Protokoll der Sitzung vom 28.11.2007

Nach gewissen Reden habe ich den Eindruck, dass es wie beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz zwei Fraktionen gibt, für die diese Aussagen uneingeschränkt gelten, eine weitere Fraktion – sie gehört der Opposition an –, die sehr nahe bei uns ist, und eine vierte, die sich wie schon beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz wieder selbst verabschiedet hat und damit im Übrigen auch zeigt, dass sie unter ihrer derzeitigen Führungslosigkeit offensichtlich heftig zu leiden hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Abg. Dr. Birgit Arnold FDP/DVP – Lachen des Abg. Wolfgang Stehmer SPD)

Herr Stehmer, wenn man Ihre Rede gehört hat, hatte man den Eindruck, man sei hier in einer Generaldebatte, aber nicht in einer Diskussion über die Nachhaltigkeitsstrategie.

(Zuruf des Abg. Thomas Knapp SPD)

Außerdem hat Ihre Rede den Eindruck erweckt, dass bei der SPD derzeit jeder ein bisschen Fraktionsvorsitzender spielt und seine Reden so auch ausarbeitet.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Blenke CDU: Stehmer wird Fraktions- vorsitzender! – Zuruf des Abg. Wolfgang Stehmer SPD)

Lieber Herr Stehmer, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Nachhaltigkeit verdient bessere Reden als die Ihre. Denn entweder geht es uns ernsthaft darum, uns mit diesem Thema auseinanderzusetzen, oder aber wir halten weiter solche Reden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Verständnis dafür, dass es unterschiedliche Auffassungen über die Frage gibt, wie Nachhaltigkeit erreicht und wie eine Nachhaltigkeitsstrategie ausgestaltet werden kann. Das ist, glaube ich, völlig normal.

Frau Dr. Splett, Sie haben die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 angesprochen. Es ist zwar schön, wenn man sich übergeordnete Ziele gibt; aber es ist kein Vorbild, wenn man sich dann überhaupt nicht mehr dafür interessiert. Wenn Sie anführen, dass angeblich niemand in diesem Land die Pläne und die Vorgaben der Landesregierung kennt, dann wünsche ich Ihnen viel Freude, wenn Sie einmal ins Land hinausgehen und fragen, ob jemand die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung kennt und weiß, was darin enthalten ist. Sie werden feststellen, dass dies nicht der Fall ist.

An diesem Punkt setzt im Übrigen auch eine der Grundideen an, die wir unserer Nachhaltigkeitsstrategie ganz bewusst zugrunde gelegt haben. Ich werde auf einige Besonderheiten dieser Nachhaltigkeitsstrategie noch eingehen, will aber zuvor zu drei Punkten Stellung nehmen, die meine Vorredner zu konkreten umweltpolitischen Themen angesprochen haben; allerdings lege ich Wert darauf, dass Nachhaltigkeit gerade nicht ausschließlich Umweltpolitik ist, sondern aus den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales besteht. Diese drei Punkte können nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Erster Punkt: Frau Dr. Splett, die Planungen für ein Kohlekraftwerk in Karlsruhe gibt es deswegen, weil es Ihren Ausstiegsbeschluss zur Kernkraft gibt, und aus keinem anderen Grund.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Thomas Knapp SPD: So ein Quatsch! – Gegenruf des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Haben Sie schon einmal davon gehört, dass auch alte Kohlekraftwerke wieder betrieben werden? – Abg. Werner Pfisterer CDU: Wer Philippsburg nicht will, der muss für Karlsruhe sein!)

Deswegen finde ich schon, dass man in dieser Debatte ehrlich bleiben sollte. Entweder sind Sie bereit, mit uns den Weg zu gehen, zu sagen: CO2-neutrale Produktion von Strom durch Kernkraft – im Übrigen handelt es sich dabei um bereits bestehende Kernkraftwerke auf hohem Sicherheitsniveau; dies wird uns jedes Mal, auch international, bestätigt, so auch aktuell wieder –, oder aber wir gehen den Weg der Kohlekraft. Aber solange Sie glauben, der Strom kommt aus der Steckdose,

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Das glaube ich!)

und es ist egal, wie er hineinkommt, hilft uns das nicht weiter.

