Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Her ren! Politik, Wirtschaft und Gesellschaft des 21. Jahrhunderts stehen vor besonders großen Herausforderungen wie dem Klimawandel, der Ressourcenverknappung und dem demografischen Wandel. Die EU und die Bundesregierung haben jeweils Nachhaltigkeitsstrategien auf den Weg gebracht. Im Hinblick darauf, dass die Probleme zwar vielfach global angelegt sind und auch global gelöst werden müssen, viele Herausforderungen aber auch auf die Gegebenheiten vor Ort und mit Rücksicht auf regionale Besonderheiten angegangen werden müssen, hat die Landesregierung im März dieses Jahres mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes die Weichen richtig gestellt.
Nachhaltigkeit im Sinne der Strategie des Landes definiert sich inhaltlich über zwei wesentliche Eckpfeiler. Es sollen die Bedürfnisse der heutigen Generation befriedigt werden, ohne gleichzeitig den künftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen. Das bedeutet für uns Generationengerechtigkeit. Ich möchte hier aber auch der Gesellschaft zu bedenken geben, dass sie im eigenen Interesse und im Interesse ihrer Erben, ihrer Nachfolger sowie im Interesse der Umwelt stets über den Wohlstand und die eigene Lebensqualität reflektieren sollte.
Im Rahmen der Strategie müssen ökologische, ökonomische und soziale Komponenten berücksichtigt werden. Dies ist der
Unterschied zwischen der Strategie und dem Umweltplan, der nur ökologische Zielsetzungen beinhaltet.
Das Land steht also vor sehr großen Herausforderungen, die nur durch Kreativität und Innovationen zu bewältigen sind. Kreativität und Innovationen gedeihen nur dort, wo Spielräume und Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind. Dies ist die Grundüberzeugung, an der wir unsere liberale Politik ausrichten.
Aber mit Freiheit geht stets auch eine besondere Verantwortung Hand in Hand. Aus diesem Grunde ist es auch der richtige Weg, die Nachhaltigkeitsstrategie als eine Strategie des Landes zu verstehen, nach der Staat, Wirtschaft und Gesellschaft miteinander kooperieren und gemeinsam die Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung des Landes tragen. Darin stecken Herausforderung und Potenzial gleichermaßen. Wir stehen nicht nur vor neuen Risiken, sondern auch vor neuen Chancen.
Wir hatten bislang sehr viele Themenfelder: von der Energieerzeugung über das Produzieren und Arbeiten, die Entwicklung von Städten und Regionen, Lebensqualität, gesellschaftliche Entwicklungen bis hin zu Bildung und Wissen als Motoren nachhaltiger Entwicklung. Diese Themenfelder können und sollen jeweils ergänzt werden, zeigen aber die sehr große Bandbreite, auf die die Strategie angelegt ist.
Umwelt- und sozialverantwortliches Wirtschaften lohnt. Dies wird an vielen Beispielen deutlich. Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen stehen am Markt besser da. Das zeigen viele Studien. Die Erkenntnis, dass Umweltschutz die Betriebskos ten senkt, hat sich durchgesetzt. Auch in der Wirtschaft gilt: Tages- und Kurzzeitbilanzen reichen uns nicht aus; wir brauchen Langzeitbilanzen.
Baden-Württemberg ist bereits ein Zentrum für nachhaltiges Wirtschaften, und zwar vor allem beim Mittelstand. Das machen Unternehmen aus dem Land deutlich, die nicht nur mit dem Umweltpreis für Unternehmen aus dem Land, sondern auch mit nationalen Preisen oder dem Europäischen Umweltpreis ausgezeichnet wurden.
Über die Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir diese Vorreiterrolle des Landes ausbauen. Ich darf hier zwei Beispiele aus der aktuellen Entwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie nennen.
Derzeit läuft das Projekt „Reduzierung des Energiebedarfs in Haushalt, Gewerbe und Industrie“ unter Federführung des Wirtschaftsministeriums und mit Unterstützung der Klima schutz- und Energieagentur. Zielsetzung ist es, die Energieeffizienz in Gebäuden und Betrieben zu verbessern sowie den Einsatz und die Entwicklung stromsparender Geräte zu fördern.
