittel unterhalten, dann über Mittel aus den Zinseinsparungen. Ich habe heute Morgen im Radio gehört: Bei der gestrigen Einbringung des Haushalts der Stadt Ludwigsburg war auch davon die Rede, dass zur Finanzierung des Ausbaus der Kinderbetreuung, gegebenenfalls auch der Beitragsfreiheit, möglicherweise ab 2010 die Grundsteuer erhöht werden solle. Das heißt, man muss vom Bürger, auch von den Familien, irgendwo wieder Geld nehmen, um andere Wohltaten, die man – manchmal zu großzügig – verteilen will, zu finanzieren.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Aber da würde ich nicht von „Wohltaten“ reden!)

Ich darf noch einmal auf einen Punkt hinweisen, den die Ministerin angesprochen hat. Uns kommt es – das hat die Kollegin Lösch richtig gesagt – auf die Qualität an, nicht nur auf die Quantität. Aber wenn wir von Qualität reden – ob im Kindergarten oder bei der Kinderbetreuung –, dann tun Sie bitte nicht so, als ob unsere Erzieherinnen schlechte Arbeit leisten würden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Karl-Wil- helm Röhm CDU: So ist es! Hervorragende Ausbil- dung! Jawohl! – Abg. Marianne Wonnay SPD: Das ist doch Quatsch! Was ist denn das für ein Quatsch? – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Immer diese alten Ar- gumente aus der Mottenkiste! Wir sind doch schon viel weiter! – Unruhe)

Sie leisten schon heute hervorragende Arbeit.

(Abg. Norbert Zeller SPD: Wer bezweifelt das?)

Ich kann Ihnen nur sagen: Viele Dinge, die Sie hier ansprechen und deren Fehlen Sie kritisieren, finden vor Ort schon längst statt. Haben Sie doch einfach ein bisschen mehr Vertrauen in unsere Träger und in unsere Kommunen vor Ort, die hier hervorragende Arbeit leisten und auch Angebote schaffen.

(Beifall bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Sa- gen Sie einmal, wie das bei Ihnen in Ihrer Gemeinde ist, als Beispiel! Gibt es da Mittagessen? Nein!)

Wir machen einen Unterschied, Herr Gall, in den Gemeinden, aber auch im Land. Wir sagen immer – das war auch unser Thema beim Ausbau der Betreuungsangebote –: Wir haben ein gespaltenes Verhältnis zu dieser Vorgabe mit dem Rechtsanspruch auf eine Versorgungsquote von 35 % ab 2013. Das kann man ruhig sagen.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Nein! Da haben Sie etwas falsch verstanden mit dem Rechtsanspruch!)

Wir haben bislang immer die Haltung eingenommen: Wir wollen einen bedarfsgerechten Ausbau. Mit dieser Aussage und diesem Ansatz sind wir in Baden-Württemberg bislang nicht so schlecht gefahren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Christine Rudolf SPD)

Dort, wo der Bedarf ist, wo die Notwendigkeit besteht, wo Familien darauf angewiesen sind, müssen wir Angebote schaffen. Wir müssen das aber – ich sage es noch einmal – nicht mit der Gießkanne über das ganze Land verteilen.

(Zuruf der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Dazu gab es heute Morgen die richtige Aussage, dass mit 35 % auch nicht gemeint sei, dass das überall sein müsse. Es kann durchaus sein, dass es Bereiche gibt, in denen man weniger braucht, aber auch andere Bereiche, in denen man mehr braucht. Aber noch einmal: Ich muss die Kommunen hier einfach lobend erwähnen. Nehmen Sie die Stadt Stuttgart. Sie

bietet inzwischen ein Mittagessen für entsprechende Kinder an.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Weniger loben, son- dern unterstützen!)

Die Sozialbürgermeisterin erzählt – das sind erschütternde Zustände; die wollen wir nicht; es ist mit unsere Aufgabe, hier für Abhilfe zu sorgen –, dass Kinder ohne Unterwäsche in die Schule kommen und anderes, nur weil die Eltern sich das nicht leisten können.

(Abg. Margot Queitsch SPD: Dann tun Sie doch et- was!)

Deshalb müssen wir an diesen Punkten ansetzen. Da sind wir miteinander auf einer Linie. Aber – das sage ich abschließend – wir stehen auch zu unserer Linie, zu sagen: Wir können nicht jetzt, weil gerade irgendwo Geld zur Verfügung steht, dieses Geld einfach großartig über das Land verteilen.

(Zuruf der Abg. Ute Vogt SPD)

Ich sage Ihnen nur, was Ihr Bundesfinanzminister gestern Abend gesagt hat. Diese Diskussion wird auch in Berlin geführt. Er hat das mehr an seine Genossinnen und Genossen in Berlin gerichtet: Er würde schon die erotisch verklärten Augen der Kollegen sehen, die nicht wissen, was sie jetzt mit dem Geld anfangen sollen, und das wieder großzügig verteilen wollen.

(Abg. Ute Vogt SPD: Wir wissen das! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Peter Wetzel FDP/DVP)

So wollen wir Familienpolitik in Baden-Württemberg nicht betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält Frau Abg. Lösch.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufzählungen der familienpolitischen Glanzleistungen, die Frau Ministerin Stolz vorher vorgebracht hat, haben mich doch sehr an die „Wir-sind-spitzeZeiten“ unter Ministerpräsident Teufel erinnert.

(Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Wir waren damals spitze und sind es heute noch!)

Liebe Frau Sozialministerin, nach einer Erhebung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe leben in Baden-Württemberg 150 000 Kinder von Sozialhilfe. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 12,6 %.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Das ist die Realität!)