(Beifall bei der CDU – Abg. Helmut Walter Rüeck CDU: Sehr gut! – Zuruf des Abg. Werner Pfisterer CDU)

Zweiter Punkt: Man kann über die Nachhaltigkeit der Kern energie lange diskutieren. Allerdings weise ich darauf hin, dass die grundsätzliche gesellschaftliche Entscheidung für die Nutzung dieser Technologie getroffen wurde, lange bevor wir alle uns in diesem Raum befunden haben. Jetzt ist die Frage, wie wir im Interesse der Nachhaltigkeit und einiger sonstiger Punkte mit dieser Entscheidung umgehen.

Dritter Punkt: das Thema Flächenverbrauch. Wenn man aus Regierungserklärungen zitiert, kann erwartet werden, dass man richtig zitiert. Auch Sie legen Wert darauf, richtig zitiert zu werden. Der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Wir streben mittelfristig entlang der demografischen Entwicklung „Nettonull“ an. Das ist etwas völlig anderes, als wenn Sie heute sagen: ab heute kein Verbrauch mehr.

Ich lege Wert darauf, dass dies unsere Zielsetzung ist. Zu der stehen wir, für die stehen wir ein. Deswegen haben wir als Landesregierung vor nicht allzu langer Zeit ein Programm zur Eindämmung des Flächenverbrauchs aufgelegt. Das halte ich für richtig und für wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollten uns ja über die Nachhaltigkeitsstrategie unterhalten. Es gibt zwei Initiativen zu dieser Nachhaltigkeitsstrategie, und wir haben versucht, in unseren Antworten die Besonderheiten unseres Vorgehens darzustellen. Ich will das im Übrigen auch deswegen noch einmal vertiefen, weil doch der eine oder andere den Eindruck erweckt hat, diese Antworten noch nicht in allen Einzelheiten zu kennen.

Erstens: Die Nachhaltigkeitsstrategie ist gerade keine Ökooffensive, sondern ein umfassender Ansatz. Ökologische, ökonomische und soziale Fragestellungen werden gleichermaßen behandelt. Diese Strategie verdient gerade die Bezeichnung „nachhaltig“.

Zweitens: Es ist keine Regierungsstrategie – das ist wahrscheinlich das, was Sie ein bisschen ärgert –, sondern es ist eine Strategie des Landes. Über 240 Institutionen, vertreten durch rund 350 Personen, beteiligen sich intensiv an unserer Strategie.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Größe ist kein Garant für Qualität!)

In dieser Woche findet in Stuttgart die Jahrestagung der UNDekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ statt. 500 Akteure aus ganz Baden-Württemberg finden sich zur Ver netzung, zum Informations- und Gedankenaustausch hier in Stuttgart zusammen. Das sind Belege dafür, dass die Nachhaltigkeitsstrategie die Mitte unserer Gesellschaft erreicht,

und das ist notwendig. Es nützt uns nichts, wenn wir Strategien entwickeln, bei denen wir die Menschen nicht mitnehmen.

Drittens: Die Nachhaltigkeitsstrategie ist gerade kein Debattierklub, sondern eine effiziente Arbeitsform. Frau Dr. Splett, die Tatsache, dass Sie nichts davon gehört haben, spricht für sich. Wir arbeiten, und wir sind auf einem guten Weg; das können wir beweisen. Denn die 15 Projekte sind wirklich schon sehr intensiv verfolgt worden. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir innerhalb eines Jahres, spätestens in eineinhalb Jahren mithilfe der Projektgruppen bereits Ergebnisse liefern können, die in greifbare Aktionen und umsetzbare Politik münden.

Die Geräuschlosigkeit der Arbeit zeigt, dass es ein gutes Miteinander gibt, das im Übrigen von vielen anerkannt wird. Über den umfassenden Ansatz gelingt es tatsächlich, miteinander ins Gespräch zu kommen, statt immer nur übereinander zu reden. Das hilft uns, glaube ich, sehr.

Viertens: Die Strategie läuft nicht parallel neben der Regierungsarbeit her, sondern sie greift genau die Themen auf, die für Baden-Württemberg mittel- und langfristig von herausragender Bedeutung sind und bei denen es darum geht, bewusst einen umfassenden Ansatz zu wählen.