An diesem Projekt sind verschiedenste gesellschaftliche Institutionen beteiligt: Vertreter von Banken und Bausparkassen, Architekten, Ingenieure, Industrie und Handwerk, Unternehmen, Kommunen, Regionen, Universitäten, Forschungs
einrichtungen, ebenso Vertreter von Kirchen, von Mieter-, Hauseigentümer- und Wohnungseigentümerverbänden, des Naturschutzes und auch Verbraucher. Dadurch, dass diese verschiedensten Gruppen an einen Tisch gebracht werden, können wichtige Synergieeffekte entstehen, und es kann neben der Arbeit der Politik, insbesondere des Wirtschaftsministeriums in diesem Fall, das Potenzial genutzt werden, das in Wirtschaft und Gesellschaft vorhanden ist.
Letztlich zeigt uns das Energieeffizienzprojekt, dass von diesem Vorhaben wirklich alle profitieren können. Die Haushalte sparen in einer Zeit hoher Energiepreise bares Geld, und die Umwelt wird durch Reduzierung des CO2-Ausstoßes entlas tet. Wir sehen: Wenn man sich auch in diesem Bereich an die Spitze der Entwicklung setzt und die Marktposition weiter verbessert, kann man, wenn man hier rechtzeitig auf den Zug aufspringt, auch weltweit Märkte erobern.
Ein zweites Projekt will ich nennen: „Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in der Justiz“, ein Projekt, das unter der Federführung des Justizministeriums läuft. Auch hier sind viele Gruppen am Werk. Hier wird eine ganztägige schulische Betreuung von Gefangenen angepackt. Das ist ein sehr wichtiger Schritt. Nach der Entlassung aus der Haft wird für die Gefangenen der Einstieg in das Berufsleben sehr viel einfacher, und sie können leichter Fuß fassen. Wir verstehen dies als wirksame Kriminalprävention.
Wir sehen an diesen beiden Beispielen, dass die Nachhaltigkeit wirklich Win-win-Lösungen hervorbringen kann.
Zusammengefasst: Was ist hier wichtig? Wichtig sind der Orientierungsrahmen, konkrete Projekte – wie eben geschildert –, ressortübergreifende Zusammenarbeit, Partizipation und Verantwortung aller. Das heißt, es geht nicht um einen starren Plan, sondern um einen gesellschaftlichen Such-, Lern- und Gestaltungsprozess, einen ergebnisoffenen Prozess. Wir beteiligen uns – Frau Ministerin, Sie haben ja zugesagt, dass der Nachhaltigkeitscheck von Anfang an gemacht wird – daran sehr gern.
Im Rahmen der Energie- und Umweltpolitik sind uns darüber hinaus aber noch folgende Punkte äußerst wichtig: Wir müssen es schaffen, die Entkopplung zwischen Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch bzw. Umweltbelastung darzustellen. Dies ist sicherlich keine leichte Aufgabe, aber für die Nachhaltigkeit unerlässlich. Ziel der Liberalen ist es, langfris tig umweltehrliche Preise mit marktwirtschaftlichen Instrumenten zu erreichen. Zwingend ist in allen Sektoren die Steigerung der Energieeffizienz und die bestmögliche Förderung der erneuerbaren Energien. Das haben wir vor drei Wochen hier diskutiert.
Aber zusätzlich müssen wir alle große Anstrengungen im Bereich des Energiesparens unternehmen. Ich sehe, die Bewusstseinsbildung hat hier bei Weitem noch nicht überall stattgefunden. Hier sind alle Umweltschützer und die Politiker – wir sind gleichzeitig Umweltschützer – aller Ebenen aufgefordert, wirklich Jung und Alt anzustecken und mitzunehmen, damit sie beim Energiesparen mitmachen. Deshalb muss auch die Umweltbildung weiterhin verstärkt werden.
Hierzu hat beispielsweise vor wenigen Wochen der Besuch von jungen Umweltbotschaftern im Umweltausschuss gedient. Wir hatten dort eine wirklich sehr fruchtbare Diskussion mit sehr jungen, selbstbewussten Leuten, die mit Sicherheit auch gute Verteiler für diese gemeinsamen Ideen sind.
Ich mache stichwortartig einige Vorschläge für mögliche Initiativen der Landesregierung. Wir haben das CO2-neutrale Fliegen auf den Weg gebracht; das ist ein guter Anfang. Man könnte über CO2-neutrales Autofahren nachdenken, wie das neuerdings von den bft-Tankstellen angeboten wird. Das würde meines Erachtens sehr viel bringen. Oder man kann sich generell überlegen, wie ein Unternehmen sich freiwillig den Kioto-Regeln unterwerfen und jährlich 2 % Emissionen einsparen kann.
Ein kleines Beispiel hier direkt bei uns: Ich sehe oft, dass sowohl im Haus des Landtags als auch im Haus der Abgeordneten die Beleuchtung nicht optimal ist. Wir müssen hier auf Art und Notwendigkeit der Beleuchtung hinweisen – einfach auch vorleben.
Ein kurzer Abstecher zum Hochwasserschutz. Bei diesem Thema verwende ich ein Zitat sehr oft, weil es den Hochwasserschutz auf den Punkt bringt – es stammt von Dr. Henrichfreise vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn –:
Kein Raum darf überlastet werden, denn nur ökologisch verträglicher Hochwasserschutz ist ökonomisch und nachhaltig.
Meine Damen und Herren, zum Schluss komme ich zum Thema „Nachhaltigkeit der Finanzpolitik“, sprich Nullnettoneuverschuldung und Schuldenabbau. Zu diesen Zielen stehen wir voll. Die entsprechenden Forderungen wurden von uns schon lange gestellt. Auch Nullnettoneuverschuldung und Schuldenabbau stellen Generationengerechtigkeit her; auch dies sind wir den kommenden Generationen schuldig.
Es gehört auch zum „Kinderland“ Baden-Württemberg: Wir sollten die Mittel, die wir dadurch einsparen, dass wir bei abnehmenden Schulden weniger Zinsen zahlen müssen, für noch mehr Investitionen in die Kinderbetreuung verwenden.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch auf den „Stern“-Report und auf verschiedene Gutachten zum Thema „Kosten und Potenziale der Vermeidung von Treibhausgasen“ verweisen. Sinnvolle Investitionen zur Verminderung des Klimawandels sind ebenso zwingend, wie es der Schuldenabbau ist.
Lassen Sie mich deshalb noch einmal auf das ErneuerbareWärme-Gesetz zurückkommen, das für mich bezüglich der Nachhaltigkeit einen großen Stellenwert hat. Wir müssen bei den landeseigenen Gebäuden die energetische Sanierung vorantreiben. Diese Investitionen sind ökonomisch und ökologisch sinnvoll.
Das stimmt nicht. – Die daraus entstehenden Schulden sind mehrfach rentierlich. Außerdem leben wir damit vor; wir animieren Kreise, Gemeinden und Regionen – das Stichwort Bür
gernähe ist erwähnt worden –, ihre Bürger mitzunehmen. Gleichzeitig schaffen wir Arbeit für das Handwerk.
Ähnliches gilt für das Landessanierungsprogramm. Dieses Programm ist aus meiner Sicht sehr effizient in energetischer Hinsicht – gerade jetzt, wo Kommunen wieder mehr Geld haben, um Eigenanteile zu erbringen. Das Programm trägt auch zur Verdichtung der Orts- und Stadtkerne bei
Ich danke allen Akteuren, die an dieser Nachhaltigkeitsstrategie mitgewirkt haben. Wir werden die Projekte mit Interesse begleiten und unterstützen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mit folgenden Aussagen beginnen: Die heutige Debatte macht deutlich, dass Nachhaltigkeit als gesellschaftliches und politisches Leitbild akzeptiert ist. Generationengerechtigkeit zu sichern und Verantwortung für künftige Generationen zu übernehmen sind Prinzipien, nach denen wir unser Handeln ausrichten müssen. Über die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung sind wir uns einig. Wie gesagt: Ich wollte mit diesen Aussagen beginnen.
Nach gewissen Reden habe ich den Eindruck, dass es wie beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz zwei Fraktionen gibt, für die diese Aussagen uneingeschränkt gelten, eine weitere Fraktion – sie gehört der Opposition an –, die sehr nahe bei uns ist, und eine vierte, die sich wie schon beim Erneuerbare-Wärme-Gesetz wieder selbst verabschiedet hat und damit im Übrigen auch zeigt, dass sie unter ihrer derzeitigen Führungslosigkeit offensichtlich heftig zu leiden hat.