Fünftens: Die Nachhaltigkeitsstrategie verwischt nicht die Strukturen, sondern gibt Orientierung. In einem Konsultationsprozess erarbeiten wir Ziele für eine nachhaltige Entwicklung in Baden-Württemberg als Leitplanken für unser Handeln. Dies zeigt eben auch, liebe Frau Dr. Splett, dass wir durchaus in der Lage sind, Ziele zu setzen. Diese Nachhaltigkeitsstrategie hat auch ein Ziel.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Welche Kerneigenschaften hat unsere Strategie? Wie schlägt sich das in unserem Handeln nieder? Wir haben bewusst gesagt: Wir gehen nicht entlang der drei Säulen vor, sondern verfolgen einen integrativen Ansatz. Wenn wir wieder nur den ökologischen Bereich auf der einen Seite, den ökonomischen Bereich auf der anderen Seite und den sozialen Bereich zum Dritten getrennt verfolgen, wird uns das im Sinn eines ganzheitlichen Ansatzes eben nicht helfen. Wir gehen ganz bewusst integrativ vor und haben deswegen sechs Themenfelder definiert: Energie und Klimaschutz, Produzieren und Arbeiten, Städte und Regionen, Bildung und Wissen, Lebensqualität und zukunftsfähige gesellschaftliche Entwicklung.

(Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Weihnach- ten und Ostern!)

Entscheidend ist im Übrigen auch, dass dies ein ressortübergreifender Ansatz ist. Alle Ressorts dieser Landesregierung wirken an der Nachhaltigkeitsstrategie mit, ohne dass ein Ressortdenken vorhanden wäre.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Splett GRÜNE)

Das ist die erste Strategie, bei der dies gelungen ist.

Zweitens gelingt Nachhaltigkeit nur gemeinsam. Auf allen Ebenen – in den Projektgruppen, als Kovorsitzende der Projekte, aber auch in den Entscheidungsgremien – binden wir die gesellschaftlichen Akteure mit ein. Sie sind in allen Be

reichen mit eingebunden. Noch einmal: Es ist eine Strategie des Landes und nicht der Landesregierung.

Drittens gehen wir auf zwei Ebenen vor: der strategischen und der operativen. Sie finden in ganz Deutschland keine Nachhaltigkeitsstrategie, die diesen zwar schwierigen, aber richtigen Weg geht. Operativ machen wir Projektarbeit und kommen dabei sehr zügig zu Ergebnissen, die wir umsetzen können. Strategisch befinden wir uns bei der Diskussion der Ziele. Diese haben wir im August gestartet, und wir haben bereits einen ersten Konsultationsprozess mit allen Beteiligten durchgeführt.

Die Tatsache, dass wir aus diesem Konsultationsprozess mit zwischenzeitlich über 715 Zielvorschlägen in weitere Diskussionen und Konsultationen gehen, zeigt, dass wir zwar einen anspruchsvollen Weg vor uns haben, aber auch auf einem guten Weg sind, weil etwa die Hälfte dieser Ziele durch die gesellschaftlichen Akteure vorgestellt wurden.

Genau an diesem Punkt gibt es eine Verknüpfung mit bereits vorhandenen Plänen der Landesregierung, insbesondere dem Umweltplan. Die Ziele des Umweltplans gehen mit in die strategische Zielfindung ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, acht Monate sind seit dem Start der Nachhaltigkeitsstrategie vergangen. Wenn man weiß, was Nachhaltigkeit bedeutet – nämlich: auf lange Sicht angelegt, nicht von heute auf morgen –, dann ist das eigentlich noch ein kurzer Zeitraum. Trotzdem zeigen uns die Rückmeldungen, die wir erhalten, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Die Resonanz auf die Nachhaltigkeitsstrategie ist enorm positiv. Die zuvor genannte Teilnehmerzahl zeigt dies. Die Akteure sind im Übrigen hoch motiviert. Sie sind mit Begeisterung dabei. Es wird nicht nach dem Staat gerufen, sondern die Verbände, Unternehmen und Stiftungen sagen: Wir bringen unsere Kompetenz ein und unterstützen euch bei der Umsetzung.

Wir werden im Frühjahr 2008 die ersten Ergebnisse vorlegen.

Um eines ebenfalls noch klarzumachen: Ich halte es für wichtig, solche Prozesse zu starten, ohne bereits mit Geldscheinen zu winken.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Bullinger?

Ja.

Bitte schön, Herr Abg. Dr. Bullinger.

Frau Ministerin, Sie haben sehr viele Pläne und gute Ansätze genannt. Im Schwäbischen sagt man: „Net schwätza, schaffa!“ Könnten Sie einmal vier oder fünf Dinge benennen, die jetzt ganz konkret in Angriff genommen wurden? Könnten Sie sagen, wie man damit dann auch wirklich ein Stück vorwärtskommt?

(Abg. Thomas Knapp SPD: Ist die Frage bestellt?)